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Magersucht. Ein öffentliches Auskotzen.

Die SZ hat mal wieder eine ausführliche Klickstrecke gemacht. Magersucht ist das Thema. Eine Fotografin hat Bilder so retuschiert, dass die Abgebildeten wie Magersüchtige aussehen. Zur Begründung ihrer Aktion wird sie zitiert:

„Ich weiß, wie schnell man sich von einer hübschen Oberfläche beeinflussen lässt. Man denkt, das ist schön, weil das Drumherum stimmt – obwohl der Körper dahinter längst nicht mehr attraktiv ist“ (…) Deshalb weiß sie um die Macht der Bilder – und wie schnell sich gerade junge Menschen von den retouschierten Bildern aus der Werbung anstecken lassen.

Es gibt wohl keine andere Erkrankung, die man in einem solchen Maß zum Anlass nimmt, die Patienten der Lächerlichkeit preiszugeben, wie die Magersucht.

Der mediale Tenor zu dieser Krankheit ist: Mädchen sehen in Zeitschriften dünne Models und hören daraufhin auf zu essen. So werden schließlich auch Amokläufe erklärt: Jemand spielt Counterstrike und richtet im Anschluss ein Massaker an. Während im letzteren Fall jedoch eine Heerschar von Bloggern dieses Argumentationsmuster zerlegt, wird dieselbe Albernheit bei der Magersucht nicht hinterfragt. Selbst mein Spreeblick-Kumpan René hat vor einiger Zeit unter der Überschrift Mädels. Esst! ein Video gepostet, in dem ein magersüchtiges Mädchen sich im Spiegel als zu dick erlebt. Ergänzt durch den ermutigenden Hinweis, den besten Sex seines Lebens habe er mit einem dicken Mädchen gehabt.

WTF frage ich mich da – und ja: ich rede manchmal in Internetkürzeln mit mir.
Würde man einem Depressiven sagen: Lach doch mal! Und erzählen, dass Ulknudeln besser blasen?
Ich picke mir René nur raus, weil ich mich an seinen Artikel noch erinnert habe, ich habe das so oder so ähnlich einfach zu oft gehört, als dass ich nicht langsam die Magensäure am Gaumen hätte.

Zur Verdeutlichung: Magersucht ist eine der denkbar tiefstgehenden Verhaltensstörungen – die soll durch Blättern in der Vogue ausgelöst werden? Die wird durch ein aufmunterndes Wurstbrot-Hinschieben geheilt?

Tatsächlich ist natürlich jede Patientengeschichte individuell und es gibt den Aspekt, dass Magersüchtige im Frühstadium ihrer Erkrankung durch das positive Feedback, das sie erhalten, in ihrer Sucht bestärkt werden. Und ich kenne genügend junge Frauen, die nicht magersüchtig sind, denen man aber kein größereres Kompliment machen kann als: „Du siehst ja halb verhungert aus.“
Es gibt den Diätwahn, Dutzende von Frauenzeitschriften nähren sich schließlich am Hüftspeck unglücklicher Moppelchen (wobei selbstredend immerzu betont wird, dass im Grunde und in Wahrheit jetzt mal aber echt nur die inneren Werte entscheidend sind). Aber der Diätwahn verhält sich eben zur Magersucht wie ein Mensch, der seine Wohnungstür abschließt, zu einem Paranoiker.

Die Magersucht ist eine komplexe, nur mit größter Anstrengung zu überwindende psychische Erkrankung.
Depression, Zwangs- und Angststörung spielen eine Rolle, das Gefühl, nicht beachtet zu werden, eine Ich-Schwäche und alle möglichen individuellen Faktoren. Eine körperliche Fehlwahrnehmung kann dazu kommen, insofern ist auch das von René verlinkte Video nicht sachlich falsch, wohl aber in der Fokussetzung.
Den Zusammenhang zwischen Verstimmtheit, Angst und Appetitlosigkeit hat vermutlich jeder schon einmal erlebt. So funktioniert Magersucht zwar nicht, vielleicht eröffnet diese Betrachtung aber die Möglichkeit für Gesunde, nachvollziehen zu können, wie Psyche und Essverhalten einander beeinflussen. Magersüchtige schaffen sich über eine Kontrollstruktur ein Gefühl von Sicherheit.
Die Besessenheit vom Kalorienzählen (ich kenne eine junge Frau, die sich Gedanken darüber gemacht hat, mit wievielen Kalorien das Kauen eines zuckerfreien Kaugummis zu Buche schlägt), das ritualisierte Wiegen, das Verbergen der Symptome, das Frieren, die Antriebslosigkeit – Magersucht ist kein Nebenjob für junge Mädchen, die aussehen wollen wie Paris Hilton. Wie ein Opiumsüchtiger nicht die Pfeife raucht, sondern von der Pfeife geraucht wird, konsumiert die Krankheit das Leben der Opfer vollständig.

