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Die Depression der SPD

Momentan klingt jeder Artikel über die SPD wie eine Trauerrede.

Wäre die SPD ein Fußballclub, sie hieße Borussia Dortmund*. Jede Wahl wird mit hehren Zielen gestartet, internationales Geschäft, zumindest Reviermeister, und dann: Katzenjammer. An jede Niederlage wird eine Kanzlerkandidaten-Diskussion angeschlossen. So verzweifelt, wie die SPD gerade ein Profil sucht, würde es mich nicht wundern, wenn sie demnächst Lothar Matthäus als Berater einstellte.

Mein Freund Piet, der gerne und viel Zeitungen liest, meint, dass der SPD ein Programm fehle. Dass die SPD den Wettstreit der Ideen verloren habe. Dass da überhaupt keine Ideen mehr wären.

Mich wundert das. Wenn überhaupt eine Partei ein Programm hatte die letzten Jahre, dann ja wohl die SPD. Was hatten denn die anderen? Die Union hat ihre Werte, die mit Autofahren und Daheimkindern (nicht zu verwechseln mit Heimkindern) zu tun haben. Und als sie begann, ihren Ideen-Fundus auf den Atomausstieg zu erweitern, ging den Grünen beinah das letzte Alleinstellungsmerkmal verloren. Die Linke versucht, nicht allzu sehr in die Regierungsverantwortung reinzugeraten, weil sonst bald Essig wäre mit dem Wein, den Lafontaine gerne predigt. Und die FDP… Stimmt. Was macht eigentlich die FDP? Bergsteigen?

Die SPD hingegen hatte die Agenda 2010, und was auch immer man von der Agenda 2010 halten mag: programmatisch war sie. Gut, sie wirkt etwas geisterfahrerig im historischen Kontext der SPD. Und es hat sich als keine ganz so gute Idee erwiesen, der eigenen Stammwählerschaft zuzurufen: „Schnallt den Gürtel enger! In zehn Jahren habt ihr euch dran gewöhnt!“

Am Programm kann es also nicht liegen. Piet? Piet meint, die SPD sei neoliberal geworden und habe die linken Grundsätze vergessen. Nun gibt es rechts und links nicht mehr, seit 1989 die linke UdSSR (auf der Landkarte übrigens rechterhand) zusammengebrochen ist. Links ist genauso wie rechts zu einem Lebensgefühl verkommen, das nicht politische Inhalte zum Inhalt hat. Links heißt inzwischen irgendwas mit Gerechtigkeit und Solidarität. Und außerdem: gegen rechts. Sowieso.

Die SPD ist ja gegen rechts, denn rechts steht die Union. Außer Horst Seehofer, der steht inzwischen ganz allein links der SPD. Aber das sind Details. Problematisch wird es, wenn Jürgen Rüttgers linkere Positionen vertritt als Walter Steinmeier. Aber auch das sind Details.

Piet? Das ist diese große Koalition, meint Piet. In großen Koalitionen sieht der kleinere Partner immer scheiße aus. Ich finde ja, dass die SPD in dieser großen Koalition zum ersten Mal seit Jahren das Label Arbeiterpartei zurecht trägt. Während sich die CDU-Granden auf der Sonnenbank der Öffentlichkeit sonnen, machen die SPD-Funktionäre mal das, was ihre Wähler die Jahrzehnte über gemacht haben: Drecksarbeit, ohne dass es jemanden interessiert. Ansonsten hat Piet recht: Diese große Koalition ist eine Schachpartie im Endstadium, und die einzige, die problemlos zwischen den Seiten hin- und herflitzen kann, ist die Dame Angela Merkel.

Das löst das Dilemma der SPD nicht, denn Angela Merkel ist ja bekanntlich CDU. Wer die Probleme der SPD lösen müsste, das ist Kurt Beck. Aber statt dass er die Probleme der SPD löst, versucht er krampfhaft, der CDU mit sinnlosen Debatten Probleme zu machen. Und jenseits aller Augenscheinlichkeit ist Beck kein politisches Schwergewicht, denn politische Schwergewichte werden vom Gegner geadelt. Durch Ohrfeigen. Die CDU hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Beck abzuwatschen, sondern die Drecksarbeit die SPD-Basis machen lassen. Denn Beck ist nicht satisfaktionsfähig.

Ist die SPD denn nun dem Untergang geweiht? Wird sie restlos zerfressen, mittig von CDU und Grünen, am linken Rand von der Linken? Gibt es Hoffnung?

Die Hoffnungen der SPD heißen Wowereit und Steinmeier. Steinmeier, der „noch keine Wahlurne von innen gesehen hat“ (Küppersbusch). Der ist, wie man in der Bundeswehr sagen würde, nicht kampferprobt. Außerdem hat ein Fahrradreflektor mittags um zwei mehr Ausstrahlung als unser Außenminister.

Und Wowereit? Wowereit suggeriert Weltläufigkeit, was ihn für die SPD-Basis in Süd- und ganz weit Westdeutschland unwählbar macht. Für Berliner ist er auf Landesebene überhaupt nur deswegen wählbar, weil die Alternative Pflüger heißt. Ich habe übrigens neulich meine Zimmerpflanze in Pflüger umgetauft. Eine Woche später ist sie eingegangen. Go figure.

