Ich mag Google. Irgendwie. Immer noch. Und mit dem großen, ambivalenten ABER, mit dem vermutlich viele Netzbewohner an den Werbeplatzhirschen aus Kalifornien herantreten, wenn sie gemeinsam mit anderen ein Google-Doc bearbeiten, ihren persönlichen News-Stream in iGoogle verfolgen, ihre Termine in den GoogleKalender eintragen, per GTalk mit den Kollegen chatten oder einfach ihre Googlemail lesen. Es ist ziemlich leicht, ein Online-Google-Leben zu führen, denn Google-Produkte sind oft: gut. Womit ich zunächst ein qualitatives und kein moralisches „gut“ meine.
Womit wir schon bei Googles größter Achillesferse wären, dem inoffiziellen und zufällig entstandenen Unternehmensmotto „Don’t be evil“, welches inzwischen jeder, der auch nur einen Finger zum Tippen hat, interpretiert und „als Lüge entlarvt“ haben dürfte. Die Häufigkeit des Auftauchens des Satzes in Artikeln über Google wirft die Frage auf, was wohl dämlicher ist: Das ständige Eigeninterpretieren des Claims oder die Nutzung eines so emotionalen und moralischen Mottos durch ein börsennotiertes Unternehmen. Nicht nur Googles aktive Beteiligungen an Projekten wie Chinas Golden Shield Project, sondern auch Einflüsse Dritter, wie zuletzt im Viacom-vs-YouTube-Fall, sorgen jedenfalls dafür, dass die Stiftung Googletest nicht selten das Urteil „Gut“ revidieren muss.
Im Fall von Googles neuestem Streich, der Wikipedia-Antwort Knol, braucht man Google nicht einmal mehr Boshaftigkeit zu unterstellen — man kommt auch mit dem Vorwurf der endlosen Dreistigkeit schon recht weit, denn die sonst von Google gewohnte Cleverness war bei Knol scheinbar nicht zum Planungsmeeting erschienen.
Da sind zum einen Blogs, die sich darüber wundern, wieso Knols Pagerank innerhalb weniger Tage enorme Höhen erreicht hat und Knol-Artikel höher gewertet werden als Posts von lange bestehenden Blogs — meiner Meinung nach eine ziemlich klare Sache, denn google.com selbst hat den höchstmöglichen Pagerank von 10 und somit wertet Google auch eine Subdomain wie knol.google.com sehr hoch. Weit spannender hingegen die Diskussion um die Inhalte von Knol:
Während die Wikipedia ein kollaboratives Non-Profit-Projekt ist und auf die „Weisheit der Vielen“ vertraut und baut, unterstehen Knol-Artikel der individuellen Autoren-Kontrolle (der Autor bestimmt, ob und vom wem am Artikel mitgearbeitet werden darf) und bieten Autoren eine besondere Möglichkeit: Geldeinnahmen.
Die Tatsache, dass Knol-Autoren Adsense-Werbung auf ihren Artikel-Seiten anzeigen lassen können, deren Einnahmen ihnen zugute kommen, zieht bereits erste Möchtegern-Goldgräber auf die Knol-Seiten, die sich mit Artikeln zu den höchstbezahlten Adsense-Keywords auf ihre Überweisungen vorbereiten. Oder aber man tippt einfach Artikel als Werbung für das eigene Unternehmen. Ebenfalls sehr beliebt scheint das Kopieren von Wikipedia-Inhalten in eigene Werke zu sein — Hauptsache man ist früh dabei und etabliert sich als „vertrauenswürdiger“ Nutzer der ersten Stunde.
Die Idee, Web-Autoren eine Verdienstmöglichkeit zu geben*, ist natürlich keine grundsätzlich schlechte. Doch bei dem, was dabei inhaltlich für Knol herauskommen könnte, darf man sich fragen, wer den möglichen Spam lesen will. Vielleicht ist die Cleverness von Google jedoch noch viel größer und sie war incognito beim Meeting? Vielleicht soll das gar keiner lesen? Vielleicht ist Knol ein sich selbst erhaltendes Roboter-Inhalte-Portal zum Hin- und Herschieben von Adsense-Umsätzen?
In den nächsten Monaten werden wir es genauer wissen, wenn wir bei Knol beobachten können, wie Google sich vom Aggregator zum Publisher entwickelt. Eines Tages reden wir dann vielleicht nicht mehr vom „Internet“, sondern nur noch vom „Google“.
