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Mediaspree bedenken

Update: Treffer und versenkt.

Alles nicht so einfach. Auch nicht an der Spree, an der es am kommenden Sonntag beim Volksentscheid zum Thema Mediaspree zum symbolischen Showdown zwischen dem Verein Mediaspree e.V. und der Bürgerinitiative Mediaspree Versenken kommt. Volksentscheide sind offenbar der neueste Wochenend-Spaß der BerlinerInnen, doch trotz des lokalen Kontextes hoffe ich, dass die folgenden Entwirrungsversuche auch für NichtberlinerInnen interessant sind. Schließlich gibt es überall Stadtentwicklung.

Speziell Großstädter kennen das Spiel, das Soziologen als „Gentrifizierung“ bezeichnen: In den „sozialen Randgebieten“ einer Stadt siedeln sich ob der günstigen Mieten Studenten, Lebenskünstler, Kreative und andere urbane Penner an. Ihre bloße Anwesenheit und ihr Kaffeedurst, aber auch das mit den Jahren eventuell steigende Gehalt führt zur ersten Stufe der Veränderung des Bezirks, der jünger und belebter wird und in dessen Stadtbild plötzlich Cafés und kleine Läden entstehen, mit dem sich die „Ureinwohner“ vielleicht nicht besonders identifizieren können.

Bis hierhin kann man den Prozess m.E. als relativ „normal“ bezeichnen — jeder Bezirk unterliegt positiven wie auch negativen Veränderungen, und ohne Verjüngung und damit einhergehende, im besten Fall langsam wachsende veränderte kommerzielle Struktur könnte andererseits die Gefahr einer Ghettoisierung bestehen.

Junge, hübsche, kreative, lebens- und konsumhungrige Menschen ziehen jedoch eine weitere Gattung von Lebewesen an: Immobilien-Investoren. Die bisher vielleicht noch schleichend stattfindende „Aufwertung“ des Bezirks wird frühzeitig, nämlich solange die Grundstücks- und Immobilienpreise noch niedrig sind, registriert. Die Geldsäcke der Immobilienwelt werden einmal durch den Bezirk geschleift und hinterlassen vielstöckige Bürogebäude, hochpreisige Loft-Living-Appartments für Double-Income-No-Kids-Pärchen und saubere Parkanlagen mit Wachschutz. Und Arbeitsplätze.

Für eine ausgewogene, die verschiedenen sozialen Strukturen berücksichtigende Bezirksentwicklung kann nur eine einzige Instanz sorgen, sie nennt sich im allgemeinen Sprachgebrauch „Politik“ und im speziellen Fall „Berliner Senat“. Dieser hat zwar seit den Neunziger Jahren diverse Bebauungspläne für das Spree-Gebiet in Friedrichshain-Kreuzberg rumliegen, für diese interessierte sich jedoch jahrelang niemand — und nun scheinen sie hoffnungslos veraltet und überholt. Die beiden Bezirke, die vor Mauerfall ebensolche -blümchen waren und als Zuhause für Spinner und Freaks galten, stehen seit einiger Zeit nicht nur geografisch im Mittelpunkt der Stadt. Noch immer gelten die Grundstückspreise im internationalen Vergleich als absolut lächerlich, und so kommt es, dass die Suche nach einer Miet- oder auch Eigentumswohnung in Kreuzberg auf chinesischen, dänischen oder kanadischen Immobilienportalen erfolgreicher sein kann als auf lokalen.

Für eine genaue Beschreibung der verschiedenen Vorhaben, Forderungen und Argumente der zur Abstimmung stehenden Vorschläge des Volksentscheides am Sonntag, der, genau wie die Abstimmung zum Thema Flughafen Tempelhof vor wenigen Wochen, nur als Empfehlung an den Senat gilt, bitte ich um Nutzung der Links am Anfang dieses Artikels, denn selbiger würde ansonsten zur Diplomarbeit werden. Ebenfalls empfehlenswert: Der etwas klickintensive Zitty-Artikel zum Thema sowie die Wikipedia-Einträge zu ähnlichen Fällen, den Londoner Docklands und der Hamburger HafenCity.

