Das UNICEF Foto des Jahres ist ein bedrückendes Dokument. Es zeigt den 40 Jahre alten (aber älter aussehenden, Standesämter sind in Afghanistan nicht übermäßig genau) Mohammed F. mit seiner elfjährigen Verlobten. Ein beinahe ebenso bedrückendes Dokument ist der Artikel, den der niederländische Autor Leon de Winter für Spiegel Online verfasst hat.
Leon de Winter ist ein tragischer Fall. Ich erinnere mich an einen Text von ihm, der vor einiger Zeit im Magazin der SZ erschienen ist. Dort wunderte er sich darüber, dass man auf deutschen Bahnhofsplätzen mit Masturbationsaufforderungen konfrontiert wird. Ein Mann, den die obligatorischen deutschen Bahnhofsplatzpornokinos belustigen, kann kein schlechter Mensch sein.
Und tatsächlich liege ich mit ihm auch nicht weit auseinander, was die Analyse des Bildes angeht. Dem Mädchen wird eine furchtbare Zeit bevorstehen, was wir Leben nennen, das wird für das Kind nur Existenz sein.
Aber de Winter kann solche Gemeinsamkeiten nicht mehr sehen. Ihm geht es um Lagerdenken, ein Lagerdenken, das wir hier nur zu gut kennen von den Meinungsmachern von Politically Incorrect.
Bezeichnenderweise leitet er – genau wie Herre und seine Mitstreiter es für gewöhnlich tun – den Teil seines Textes, in dem sich seine Aussage verbirgt (dass nämlich das Bild beweist, dass der Krieg gegen Afghanistan gerechtfertigt ist), damit ein, dass er Political Correctness als die bestimmende (und fehlgeleitete) Kultur bezeichnet:
Ich denke, es gibt Kulturen, die rückwärtsgerichtet sind. In einem Zeitalter der Political Correctness ist dies ein verzwicktes Statement.
Ich denke auch, dass es rückwärtsgerichtete Kulturen gibt, halte dieses Statement aber nicht für verzwickt. Leon de Winter wendet sich gegen Relativisten. Ich gehöre auch nicht zu dieser kleinen Gruppe von Leuten, die eine blondierte Frau mit Silikonbrüsten im selben Maß für ein Opfer des Patriarchiats halten wie eine Frau, die in einer Burka eingesperrt ist. Ich halte es auch nicht für ein verzwicktes Statement, eine Kultur, die Menschenrechte entwickelt hat, als fortschrittlicher zu bezeichnen gegenüber einer Kultur, die Kinder verkauft. Ich halte es für ein verzwicktes Statement, politische Korrektheit zu diffamieren und Krieg als Lösung für Entwicklungsprobleme zu deklarieren.
Übrigens sind wir alle ein relativ großes Stück weit Relativisten, auch wenn wir es noch so sehr ablehnen. Hildegard von Anglachgau war dreizehn, als sie Karl den Großen heiratete, Karl selbst betrieb umfangreiche ethnische Säuberungen gegen die Sachsen, aber trotzdem ist das angesehenste Aachener Gymnasium nach ihm benannt, der wichtigste Preis, den die Stadt Aachen zu vergeben hat, ist der Karlspreis. Ein Beleg für die These, dass das Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins zwar in vielen Bücherregalen steht, aber selten gelesen wurde, ist die Tatsache, dass es keinen Aufschrei gibt, weil er schreibt:
Selbst Adolf Hitler, der die Grenzen des Bösen nach allgemeiner Ansicht in bis dahin unerforschtes Gelände ausweitete, wäre zur Zeit eines Caligula oder Dschingis Khan nicht sonderlich aufgefallen.
Denn dieser Satz belegt, wie relativistisch wir umgehen mit Geschichte. Sind erst ein paar Jahrhunderte vergangen, ist jedes Grauen Tradition.
Wie viele Bomben hätte man nun auf die fränkische Kaiserpfalz werfen müssen, damit die Franken Kinderrechte in ihre Gesetze aufgenommen hätten, demokratisch geworden wären und den Sachsen Religionsfreiheit gewährt hätten?
Wie viele Schicksale von afghanischen Kindern sind durch Daisycutter positiv beeinflusst worden? Wie viele afghanische Mädchen können Schulen besuchen, weil Leon de Winter Guantanamo für eine gute Sache hält?