Sieht es also düster aus für die SPD? Piet? Piet meint, das könne man immer nur eine Woche davor wissen, immer donnerstags. Donnerstags schreibt die Zeit eine ganze Seite mit einem SPD-Horoskop voll. Man müsse also von Woche zu Woche, sagt er. Und hart arbeiten. Und dann das nächste Spiel. Der nächste Gegner, die nächste Wahl. Wenn er solche Sachen sagt, bekommt er Aknenarben, grinst spitzbübisch und das Haar wellt sich auf seinem Haupte. Kurz, er wird Thomas Doll. (Für alle Nicht-Fußballfans: Thomas Doll kann man sich vorstellen wie Thomas Gottschalk, bloß jünger und ohne Lederhosen und mit Akne-Narben. Und die Haare sind auch was kürzer.) Das macht ihn unglaubwürdig, kein Fußballfan glaubt Thomas Dolls Voraussagen. Und Thomas Gottschalk erst.

Ich habe eine andere Theorie: Was die SPD gerade durchmacht, ist eine klassische Depression. Das kennt jeder: Nach einem Fehltritt, wie es Schröder einer war, sieht die Zukunft ganz schön schwarz aus. Oder aber schwarz-grün, was schlimmer ist. Nichts klappt, Simonis nicht, Ypsilanti nicht, noch nicht mal der Atomausstieg. Man geht in sich, man löst längst überfällige Konflikte, und dann. Und dann.

Dann kommt bestimmt nicht Hubertus Heil als Kanzlerkandidat zweitausendirgendwas. Hoffe ich.

*Spreeblick, Deutschlands fußballvergleichendstes politisches Blog, das genau wegen solcher Vergleiche in allen Rankings immer unter Vermischtes steht.

42 Kommentare

  1. 01
    Hr.Lohmann

    Wieso sprechen immer alle von Schröder und seiner Agenda als Fehltritt? Sie war der Versuch, die Sozialquote wieder unter die magische Marke von 30% zu drücken, die Anreizstruktur für Arbeit zu verändern und die Prozesse effizienter zu machen. Das ist nicht überall gelungen, aber sicherlich bei einem Großteil der Dinge.

    Was ist denn die soziale Marktwirtschaft? Was ist sozial? (ich zitiere jetzt nach Walter Eucken und Ludwig Erhard)

    – Das Prinzip wirtschaftlicher Freiheit im Wettbewerb schafft die Möglichkeit, seine Fähigkeiten und Wünsche am Markt am effizientesten einzubringen (statt seine Karriere von einer Ideologie abh. zu machen)
    – Produktion orientiert sich an der Nachfrage, nicht an einem oktroyierten Angebot
    – Preismechanismus und Co. sorgen für Effizienz, Technischer Fortschritt sorgt für Produktivitätssteigerung, die das Sozialprodukt steigen lässt (was wiederum für soziale Maßnahmen notwendig ist)
    – Wettbewerb verhindert Monopole und trägt zur leistungsgerechten Einkommenverteilung bei.
    – Bei Nicht-Leistungsfähigen muss der Staat eingreifen, das macht er seit dem 19. JH über Arbeitslosenversicherung, KrankenV., RentenV.
    – Bei Marktversagen (Kartellbildung, falschen Anreiztstrukturen, Strukturnachteilen, Strukturumbildungen) greift der Staat regulierend (Kartellbehörde) oder fördernd (Struktursubventionen, Anpassungskostenabfederung) ein.

    Das ist das Ziel der Sozialen Marktwirtschaft. Was hat die Agenda gewollt? Sie wollte, dass bspw. ein arbeitsloser Single nicht erst wieder anfängt zu arbeiten, wenn er ne Stelle findet, die höher als sein AL-Geld ist. Denn dieses AL-Geld ist eine Schwelle, unter der man nicht arbeiten geht. Ist sie zu hoch, geht kaum ein ALler mehr arbeiten, denn meist sind diese Personen nicht besonders gut qualifiziert und können somit nur mit wenig Verdienst rechnen.

    Folge: Entweder muss die Schwelle runter oder sein Lohn höher sein. Die Schwelle wurde gesenkt (durch Verkürzung der Bezugszeit). Der Lohn wurde in der Weise höher, dass es verstärkt Bildungsmaßnahmen gibt und sein Lohn aufgestockt werden kann. Damit er quasi besser ausgebildet ist und einen Anreizt mehr bekommt, arbeiten zu gehen.

    Absolut sinnvoll, aber jeder redet’s kaputt und verweist auf die Fälle, wo das ausgenutzt wird (Aufstockerfirmen, Leiharbeitsfirmen, 400€-Jobs…)

  2. 02
    Herr_M

    Die SPD ist in der Krise weil ihrem klassischen Politikansatz durch die Globalisierung die Geschäftsgrundlage geraubt wurde und der Mitgliederschaft eine Agenda 2010 aufoktroyiert wurde. Zuvor hatte man 16 Jahre Opposition vergeudet, anstelle die Zeit für eine Neuausrichtung der Partei zu nutzen. Lafontaine hat ja nicht immer so einen Unsinn geredet wie heute.

    Ob es Zufall ist, dass ich BVB-Fan und Ex-SPD-Mitglied bin?

  3. 03

    Schade, Sie haben Ihre Artikel im letzten Absatz verissen ;-)

    Nein, im Ernst, ich glaube Schröder hatte genau das Profil, dass die SPD stark gemacht hat. Paradox ist nur, dass nach seinem Abgang kurioserweise Frau Merkel und die CDU den Lorbeerkranz aufgesetzt bekamen.