Ich persönlich habe meine Entscheidung getroffen, und ich werde der Abstimmungsempfehlung der Aktion „Mediaspree Versenken“ folgen (PDF des Stimmzettels). Dies tue ich nicht, weil ich jede Forderung („Für ein Kreuzberg ohne Kommerz!“) für sinnvoll oder klug halte, ich tue es, obwohl ich kein wirklich alternatives Konzept bei der Aktion entdecken kann und ich tue es, obwohl ich der Überzeugung bin, dass „Spreeufer für alle“ eben nicht „Spreeufer für alle, die wir cool finden und die nicht mehr Geld als wir verdienen!“ bedeuten darf. Und ich tue es, obwohl ich die Schaffung von Arbeitsplätzen alles andere als lächerlich finde.

Ich stimme für den Vorschlag der Aktion „Mediaspree Versenken“, um dem Berliner Senat mit meiner Stimme einige dringende Empfehlungen auszusprechen:

Die Empfehlung, seine Hausaufgaben zu machen. Die Empfehlung, sich aktiv und auch mit finanziellen Mitteln um eine möglichst heterogene Stadtentwicklung zu kümmern, die nicht allein von Investoren bestimmt wird. Und die Empfehlung, die Investitionsrechnung nie ohne die Bewohner des Bezirks zu machen.

Berlin ist schon lange nicht mehr so arm, wie uns der Senat glauben machen will. Und wenn einige Entwicklungen in der Stadt so weitergehen, wie bisher, auch sehr bald nicht mehr sexy.

42 Kommentare

  1. 01

    ich hab zwar grade keine quelleangabe zur hand, aber soweit ich weiß wird es den bezirk f’hain/x-berg rund 165.000.000 € vertragsstrafen kosten, wenn er den investoren teile der grundstücke wieder abnehmen muss. aber das bißchen kleingeld zahlt der bezirk ja einfach aus der portokasse, richtig? mit dem geld könnte man ja auch sonst nicht anfangen, oder? ist ja egal wenn der bezirk total verfällt, hauptsache man hat ein paar meter spreeufer erkämpft.

    „konsequent sein“ heisst einen weg zuende zu gehen, selbst wenn es ein holzweg ist — schöne grüße an „ms versenken“.

  2. 02
    florian

    ich habe schon gestern abgestimmt und hatte dabei einen ähnlichen gedanken- und also argumentationsgang.

    vielleicht habe ich früher der lokalpolitik nicht soviel aufmerksamkeit geschenkt. in jedem fall aber fühle ich mich jetzt überrumpelt und schon deshalb dazu bemüßigt, für „mediaspree versenken“ und also ein offene und keine versteckte, nur vermeintlich öffentliche diskussion zu stimmen. ein bisschen als provokation also, ja.

    gleichzeitig muss ich aber sagen, dass mir die schwarz-weiß-malerei, die der argumentation und kommunikation solcher initiativen tierisch auf die eier geht. dass war bei der landwehrkanal-baum-fäll-geschichte letztes jahr auch nicht anders. auch wenn ich dem ansinnen grundsätzlich zustimme, ein differenzierte diskussion vermisst man da oft…

  3. 03
    Conrad

    @#682306: für die gern zitierten €165Mio empfehle ich dir den o.g. Zitty Artikel. Zahlen funktionieren immer. Besonders die ganz großen und ganz kleinen, deswegen mag die Politik sie auch so gerne.

  4. 04
    nicnac

    Volksentscheide?
    Hatten wir hier in Düsseldorf neulich auch zwei Stück davon. Mit geringer Resonanz bei den zur Wahl gerufenen Bürgern und dem Ergebnis, daß die Stadt nun einen Freibrief für ihr Handeln hat. Und selbstverständlich hat bei der die kommerzielle Lösung absoluten Vorrang (Ratsmehrheit von CDU und FDP).
    Ich glaub, bei den meisten ist die Möglichkeit, das Geschehen im kommunalen Bereich mitzubestimmen, noch gar nicht angekommen.
    Ich stimme florian zu: Differenzierte Diskussion findet im Vorfeld kaum statt.

  5. 05
    Frank

    mir leuchten diese gründe ein, aber das klingt nach protestwahl und so etwas lehne ich grundsetzlich ab. die aktion „mediaspree versenken“, die auch damit argumentiert, dass den berlinern diese tolle fläche nicht weggenommen werden sollte, vergisst dabei, dass diese fläche den berliner doch bisher gar nicht zur verfügung stand. so gern ich selbst auch mal eine limo im kiki blofeld schlürfe, die paar meter oase, die auf beiden seiten des ufers momentan zur verfügung stehen, sind keine gute argumentationsgrundlage für das bestehen dieser großen (und attraktiven) fläche.