Und dann ist die Empörung der Öffentlichkeit über die Behandlung der Gefangenen größer als die Einsicht, dass die Leute, die dort festgehalten werden, nicht bloß Autos geklaut oder mit Drogen gehandelt haben. Diese Art der „Kriegsführung“ ist uns von den Terroristen aufgezwungen worden.
Der fürchterliche Denkfehler ehemals liberaler Intellektueller, unsere Werte seien zu verteidigen, indem wir auf sie verzichten, weitet sich aus. Jeder, der ihnen widerspricht, ist nur Denksklave der vermeintlich herrschenden, blinden und tauben politischen Korrektheit, die dem Untergang unserer Werte hilflos gegenübersteht und sich wahnsinnigerweise für die Rechte von Verbrechern interessiert und edle Folterer verfolgt.
Gesetze der Logik werden bei diesem Lagerdenken gerne ignoriert. Denn natürlich ist das 2006 aufgenommene Bild gerade ein Beleg dafür, dass durch Krieg Entwicklung nicht beschleunigt werden kann. Krieg führen wir dort schon lange. Ich weiß nicht, wie das Schicksal dieses Mädchens von uns zu beeinflussen ist. Ich ahne, dass es ihm nicht helfen wird, wenn Tornados fliegen und Hass gesät wird. Aber was weiß ich schon, ich bin ja bloß verblendet von dem Glauben, wir müssten unsere Werte auch im Umgang mit „rückwärtsgerichteten Kulturen“ bewahren.
In welche Richtung marschieren „žwir“ denn, wenn nicht zurück?
Und warum eigentlich?
Vielleicht wäre es mal sinnvoll darüber nachzudenken wo wir uns momentan eigentlich befinden? In welcher Situation. Anstatt die ganze Zeit unseren moralischen Idealen hinterher zuhecheln.
@#620532:
gib mal einen tipp. in welcher situation denn?
guter text. wirklich.
nur das „aber was weiß ich schon…“ am ende hätte nicht sein müssen.
@Malte: Bravo! Selten hat mir was so aus der Seele gesprochen.
Würde gerne mehr kommentieren, aber dieser komische IE hier bricht die Zeilen
im Kommentarfeld nicht um
Und Kommentare editieren kann man auch nicht mehr?
@#620558: Kommt wieder.
Dieses Blog ist ja stets bekanntermassen gut…
Aber hier mag ich mich nur noch verneigen.
„“¦dass die Leute, die dort festgehalten werden, nicht bloß Autos geklaut oder mit Drogen gehandelt haben.“
Woher weiß er das denn?
„rückwärtsgerichtete Kulturen“
Vielleicht eher „Rückwärtsgerichtete Strömungen innerhalb von Kulturen“?
Ich ertappe mich manchmal dabei, auf den Tag zu warten, an dem die seit einigen Jahren vor sich hin schwurbelnde und schwabbelnde Bewegung der „politisch Inkorrekten“ (namedropping: Broder, de Winter, Herre, Koeppel, wtf) mal so eingehend analysiert wird, wie es heute die „68er-Bewegung“ wird.
Wie kam es dazu, daß diese Strömung in einigen Mediennischen so laut tönen konnte (Vergangenheitsform deswegen, weil ich dieser rein destruktiv strukturierten Weltsicht keine große Zukunft zutraue… drei,vier Jahre vllt. noch)? 9/11 als Angelpunkt und Zündfunke eines schon länger gärenden, aber ungeformten Bedürfnisses bestimmter Menschen, ihr Dagegensein zu artikulieren?
Gibt es sowas wie einen gemeinsamen Nenner, der die „Politisch Inkorrekten“ (Neokonservativen“ eint und sie gleichzeitig von anderen abgrenzt?
Gemeinsam ist ihnen der Haß auf den Islam und alles Orientalische, der in meinen Augen durchaus die Intensität des Judenhasses durchschnittlicher Antisemiten erreicht – Anschlußpunkt an die Neonazis. Auf der anderen Seite nahezu bedingungslose pro-israelische Einstellung – Anschlußpunkt an die antideutschen Adornojünger.