    Das Problem, da sind wir wieder bei Schröder, ist die Breite die man verdichten muss. Links ist Nahles und Wowereit, rechts der Seeheimer Kreis und Steinmeier (Steinbrück). Was jetzt noch hilft, ist eine Richtungsentscheidung. Glaubt man dem Spiegel, was viele wohl nicht mehr tun, lässt der linke Flügel Steinmeier den vortritt, schaut sich sein scheitern an, und kommt vier Jahre später mir dem Wowereit um die Ecke. Aber wie dem auch sei. letztlich braucht es wieder einen, der die ganze Partei, zumindest äußerlich vereint. Ich hoffe, dass es Frank Walter wird, graue Haare wirken so erfahren…

    Also kurz um, der SPD fehlt ein Jürgen Klinsmann!

  4. 04
    shoggoth

    Die SPD ist eine Geschichte, die zu komplex ist für einen Blog, der meist unter Vermischtes läuft ;)

    Agenda2010 – zeitlich, wirtschaftlich und sozial gesehen zur rechten Zeit die geringst schmerzahfte Lösung für mindestens 10 Jahre von der CDU/FDP-Regierung vorher vor sich hergeschobener Probleme zzgl. dem Raub der Sozialkassen durch den „Einheit kostet nichts“-Skandal (den keiner so genannt hat).
    Schröder – der falsche Mann für die SPD – eher ein zeitlich angepasstes Kohl-Duplikat als ein SPD-Mann…aber eben ein passender Nachfolger für Kohl

    Und dann sind da noch die großen Probleme der meisten europäischen Sozialdemokraten/Sozialisten:
    Nicht entschieden gegen das „Ende der Geschichte“ (Fukoyma…oder so hiess der – ach – http://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichte) Einspruch eingelegt zu haben…und schlimmer noch nicht der irrwitzigen, verallgemeinernden und völlig falschen Darstellung entgegen getreten zu sein, dass der Niedergang der „real existierenden Sozialismen“ (so haben wir das noch in Schulzeiten genannt), die nicht anderes waren als „Staatskapitalismen“, das Ende der sozialen Bewegung an sich sei – und damit eben auch der Linken/Sozialdemokratie oder wie auch immer man es gerade brauchte…
    Daraus entstand dann hier der Bedarf bei der SPD, in die „Mitte zu schwenken“, was tatsächlich neoliberale Züge hatte…vieles war eben aber auch notwendig…einiges überhaupt nicht.

    Letzendlich fehlt es der SPD einfach an guten Werbern/PR Leuten und insbesondere eben an guten oder zumindest verkaufbaren Repräsentanten…Steinmeier – my ass…nie und nimmer wird der mehr als Minister…dann eher noch Steinbrück, der hat immerhin so etwas wie einen erkennbaren Charakter.

    Dabei könnte es so einfach sein:
    – wer hat die soziale Marktwirtschaft _sozial_ vorangetrieben?
    – wer war für die Gleichberechtigung der Frauen als noch alle anderen meinten, das sei das Ende des deutschen Volkes?
    – wer hat dafür gesorgt, dass Schulen für alle kostenfrei blieben (bis vor Kurzem sogar noch Unis)
    – wer war für die Annäherung an den Osten ohne die es nie einen Gorbatschow gegeben hätte?
    – wer hat Deutschland nach dem „Rententopf für Einheit“-Skanadal wieder einigermaßen saniert?
    – wer hat die Wahrheit zu den Kosten der Einheit gesagt?
    – wer hat Bush die Stirn geboten und nicht der CIA geglaubt?

    Ja – die SPD.

    Ich würde die allerdings trotzdem nicht wählen…wohne aber auch im Ypsilanti-Land…da kann man ja eben ob der Dummheit nur kotzen oder was Anderes wählen…

  5. 05

    Zu 04 shoggoth will ich noch hinzufügen, dass die SPD doch eigentlich auch für die aktuellen Themen und Probleme die besseren und populäreren Lösungen hat. Die brauchen sich doch eigentlich gar nicht verstecken.

    Wer setzt sich denn für einen flächendeckenden Mindestlohn ein? – Die SPD

    Und wer will eine einheitliche Krankenversicherung für alle Bürger, statt diese 2-Klassen-Medizin-auslösende privaten Krankenversicherungen? – Die SPD.
    Sogar die Sachverständigen der privaten KV kommen zu ner Lösung, die der SPD-Bürgerversicherung sehr ähnlich ist. Einfach weil das sinnvoll ist.

    Und man denke nur an Wolfgang Schäuble mit seiner Vorratsdatenspeicherung und seinem Datenaustausch mit den USA. Die SPD ist da zumindest moderater.

    Konservative wie CDU/CSU hängen irgendwie ständig der Zeit hinterher. Die wollen das Alterhergebrachte so lange bewahren, bis es überhaupt nicht mehr anders geht. Und Leute die älter werden, finden das dann auch noch klasse. Aber das ist ja auch viel einfacher, als den Anspruch, den die SPD an sich stellt.

  6. 06
    Chr

    Ich finde, Herr Pispers bringt die Sache – zwar nicht abschließend, vieles weiteres hätte man noch sagen können – auf den Punkt:

    Wissen Sie, was das allerschlimmste ist? In einem Jahr ist schon wieder Bundestagswahl! Da graut mir jetzt schon vor. Wissen Sie, was Sie noch wählen sollen? Das kleinere Übel… jaja…

  7. 07
    Viva Hammonia

    Der SPD geht es schlecht weil die gesamte deutsche Politiklandschaft mittlerweile aus sozialdemokratischen Parteien besteht.