  6. 06
    Jens

    @Frank: Dito, zumal in 10 min Fahrradweg-Zeit eine um den Faktor 1000 bessere Wassersitz- wie Wasserkonatktgelegenheit existiert (Treptow/Stralau). Letzteres kann die oben erwähnte Stelle eh nicht erfüllen. Da „mediaspree versenken“ mir letzlich durch eine Fahhraddemo in ihrer regionalen Beweglichkeit sehr dynamisch vorkam, verstehe ich derren lokale Anspruchsmentalität nicht richtig.

    Ich sag nur, raus aus Berlin! Es gibt in Brandenburg einfach zu viele schöne Seen und Flüsse zu verpassen.

  7. 07

    @Jan: Die 165 Mio sind eine Berechnung des Bezirksamtes, die möglicherweise als Entschädigungszahlungen an Investoren geleistet werden müssten, wenn das Bürgerentscheid erfolgreich ist.

    @Johnny
    Schön, dass Du einen so differenzierten Blick bringst. Aber deinen Schluss verstehe ich trotzdem nicht. Deine Forderung an den Senat (die auch vor allem an den Bezirk angebracht wäre), eine homogene Stadtentwicklung zu befördern, ist absolut sinnvoll. Umso weniger verstehe ich, wie man den Bürgerentscheid befürworten kann. Um es mal platt zu schreiben: MS Versenken sagt im Prinzip: Mediaspree – gerne, aber nicht vor meiner Haustüre. So verstehe ich jedenfalls deren Argument, dass die Investoren ja auch mit Ersatzgrundstücken anderswo in Berlin entschädigt werden könnten. Abgesehen davon laufen die Planungen für den Spreeraum schon seit vielen Jahren. Der Bezirk hatte – „unter“ allen verschiedenen Bürgermeistern dieser Zeit – immer darauf geachtet, Bürgerbeteiligung breit zuzulassen; MS Versenken ist einfach mal zehn Jahre zu spät dran. In der Tat ist es ein Ergebnis dieser Bürgerbeteiligung, dass es einen 10 Meter breiten Uferwanderweg gibt, der öffentlich und für alle offen ist – die derzeitigen Zwischennutzungen mit Strandbars, Clubs, auch der Schwarze Kanal kann das nicht für sich in Anspruch nehmen. Ein anderes Ergebnis sind geschaffene Freiräume, Anlagestellen, Parks für Alle, die von Inbestoren bezahlt werden. Und schließlich wird aus einer Stadtbrache ein nutzbarer Raum. Der Bürgerentscheid würde all das – so er erfolgreich wäre – verhindern. Wenn ich Dein Anliegen richtig verstanden habe, verstehe ich vor diesem Hintergrund deine Wahlentscheidung nicht.

    Noch was zur Gentrifikation: Es ist durchaus ein Verdienst des Bürgerbegehrens, das Thema massiv in die Öffentlichkeit zu bringen. Und tatsächlich gibt es im Bezirk Probleme damit. Aber nicht am Wrangelkiez in der Nähe von Universal und Co (der Kiez ist immer noch der ärmste in Berlin), sondern viel mehr rund um den Boxhagener Platz. Die Entwicklung dort macht Sorge, zumal die Ecke inzwischen eine no-go-area geworden ist (außer man ist Teilnehmer einer Klassenfahrt aus Tuttlingen. Oder aus Esslingen). Die Zusammenhänge, also was verursacht was, sind nicht so plump und einfach, wie MS Versenken sich das vorstellt.

  8. 08

    Ich habe bei Mediaspree die Bereiche oben in Charlottenburg am Spreebogen im Kopf, Höhe Carnotstraße etc. Da sind nicht wenige hochwertige Immobilien, da stehen ganze Etagen einfach seit Jahren leer. Wohlbemerkt, die Immobilien dahinter, die sich deutlich weniger teuer ohne das Prädikat «mit Wasserblick» vermieten lassen, sind vermietet.

    Andere geplante Baumaßnahmen sind mangels Investoren dann doch nicht realisiert worden, nachdem Altmieter schon mal schön rausgekündigt wurden und mittlerweile doch wieder — zwar kaum modernisiert, dennoch zum doppelten Mietziens — vermietet werden.