Weiterhin: Christentum, traditionelle Werte der Adenauer-Ära, Ablehnung von Fortschritt in sozialen Bereichen (nicht in technologischen) und Genörgel über traditionelle und überholt geglaubte Feindbilder (Linke, Arbeitslose, Schwule) – Anschlußpunkt an CDU/CSU.
Weiterhin: Strikte Befürwortung des „Nachtwächterstaats“, Ablehnung von Mindestlöhnen, Grundeinkommen etc., anti-ökologische Ideologie („Klimalüge“) – Anschlußpunkt an neoliberale Bewegungen und FDP.
Daß die meisten Vertreter des Neokonservatismus sehr aggressiv und auf Kontra und Feindbildgestaltung ausgerichtet publizieren, spricht m.E. dafür, daß sie ihre inhaltlichen Grundlagen selber als stark angreifbar wahrnehmen. Die „Nachbarn“ – einige Neoliberale zb. (B.L.O.G.) und moderatere Kritiker des common sense (Posener) – wirken in ihren Texten wie auch in der direkten Diskussion wesentlich souveräner und dialogbereiter, ohne das Bedürfnis des Ad Hominem, das man bei den „politisch unkorrekten Polemikern“ oft genug anstelle von Sachargumenten findet.
Irgendwo ein Soziologe anwesend, der noch ein Thema für die Doktorarbeit sucht?
„Wie viele Bomben hätte man nun auf die fränkische Kaiserpfalz werfen müssen, damit die Franken Kinderrechte in ihre Gesetze aufgenommen hätten, demokratisch geworden wären und den Sachsen Religionsfreiheit gewährt hätten?“
Die Religionsfreiheit der Sachsen und Kinderrechte in Franken sind ja auch nicht unblutig bezahlt worden. Der Vergleich hinkt ein wenig.
Zitate und ein paar knappe Bemerkungen dazu:
Das steht u.a. im Text, das zum von de Winter instrumentalisierten Bild gehört. Muss ich jetzt daraus schließen, dass die Politisch Inkorrekten vorhaben, demnächst Rajasthan zu zwangsdemokratisieren? Die Idee, gegen die extreme Armut was zu unternehmen, gilt in PI-Kreisen wohl schon als überholt, oder?
Okay zugegeben, das war jetzt zynisch. Aber Sachlichkeit fällt mir schwer, wenn mir so viel Heuchelei auf einmal aufgetischt wird.
Was ist mit Katalogbräuten und Zwangsprostituierten aus Fernost oder Osteuropa? Sextouristen? Kinderpornoringen? Das ist alles noch längst nicht Vergangenheit – auch nicht in den Teilen der Welt, die sich für fortschrittlich halten. Ich will erst mal einen Leon de Winter sehen, der den Finger in die noch offenen Wunden seiner ‚zivilisierten Welt‘ legt. Dann kauf‘ ich ihm vielleicht auch mal ab, dass dieses Mädchen auf dem Foto für ihn und seinesgleichen noch was anderes ist als bloß Munition für ihren heißersehnten ‚Kampf der Kulturen‘.
Volle Punktzahl für Unkenntlichmachung der Namen übrigens. Im ersten Satz isses „der Afghane Mohammed F.“, im dritten geht es um einen gewissen „Faiz“. Na, da hat doch jemand bei der BILD abgeschaut, oder? ;)
… und das bezog sich natürlich auf die Seite der UNICEF. Nervöser Mausfinger. Ganz fiese Krankheit.
Warum ist Leon de Winter ein tragischer Fall? Für mich ist er eine Stimme in einer Diskussion, die geführt werden muß — nicht mehr und nicht weniger.
De Winter und Konsorten legen durchaus den Finger in die Wunden der westlichen Welt.
Das läuft dann unter dem Stichwort „Untaten der grünrotbraunen Gutmenschen“. Im Zweifelsfall ist der ewige Linke an allem Schuld, vom Kinderpornoring bis PISA.
Rinks und Lechts, das ist halt irgendwie alles diskreditiert durch rechte und linke Totalitarismen. Da muss man sich schon allerhand zusammensuchen und hervorkramen aus allen möglichen Ecken, um die Moral aber ganz sicher auf der eigenen Seite zu wähnen. Klasse Artikel und auch ein klasse Kommentar von xconroy! BTW, ich halte allerdings die meisten da bei B.L.O.G. z.B. auch für ziemlich ideologisch verblendet, von Souveranität wenig bis keine Spur. Mir kommt das irgendwie alles so ein bischen vor wie „Extremismus aus der Mitte“.