    Nun stehen die Genossen am Scheidewege, entweder wieder „wirkliche“ Genossen zu werden und sich dem linksextremen Lager anzuschließen. Oder eine seriöse Partei zu bleiben, wozu sie sich seit den 50ern entschieden haben.
    Fähige Leute wie Altkanzler Schmidt sind bei den Sozen zudem Mangelware.

    OT allg.:
    Verwunderlich ist, warum sich die Leute nicht fragen, warum Bayern seit Jahrzehnten so gut funktioniert ?
    Wär auch zu „fundamental“… Tolles Wort wa, Fredi ? ;)

  8. 08

    Die SPD ist personell und intellektuell ausgepowert. Seit den 80er Jahren leidet sie darunter, dass die engagierten, eher linken Jugendlichen, sich anderen Parteien anschlossen (Damals die Grünen). Heute fehlt ihr vernünftiges Personal unter 50 – nicht nur als Kandidaten, sondern auch als Träger neuer Ideen. Das Nachlaufen der Linkspartei wird den Sozialdemokraten indes nicht helfen – die SPD müßte am Schröder-Kurs festhalten und die Agenda 2010 offensiv weiter entwickeln – aber dafür braucht man Leute mit einem gewissen intellektuellen Potential und einer ordentlichen Portion Standvermögen. Beides hat die SPD nicht, sondern fast nur graue Parteimäuslein. Damit wird es sehr schwierig.

  9. 09
    martin

    naja, im gegensatz zur spd hat borussia dortmund in der nächsten legislaturperiode einen sympathieträger als chef(trainer). davon abgesehen hat meine glaskugel vor jahren schon behauptet, dass die spd irgendwann mit den grünen und der pds (gabs damals noch…) fussionieren und sich irgendwo am linken rand eine neue sozialistische partei erfinden wird.

  10. 10
    Chr

    @#683519: „[W]er hat die soziale Marktwirtschaft _sozial_ vorangetrieben?“

    Na ja, also jedenfalls NICHT die SPD. Die Hartz-Gesetze haben vereinzelt Aspekte enthalten, die sinnvoll gewesen sein mögen – bspw. gibt es jetzt weniger Krankenunversicherte -, insgesamt betrachtet waren sie jedoch ein schwerwiegender Fehler. Das eskalierende Sanktionsverfahren, in dem bereits bei kleineren formalen „Zuwiderhandlungen“ der H4-Empfänger in erheblichen Maße tw. ohne Möglichkeiten der Rücknahme die ohnehin wahnsinnig knappen Leistungen einbehalten werden, ist schlicht und ergreifend unmenschlich! Schröder hat mit seiner Agenda 2010 nicht mehr als soziale Ungerechtigkeit und die Spaltung in SPD und USPD/Links-Partei erreicht. Diese Politik nun noch weiter als Erfolg zu behandeln, na, herzlichen Glückwunsch!

    Anreize zu schaffen, wie @#683503: das formuliert, ist sicherlich kein völlig falsches, wenn sozial ausgewogenes Konzept, sofern es denn genug Arbeit gäbe. Fakt ist, dass es in diesem Land in absehbarer Zeit keine Vollbeschäftigung geben wird. Diejenigen also, die überhaupt keine Aussicht mehr haben, einen Job zu finden, müssen von derart wenig Kohle leben, dass sie halt nicht verhungern und die sog. Grundbedürfnisse (scheiß Glotze!) bei „allerstrengster Haushaltsführung“(BVerfG) befriedigen können (Einzelne Differenzierung je nach dem Personenstand/Elternschaft erspare ich mir hier). JEDE darüber hinausgehende Partizipation an der Restgesellschaft ist nicht mehr vorgesehen.

    Da die von der SPD eingebrachten Hartz-Gesetze damals eben gerade nicht mit Mindestlöhnen flankiert worden sind, wenn @#683522: diese schon in die Diskussion einführt, werden aktuell Arbeitnehmer in Arbeitsverhältnisse gepresst, deren Entlohnung aberwitzig ist oder können nur mit Hilfe staatlicher Transferleistungen und trotz Arbeit in prekären Verhältnissen leben. Arbeit in Unternehmungen übrigens,
    – die sich bei angemessener Lohnzahlung überhaupt nicht (mehr) lohnen würden oder
    – in denen bessere Löhne gezahlt werden könnten, aber die Unternehmer lieber die Gewinne selbst einstreichen (es lebe das Bilanz- und Steuerrecht) oder
    – die durch Transferleistungen vergünstigten Löhne nutzen, um in marktwirtschaftliche Monopolstellungen wie der Deutschen Post zulasten des Sozialstaats einzudringen!

    Eine SPD, die heute plötzlich mit Mindestlöhnen hausieren geht, als wenn sie vorher nie was geahnt hätte und ohne den vorgenannten Zusammenhang offen eingestanden zu haben, kann ja wohl niemand Ernst nehmen! Mindestlöhne, von denen auch die SPD weiß‘, dass sie mit der CDU nicht zu machen sind.