    Ja, das Uferglände selber ist nett, hier mal ein Spielplatz — aber sonst tote Hose. Nicht weil nicht im Umfeld auch genügend Leute wohnen. Es ist einfach tot und unattraktiv «saniert» worden. Ich denke, es tut Berlin nicht schlecht, wenn man mal ein bisschen urbanes Leben als auch Stadtkultur „¦ oder Subkultur „¦unberührt ließe in dieser Stadt. Und das kann man ruhig auch an zentralen Orten tun. Es wäre mutig ein Stück Ur-Berlin zu erhalten.

    Im übrigen vermag ich dem Thema «Schaffung von Arbeitsplätzen» bei Mediaspree nicht folgen. Wirtschaftsweise prognostizieren ein Ende des Wirtschaftsbooms bereits zum Ende nächstes Jahres. Und ob die Baumaßnahmen den Berliner Bauarbeitern Kohle bringen? Möglich, wenn er vorher bei der VHS noch mal ’nen Polnischkurs belegt hat.

  9. 09

    @creezy
    Ich will eigentlich nicht zum Fürsprecher für Mediaspree werden. Aber eines muss ich doch schreiben: Die Unterschiede zu dem, was Du beschreibst und Mediaspree sind die, dass keine Altmieter in dem Geläne vorhanden sind und die Gebäude, die geplant sind, erst dann gebaut werden, wenn sie vermietet sind. Leerstand in großem Stil sollte also eigentlich nicht vorkommen.

  10. 10

    @Mark:
    So wie ich creezy verstehe, geht es gar nicht darum, dass konkret diese neuen Gebäude am Ende leerstehen könnten. Vielmehr ist es einfach schwer zu vermitteln, dass in einer Stadt, in der viele – auch „repräsentative“ – Immobilien leerstehen, diese Spreegrundstücke gegen allen Widerstand und mit zahlreichen Ausnahmen (Traufhöhe etc.) zu vermarkten und dafür diverse erfolgreiche Zwischennutzungen rauszuschmeißen.

  11. 11

    Komisch (eigentlich nicht),

    nun arbeite ich seit Jahren zur Kampagne und erkenne auch hier nur bruchstückhaft die Inhalte wieder. „Plump und einfach“ ist weder die Argumentation noch die Aktivität der Initiativen gegen Mediaspree je gewesen. Wer das nicht glaubt, muss mal etwas näher rankommen.

    Auch in diesem Fall gilt einfach: Kennenlernen. Nicht den Müll glauben, der von den Kaufmedien verkauft wird. Nicht das uneigennützige Engagement unter seinem ideellen und moralischen Wert verhandeln. Nicht Leute verniedlichen, deren Größe man nie kennengelernt hat. Nicht großmütig und gütig über komplexe Auseinandersetzungen urteilen, deren Komplexität niemandem bewusster ist als den tatsächlich an der Front Beteiligten. Nicht von Naivität sprechen, wenn sich Leute für Luft und Liebe bereiterklären, stellvertretend für Viele, die die Kraft dazu nicht finden, jahrelang mit einem Themengeflecht zu beschäftigen, das in Politik und Kultur völlig unterbeleuchtet ist – und die es dann auch mal schaffen, den Vielen ein schmerzloses Angebot zur Mitarbeit zu machen, in diesem Fall in Form eines Entscheids zum Kreuzchenmachen.

    Wir sind mindestens jeden Montag ansprechbar und jederzeit ist jede Position beeinflussbar. Das Haus ist offen, die Herzen sowieso.

    Überrascht? :-)

  12. 12
    Tim

    Erinnert an einen Kampf gegen Windmühlen oder Hase-Igel und so. Solange der Senat sich jedem, der mit ein paar Millionen geliehenen Euro ankommt an den Hals wirft, wird sich nichts ändern. Meines Wissens gibt es in Berlin noch nicht einmal eine Büroraummarktstatistik, die ihren Namen verdient – also Leerstand, Lageneinteilung, Neuvermietungen, Preise, Bauvorhaben usw. Da haben weder der Senat, noch die Investoren ein Interesse dran, weil es „den Markt verunsichern würde“.