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tja, wenn der Eindruck entsteht, Freiheit, Recht auf ein (halbwegs) selbstbestimmtes Leben, seien „unserere“ Werte, dann liegt doch schon da der fatale Irrtum. Freiheit ist kein westlicher Wert, sondern ein allgemeiner.
Es könten, sollten, müßten Werte für alle sein, die für jedes Land sein sollten.
Klar, ist Konjungtiv – aber ist ja auch Weihnachten, da darf man wünschen.
Man kann ja viel sagen und uns geht es definitiv besser, als den meisten anderen, aber man muss echt sagen das auch ich mich nicht frei fühle. Auch wir stecken irgendwo in einem Korsett und rennen diversen Dingen (meistens dem lieben Geld) hinterher.
Es ist natürlich schlimm, was in anderen Ländern alles möglich ist, aber andererseits denken das die Einwohner anderer Länder auch…
Welcher ist nun der richtige Weg? Ich denke da können alle in gewissen Aspekten voneinander lernen.
Ich finde sowohl de Winter als auch Welding lesenswert. Allerdings finde ich es keinen guten Stil, der ideologischen Gegenseite das Säen von Hass zu unterstellen. Das hat Welding in meinen Augen nicht nötig, denn auch er wirft interessante Fragen auf.
Warum wird über dem Artikel eigentlich das Wüstenbild und nicht das fragliche UNICEF-Foto gezeigt ? Das wäre doch weitaus passender. Habt Ihr Sorge, Eure Leser empfinden Mitleid für das Kind ?
Tatsache ist, daß wir nicht wissen, was mit dem Mädchen im Detail passieren wird. Es muss nicht so schlimm kommen, wie de Winter meint zu wissen.
Wahr ist, daß es auch in der westlichen Welt schlimme und grausame Schicksale von Frauen gibt.
Es läßt einen nicht kalt, aber was soll man tun. Außer es öffentlich anzuprangern, wie es die Fotografin getan hat? Afghanistan bekommt Wiederaufbauhilfe von uns, die wird an Auflagen gebunden sein. Schritt für Schritt wird sich auch dort was ändern. Die Menschen dort bekommen mit, was sonst noch in der Welt los ist. Sie werden sich auf Dauer nicht unterdrücken lassen.
Ich finde auch die anderen Fotos niederschmetterend. Zum Teil sogar mehr. Die Arbeitssklaven, die verkrüppelten Kinder.
Ja genau – Widerstand!
Daniel | http://www.widerstand.de
Naja,
schöne Freizeit und guten Jahreswechsel. ;-)
http://en.qoob.tv/video/clip_view.asp?id=657
@Xerxes : „Tatsache ist, daß wir nicht wissen, was mit dem Mädchen im Detail passieren wird. Es muss nicht so schlimm kommen, wie de Winter meint zu wissen.“
Dass Du in Weihnachtsstimmung bist ist gut und richtig. Aber das kannst Du doch wohl nicht ernst gemeint haben.
Verstehe mich bitte nicht falsch.
Ich finde es schrecklich, daß man ein Kind von 11 Jahren verheiratet. Geschlechtsreif kann sie fast noch nicht sein.
also ich finde bestandsaufnahmen auch erst einmal wichtig, da ich auch noch keine antworten gefunden habe. betandsaufnahmen in form von photos, film und text, die mir vermitteln, wie eine kultur aussieht und wie sie mit handy in der hand zum beispiel lebt, aber trotzdem noch andere rituale lebt, die nichts mit unserem kulturverstandnis zu tun haben. und ehrlich gesagt habe ich in der wissenschaftlichen literatur auch noch nichts brauchbares gefunden, was außerhalb einer bestandsaufnahme zu sehen wäre. braucht vermutlich noch zeit.
Ein sehr guter Artikel, Hut ab!
Zitat: „Der fürchterliche Denkfehler ehemals liberaler Intellektueller, unsere Werte seien zu verteidigen, indem wir auf sie verzichten, weitet sich aus.“
Vielleicht haben wir einfach zu viele Werte. Werte zu haben ist ja erstmal nichts positives abgesehen von dem Fakt des viele Werte davon zeugen, dass man viel Zeit hat, über Werte zu reden.
