Eines der größten Missverständnisse im Bezug auf Videospiele stellt in meinen Augen die Aussage dar, Games seien »eine Art interaktiver Film«.
Die Idee dahinter ist klar: Es bewegt sich was, und das Geschehen findet auf einem Bildschirm, wenn nicht sogar auf dem heimischen Fernsehgerät statt. Spiele bedienen sich zudem künstlerischer Mittel, die auch im Film zum Einsatz kommen, wie etwa gewagte Kameraeinstellungen, schnelle und unkonventionelle Schnitte, Untertitel (ha!).
Aber genausowenig, wie Teletext ein interaktiver Stummfilm ist, und es sich bei Call-in-TV um ein Kammerspiel handelt, sind Videospiele »interaktive Filme«. Wenn überhaupt, dann sind es interaktive Comics.
KA-WUMM!
Das fängt schon bei den Hauptfiguren an. Egal, um welches Genre es sich handelt, die klischeehaften Überzeichnungen, sowohl in Körperbau als auch in charakterlichen Eigenschaften, entspringen in der Regel den Skripts der klassischen Superhelden-Strips bzw. Mangas.
Die muskelbepackten Macho-Typen der Standard-Shooter, samt ihrer eintönigen Coolness und platten Sprücheklopferei, haben ihre Entsprechung nicht etwa in von Arnold Schwarzenegger und… na, Dingens… Rambo… Sylvester Stallone gespielten Krokodil-Hirnen, sondern in den abziehbildartigen 08/15-Helden aus amerikanischen Comicproduktionen.
Die Ähnlichkeit funktioniert anders herum: Schwarzenegger ist der Hulk in blass, so sieht’s nunmal aus. :)
Auch die Geschichten, mit denen wir in Videospielen konfrontiert werden, haben mehr Ähnlichkeit mit Comicstrips als mit jeder Art von Film, Action-Filme eingeschlossen. Intros und Settings, Konflikte und Konfliktlösungen, emotionale Tiefe und Gewalt, Rollenvorgaben, Klamotten, Twists und Auflösungen, Effekte und alles Übermenschliche — wer unter Comics nicht bloß Â»Tim und Struppi«, »Lucky Luke« und »Donald Duck« versteht, kann unmöglich widersprechen.
Selbst ein Großteil der eingesetzten filmischen Mittel entspringt dem (ehemals ähnlich stigmatisierten) Medium Comic. Lange, bevor es technisch auch nur ansatzweise realisierbar war, experimentierten Comic-Zeichner und Autoren mit den unmöglichsten Blickwinkeln, ließen ihre Figuren die wahnwitzigsten Stunts vollführen und erschufen — voll-analog — die phantasiereichsten Welten, Monster und Kostüme.
Die Grenze: Stift, Papier und Vorstellungskraft.
Der Film hinkte zwangsweise hinterher, und in vielen Bereichen tut er das auch heute noch. Selbst die aufwändigste CGI-GreenScreen-Sonstwas-Produktion reicht nicht annähernd an das heran, was in Comics möglich ist.
Oder in Videospielen.
Ich schreibe das auf, weil mir der ewige Vergleich von Spiel und Film nicht nur gehörig auf die Nerven geht, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass sich unser heißgeliebtes Freizeitvergnügen einen Bärendienst erweist, wenn es versucht, den Film zu imitieren.
Heraus kommen dann nämlich Games wie »Fahrenheit«, bei denen zwar der Spiegel jubelt, alle anderen aber vor lauter Langeweile ungenüsslich einschlafen (oder es nur aufgrund falsch verstandenen »Kunstbewusstseins« durchspielen).
:P
Eins noch: Spielumsetzungen von Comicverfilmungen sind wie Buntstift-Zeichnungen von Gemäldefotos. Braucht, na?