    Ich habe nichts gegen Mediaspree. Besser als die Abzocker-Zwischennutzung mit Quasi-Privatspreestrand. Und für eine eigenes städtebauliches Konzep fehlt das Geld. Die Auswirkungen auf SO36 sind schon längts da. Da wurden die Fehler vor 10 Jahren gemacht. Man müsste auf dem Volksentscheid die Frage stellen, ob die Bewohner grundsätzlich die Bauplanung über ihre Köpfe hinweg zum Nutzen einiger Investoren und Banken wollen. Aber das steht ja nicht zur Debatte. Wenn es selbst ein rot-roter-Senat nicht schafft…

  13. 13
    Tim

    Noch was: Vielleicht sollte man auch die „Clusterideologie“ überdenken. Dort kommen die Medienleute mit den bunten Brillen hin, da die Ingenieure mit den karierten Hemde, hier die Bioforscher mit den weissen Kitteln, in der nächsten Ecke siedlen wird die prekären Kreativen an. Bis jetzt hat niemand schlüssig bewiesen, dass dies Erfolg bringt, in Vermietungen, in Arbeitsplätze und Wachstumsdynamik. Es bringt einzig dem Investor eine sexy Verkaufsstory für die Banken und Anleger.

  14. 14

    @#682350: Es geht nicht darum, dass dahinter denkende, kluge, engagierte Menschen stehen, sondern wie kommuniziert wird. Ich habe mich nur wenig mit dem Thema beschäftigt, aber Eure Webseiten vermittelten mir genau den Eindruck, den Johnny hier schreibt. Und darauf kommt es eben an: Klar kann man bei Euch vorbei kommen, sich mit Euch auseinandersetzen etc., aber entscheidend sind diese 10 Minuten, die jemand beim Lesen Eurer Seite verbringt, denn mehr Zeit bringt der Durchschnittsbürger einfach nicht auf.

    Ich erlebe sehr ähnliches hier in Dresden mit der Waldschlösschenbrücke: Ein richtiges Ziel (Brücke verhindern) wurde nicht mit konstruktiven Vorschlägen begleitet — bzw. erst jetzt, wo es zu spät scheint. Da stehen einige sehr kluge, engagierte Menschen dahinter, aber deren Kommunikation ist beim normalen Dresdner einfach nicht hängen geblieben — bzw. hinterließ den plumpen Geschmack eines (zu) einfachen „dagegen“.

  15. 15
    kallefuffzich

    @#682306: Die 165 Mio Euro sind eine theoretische Summe an Entschädigungszahlungen, die sich durch eine Änderung des Bebauungsplanes jener Grundstücke bezieht, welche unter den Fittichen von Mediaspree stehen – also auch solcher, die bereits erfolgreich verbaut sind, wie Universal im Eierkühlhaus, MTV am Osthafen oder die Treptowers. Dass diese Gebäude in absehbarer Zeit nicht abgerissen werden, so dass ein neuer Bebauungsplan abgelehnt und entsprechende Entschädigungen vom Senat fällig werden könnten, liegt auf der Hand. Die 165-Millionen-Zahl ist also faktisch nicht falsch, hat aber eben keinerlei Realitätsbezug.

    Was ich bei der ganzen Diskussion ein wenig vermisse, ist ein kurzer Reality Check der gegenwärtigen Berliner Verhältnisse seitens der Politik: Die Stadt hat ja nun offensichtlich keine 6 Millionen Einwohner, wie es in der Nachwendezeit prophezeit wurde. Gleichzeitig fahre ich jeden Morgen mit der S-Bahn an allerlei schicken Neubauten in Wasserlage und Innenstadtnähe mit prima Verkehrsanbindung vorbei, und blicke oft genug in leere Büros mit schiefen Jalousien und von der Decke baumelnden Stromkabeln. Während die Trias-Türme, Mitte der Neunziger an die Spree geklotzt, nun doch endlich mal mit der BVG einen Mieter bekommen, hat die Bahn anscheinend die Lust verloren, in ihre Bürotürme am Hbf zu ziehen, so dass diese weiterhin ein einsames Dasein fristen – und dabei hat man am Humboldthafen (Wasser! Regierungsviertel!) noch nicht einmal angefangen, die hehren Pläne einer weiteren Bürostadt auf dem Boden zu stampfen.

    Warum trifft man sich nicht in der gesunden Mitte? Ich bin auch gegen Mediaspree und den plumpen Ausverkauf des Kiezes, vor allem aus städtebaulch-ästhetischer Sichtweise. Genauso gehen mir aber sinnentleerte Utopien von kulturellen Freiräumen für Jugend, Theater und abendlichen Grillspass auf die Nerven. Beide Seiten beschwören in ihrer Argumentation die berühmte „Kreuzberger Mischung“, also Wohnen, Arbeit und Freizeit kleinteilig und auf engem Raum, aber weder die MS-Befürworter noch die Gegner machen entsprechende Vorschläge in diese Richtung.