Sobald jedoch Handlungsnotwendigkeit erkannt wird, wodurch dahingedachte Werte in handfeste Zwecke umgemodelt (konkretisiert) werden, ist das Theater gross, wenn man all die wichtigen Werte auf einmal einem Zweck unterordnen will – es klappt nie. Sind wir für Leistung oder für ökologischen Umgang? Fortschritt oder Tradition? Viele Werte sind oft direkt widersprüchlich.
Direkt Helfen oder Souveränität anderer Achten? Angreifen oder Freiheit gewähren? Gesell. Integration durch Bildung oder Festigung von Familien?
Es ist ein ‚fürchterlicher Denkfehler‘, gefasste Werte, ohne Diskussion, über Bord zu werfen – das jedoch Werte im Handeln untergeordnet (und einige auch untergebuttert) werden, ist ein Gesetz der Praxis.
Über Praxis muss man streiten – daher ist der Artikel auch ganz großartig und macht doch sehr nachdenklich!
Die Idee einer Analyse dieser neuen rechten Szene und die ersten Resultate finde ich ziemlich gut. (Adorno könnte man vielleicht weglassen …) Ich würde noch die politische Gesamtkonstellation dazunehmen und fragen, ob da Rechte, die sich durch CDU/CSU (in der großen Koalition wie seinerzeit) nicht mehr repräsentiert sehen, die Sache in die eigenen Hände nehmen und sich zu einer Internet-Apo formieren.
Mir schwant jedenfalls, dass irgendwas ansteht in der Lücke zwischen Kanzlerin Merkel und den Rechtsextremisten. Das schreibe ich auch unter dem frischen Eindruck einer gestrigen Deutschlandradio-Sendung mit Hörerbeteiligung, die man im ersten Überschwang unter der Überschrift „Deutschland erwacht“ rezensieren möchte (natürlich nicht mit Bezug auf die Moderation). Thema waren natürlich Muslime (in Deutschland).
Richtig gute Überschrift (und beeindruckender Artikel). Vielleicht muss ein bisschen Hass ja generell wirklich sein?
Na ja. Ohne F16 und Tornados hätte es das Bild erst gar nicht gegeben. Die Taliban hatten’s nicht so mit Bildern.
Krieg als Lösung von Entwicklungsproblemen? Wohl eher nicht. Bestandsaufnahme aus Afganisthan sieht dann doch eher schlecht aus. Aber ohne den Krieg hätte sich’s Mr. Bin Laden dort weiterhin gut gehen lassen und uns noch ein paar Flugzeuge rüber geschickt.
Das Problem war ja nicht die Unterentwicklung, sondern der unbändige Hass auf uns Westler seitens Osama, Taliban und Co.
Manchmal gibt’s halt wirklich nur die Entscheidung zwischen Schlimm und Schlimmer. Ob das Abenteuer Afganisthan irgenwie gut ausgehen kann, darüber hab ich auch so meine Zweifel. Aber was wäre denn nach dem 11.9. die Alternative zum Einmarsch gewesen? Den Taliban-Botschafter einzubestellen und aufs schärfste zu protestieren?
@fpk:
Ohne MIG-23 und Tupolews und ohne Stinger-Raketen hätte es die Taliban nicht gegeben… und auch nicht Al-Quaida. Krieg, Gewalt, Terror – nichts daran ist gut oder nützlich, egal welche Motivation dahinter steckt.
Und ohne die Herrschaft der Taliban in irgendeiner Weise schönzureden: der (noch immer anhaltende) Krieg ändert nichts an der Gesamtsituation. Die Taliban sind noch da, die Al-Quaida ist noch da und das hasserfüllte Denken dieser Gruppierungen und der Hass der Bevölkerung auf den Westen ist auch noch da. Trotz F-16 und Tornados.