  11. 11
    Hr.Lohmann

    @#683545: Mindestlöhne, die wir doch schon längst haben. Einmal in den jeweiligen Tarifverträgen, die ja einen Mindestlohn darstellen und zum Anderen mit dem Sozialhilfeniveau, neuerdings HartzIV genannt. Denn das ist der Mindestlohn, unter dem geht keiner arbeiten, sondern gammelt lieber daheim vor der Glotze.

    Wofür eigentlich einen gesetzlichen Mindestlohn, der dann eh wieder gestaffelt werden muss, nach Branche und Qualifikation?

  12. 12

    Also die SPD ist sicher der weitaus größere Verlierer aus der großen Koalition als die CDU. Für mich als mittelmäßig politisch interessierten Menschen höre ich auch stets wenig konstruktives aus dem SPD-Lager. Es gibt häufiger mal Querelen um das Zugpferd bei der SPD. Die derzeitige Führungspersönlichkeit, die da heißt Kurt Beck, wird ja nicht so besonders ernst genommen und wird sicher auch kein Kanzlerkandidat werden (außer es erbarmt sich niemand anderes).
    Die CDU ist durch Angela Merkel natürlich schon wesentlich präsenter in den Medien und die teils schmetterlingshafte Metamorphose von A. Merkel kommt beim unpolitischen Menschen gut an. Die Kanzlerlin hat sich mittlerweile salongfähig gemacht hat und nicht mehr als die Zonentrulla mit dem komatös schlechten Haarschnitt. Merkel ist aus dem großen Schatten (Achtung Doppeldeutigkeit) von Kohl herausgetreten.
    Bei der SPD hingegen hört man nur von der Kopflosigkeit in der Führung. Vielleicht wäre aber Andrea Nales eine zukünftige Option für eine Kanzlerkandidatur. In einem der letzten Spiegel war ein Artikel über Nales mit dem sinngemäßen Untertitel „Angela Merkel: Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich mich noch an Kurz Beck wenden soll, oder ob ich nicht gleich mit Andrea Nales spreche“. Das ist sehr bezeichnet, so sagt es doch aus, wer da wirklich die Strippen im SPD-Lager zieht. Aber Nales ist loyal zu Beck, daher wird sich nix zun, solange Beck nicht selbst zurücktritt oder von anderen dazu gedrängt wird.

    Grüße
    Dirk Niemeier

  13. 13

    @#683505: Der letzte Satz. So müssen Fußball Metaphern aussehen.

  14. 14
    Chr

    @#683547: Weil nicht einzusehen ist, dass in einem Wohlstandsland wie Deutschland Menschen schaffen gehen, ohne davon leben zu können und die Hungerlohnunternehmen, die nicht genug zahlen wollen/können(s.o.), durch Transferleistungen indirekt und auf Kosten des Sozialsystems subventioniert werden.

    Wieso muss der gestaffelt werden? Und wie kommst du denn auf Qualifikation als Kriterium? Und natürlich haben wir keinen gesetzlichen Mindestlohn, der im Übrigen in den allermeisten europäischen Nachbarländern inzwischen unbestrittener Standard ist. Die freiwilligen Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sind ja wohl ’ne völlig andere Baustelle.

    Die London School of Economics and Political Science hat im April 2007 eine Evaluierung der letzten zehn Jahre gesetzlichen Mindestlohn in UK herausgegeben:

    „A century has passed since the first call for a British national minimum wage (NMW). That remarkable Fabian tract discussed wage setting, coverage, monopsony, international labour standards, inspection and compliance and the interaction between the NMW and the social security system. The NMW was finally introduced in 1999. It has raised the real and relative pay of low wage workers, narrowed the gender pay gap and now covers around 1-worker-in-10. The consequences for employment have been extensively analysed using information on individuals, areas and firms. There is little or no evidence of any employment effects. The reasons for this include: an impact on hours rather than workers; employer wage setting and labour market frictions; offsets via the tax credit system; incomplete compliance; improvements in productivity; an increase in the relative price of minimum wage-produced consumer services; and a reduction in the relative profits of firms employing low paid workers. (Abstract)“

  15. 15
    shoggoth

    @#683545:Ich gebe ja zu, dass es sicherlich viele Härtefälle im Zuge von HartzIV gegeben hat – aber vorher war es doch auch kein Zustand!
    …und nein, mir geht es nicht um eine Neiddebatte…sondern wirklich darum, dass wir seit den 80ern eine Schieflage bei der Ausnutzung der Sozialhilfe hatten, die nun eben auch korrigiert werden musste.

    Zu den Arbeitsangeboten:
    Wir sind uns ja einig, dass es nun schon seit über 20 Jahre klar ist, dass wir uns rasch von der Industriegesellschaft in die Wissensgesellschaft bewegen – dass Deutschland die zeitweise die Umbrüche in anderen Ländern abmildernde Dienstleistungegesellschaft nicht vollzogen hat, steht auf einem anderen Blatt…
    Aber man kann doch nicht heute noch verlangen, dass es Jobs gibt, bei denen ich 2.500-5000EUR / Monat (damals DM) verdiene und mein Leben lang bei SIEMENS, Opel, VW, Thyssen, Damiler oder wie die gr. Industriekonzerne eben hiessen arbeiten kann – ohne je was gelernt zu haben.
    Roboter und andere Automatisierungsprozesse gibt es nun auch nicht erst seit gestern…

    Natürlich muss hier die Gesellschaft was tun…aber genau das sehe ich als den „ersten Schritt“ an, den die Ag.2010 vollzogen hat – ein Bewusstsein zu schaffen, dass es so nicht weiter geht und dass jeder auch selber Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss und nicht nur auf den Staat als Versorger zu warten hat…ob ich mich autodidaktisch weiterbilde oder lieber vor der Glotze hänge, ist eben zuerst mal mein PRoblem.