  16. 16

    Wer sich nicht entscheiden kann, dem empfehle ich das Original-Werbevideo von Mediaspree. Ohne Worte: http://www.vimeo.com/1324628

  17. 17

    WAHLPARTY!

    Morgen gibt es nach dem BürgerInnenbegehren 2 Termine:

    *01* 19.30h, O2-Werbetafel (Mühlenstraße): Public Viewing der RBB-Abendschau.

    *02* ab 21h, YAAM: Wahlparty zum BürgerInnenbegehren gegen MediaSpree. Ab 21.45h: Übertragung der endgültigen Ergebnisse.

  18. 18

    Von wegen 160 Mio. €!
    Hier wird mit den Lügen des Bezirkes abgerechnet:
    http://ms-versenken.org/images/vorsichtfaelschung.pdf

  19. 19

    http://www.spreeblick.com/2008/07/11/t-mobile-im-t-punkt-keine-iphones-fur-bestandskunden-trotz-vorratiger-gerate/#comment-682330

    Eigentlich hatte ich die Intention etwas wichtiges bzgl. ‚Stadtentwicklung‘ zu sagen.
    Sofern ein Markt befriedigt werden kann, wird dies – aus Erfahrung- nur eine
    Generation lang Bestand haben. Wo soll, bitteschön das Klientel herkommen?

    Unterstelle Profitgier mithin Spekulation, auf Kosten derer, die so gar nichts
    dagegen unternehmen können.

    @Toppic ;-)

  20. 20
  21. 21

    ja, 87% von 19%

  22. 22
    ber

    @#682336:
    Die Polen gehen mittlerweile nach Grossbritannien zum Arbeiten. Deutsche Firmen zahlen nämlich zu schlecht.

  23. 23

    @Atze-Peng II
    Irgendwie ist es ja auch egal, ob 160 oder 50 Millionen. Wo sollen 50 Mio herkommen? Die BVV hatte den Bezirkshaushalt 2008/2009 zunächst wegen eines Defizits von 4 Millionen in 2008 abgelehnt.

  24. 24
    fredge

    @mark (21): wenn es 19% der menschen wichtig ist und den anderen scheiß-egal, was mit „ihrer“ stadt passiert, dann finde ich es legitim, dass diese 19% auch das bekommen, was sie sich wünschen – eine abstimmung. das ist wie bei den präsidentschaftswahlen in den usa: nur 50% sind überhaupt wählen gegangen, daher waren nur 24% für bush. erstens aber bedeutet das hochgerechnet die zustimmung bzw. ablehnung der restlichen bevölkerung zu gleichen verhältnissen, zweitens fällt die große masse eben selbstverschuldet unter den tisch. wenn den menschen alles scheiß-egal ist, dann haben sie pech gehabt!

    @mark (23) und an alle: ich wundere mich ob des lächerlichen betrags von 160 millionen euro. dass diese summe falsch berechnet wurde sei jetzt mal egal. aber abgesehen davon, ist solch ein betrag doch irgendwie nicht viel. ich habe zwar mit finanzen und so weiter nix zu tun und studiere auch weder bwl noch vwl noch politik, aber trotzdem glaube ich genug über „das system“ zu wissen, um zu wissen, dass solche beträge schlicht gerne genommen werden, um den bürger zu beeindrucken, denn als tatsächlich ein problem darzustellen. geld ist doch in der brd (und auch in berlin) unendlich viel da. jedenfalls für jede menge anderen scheiß…

  25. 25
    saver

    @Johnny
    „Und die Empfehlung, die Investitionsrechnung nie ohne die Bewohner des Bezirks zu machen.“ ist eine interessante Aufforderung, die von DIR bei der Diskussion zum Flughafen Tempelhof noch in die ganz andere Richtung ausgesendet wurde…..

