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Schleichende Werbung: Der Unterschied zwischen Andrea Kiewel und Reinhold Beckmann

Blogmedien, das Blog von Horst Müller, Professor für Redaktionspraxis im Fachbereich Medien an der Hochschule Mittweida, schrieb schon am 28. Januar, was jetzt die Runde macht. Dass nämlich Andrea Kiewel die Runde vom Dienst aus professionellen Gründen gab.

Was Kerner und die Redakteure seiner Sendung wohl besser wissen müssten. Fernsehkollegin Andrea Kiewel ist keinesfalls eine Zufallskundin der Weight Watcher. In den vergangenen Jahren war sie wiederholt für das Unternehmen im Einsatz. Am 26. Januar 2004 präsentierte sie in Hamburg die Weight Watchers Gala „Celebrate Yourself“. Ein Jahr später – am 1. Februar 2005 – moderierte sie für das Unternehmen eine Diskussionsrunde. Thema: „Wie besiege ich den berühmten inneren Schweinehund?“ Zeitnah zu ihrem Auftritt bei Kerner verbreitete die Pressestelle von Weight Watchers jetzt ein Interview mit Andrea Kiewel in dem sie unverhohlen für die Aktion Power Start wirbt.

Ich kann zu Andrea Kiewel ansonsten nichts sagen, gerade weil sie immer, wenn ich sie auf dem Bildschirm gesehen habe, zum Thema „Ich war mal fett und jetzt sehe ich aus wie jemand, der mal fett war“ Aussagen machte. Dieses Thema löst bei mir einen Umschaltreflex aus, der durch Kiewels mandelnzeigende Fröhlichkeit nicht abgemildert wurde.

Kiewel interessiert mich nicht. Mich interessiert, was jetzt mit Reinhold Beckmann passiert. Über den berichtete Blogmedien nämlich ebenso, wobei Müller dieses Mal einen Artikel aus dem Tagesspiegel aufgriff. Reinhold Beckmann hatte in eine Sendung zum Thema Rentenvorsorge Nina Ruge eingeladen, die wie Beckmann selbst als Testimonial für die WWK wirbt. Die WWK bietet eine private Rentenversicherung an. Auch Zapp nahm sich des Themas an. Aber der erwartbare Wirbel blieb aus.

Angesichts des Transkripts der Sendung, das Das ganze Werk erstellt hat, ist das erstaunlich.

Der ebenfalls eingeladene Norbert Blüm geriet ins Kreuzverhör der Testimonials Ruge und Beckmann:

Ruge: Glauben Sie tatsächlich, dass das finanzierbar ist, das System jetzt?
Blüm: Ja. Ja…
Ruge: Wie viel Milliarden hat der Bund jetzt schon letztes Jahr dazu geschossen?
Beckmann: Zugebuttert laufend in den letzten Jahren. Jetzt verhält sich der Beitrag von 19,4 auf 19,9… [= falsche Zahlen an dieser Stelle, es geht nicht um den Beitragssatz der Versicherten, tc]
Blüm: Das will ich auch Ihnen erklären. Dieser Bundeszuschuss ist Abgeltung der versicherungsfremden Leistungen. Die Rentenversicherung zahlt nämlich Leistung, die gar nicht ihr Aufgabengebiet ist. Insofern entgeltet der Bund…
Ruge: [unterbricht] Fein, aber die Milliarde ist gezahlt worden. Und das wird jedes Jahr mehr.

Warum das ZDF sich von Kiewel getrennt hat, die ARD aber unverdrossen an Beckmann festhält, warum eine abnehmende Moderatorin ein gewichtigerer Fall ist als ein zunehmend unerträglicher Moderator – vielleicht wird das ja in der nächsten Sendung mit der Maus erklärt. Muss ich übrigens damit rechnen, dass Procter & Gamble den Beitrag „Wie wird eigentlich Zahnpasta gemacht?“ in Auftrag gegeben hat?