    Recht gebe ich Dir, dass eben statt Geld in Vorruhestandsregelungen für Gewerkschaften und Unternehmen zu pumpen, neue Rüstungsvorhaben zu planen oder eben das Geld bei der großen Verschwendungsmaschine namens „öffentl. Ausschreibungen“ direkt zu verbrennen, wären Investitionen in Bildung für „Abgehängte“ notwendig.
    Aber dazu müssen die Leute auch bereit sein – und es geht eben nicht vom Sofa aus…

    Sozial ja – aber auch entschieden gegen a-sozial und für Leistung! Das ist soziale Marktwirtschaft. Und NEIN, ich meine auch nicht diese Volksverdummung von vor ein paar Jahren namens „neue soziale Marktwirtschaft“…

  16. 16
    Chr

    @#683558: Also, hmmm, alles nicht so einfach…

    [S]ondern [es geht] wirklich darum, dass wir seit den 80ern eine Schieflage bei der Ausnutzung der Sozialhilfe hatten, die nun eben auch korrigiert werden musste.

    Bitte verhaut mich nicht gleich alle, mal ganz im Ernst: hat hier irgendjemand wenigstens EINE methodisch seriöse (Längsschnitt-) Untersuchung zur Feststellbarkeit des Missbrauchs oder der systematischen Ausnutzung von Sozialleistungen in Deutschland? Oder reden wir über Enthüllungsjournalismus auf dem Niveau „Florida-Rolf“ der allseits geliebten BILD?

    Ich gebe ja zu, dass es sicherlich viele Härtefälle im Zuge von HartzIV gegeben hat. [… Agenda 2010 soll] ein Bewusstsein zu schaffen, dass es so nicht weiter geht und dass jeder auch selber Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss und nicht nur auf den Staat als Versorger zu warten hat.“

    Mein Eindruck ist eben, dass die Bemessung der Sozialleistungen viel zu niedrig angesetzt, viele Regelungen unnötig kompliziert und unnötig belastend sind, die Arbeitsagenturen sind „Häuser, die Verrückte machen“ à la Asterix & Obelix und die möglichen Leistungskürzungen in ihrem Ausmaß weit über’s Ziel hinausschießen, insbesondere weil es für einige keine f****** Arbeit gibt! Das ist alles himmelschreiend sozial ungerecht und kommt von der sozialdemokratischen Partei: „Wer hat uns verraten?“ – „Sozialdemokraten!!“

    Und na ja, wenn ich irgendwann keinen Job mehr finden sollte, mich keiner haben will, weil ich zu alt, behindert, psychisch nur beschränkt arbeitsfähig sein oder sich schlicht mein Beschäftigungssektor in Luft aufgelöst haben sollte, ja, dann hoffe ich inständig, dass mein Staat mich in Zukunft wieder ernsthaft versorgen wird und mir nicht nur Brotkrumen hinwirft! Und ich wüsste auch nicht, auf wen ich da sonst warten sollte? Ich selbst werde niemals in der Lage sein, mich als durchschnittlich Verdienender derart abzusichern wie es ein Staat könnte, als Geringverdiener sowieso nicht! Daher ist dies mE die vornehmste Aufgabe des Staates und ergibt sich in unseren Verfassungsstaat sogar als ein Anspruch aus dem Sozialstaatsprinzip, Art. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz.

    Aber auch die von so vielen hier beschriene Bildung ist kein absoluter Lösungsansatz, sondern langfristig lediglich Voraussetzung, dass man überhaupt noch mitspielen darf!

  17. 17
    Martin2

    Hartz4 sollte man wirklich nachbessern. Regelsatz erhöhen und nicht sanktionieren, wenn jdm. kein Bock auf Arbeit hat. Dann ist das eben so.

  18. 18
    Chr

    @#683563: *seufz*

  19. 19
    Martin2

    Dein Seufzer geschah vermutlich in der Annahme, dass diese ein ironischer Kommentar sei. Nein, war durchaus ernst gemeint. Eigentlich wollte ich Werbung für das Grundeinkommen machen und das größte Vorurteil so beiläufig erledigen. Jeder Mensch hat ein Interesse sich sinnvoll zu betätigen. Ihn diese Freiheit zu gestatten, wäre der logische nächste Entwicklungsschritt unserer Zivilisation. Wir können nicht alle Lotto im Callcenter verkaufen.

  20. 20
    Viva Hammonia

    @#683563:
    Oha, um die Linke stehts schlimmer als ich dachte… Ich hoffe, wir überstehen diesen Linksruck einigermaßen unbeschadet :(

  21. 21
    Chr

    @#683571: Es war in der Tat ein allgemeiner und sehr unspezifischer *seufz*… Ehrlich gesagt, ich weiß‘ nicht, wie das Problem mit dem Grundsockel der Arbeitslosigkeit sinnvoll lösen sollte. Vielleicht ist das bedingungslose Grundeinkommen ein gutes Konzept.

    Aber dafür ist Viva wieder da. Der erheitert mich wenigstens noch regelmäßig!