    Als kleine Erinnerung: Damals schriebst du mir als Antwort auf die von den Anwohnern geäußerte Befürchtung, dass der Drogenhandel in den Bezirk einzieht:
    „Weil es in der Hasenheide Drgendealer gibt, bestünde eine Parkanlage auf dem Flughafengelände das Risiko von Kinderbanden und weiteren Drogendealern? Ähm „¦ also lieber die Dogendealer auf der anderen Seite lassen und den Flughafen als Grenze dazwischen behalten?“
    Sprich dir waren die Ängste und Anliegen der Bewohner des Bezirkes ziemlich egal.

    zum Abschluss der Diskussion, nach Bekanntgabe des Ergebnisses des Volksentscheides, schriebst du: „Prima, der Blödsinn ist gescheitert.“ und hast damit nochmal bestätigt wie egal dir 21,7 % der Stimmberechtigten sind, aber die 16,17 % der Stimmberechtigten dieses Bürgerentscheides sind dir wohl wichtiger??!!!! Irgendwie seltsam und inkonsistent.
    Btw. ist es völlig unsinnig wieso Bürgerentscheid und Volksentscheid so unterschiedliche Anforderungen aufweisen.

    Die Argumente, die du nennst, hätten zum großen Teil auch für eine Pro-Argumentation zur Flughafen-Debatte gereicht. Bei der Mediaspree reichen dir auf einmal die Argumente, vllt. weil du es am wichtigstens ansiehst die bösen, bösen Investoren loszuwerden und Arbeitsplätze sind dir ja generell egal.
    Im Falle der Mediaspree: Keine Ahnung, ob stichhaltig oder nicht, kenne mich bei dieser Diskussion nicht aus und will mich daher auch raushalten, was du evtl. (z.B. bei der thf-Diskussion) auch mal in Betracht hättest ziehen sollen.

    ähm vllt. nur so viel: Bestimmt sich die Hetero- bzw. Homogenität in Friedrshn-Xberg nicht aus einem viel größeren Bereich, nämlich dem ganzen Bezirk, als alleine aus dem Stückchen Spree? So wie ich die Struktur in diesem Bezirk bisher sehe, sind die neuartigen Immobilien der „Gattung Immobilien-Investoren“ im Vergleich zu anderen Bezirken eher in der krassen Minderheit. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

  26. 26

    @#682539:

    Hast du Johnnys Artikel gelesen?

  27. 27

    @#682539: Mir sind die Bewohner eines Bezirks nicht egal. Ich glaube nur nicht, dass die Auslagerung von Drogendealern irgendwo anders hin bzw. deren Verhinderung in einem bestimmten Bezirk sinnvoll ist. Für Tempelhof zu stimmen mit em Argument, damit keine Dealer „rüberkommen“: Das habe ich kritisiert.

    Dass du schreibst, dass mir „Arbeitsplätze generell egal sind“, ist schlicht falsch und steht nirgends, ganz im Gegenteil.

    „Böse, böse Investoren“ „¦ wieder so eine Wunschinterpretation.

    Und so weiter.

    Du hast doch schon ein Bild von mir, warum sollte ich dich belehren? Jeder liest das, was er lesen will.

  28. 28
    Spree für alle (nicht nur für Bar 25 Gänger) !

    Die Gefahr durch die Mediaspree wird psychologisch gebraucht, da die in den letzten 10 Jahrenzugezogene „Elite“ genau diese vermeintlich besserverdienende Klientel jetzt fürchtet. Selber hat jene sich gegenüber den alteingesessenen arbeitslosen und kapitalärmeren schichten damals überaus opportunistisch verhalten, diesen ihre wohnungen für n appel und ei weggekauft und sie zum Wegzug in andere Gebiete gedrängt und jetzt soll bitteschön alles so bleiben wie es ist!

    Ich bin enttäuscht, weil dies einseitige genau das provinzielle
    anspruchsdenken derjenigen ist, die eigentlich für eine verbesserung des kleinbürgerlichen milieus standen und ihre prinzipien nun anscheinend selber über bord werfen und ebenso borniert elitär dagegen wettern, sobald andere dies ebenso für sich beanspruchen. Das ist für mich ein Zeichen von Provinzialität und Zukunftsangst. In Hamburg gelingt es ja ebenfalls eine sich entwickelnde Stadt siehe Schanze oder Hafencity als positiven Resonanzboden bei der Bevölkerung zu etablieren – wieso ist dies in Berlin eigentlich anders?

    Und zum Todschlagargument des verbauten Spreeblicks: frage mich, warum die besserverdienenden bürgerlichen oder elitären kneipengänger den spreezugang lieber durch eigene türsteher vor strandbars reglementieren lassen wollen – wo ist denn da der gemeinsinn und die allgemeine freiheit der anwohner?

    Das zeugt eher von einer armen dörflichen Provinzspiessigkeit und nicht von der Motivation zum Mitgestalten des modernen Wandels einer Weltstadt!

