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Was heißt hier öffentlich?

Wie öffentlich öffentliche Sitzungen des Kreistags Darmstadt-Dieburg sind, ergründet gerade Peter Löwenstein vom regioblog. Bei einer öffentlichen Sitzung, könnte man meinen, sollten Audio-Mitschnitte möglich sein. Löwenstein allerdings kassierte vom Kreistagsvorsitzenden eine Abfuhr mit der Begründung, dem Bedürfnis (der Bürger) nach Information werde durch Recht auf Anwesenheit in der öffentlichen Sitzung hinreichend Rechnung getragen. Die hessische Kommunalaufsicht sieht in den Tonaufnahmen gar Ordnungsstörungen und das öffentliche Funktionsinteresse in Gefahr.

Die Frankfurter Rundschau zitiert den Mainzer Medienrechtler Dörr mit einem interessanten Satz: „Ein Sitzungsablauf verändert sich ja, wenn all das, was ich sage, an eine Vielzahl von Personen weitergegeben wird.“

Natürlich verändert sich der Sitzungsablauf, wenn die Teilnehmer wissen, dass sie tatsächlich in der Öffentlichkeit stehen. Für Parlamentssitzungen kann ich darin aber keinen Nachteil erkennen. Im Gegenteil: Mehr Transparenz durch die Nutzung moderner Kommunikationstechnologien scheint mir für die Politik absolut erstrebenswert zu sein.

Problematisch wird es, wenn das Private und das Halb-Öffentliche der totalen Öffentlichkeit weichen. Ich bin nach wie vor eher skeptisch, ob der Verlust des „Off“ — also der öffentlichen Äußerung im kleinen Kreise — wirklich erstrebenswert ist.

Wir leben in interessanten Zeiten. Viele Spielregeln müssen aktualisert werden. Auch die, die das Verhältnis von Politik und Öffentlichkeit in Zeiten des Internet regeln.

11 Kommentare

  1. 01
    sven

    Was mich interressieren würde ob mit dieser Ablehnung Grundrechte beeinträchtigt werden, schließlich ist ja nicht unbedingt jeder Bürger in der körperlichen Verfassung an so einer Sitzung teilzunehmen.

  2. 02

    @Sven: Wohl eher nicht. Siehe auch das Urteil des Bundesverfassungsgericht zu Aufnahmen in Gerichtsverhandlungen: http://lexetius.com/2001,3

    Ich kann dem Verbot von Mitschnitten in kommunalen Parlamenten zwecks späterer Veröffentlichung übrigens durchaus etwas abgewinnen. Sonst würden solche Sitzungen noch mehr zur Show verkommen als das ohnehin schon der Fall ist.

  3. 03
    DerLouie

    Darüber kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Es stellt sich die Frage, ob es sich beim Plenum des Kreistages um eine Veranstaltung handelt, in der tatsächlich gearbeitet wird, oder ob hier nur die (dann wahrscheinlich gegensätzlichen) Meinungen der verschiedenen Fraktionen bzw. Abgeordneten arikuliert werden und die eigentliche Arbeit in Ausschüssen etc. stattfindet. Sollte es sich – wie ich vermute – um letztere Variante handeln, dann ist ein Verbot des Mitschnitts und damit des Öffentlich-machens sogar kontraproduktiv, denn die Profilierung vor dem Wahlvolke wird schwieriger, wenn darüber nicht oder weniger berichtet wird. Allerdings ist dann auch die Wahrscheinlichkeit geringer, sich vor dem Bürger zu blamieren.
    Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

  4. 04

    Äußerungen aus Arbeitskreisen und Ausschüssen oder in kleinem Kreis in der Halböffentlichkeit diskutierte Themen sollten wirklich nicht einfach so in die Öffentlichkeit gestellt werden – darum geht es konkret in meiner Anfrage auch gar nicht.

    Ich fragte um die öffentlichen Sitzungen des Kreistags Darmstadt-Dieburg nach, der so ungefähr viermal im Jahr tagt.

    Aktuell wurde bei der letzten Sitzung dort über das Thema Senio Zweckverband (einer Seniorenpflegeeinrichtung) diskutiert. Redner aller Fraktionen diskutierten die offensichtliche Missachtung dieses kommunalen Parlaments und seiner Ausschüsse durch die Verschleierung einer Pleite des im kommunalen Besitz agierenden Senio Zweckverbandes und seiner Tochter Gersprenz gGmbH, die beide letzlich auch dem Kreisparlament rechenschaftspflichtig sind und seit 2000 keinen testierten Rechenschaftsbericht mehr vorgelegt haben. Soviel zum konkreten kommunalen Kontext eines der Themen, die mich hier interessieren.