*Hinweis: Der Autor ist Teil des Blogvermarkters adnation und bietet damit selbst einigen Web-Autoren Verdienstmöglichkeiten.
Guter Artikel.
Nur zum PageRank: Meines Wissens nach wird der Pagerank einer Domain nicht an die Subdomain weitergeleitet. Und warum Knol so hoch eingestuft wird, ist doch auch klar imho: Zum Launch haben wahrscheinlich Tausende von Blogs weltweit darüber berichtet und darauf gelinkt.
Lustigerweise fällt mir gerade auf, dass Du nur ersteres getan hast. :)
(Huch, meine letzte Aussage stimmt nicht. Kann aber meinen Kommentar auch nicht bearbeiten.)
@#684228: Macht nix, so isses ja auch korrigiert. Hast du eine Quelle für die Subdomain-Rank-Geschichte?
Wie abgefuckt ist man eigentlich, wenn man die „Nutzung eines so emotionalen und moralischen Mottos durch ein börsennotiertes Unternehmen“ für „dämlich“ hält? Ist der nächste Schritt dann, andere „Gutmenschen“ zu nennen?
Naja, es ist doch auch mal schön, wenn es eine Konkurrenz zur „allwissenden Müllhalde“ Wikipedia gibt. Neue Autoren werden doch da nur eingeschüchtert. Nach nur wenigen Minuten kommen die Besserwisser, Oberlehrer und Wikipedia-Polizisten, die am Artikel rumnörgeln und Verschlimmbessern. Da geht es nicht um inhaltliche oder grammatikalische Fehler sondern um Nummerierungen und Absätze. Geschmacksfragen halt. Wer hat da noch Bock einen Artikel zu schreiben, wenn schon jeder Versuch im Keim erstickt wird? Und dann diese ewigen/sinnlosen Diskussionen bzw. Flamewares. Ich glaub da geht’s manchen Leuten nur noch ums Diskutieren an sich wie zu besten Usenet-Zeiten. Spreeblick ist da ja auch selber Opfer, wenn diskutiert wird ob Spreeblick überhaupt eine Wikipedia-Seite haben darf.
Ausserdem haben dann auch die ganzen Online-Journalisten und Blogger noch eine 2. Quelle aus der sie abschreiben können ;)
@#684231:
Eine Google-Suche spuckt unter anderem diesen Artikel aus:
http://www.entrepreneurs-journey.com/147/should-you-use-subdomains-for-your-e-business-website/
„I learnt that Google treats subdomains as separate websites altogether. “
Gehört hatte ich davon das erste Mal letztes Jahr im Zusammenhang mit Jaiku. Jaiku setzt seine User auf eigene Subdomains, Twitter dagegen nutzt Verzeichnisse. Twitter bezog damit schnell einen Pagerank für die ganze Seite und für einzelne Userseiten, weil so alle Links kumulierten. siehe:
http://www.blogherald.com/2007/05/21/is-twitter-the-next-seo-haven/
Ich bin kein SEO-Experte und beschäftige mich nicht aktiv damit. Kann also sein, dass ich (und auch diese Artikel) falsch liege. Es klingt aber alles einleuchtend.
@#684240: Danke dir!
@#684232: Was den von dir zitierten Begriff in meinem Wortschatz angeht: Hier. Ganz schön abgefuckt!
geht es in dieser welt denn immernoch um das qualitative gut? (in fast all seinen lesarten geschrieben)
Gehöre wohl auch zu denen die allzugern eine HP angeben, welche in den diversen Foren im Anmeldeformular verlangt wird, um nur das Prozedere abzuschliessen.
Bei Spreeblick muss ich noch nacharbeiten.
@Toppic
http://news.google.de/news?q=Handy+News&hl=de&h%20s=XSG&lr=lang_de&client=f%20irefox
Wer es mal wieder nicht ‚öffnen‘ kann, ist für sich gesehen gehemmt.