  22. 22
    Viva Hammonia

    Das Problem wird niemals dadurch gelöst, dass der Staat überall reinpfuscht und seine Bürger zu entmündigten Kindern degradiert.
    Es ist wie bei Pflanzen, zu viel Manipulation wird sie zum Welken bringen.
    Eigenverantwortung und Freiheit sind doch das, wovor ihr euch am meisten fürchtet.

    Erheiterung weckst du, Chr, bei mir eher weniger.
    Ich blicke mit Sorge auf die Verbrämten, die durch ebenjene Verbrämtheit, verwirrt im Tal der Ahnungslosen rastlos umherirren.
    Aber Weltanschauung verpflichtet eben.

  23. 23
    Martin2

    @#683573: Tatsächlich ist die Linke von dem Gedanken nicht besonders angetan, verteufelt es als Stillegungsprämie, weil die Befürchtung besteht, dass sich der Staat aus seiner sonstigen Verantwortung stehlen würde.
    Letzlich würde sie sich auch überflüssig machen, wenn in Deutschland keine „gefühlte“ Armut herrschen würde.
    Die Idee allen Bürgern einen „gemeinsamen Fußboden“ zu gewähren (Dahrendorf) für die grundlegende Selbstversorgung, ist für mich im Wesen eine bürgerlich-liberale Idee. Dann bräuchte es m.E auch keiner staatlichen Regulierung des Marktes, gerade durch den emanzipatorischen Effekt wäre der Arbeitnehmer fähig auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber zu verhandeln.
    Niemand kann etwas dafür, dass er fressen, schlafen und aufs Klo muss. Man sollte die Menschen von diesem Grundtatbestand freisprechen.

  24. 24
    Chr

    @#683580:

    Ich blicke mit Sorge auf die Verbrämten, die durch ebenjene Verbrämtheit, verwirrt im Tal der Ahnungslosen rastlos umherirren.

    Toll, Viva, du Poet! Besonders das Tal der Ahnungslosigkeit fand ich sehr malerisch!

  25. 25
    Philipp A.

    Bei der SPD weiß doch keiner mehr wo sie steht. Die FDP vertritt den liberalen Turbokapitalismus – das ist klar. Die Union, die hat ihre soziale Marktwirtschaft und die Linke den Neokommunismus.

    Und wo steht die SPD? Momentan wohl eher auf Sozialismus. Damit läuft ihnen aber die Mitte weg. Also schnell auf Abgrenzung zur Linken und rein in bürgerliche Bündnisse. Und schwupps bricht der linke Rand weg. Und beides Bedienen geht auch nicht. Also muss man sich entscheiden, doch dafür fehlt ein Programm.

    Wer heute sein Kreuz bei der SPD macht weiß nicht ob er Koch oder Gysi bekommt. Und beides klingt für die Stammwählerschaft nicht verlockend.

  26. 26
    Tim

    Profil hin oder her. Heute beim Obama-Auftritt wird es der SPD schmerzlich bewusst werden, dass sie mit Beck keine Chance haben. Politik geht über Personen. Beck, die Steinies, Nahles – alles Politiker, die selbst mit 6 Monaten Vollzeit-Medientraining keine Führungsfiguren abgeben.

  27. 27
    Hr.Lohmann

    @#683555: Das ist nur ein Fall, wo das ausgenutzt wird, das Prinzip an sich ist dennoch richtig. Die Sozialhilfe sollte nur für die „auf ewig“ den Lebensstandard sichern, die nicht mehr arbeitsfähig sind. Nicht für die, die nicht arbeitswillig sind. Auch hier gibt es sicher Missbrauch und Schwierigkeiten bei der Feststellung der Tatsachen, aber so ist das nun mal.

    Somit finde ich es überhaupt nicht tragisch, dass manche Löhne unter dem Minimalstandard aufgestockt werden, denn Arbeiten ist immer der erste Schritt zu besserer Arbeit. Wer keine Ausbildung hat und auf dem Sofa wartet, dass ein Job mehr Geld bringt als seine Sozialhilfe, wird auf ewig warten. Wer dagegen arbeitet, aufgestockt wird, der macht sich auf Dauer interessanter und KANN aufsteigen.

    Gestaffelt werden müssen Mindestlöhne bei den Tarifverträgen nach Qualifikation. Denn eine Putzfrau KANN nicht das Selbe, wie ein Lokführer bekommen.

    Die Tarifvereinbarungen sind NICHT freiwillig, da sind ihre Informationen falsch. Nur kann der STAAT da nicht reinpfuschen (und das ist gut so), sondern der Markt (und die Inflation) regelt den Preis der Arbeit. Wo der Markt versagt, greift der Staat ein (siehe Aufstocken)

    Ich sagte auch nicht, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn haben, ich sagte nur, dass wir mit der Vielzahl von verpflichtenden Mindestlöhnen in Branchen und dem Sozialhilfeniveau eine Schwelle haben, die wie ein ges. Mindestlohn WIRKT.

  28. 28
    Chr

    @#683613: Lassen wir das. Ich denke, du hast eine naive Weltsicht Marktmechnismen betreffend ein und rabiates Menschenbild, du denkst, meine wäre sozialromantisch. Bleiben wir dabei und geh du nur schön SPD wählen.