    Und sicher ist bei solchen Kreistagssitzungen viel Show dabei. Aber werden die Themen automatisch deshalb besser behandelt, weil die Bühne ausgerechnet im Internet nicht gut ausgeleuchtet werden darf? Ich denke nicht; das ist nicht mehr zeitgemäß.

    Der kommunale Kontext von politischen Entscheidungen kann gerade durchs Internet besser dokumentiert, pointiert, zugespitzt werden.

    Übrigens: Warum sollte der kommunale Kontext politischer Entscheidungen ausschliesslich den regionalen Printmedien wie z.B. dem Darmstädter Echo mit seinen eingespielten/eingeschliffenen und monopolartigen Beziehungen zur politischen Kreisführung vorbehalten bleiben? Schaut euch deren Auftritt doch mal an – alles was ins Detail geht ist nur in der Printausgabe zu lesen.
    Deren Redakteure bekommen vom kommunalen Presseamt des Kreises vollständige Sitzungsunterlagen frühzeitig zugestellt, und werden mit exklusiven Infos ausgestattet. Blogger können betteln. Oh Menno.

  5. 05
    DerLouie

    @#682771: Okay, dann ist die Verärgerung nachzuvollziehen. Es ist natürlich sehr zu begrüßen, wenn solche eingeschliffenen „Allianzen“ von Lokalredaktionen und Kommunalpolitik öffentlich thematisiert werden, die auch in anderen Kommunen zu existieren scheinen. Was gerne als „Service“ für Pressevertreter verkauft wird, kann offensichtlich schnell zur wirksamen und missbräuchlichen Kontrolle des eigenen Bildes in der Öffentlichkeit verkommen.
    Ich wünsche viel Erfolg bei der Aushebelung eingefahrener Regelungen!

  6. 06

    @Peter Löwenstein (4): Dass Du anders behandelt wirst als die Vertreter der Printmedien ist natürlich nicht in Ordnung. Aber mit den Mitschnitten hat das ja erstmal nichts zu tun. Welchen Zweck sollen denn die Mitschnitte erfüllen? Reicht es nicht, Ablauf und Zitate wiederzugeben? Ist das nicht sogar viel besser, um dem Interessierten das vor Ort geschehene verständlich zu machen? Bringt Audio wirklich eine bessere „Ausleuchtung“? Gibt es für Mitschnitte überhaupt eine Nachfrage? Selbst in Zeiten als ich noch hochgradig an Kommunalpolitik interessiert war, hätte ich mir niemals den Mitschnitt einer Stadtparlamentssitzung anhören wollen.

  7. 07

    @Arne (6): Ich selbst kann kein Steno. Mit einem Mitschnitt kann ich mir interessante Passagen beim Schreiben eines Artikels nochmal anhören.

  8. 08

    @Arne Klempert (6): Stimmt: Ein Mitschnitt einer Kreistagssitzung ohne eigene Schnittarbeiten wird kaum Publikum finden.

    Der gelungene Audioschnitt, die Zusammenstellung mit eigener Meinung und Wahrnehmung und benachbarten, im Kontext stehenden Texten bilden im Idealfall eine neue Textur, die eine gedruckte Zeitung so nicht liefern kann, und die über die Möglichkeiten eines Online-Artikels der allermeisten regionalen Zeitungen hinausreicht. Das kann reizvoll wirken und informativ werden, denke ich.

  9. 09
    wurzel9nichtsie

    Also wenn ich eine Sitzung mitschneide um danach einen Gebauten Beitrag für den Hörfunk zu machen, dann hat da auch niemand was gegen. Da Blogs genauso (meist zumindest) kritische Öffentlichkeit ist, sollte ihnen das gleiche Recht zugesprochen werden.
    Wenn Journalist immer noch eine freie Berufsbezeichnung ist, dann dürften sich die Lokalpolitiker auch nicht aussuchen wen sie als Presse anerkennen! Sie müssen allen zwangsläufig die gleichen Rechte gestatten. Wenn also jemals so eine Sitzung vom Hörfunk aufgezeichnet wurde, dann sollte das Peter Löwenstein auch dürfen.

    Man könnte noch mehr schreiben, aber ich bin müde vom umziehen!