Die Kranken, die oft aus schwierigen bis desaströsen Familienverhältnissen stammen, sind die Letzten, die sich gegen die mediale Fehldarstellung wehren können. Sie brauchen alles Mögliche, aber nicht Birgit Schrowange, die mit Betroffenheitsmaske vom Schlankheitswahn faselt, damit RTL mal wieder einen Vorwand hat (warum brauchen die eigentlich immer einen Vorwand? Warum sagen die nicht: Schwänze raus, jetzt gibt es Titten?), um nackte Models zu zeigen.

Dass es Pro-Ana-Seiten im Netz gibt, die genau diese Fehlwahrnehmung zu bestätigen scheinen, indem sie Magersucht als ästhetisches Phänomen stilisieren, ist natürlich eine unglückliche Entwicklung. Ob sie überhaupt von Betroffenen betrieben werden oder nicht doch eher von Fetischisten, die es natürlich auch gibt, weiß ich nicht. Aber sowenig Cypress Hill die Deutungshoheit über THC-Gebrauch haben sollten oder Kurt Cobain Drogenbeauftragter der Bundesregierung war, sagt die Pro-Ana-Bewegung etwas aus über die Ursachen dieser Krankheit.

Einen Mindest-BMI für Modenschauen, gesetzlich verordnetes Wiegen bei Germany´s Next Top Model und immer wieder aufbereiteter Bullshit – das braucht kein Mensch. Benötigt werden Therapieplätze und fast hätte ich gesagt: Liebe. Und wenn man gerade keine Liebe übrig hat, dann sollte man die Kranken wenigstens ernst nehmen.

Anmerkung: Ich kenne Essgestörte und ich kenne Frauen, die sich selbst verletzen. Ich habe schon häufig über das Ritzen als subkulturelles Phänomen gespöttelt und habe damit auch nicht besser, klüger oder menschenfreundlicher gehandelt als die Angesprochenen. Ich bin eben auch scheiße und habe schon mehrere Verwandte für Witze getötet.

Update: Bin gerade in den Kommentaren auf die Google-Ads unter dem SZ-Artikel aufmerksam gemacht worden: hier ein Screenshot.

87 Kommentare

  1. 01

    Liebe. Danke, Malte.

  2. 02
    heike

    feiner artikel. und liebe ist immer und überhaupt das wichtigste. was ich schade finde, dass viele eltern sich selbst aus der verantwortung versuchen rauszunehmen, in dem was sie ihren kindern angetan haben. und ansonsten – schlankheitswahn. pff. jeder wie er mag und sich in seinem körper wohlfühlt. obwohl große schlanke frauen schon auf mich beeindruckend wirken, wenn sie dazu noch hübsch sind, keine frage. aber das hat ja nichst mit meinem eigenen körpergefühl zu tun.

  3. 03
    Schmierwurst

    Danke. Sehr guter und sehr richtiger Beitrag. Und ergänzend möchte ich anmerken, daß die meisten psychischen Erkrankungen gerne „belächelt“ oder nicht ernst genommen werden. „Lach doch mal!“ gehört tatsächlich zu Sätzen die man als Depressionserkrankter öfter hört, genau wie „Stell Dich nicht so an!“ (Letzteren allerdings eher von Ärzten. Kein Spaß.)

  4. 04
    Al

    Ich las mal einen sehr zutreffenden Artikel in der FAZ über Zwangsstörungen, mit einem sehr schönen Titel:

    „Hören Sie doch einfach auf damit!“

  5. 05
    maniacator

    Mit vielen deiner Artikel kann ich offen gesagt nichts anfangen… aber dieser ist exzellent. Ich kann nichts anderes, als dir 100%ig zuzustimmen, was oben steht gilt auch für viele viele andere psychische Krankheiten.
    Das was man nicht sieht, ist den meisten Menschen eben suspekt bwz. macht ihnen sogar Angst. Man müsste sich ja damit beschäftigen, dass es auch einen selbst erwischen kann… Da ist es meist viel einfacher, psychische Krankheiten nur als vorübergehende „Phasen“ oder ähnliches abzuwerten… jeder chronisch Depressive, der einmal den Satz „Nun stell dich mal nicht so an“ gehört hat, wird dem zustimmen können.