  29. 29
    Tom

    @#683561:
    Solche Studien gibt es – zumindest in Ansätzen – schon. Sie kommen jedoch zum Ergebnis, dass der Anteil von Missbrauch im Promillebereich liegt (vgl. z. B. Aust/Müller-Schoell 2006, genaue Literaturangabe auf Wunsche.

    Genauso gibt es (inzwischen und endlich) auch ein paar Untersuchungen zum in den Kommentaren hier immer wieder vorgebrachten Armutsfallentheorem, bzw. Lohnabstandsgebot (also zur Behauptung, die Sozialleistungen müssen so niedrig – also deutlich unter den Niedriglöhnen liegend – sein, da sich die Arbeitslosen sonst nicht um Arbeit bemühten). Und diese zeigen, dass dieses Menschenbild des zweckrationalen Akteurs schlichtweg Quatsch ist (eine Erkenntnis, die sich einem jedoch schon bei Durchlesen des aktuellen Armuts- und Reichtumsberichts öffnen müsste oder anhand der steigenden Zahlen der „working poor“, die für einen Lohn unterhalb des Sozialhilfeniveaus arbeiten – und sich trotzdem häufig nicht um aufstockendes ALG II bemühen). Nachzulesen bei GEbauer/Petschauer/Vobruba 2002 oder bei Gebauer 2007. Auch andere Studien zeigen, zu welchen Konzessionen Arbeitslose bereit sind, nur um einen Job zu finden (vgl. z. B. Brixy/Christensen 2006 mit Ihrer Studie des IAB).

    Aber was interessieren mich sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, wenn ich mich auch an Einzelfällen, (meist falsch) dargestellt in der Boulevardpresse, abarbeiten kann. Oder ich von meiner eigenen Faulheit (a la „Ich würde auch nicht arbeiten, wenn ich auch so Geld bekäme) auf andere schließe…

    Daher ist Chr wohl zuzustimmen. „Lassen wir das“.

  30. 30
    Hr.Lohmann

    @#683636: Für naiv halte ich die Vorstellung, dass die Sozialquote noch weiter steigen kann. Die liegt schon bei 32%, das reicht erstmal. Und hier reicht’s auch erstmal.

  31. 31
    Chr

    @#683647: Großartig – sehr gern hätte ich genaue Literaturangaben. Ältere Untersuchungen, die mir zu Verfügung standen, waren methodisch zweifelhaft und dementsprechend wenig belastbar. Da hätte man anderen Disputanten nur Papier hingeworfen, dass sich leicht zerfetzen lässt.

    Ich steck derzeit tief, tief in anderen Materien, so dass ich wenig Zeit hätte, da selbständig zu buddeln. Wäre ein Träumchen, wenn du mir die Literaturangaben, die du rumliegen hast, einfach schickst – Danke! Hier ne Trashmail: fox_zjrokk@trashmail.net

  32. 32
    Chr

    @#683652: Genau, ich naiver Sozialromantiker eben. Das in @#683636: war nicht bös gemeint. Wir kommen nur tatsächlich auf keinen Fall weiter – nicht, dass die Auseinandersetzung nicht lohnenswert gewesen ist.

    Also, ich will jetzt nicht noch nachtreten… Aber da du es ansprichst: Na klar ist in Deutschland die Sozialquote hoch – wir leben ja auch in einem Sozialstaat und nicht im „Pursuit of Happiness“ der Amerikaner!! Und überhaupt, wie soll man in einer derart alternden Gesellschaft wie der deutschen denn die Sozialquote niedrig halten? Die Einsparungen bei den Hartz/ALG-Leistungen UND die insgesamt verbesserte Arbeitsmarktlage hat die Quote vom Höchststand von 32,2% (2002) auf 29,2% (2007) gesenkt (niedrigste Quote in Deutschland seit Beginn der Messung: 20,9% im Jahre 1960, seit dem steigend!). Von 1975 bis 1988 bewegt sie sich zwischen 29,6% und 28,8%, sank dann 2 Jahre kurz, um bis 2002 auf oben genannten Wert zu klettern. Guess what?!

  33. 33
    Viva Hammonia

    @#683586:
    Oh, vielen Dank !
    Ich glaube ja auch, zarten Alters von Kalliope geküsst worden zu sein.
    Freut mich, dass ich Deinen prosaischen Alltag erhellen konnte.
    Vielleicht ist es mir ja für einen kurzen Moment vergönnt worden, Dich aus der sozialistischen Tristesse Deines Kopfes zu entklammern.
    Immer schön eigenverantwortlich und frei bleiben ;)
    Einen Wunderschönen und viel Spaß beim Obama-Huldigen !!

  34. 34
    Chr

    @#683683: Ja, nun lass dich doch mal ärgern, Viva. Ärgerst du mich nicht auch zu gern? ***LG & ’nen schönen Abend beim … ja, wem huldigst du eigentlich? PS: Kalliope musst ich google’n…

  35. 35
    Viva Hammonia

    Niemandem. Ich lasse mich von keinem Menschen besoffen reden. ;) Komme da, wer wolle.

  36. 36
  37. 37
    henker

    Jetzt sägen sie sich die einzigen verbliebenen köpfe auch noch ab…

  38. 38

    Im Tagesspiegel fragte ein Beitragsschreiber, warum hat Steinmeier nicht gleich Nils Annen in sein Kompetenzteam aufgenommen. Der hat noch mehr Studienpraxis als das Großmaul Nales. Deshalb wäre der noch besser als Bildungs- und Forschungsminister geeignet.