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Angst und Schrecken

Bitte lächeln!

Foto: u-JU

Ich war bis vor einigen Jahren, wenn ich das so sagen darf, ein echter Hosenscheißer. Ich habe mich z.B. früher nicht in unseren Keller getraut, und ich konnte Ewigkeiten nicht alleine durch ein bestimmtes Waldstück am Stadtrand.

Hätte ja was passieren können. Irgendein wahnsinniger Motor-Sägen-Typ, der zwei Wochen hinter einem Baum auf sein Opfer gewartet hat, und nun endlich zuschlagen… anfallen… Einzelteile… auch egal.

Oder halt Zombies. Tierzombies.

Ich habe mich nachts schnell gefürchtet, hatte echtes Muffensausen, und immer musste irgendjemand vorangehen. Da runter. Ins Dunkel. Nur für den Fall, dass da etwas lauerte. Im Keller. Hinter der Tür. BUH!

Ich habe mich oft gefragt, woher das kam, also ob das z.B. durch Filme oder Geschichten begünstigt war, oder ob ich einfach nur Angst hatte, weil vielleicht meine Oma schon Angst hatte und mich stets vor sonstwas warnen wollte.

»Geh nich allein in den Park, hörst Du…«

Vermutlich war es ein Mix aus allem, nicht zuletzt auch BILD-Zeitungs-Headlines an den Kiosk-Auslagen: »Die Bestie von der Nidda; wieder zwei Frauen Opfer des Schrauebenzieher-Mörders« usw.

Da braucht’s keine Horror-Filme oder -Spiele, davon träumt man auch so schon schlecht genug.

Einen radikalen Schnitt in meinem Schisser-Leben stellte dann jedoch tatsächlich ein Film dar. »The Blair Witch Project«, eine Pseudo-Doku von 1999, mit viel Bohei via Internet angefüttert, und gerade erst gestartet. Ein Freund aus Frankfurt war zu Besuch, und er wollte unbedingt in diesen Film, also schleppte er mich da rein.

Es war die Spätvorstellung, letzte Vorführung am Tag. Und während ich zu Beginn noch sowas dachte wie »totaler Käse, man merkt ja wohl, dass das nicht echt ist«, hing ich spätestens nach der zweiten Nacht-Szene, mit den fiesen Geräuschen, dem vielen Herumgekreische und vor allem der ganzen Dunkelheit und dem verwackelten aus-dem-Zelt-Gerenne zitternd im Kinosessel.

Die letzte Einstellung, also die Nummer mit der Kamera auf dem Boden und dem Jungen, der, den Kopf gesenkt, in der Ecke steht, werde ich wohl nie vergessen.

Buah, kalte Schauer…

Wie auch immer, nach dem Film wollten wir nach Hause, und weil kein Bus mehr fuhr, mussten wir laufen. Wir unterhielten uns den ganzen Weg lang über unsere Eindrücke, und wie fürchterlich dieser Film gewesen war, und dass wir vermutlich nie wieder in unserem Leben auch nur in die Nähe einer Hütte oder überhaupt in einen Wald gehen würden. Dabei schauten wir uns ständig um, teils aus Spaß, teils aus… naja… es war schon irgendwie merkwürdig, so ganz allein auf der Straße.

Dann, kurz vorm Ziel, kamen wir an ein kleines Parkstück. Tagsüber wünderschön, hohe, alte Bäume, am Ufer der Alster, es gibt kleine Schotterwege, ein paar Holzbänke, einen Bootssteg samt Anleger und Wartehäuschen.

Da mussten wir durch. Es war stockfinster, nur ein paar Laternen, Straßenbeleuchtung, und alles, was wir sehen konnten, waren Baumsilhouetten, das Alsterwasser und… den Umriss des Wartehäuschens.

Wir hatten beide überhaupt keine Lust, weiterzugehen, aber wir mussten, wenn wir nicht einen riesigen Umweg gehen wollten. Augen zu und durch, sagten wir, gingen los, schauten nicht nach links, nicht nach rechts, nicht nach hinten, schon GAR nicht nach hinten.

Nach etwa der Hälfte des Weges blieb mein Kumpel stehen und zeigte auf das Wartehäuschen: »Also das… das ist echt hart da. Da sitzt doch jemand drin.«

Ich konnte nicht viel sehen, mein Herz überschlug sich, ich wollte weiter, das Häuschen war mir egal, und ob da jemand saß oder nicht, war noch egaler. Außerdem saß da niemand.

»Da sitzt keiner.«

»Doch. Nicht? Was ist denn… da sitzt doch einer!«

Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das ein blöder Scherz war, also ob er mir Angst machen wollte, oder ob er wirklich meinte, jemanden zu sehen, jedenfalls bewirkte es bei mir einen plötzlichen Zustand absoluter Coolness.

»Komm, lass gucken.«

Und so stapfte ich los. Mir war alles egal, ich hörte nicht auf das Gezeter hinter mir, ich dachte weder an irgendeinen Axtmörder noch an die Oberpeinlichkeit, der wir womöglich ausgesetzt würden, wenn wir da im Wartehäuschen zwei Turteltäubchen aufschreckten — ich ging einfach los und zu dem Steg und auf den Steg und zu der Hütte und dann saß da… niemand.

Und alles war ruhig. Und friedlich. Und wahnsinnig entspannend.

Da standen wir also, mitten in der Nacht, auf einem Bootssteg an der Alster, guckten abwechselnd aufs Wasser und in den hinter uns liegenden Park. Die Angst war weg, verschwunden, alles war gut und irgendwie ganz normal. Zwei Typen, die nachts auf einem Bootssteg standen. Die Monster waren entweder im Bett oder erfroren.

Seitdem habe ich noch mehrmals die Gelegenheit genutzt, meine Furcht vor der Dunkelheit zu überwinden, und es ist mir mit jedem Mal einfacher gefallen. Ich stand sogar schon ganz alleine mitten in einem Wadstück, an einem Abhang, irgendwo in einem Kuhkaff im Odenwald.

Denn… wenn sich irgendwo ein Irrer mit Kettensäge herumtreibt, dann doch wohl da. ;)

Meine Angst habe ich also ganz gut im Griff, und ich gehe mittlerweile sogar recht gerne in fremde Keller. Mit einer Ausnahme: Habe ich einen gruseligen Film gesehen oder ein Horror-Spiel gespielt, kommt alles wieder, und ich bekomme schon von den leisesten, unzuordnenbaren Geräuschen eine Gänsehaut und muss mich durchaus überwinden, dunkle Ecken zu betreten.

Weswegen ich auch versuche, gruselige Filme und Horror-Spiele weitestgehend zu vermeiden.

Ich frag‘ mich eh, was uns dazu treibt, uns ohne Not diesen Ängsten auszusetzen, und was genau daran Spaß macht. Denn den macht es ja… irgendwie.

Nachts. Mit Kopfhörer. Alle Lichter aus.

Klicke-di-klack…

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