  6. 06
    Niels

    Im Prinzip d‘ accord und gut recherchiert! Allerdings wird von der modernen klinischen Psychologie in Enstehungsmodellen für Anorexie durchaus auch der Soziokulturelle Kontext (speziell das gängige Schönheitsideal) als EIN Faktor (wie du richtig sagst: von vielen) zur Entstehung von Essstörungen berücksichtigt (ICH-Schwäche ist andererseits übrigens nicht mehr so der heisse Scheiss in der Wissenschaft). Hinzu kommen Studien die zeigen, dass in nicht-westlichen Geselschaften Essstörungen parallel zum Diätverhalten zunehmen.
    Insofern ist es zwar richtig auf die, wie so oft, stark vereinfachte Sichtweise der Medien hinzuweisen, allerdings heisst das nicht, dass Maßnahmen wie einen Mindest-BMI bei Modenschauen „kein Mensch braucht“. Sie können durchaus eine Maßnahme von vielen sein.

  7. 07

    Danke, Malte. Echt.
    Und warum die Deutungshoheit zu dem Thema solchen Meinungen überlassen wird, ist relativ einfach.
    Wer zerlegt denn die CS-Amok-Argumentationslinie? Genau, Leute, die es aus eigener Erfahrung besser wissen. Dementsprechend kann die Magersuchtsargumentation wohl nur von Leuten zerlegt werden, die es besser wissen… aus eigener Erfahrung?
    Wenn man sich mit dem Them auseinandersetzt, dann würde immer mitschwingen, dass man ja möglicherweise selber essgestört ist – und das ist nichts, was man Deutschlands versammelten Bloggern unbedingt vor die Füße kotzen will. (pun intended)
    Zuzugeben, dass man Counterstrike spielt, ist jetzt nicht gerade ein großes gesellschaftliches Tabu. Zuzugeben – oder auch nur den Eindruck zu erwecken – man sei magersüchtig, ist schon ein bisschen ein anderes Kaliber, und kann durchaus negative Auswirkungen haben.

  8. 08

    ach, und: pro-Ana-Foren werden tatsächlich von Magersüchtigen betrieben.

  9. 09
    OverFlow

    Ganz klar auf den Punkt gebracht. Wenn das nur Schule machen würde … aber das verkauft sich nicht.

  10. 10
    rio

    erstmal sehr schöner text!
    aber zwei ergänzungen, die mir aus meiner zeit in der psychiatrie noch eingefallen sind: (nein ich war nicht selbst betroffen)

    1. @#687122:zitat „jeder wie er mag und sich in seinem körper wohlfühlt.“
    dein kommentar war gut gemeint, aber leider führt er direkt ins problem:
    nämlich in die von Malte angesprochene „körperliche Fehlwahrnehmung“ (die im Fachterminus übrigens „Körperschemastörung“ heisst) Die Betroffenen fühlen sich eben nicht wohl wie sie sind, sondern wollen dünner werden, weil sie sich als zu dick ansehen – konkret kann man sich das wirklich so vorstellen, dass man in den spiegel schaut und man dort statt 70 kg 100kg auf den rippen (vereinfacht gesagt)

    2.eine wesentliche funktion, von der mir betroffene berichteten ist auch die Strukturierung es Alltags – sehr vereinfacht gesagt: viele Sorgen/Probleme werden zur seite gedrängt, wenn man nur noch mit der struckturierung beschäftigt ist (sport machen etc.) die krankheit nimmt wohl den ganzen tag ein…

  11. 11
    Chr

    In vielem, was du hier geschrieben hast, Malte, hast du wahrscheinlich recht. Wie aber schon @#687129: geschrieben hat, kann man das – ehrlich gesagt fast schon unverschämt verkürzte – „Mädchen sehen in Zeitschriften dünne Models und hören daraufhin auf zu essen“ eben gerade nicht aus der Rechnung nehmen.

    Daher könnte man dir ebenso vorwerfen wie du den Medien vorwirft, dass du Magersucht auf deine Art und Weise verkürzt und vereinfachst. Es ist zweifellos ein sehr großer Irrglaube, man müsse „nur“ genügend Therapieplätze bereitstellen, erzieht sich dann die dünnen Mädel auf normales und gesundes Körpergewicht und schon verschwindet die Krankheit im Westen.

    Dieser Glaube, man müsse am gesellschaftlichen Gesamtgeschehen nichts ändern und korrigiert lediglich die Normabweichler und Erkrankten in therapeutischen Einrichtungen, ist meiner Ansicht nach ein riesiger Fehler!

    Und ganz ehrlich, wenn ich anorektische Mädchen sehe, schreit es in mir auch: Mädel! Iss!