> Da sind zum einen Blogs, die sich darüber
> wundern, wieso Knols Pagerank innerhalb
> weniger Tage enorme Höhen erreicht hat
Nur als kleiner Einschub, der PageRank von Knol ist noch nicht öffentlich bekannt, da Google diese Zahlen nur alle paar Monate öffentlich macht. Sicherlich aber können wir von einem intern bereits hohen PageRank bei Knol ausgehen… man nehme z.B. nur mal den netten PageRank 9-Link von Google Scholar auf Knol. Sowas kann Wunder bewirken…
> meiner Meinung nach eine ziemlich klare
> Sache, denn google.com selbst hat den
> höchstmöglichen Pagerank von 10 und somit
> wertet Google auch eine Subdomain wie knol.google.com
> sehr hoch
Nein, diesen Subdomain-Automatismus gibt es laut Google nicht (siehe etwa Udi Manbers Aussagen in Search Engine Land), und man kann das insofern nachvollziehen, als sonst etwa jeder dahergelaufene Blog auf subdomain.blogprovider.com plötzlich ein tolles Ranking hätte, wenn nur blogprovider.com ein hohest Ranking hat. Trotzdem hast du natürlich Recht, das Google.com mit seinem PageRank 10 absolut auf Knol abfärbt — nämlich durch die Link-Nähe (etwa: Google.com verlinkt auf Google Scholar verlinkt auf Knol, und fertig ist der „Linkjuice“).
Übrigens: Knol-Artikel geben zur Zeit den Linkjuice *nicht* wieder nach draußen ab… Links zu externen Seiten in Knol-Artikeln sind nämlich (ähnlich wie bei Wikipedia) ge-„nofollowed“, über ein Meta-Tag im Header.
> Ebenfalls sehr beliebt scheint das Kopieren von
> Wikipedia-Inhalten in eigene Werke zu sein
… was laut Mathias Schindler von Wikimedia Deutschland in einer (allerdings zwischen Tür und Angel geschriebenen) Kurzantwort übrigens nicht ganz Wikipedia-Lizenz-konform ist (GNU vs Creative Commons-Debatte)…
> wie Google sich vom Aggregator zum Publisher entwickelt
Übrignes, Google hosted bereits viele Inhalte, so etwa in Google News (sie haben Artikel von AP und vielen mehr lizensiert), in Blogger (sie haben ja mal alle Blogspots aufgekauft) oder in Google Groups, auch wenn sie hier nicht überall das Ursprungshosting machen oder die ursprünglichen Rechteinhaber sind, klar (aber immerhin erzielt [site:groups.google.com] circa 13,200,000 Treffer).
Wer mal was lustiges sehen mag, gehe auf http://www.knol.com
Und sehe nicht gesammeltes Wissen, sondern…Dampfreiniger.
Eine echte alternative zur Wikipedia finde ich schon gut, denn ein Monopol egal in welcher Art (Fall Wikipedia: Wissensmonopol) ist in meinen Augen immer problematisch. Dennoch häte ich mir gewünscht, dass ein solches „Alternativprojekt“ vielleicht nicht unbedingt von Google kommt.
@Johnny: Gut geschrieben. Der Aspekt des Geldes macht eine Menge aus.
@Lars: Wieso diese Abneigung gegenüber Wikipedia?
Ich finde die Differenzierung zwischen Wikipedia und Knol ziemlich spannend, deshalb verlinke ich jetzt einfach ganz dreist auf den Blogbeitrag:
(Manueller Trackback)
11 Gründe wieso Google mit Knol keine Wikipedia Konkurrenz ist
http://webworkblogger.de/index.php/2008/07/31/11-grunde-wieso-google-mit-knol-keine-wikipedia-konkurrenz-ist/
Wer übrigens seine ersten Gehversuche mit Knol machen möchte:
http://knolautoren.mixxt.de
Eine Community für Knol-Interessierte und Knol-Autoren.
Was ich spontan amüsant finde ist das cross referencing, welches es in diesem Fall zwangsläufig geben muss.
Wikipedia zu Knol
Diverse Knols zu Wikipedia
Was unterscheidet eigentlich Knol von den herkömmlichen Artikelverzeichnissen?
Meiner Meinung nach nichts. Ich denke Google wollte Wiki Parole bieten und hat aus irgend einem Grund den Schwanz eingezogen.
Echt Traurig! Eine Alternative zu Wiki hätte mir sehr gefallen, da Wiki sich immer mehr zur einer geschlossenen Community mausert.
@#711688: Der Unterschied ist, dass das von dir verlinkte Verzeichnis ein PR-Portal ist, weshalb ich den Link gelöscht habe. Bitte beachte unser Impressum.