Zum Artikel:
Ich bin weder der Meinung, dass es sich um Lagerdenken noch um politisch korrekte oder inkorrekte Ansichten handelt, um die es hier geht. Es geht nur um Richtig oder Falsch. Im tiefsten Inneren kennen wir alle den Unterschied, wissen wir alle was Gut oder Böse ist. Nur die vielen sich selbst bedingenden schlechten Eigenschaften des Menschen verhindern ständig, dass wir aufrichtig und erhobenen Hauptes für das Richtige und Gute einstehen. Diese schlechten Eigenschaften sind u.a.:
Gier
Angst
Feigheit
Arroganz
Geltungssucht
Faulheit
Einsamkeit
und es gibt noch viele mehr…
Einige davon treffen – so wie ich seinen Artikel lese – auf Leon de Winter zu. Und auf die ganzen anderen armen Seelen wie Broder und Konsorten.
Auf jeden Fall: ein sehr guter Artikel mit einer für mich grundlegend nachvollziehbaren und unterstützenswerten Aussage.
Zunächst einmal danke für den Artikel.
Eine Auseinandersetzung mit de Winter und PI ist überfällig. Wenn man die Kommentare auf PI liest, kann man sich nur wundern, dass sich anscheinend noch heute nicht gerade Wenige mit einem simplen, mit intellektuell klingenden Formeln dekorierten, Schwarz-Weiß-Weltbild identifizieren können. Sollten wir das nicht besser wissen?
In der Auseinandersetzung mit diesen Leuten sollte aber auch nicht aus den Blickfeld geraten, dass die Probleme, die de Winter & Co. so handlich vereinfachen, nicht durch andere Vereinfachungen weg diskutiert werden können. Kinderheiraten z.B. sind ein kulturelles Phänomen, d.h. sie sind historisch, sozial, religiös, wirtschaftlich usw. usw. bedingt. Wie man sie im Einzelfall bewertet, hängt einerseits vom eigenen Standpunkt ab – der ebenfalls historisch, sozial, religiös, wirtschaftlich usw. bedingt ist -, zum anderen von den konkreten Bedingungen des Falles, den man betrachtet.
Beispiel gefällig? Kinderheiraten gab es auch in der europäischen Geschichte, z.B. im Mittelalter. Sie wurden teils aus wirtschaftlichen, teils aus „moralischen“ Gründen geschlossen: Mit den Kindern wurde über Land, Geld etc. verfügt. Gleichzeitig meinte man, dies sei ein gutes Mittel, sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe zu verhindern. Der Wille der Kinder war so oder so ohne Belang.
Hätte nun ein damaliger Mensch das UNICEF Foto des Jahres gesehen, hätte er sich vermutlich nicht sehr gewundert. Solche Verbindungen wären ihm ja vertraut gewesen. Wir hingegen lehnen solche Verbindungen ab. Sollten wir uns nicht auch fragen, warum, und wie wir da hin gekommen sind?
Mir geht es dabei um keinen wie auch immer gearteten „Relativismus“. Was ich meine, ist, dass wir auch Zeit und Wissen gebraucht haben, bis wir an dem Punkt waren, z.B. Kinderheiraten nicht mehr akzeptabel zu finden. Vielleicht sollten wir uns den Weg, den wir gegangen sind, einmal näher ansehen.
Vor allem sollten wir uns ansehen, was diesen Weg für uns lohnend gemacht hat. Denn ob ein Weg sich lohnt, entscheidet darüber, ob er gegangen wird.
Wenn wir wollen, dass andere ihre Traditionen, z.B. die der Kinderheirat, ändern, ihre Vorstellungen also unseren anpassen, dann sollten wir uns überlegen, welchen Gegen-Wert wir ihnen dafür anbieten können. Und damit meine ich weder Wirtschafts“hilfe“ noch Waffen.
@Head
Dass Krieg nicht „gut“ ist eine etwas triviale Aussage. Und dass der Krieg gar nichts gebracht hat, da bin ich nicht ganz deiner Meinung. Sähe doch etwas anders aus, wenn die Jungs da noch so ungestört wie früher Bomben bauen lernen könnten. Und ein paar Mädchen weniger würden wohl auch in die Schule gehen.
Ne andere Frage ist es, ob der Einmarsch eine langfristige Entwicklung zum Besseren eingeleitet hat. Da bin ich mir auch nicht so sicher.
Aber was wäre dann deine konkrete Reaktion auf den 11.9. gewesen, außer darauf hinzuweisen, dass Krieg keine Lösung ist?