14 Kommentare

  1. 01
  2. 02

    …knusper knusper knäuschen, wer häuchelt in mein häuschen?

    (da, hinter dem gartenzaun, ein gartenzwerg mit roter mütz…, nein, jetzt sieht man es besser, das ist ein iro…)

  3. 03
    Jem

    ööööödeeeeee

  4. 04
  5. 05

    Was ich im Rahmen der ganzen Schleichwerbe-Debatte nie begriffen habe: Die meisten Gäste aus der künstlerischen Ecke (Musik, Literatur, Film) kommen doch auch nur in Talkshows, um irgendein neues Produkt zu promoten. Der neue Film ist angelaufen, die neue CD / Tournee soll gepusht werden oder ein neues Buch ist fertig. Und darüber wird dann wohlwollend gequatscht. Sonnenklar, dass das der einzige Grund für den Besuch ist. Seit Jahren absolut gängige Praxis. Aber scheinbar völlig unproblematisch. Warum?

  6. 06

    @#621434:
    der unterschied: die leute kommen in die shows und sagen: hier ist mein produkt, das ist super. das ist keine schleichwerbung, das ist werbung. das ist fernsehen.
    wenn ich aber sage: jetzt geht es um politik, in wirklichkeit aber verkaufe ich eine versicherung, dann ist das schleichwerbung.

    @#621319:

    du denkst ja genauso schlecht wie du dichtest

  7. 07

    @#621446: Leuchtet mir nur begrenzt ein. Denn meist geht es ja zunächst umd das Leben des Künstlers, wie er sich gerade fühlt und wie er dieses oder jenes aktuelle Thema sieht. Und dann schwupdiwupp hat er/sie ja auch noch zufällig gerade in dem Film von dem tollen Regisseur mitgespielt und dann wird über die tolle Erfahrung und das tolle Team fabuliert…
    Das ist m.E. fast genauso verlogen wie die Weight Watchers Nummer.

  8. 08
    Der Unterschied ist:

    „žAlso Weight Watchers geht gar nicht!“

    (leider ist der nicht von mir, den hab ich grad beim Stefan N. in den Kommentaren gefunden.)

  9. 09

    @#621480:

    habe ich jetzt so geklungen, als würde ich das besonders gut finden? ich finde es auch anstrengend, aber das spiel ist immerhin recht deutlich. außerdem gibt es da übergänge, man könnte fast sagen: schleichende. als ich zum beispiel willi winkler zu seinem raf-buch befragt habe, mag er sich auch über den werbe-effekt gefreut haben, schließlich ist auch ein gutes buch ein produkt. aber nicht zu erwähnen, dass er ein buch geschrieben hat, wäre auch keine lösung gewesen.

  10. 10

    …ja, so bin ich: schlecht, aber schlicht. und immer ein sandkorn am hühnerauge der koryphäen…

  11. 11
    Maltefan

    Boah ist das Foto fies.

  12. 12
    Jan(TM)

    Beckmann ist keine Frau und auch nicht aus dem Osten.
    BTW der MDR hatte doch auch kein Problem damit die miserable Pfundskur der AOK zu promoten, incl. extra Sendungen und so dem obskuren Prof. Volker Pudel massenweise Geld nachzuwerfen.

  13. 13
    Wolfy

    … und in Krimis wird doch auch immer Werbung für die Polizei gemacht (hihi), in Nachrichten für die Regierung oder die SPD, wenn sie sich mal wieder was neues Einfallen lässt oder für die CSU, wenn die sich was garstiges einfallen lässt oder für die F.D.P., wenn sich Westerwelle was hübsches einfallen lässt. Also ährlich, die Nachrichten sind doch verseucht von Schleichwerbung (Propaganda).

  14. 14

    das ist echt schlecht. Aber man sagt ja schlechte werbung gibt es nicht solange man darüber redet.