  29. 29
    ber

    @#682556:

    In Ostberlin gabs keine Eigentumswohnungen. Die sog. „Elite“ konnte demnach auch keine Wohnungen den Alteinwohnern wegkaufen.

    Johnny hat es schon geschrieben – nicht die Neubewohner verdraengen die Alten, sondern die Vermieter bzw. der „Markt“.

  30. 30
    ber

    Und ueberhaupt Berlin – mal wieder Zeit fuer Surrogat:
    http://www.lastfm.de/music/Surrogat

  31. 31
    René

    schwieriges Thema und immer wieder Emotionen.

    Als Nachbar (Alt-Treptow) begrüße ich den Ausgang.
    Und ja, es wäre schön, wenn sich der Senat mehr Gedanken machen würde über die Menschen, die mit den Ergebnissen leben müssen.

    Ich gehe nicht mehr gern die Frierichstraße lang.
    Da wo ich vor langer Zeit gern zum Weihnachtsmark ging ist jetzt ein Einkaufcenter.
    Wenn man über den Alexanderplatz laufen will muß man den Straßenbahnverkehr beachten.

  32. 32

    Atze-Peng:

    Morgen gibt es nach dem BürgerInnenbegehren 2 Termine:
    *01* 19.30h, O2-Werbetafel (Mühlenstraße): Public Viewing der RBB-Abendschau.

    Diese nette ironische Zusammenkunft wurde von der Anschütz-/O2-Arena verhindert, indem man in Ausübung des Hausrechtes jenen privaten Uferstreifen sperrte. Was meines Erachtens das dümmste war, was die Privatisierer dort machen konnten, das offenbart doch öffentlichkeitswirksam genau den großen Konflikt: Wer meckert darf nicht ans Wasser. Die RBB-Abendschau konnte gar nicht anders, als mit dem Bild der Absperrungen zu aufzumachen. Wunderbar. Da scheitere ich doch lieber an einem Zwischennutzungs-Türsteher…

  33. 33
    steffen

    nur randthema, aber nicht, dass sich das durchsetzt:

    „Die beiden Bezirke, die vor Mauerfall ebensolche -blümchen waren und als Zuhause für Spinner und Freaks galten,… “

    friedrichshain war vor dem mauerfall kein zuhause für spinner etc, sondern ein richig derber, „normaler“ arbeiterbezirk ganz ohne freaks, von den punks am damaligen ost/hauptbahnhof abgesehen. selbst wer anfang bis mitte der 1990er nach friedrichshain kam, der fand dort, außer in kleinen inseln besetzter häuser keine sogenannte szene.

    „lustig“ ist aber, dass gerade die besetzerszene, die immer gegen verdrängung etc pipapo ist/war, letztendlich den grundstein für die später einsetztende sog. „gentrifizierung“ legte, denn die bildeten das umfeld des kreatives potentials, die sogenannten pioniere, wie es die stadtsoziologie nennt, die dann z.b. zur kneipenmeile wie simon-dach etc. führte.

    es ist arg verkürzt, aber immerhin eine these, die einen wahren kern hat:
    mtv, univeral und mediaspree sind die konsequente folge der „mainzer straße“ ( http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4umung_der_Mainzer_Stra%C3%9Fe )

  34. 34
    Frankfurter Allee

    Super hingekriegt. Berlin leidet ja bekanntlich daran, dass neoliberale Investoren alles kontrollieren und die Stadt geradezu überennen. Angesichts der herrschenden Vollbeschäftigung und der vollen öffentlichen Kassen war es absolut die richtige Entscheidung, die Industriebrache am Ostbahnhof gegen den Zugriff des internationalen Finanzkapitals zu verteidigen. Geld kommt ja bekanntlich vom Sozialamt und muß nicht etwa verdient werden.

    Im Ernst: In einer Stadt mit mäßig intelligenten Einwohnern, welche wirtschaftliche Probleme von der Größenordnung Berlins hat, würde man (fast) alles tun, um Investoren anzulocken. Die Berliner tun das Gegenteil und klagen dann über „soziale Ungerechtigkeit“, weil ihnen niemand etwas schenken will.

  35. 35

    In Duisburg wurde ein altes Hafengelände umgebaut – der Innenhafen. Heute sind alle Flächen bebaut, neue Jobs sind entstanden und das alles sieht auch noch gut aus. Aus der Fernsicht würde ich sagen: Chance vertan.