… Oft ist ein Schritt nach hinten ein Schritt nach vorn :) …
Herr de Winters, wie kommen Sie eigentlich darauf, dass wir in einer Ära politischer Korrektness leben? Ihre Position zu diesem Bild versuchen Sie mit einem Gleichzeitigen Unterschieben einer Zustimmung des Leser zu Grausamkeiten UND PC-Fraktionszwang auf die moralisch richtige Seite zu hieven und damit automatisch all diejenigen zu verurteilen, die auch nur geringste Zweifel an der moralischen Überlegenheit des Westens haben.
Diese Methode neoliberaler Moralverteidigung ist nun aber auch schon in die Tage gekommen. Bewährt hat sie sich nicht, Herr de Winters, und deshalb wird diese, genauso wie Sie, sang und klanglos im Strom der Geschichte verpuffen.
Guten Rutsch!
@fpk
Krieg ist niemals eine Lösung gewesen, Krieg ist ein Problem. Egal mit welcher Motivation und mit welcher Rechtfertigung er geführt wird.
Und egal wie man dazu stehen mag: der Krieg gegen den Terror in Afghanistan ist jedenfalls in keiner Weise erfolgreich. Bin Laden ist nicht gefasst, Bomben explodieren weiterhin überall auf der Welt.
Ich bin mir mehr als sicher, dass Terrorismus und die zugrundeliegende Verblendung nicht mit Krieg zu bändigen ist. Hat noch nie funktioniert in der Weltgeschichte und wird auch nie funktionieren.
Zum Thema Reaktion auf den 11. September: diejenigen, denen dieser Anschlag gegolten hat sollten sich mal überlegen, warum das passiert ist und ob man sich nicht lieber – anstatt die Symptome zu bekämpfen – den Ursachen widmen sollte. In der Medizin weiss man das schon lange…
@Kopf
Etwas einfache Weltsicht. Und viele Plattitüden.
Krieg ist also keine Lösung? Was soll das heißen? War der Krieg gegen Nazi-Deutschland „keine Lösung?“ War der Krieg gegen die Franco-Faschisten „keine Lösung?“
Und zu deiner Information: Die Leute, „denen dieser Anschlag gegolten hat“, sind tot.
Aber halt dich nicht zurück. Was sollten sie sich denn bezüglich Ursache und Symptomen und dem, was „die Medizin“ dazu gesagt hätte, überlegen, könnten sie das noch.
toller text, respekt.
Erst mal Hut ab, der Text geht absolut in Ordnung.
De Winter und Gleichgesinnte schreiben durchaus lesenswerte Artikel, allerdings kann ich seine Meinung über Guantanamo nicht teilen.
Er sollte sich mal vor Augen führen, was die Amis dort veranstalten. Die sperren einfach so die Leute weg, ohne jegliche Rechte und ohne auch nur ansatzweise über eine mögliche Anklage geschweige denn ein faires Verfahren nachzudenken. Mir es es nach wie vor schleierhaft, wie der Kongress den patriot act abnicken konnte….
BTW @Iris: „Muss ich jetzt daraus schließen, dass die Politisch Inkorrekten vorhaben, demnächst Rajasthan zu zwangsdemokratisieren?“
Rajasthan ist eine indischer Bundesstaat und Indien eine parlametarische Demokratie (vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Indien#Politisches_System); also nix mit „Zwangsdemokratisierung“
@mik:
Vielen Dank für die Belehrung. Allerdings war das mit der Zwangsdemokratisierung ironisch gemeint. Die (von mir hier gemeinte) Form von ‚Zwangsdemokratisierung‘, wie sie von Bush & Co. bspw. in Afghanistan und Irak durchgeführt (und von de Winter & Co. propagiert) wird, hat mit Demokratie imo ungefähr so viel zu tun, wie der alljährliche Weihnachtskonsumterror mit einem ‚Fest der Liebe‘ ;o).
@fpk:
Du offenbarst hier m.E. selbst eine etwas einfache Weltsicht – bespw. in Fragen wie dieser:
Lösung für was? Falls Du Dich auf das ‚Problem‘ Nationalsozialismus beziehst, war er zumindest keine endgültige Lösung. Denn Nazis gibt’s in Deutschland immer noch, oder? Wenn man Ideologien wegkriegen (im wahrsten Sinne des Wortes) will, geht das imo nur auf eine Art wirklich sicher: Es darf keine Überlebenden geben.