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The defintion of love

Das Pärchen von gegenüber – sagt man da Pärchen? Die beiden Herrschaften sind schließlich schon weit jenseits der 70. Pärchen klingt nach Pubertät, nach Händchen halten, nach harmlosen 5 Tagen Rumgeknutsche, nicht nach 50 Jahren Rumgelebe. Aber doch, Pärchen passt doch: Pärchen klingt süß. Und süß, das sind die beiden.

Und alt. Er hats in der Hüfte, vor drei Jahren hat man ihm ein Gelenk eingebaut, seither stakst er beim Gehen. Vielleicht quietscht es im Schlaf, ich weiß es nicht, kann es mir aber gut vorstellen. Er stützt sich immer auf seinen Stock auf, und wenn er sich etwas beeilen muss, ladet sein Hinterteil aus und beschreibt einen großen Bogen. In der Wohnung sind alle Vasen auf Hüfthöhe inzwischen zu Bruch gegangen, weil er so sehr das Becken kreisen lässt, wenn es klingelt an der Tür.

Sie hats mehr in den Knien, im linken zumal. Steif ist es nicht, aber Wetterumschwünge, die merkt sie schon. Sie schleicht eher, und manchmal muss sie sich hinlegen nachmittags, weil stehen das Knie müde macht. Wenn sie gemeinsam die Straße entlanggehen – und sie gehen immer gemeinsam die Straße entlang, nie hab ich sie allein gehen sehen – dann ist er viel schneller, aber das macht nichts: Sie schleicht ihren Weg gerade entlang, er kreiselt wild an ihrer Seite. So haben sie ihre Geschwindigkeit aneiander angepasst, und manchmal stoßen sie zusammen, oder vielmehr: er rempelt sie leicht an. Dann grinst sie kurz, und er kuckt ein bisschen verlegen.

Man sieht sie eigentlich nie allein, die beiden, außer nachts im Treppenhaus. Treppen sind für beide schwierig, sie muss immer ein bißchen das Bein nachziehen, er hält zwischendrin immer inne, um sich die Hüfte zu reiben, das dauert. Die Lampen im Treppenhaus gehen von selber aus, nach zwei Minuten ungefähr. Zwei Minuten, das braucht sie, um bis zum Zwischengeschoß zu kommen, er auch. Da halten sie dann inne, um zu verschnaufen. Bloß ist da kein Lichtschalter, und irgendwann, als sie gemeinsam die Treppe hoch sind, standen sie wohl im Dunkeln.

Seither haben sie sich was ausgeklügelt, das geht so: Er steht immer unten, am Lichtschalter, und schaut ihr hinterher, während sie die Treppe hochkraxelt, und während sie im Zwischengeschoss Luft holt, geht das Licht aus. Dann drückt er kurz auf den Lichtschalter, und sie nimmt die zweite Treppe, stellt sich oben an den Schalter und ruft:

„Kannst kommen.“

Dann nimmt er die erste Treppe bis ins Zwischengeschoss, und wenn er dort Luft holt, geht das Licht aus. Dann drückt sie kurz den Lichtschalter, und er nimmt die zweite Treppe, bis sie beide vor der Wohnungstür stehen.

Ein Treppenhaus, ein Lichtschalter, zwei Alte: Stoff für Romane, maschentausendabertausendweit.

8 Kommentare

  1. 01
  2. 02

    wir sind hier kürzlich auch über zwei so bausche haufen gestolpert. gestolpert im wahrsten sinne des wortes, denn sie waren beide winzig klein, gemeinsam geschrumpft in einer wohnung, deren decke nicht viel höher als ein meter sein kann.

  3. 03
  4. 04
    Götz

    Wenn schon englischsprachiger Titel (wozu?), dann bitte mit zusätzlichem »i«.

  5. 05

    ach frédéric – mit dir möcht ick alt werden ;)

  6. 06

    Klingt wundervoll, nur das ist mir öfters in der Ambulanz so gegangen, da nahm der Mann seine Frau an die gesunde hand, die andere hatte sie sich gebrochen und dann marschierten sie ins untersuchungszimmer, in den warteraum, zum Röntgen, zum warteraum, zum Gipsen, zum Röntgen und kurz bevor sie nach hause gingen, meinte er zu ihr weil sie nicht recht verstand, ich erklär dir das gleich auf dem heimweg schatz… udn dann trabten sie von dannen…

    Nur leider zwei von Millionen die sich noch nicht auf den keks gehen, alles gute…

  7. 07

    Ach schön. Ich hatte auch mal zwei solche Lieben im Taxi. Zwei zärtliche Alte. Das hat mich sehr bewegt.

  8. 08

    Ein Bewegungsmelder wäre sehr unromantisch.