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Noch hält es

Heute habe ich geträumt, dass mein bester Freund sich auf großer USA-Tour in ein junges Mädchen verliebt. Wir befanden uns in einem wunderschönen Indian-Summer-Szenario, er hatte sie auf MySpace entdeckt und ihr Liebesbriefe geschrieben und in der Realität war sie noch viel hübscher als auf den MySpace-Fotos (an dieser Stelle hätte ich merken können, dass ich träume, aber darum geht es jetzt nicht).

Mir blieb nicht viel, denn ihre beste Freundin war selbstverständlich hässlich, also habe ich mich der Landschaftsfotografie gewidmet. Es war ein guter, wenn auch sexuell enttäuschender Traum, bis mein Freund aufgelöst zu mir kam, denn das Mädchen war erst siebzehn und uns drohte beiden Gefängnis, ihm wegen Kinderschänderei, mir, weil ich der Freund eines Kinderschänders war. Ein paar Tage zuvor habe ich im Traum mit Tennisbällen Fußball auf einem Flughafengelände gespielt. Das wurde als terroristischer Akt gewertet und ich wurde verhaftet. Man kann durchaus sagen, dass die freie Welt in meinem Unterbewusstsein angekommen ist.

Ich trete auf die Straße und die Kirschbüten, die mir entgegenwehen, sind in Wirklichkeit Schnee. Das Verfassungsgericht hat uns wieder einmal beschützt.

Der Staat darf nur auf Verbindungsdaten zugreifen, wenn
eine im Einzelfall schwerwiegende Straftat vorliegt.

Das Grundgesetz ist Grundlage unseres Zusammenlebens, es ist das, was uns von unseren grunzenden Vorfahren unterscheidet. Von Politikern wird es allerdings zusehends als Zaun empfunden, der sie in ihrer Kreativität behindert. Die Velociraptoren in Jurassic Park greifen den elektrischen Zaun, der sie umschließt, nie zweimal an derselben Stelle an. Politiker sind anders, sie gehen vor wie die Wikinger. Sie stoßen immer wieder zu in der Hoffnung, dass der verdammte Schutzwall irgendwann nachgeben wird.

Gestern hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in munterer Verkennung der staatlichen Neutralitätspflicht gegenüber Religionen entschieden, dass das Kopftuch einer muslimischen Lehrerin im Gegensatz zur Nonnentracht untragbar ist. Auch in diesem Fall wird das Verfassungsgericht am Ende der Klägerin recht geben. Denn noch hält das Grundgesetz den Angriffen stand. Man sollte aber niemals die Beharrlichkeit von Wikingern unterschätzen.

10 Kommentare

  1. 01
    Stefan

    Äh, bitte?
    Das BVerfG hat uns „beschützt“?
    Indem es die *pauschale, verdachtsunabhängige, anlasslose Massenspeicherung* von Telekommunikationsverbindungsdaten in seiner Eilentscheidung als zulässig erklärt?

  2. 02
    lana

    ein guter tag für den datenschutz: das bundesverfassungsgericht erklärt maltes verhaftungsphantasien für unzulässig. unvereinbar mit dem grundgesetz, das uns in der weldingwelt von grunzenden vorfahren unterscheidet, ist nun auch netzterroristin thekla.

  3. 03
    Maltefan

    @#672227: Hast Du ein anderes Urteil als ich? In der Hauptsache ist doch noch gar nichts entschieden worden:

    Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in anderen Entscheidungen immer wieder betont, dass schon das Datensammeln an sich die Bürgerrechte einschränke und einen Einschnitt in das informationelle Selbstbestimmungsrecht darstelle. Über die Verfassungsmäßigkeit der Speicherung an sich will Karlsruhe nach eigenen Angaben aber erst im noch ausstehenden Hauptverfahren ein Urteil fällen.
    http://www.heise.de/newsticker/Bundesverfassungsgericht-schraenkt-Vorratsdatenspeicherung-ein–/meldung/105284

  4. 04

    Kleine Erklärung zu Dreier: Dreier ist Rechts-„Wissenschaftler“ und Rechts-„Philosoph“ und als solcher muss er sich Gedanken über Dinge machen, die in der Praxis nichts zu suchen haben. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft weiter zu denken und aus möglichst allen Blickwinkeln zu betrachten. Das ihm daraus ein Strick gedreht wird, halte ich für dumm. Ohne Zweifel gehört er zu den brilliantesten Staatsrechtlern, die wir zZ haben.
    Die Union und manche Medien haben ihn zu einem Folter-Befürworter, -Verteidiger und – Vertreter gemacht, was aber so einfach nicht stimmt.

  5. 05

    Malte, meinst du nicht manchmal, dass deine kleine Welt ein bisschen doll simpel ist?

  6. 06
    Tyler

    Der Unterschied zur Nonnentracht ist, dass diese in der Regel keine Beamte sind. Nonnen/Mönche in Ordinatstracht sind auch eher eine seltene Kuriosität, während die Verschleierung des weiblichen Haupthaares für jede Muslima obligatorisch ist (bzw von reaktionären Kräften so ausgelegt wird).

  7. 07
    Bruno

    @Christoph: Ich pflichte der Frage bei. Seine ganze Hoffnung auf die Gerichte zu setzen empfinde ich schon als etwas arg. Ich glaube auch nicht, dass sich eine politische Frage – und die ist hier ja auch völlig untergegangen – juristisch lösen lässt.

    Ganz zu schweigen davon, dass das BVerfG auch schon mal weniger freundlich entschieden hat.

  8. 08
    PiPi

    Das nehme ich aber mal nicht ganz Persönlich_):
    http://www.welt.de/politik/article1812515/Muslimische_Lehrerin_darf_kein_Kopftuch_tragen.html

    Und?

    Die „älteren“ Frauen auf von der ‚Alb‘ tragen traditionell ein Kopftuch.
    Ebenfalls wird wie bei den Orthodox Gläubigen bei einem Todesfall
    Schwarz getragen.

  9. 09

    „Ich trete auf die Straße und die Kirschbüten, die mir entgegenwehen, sind in Wirklichkeit Schnee.“

    Ein wunderbarer Satz. :)