  12. 12
    rio

    @#687136: leider schaffe es nicht meinen kommentar zu editieren: zur ergänzung: körperschema-störung heisst eben nicht nur „falsche wahrnehmung“, sondern auch, dass ein(e) betroffene sich ABSOLUT nicht vom gegenteil überzeugen lässt, egal was/wie oft man etwas entsprechendes sagt…

  13. 13
    Chr

    Ich find‘ sogar den Youtube-Spot bei René nicht schlecht…

  14. 14
    heike

    @#687136: ja, da hast du recht. deswegen ist es wichtig, dass die betroffenen überhaupt erst einmal ein körpergefühl herstellen, weil sie durchaus und mitunter gar keines haben. diese verzerrte wahrnehmung muss durchbrochen werden und sinnigerweise hilft hier sport ungemein, oder auch massagen, selbst den körper eincremen und auch vergleiche sind dann eben doch ungemein wichtig. sich selbst auf photos anschauen und die knochen befühlen u.s.w. . man ist ständig beschäftigt damit, kalorien zu zählen, sport zu treiben – bis an die grenze zur erschöpfung, ohne aber dabei den eigenen körper wahrzunehmen. abends wird gewogen und morgens und mittags. alles dreht sich nur noch ums essen, bis zu dem punkt, keines mehr zu sich nehmen zu wollen.

    sinnigerweise habe ich damals wieder aus trotz angefangen zu essen und es gab auch noch einen anderen auslöser. und all die berichte im fernsehen und in den zeitungen haben mir ungemein geholfen, bzw. gespräche mit freunden, wo auch schon bald klar wurde, wo sich dass alles herentwickelt hatte. und es fängt mit einer diät an, mit gemeinen sprüchen, denen man nichts entgegen zu setzen weiß und einer nachlässigen umwelt, die das selbstvertrauen des kindes nicht stärkt und eben einen immensen familiären konflikt. man wird zur schwächsten einheit im familiensystem und alle anderen können sich auf ihren problemen ausruhen. sie haben angeblich nichts gemacht. genau, sie haben nämlich NICHTS gemacht.

    und deswegen

    @#687137: unterstütze ich diese meinung und habe am anfang leicht dahin gesagt – fühl dich wohl in deinem körper, weil das der anfang ist. wenn man am gesellschaftlichem gesamtgeschehen was ändern will. und scheißwitze sind das geringere übel (außer man ist die klassengemobbte und dazu noch in der pubertät), als leute, die tatsächlich ernsthaft glauben, als dickerer mensch hat man keine arbeit, keine freunde, keinen sex und überhaupt kein sozialleben.

    im gegenteil. als magersüchtige hat man nämlich sehr bald keine freunde, keinen sex und eben – keinerlei sozialleben mehr.

    was aber auch heißt, dass man genau dort anfangen sollte – sich wieder selbst integrieren und dann wenn es arg ist, mit hilfe von therapeuten zum normalen essen zurückzufinden.

  15. 15

    Warum wird in einer Gesellschaft, in der jeder 2. zu fett ist und 10.000 mal mehr Menschen an Verfettung sterben, nur so viel über Magersucht geschrieben?

  16. 16

    Mann Malte, ist der Text gut! Ich glaub, Essstörungen sind ganz oft verschleppte Depressionen. (Ist eine These von Servan Schreiber, scheint mir aber überzeugend). Sie haben also sogar noch einen „Sinn“, eben den, nicht gleich völlig im finstersten Nichts zu verschwinden, sondern hochgradig beschäftigt zu sein: mit Kalorienzählen und Tag strukturieren oder so. … Bis das Ganze kippt.
    Doch, es gibt Leute die sagen: Lach doch mal! Jammer nicht! Hör doch einfach auf zu heulen! …und wollen damit Depressive aufmuntern. Ein Beispiel, das ich kenne: Ärztin: Wie geht es Ihnen?
    Patientin: heult und bringt keinen Satz zu Stande
    Ärztin: Wie fühlen Sie sich? Beschreiben Sie mal.
    Patientin: …. Alles leer, ich kann mich an nichts erinnern, als hätte ich Gedächtnisschwund.
    Ärztin: Na, übertreiben sie mal nicht! Gedächtnisschwund ist was anderes.

  17. 17
    heike

    @#687143: Weil Magersucht schick ist. Fettsein nicht. Und die Fetten haben eben auch häufig Essstörungen, anders herum halt. Und magere Körper assoziieren Mitleid. Mit fetten Leuten hat man kein Mitleid zu haben, die haben sich das ja selbst eingebrockt mit ihrer Essstörung. ;)

  18. 18
    panzi

    Finde auch, dass das mit dem BMI eine gute Sache ist (für eine Masßnahme von vielen (bei weitem nicht die wichtigste)). Schon alleine aus dem Grund, dass dann die Models eventuell besser aussehn. Z.B. so wie America Ferrera oder Katee Sackhoff.

  19. 19
    nicnac

    Das Kind scheint mir so viele Namen zu haben, wie es individuelle Schicksale gibt, die davon betroffen sind.
    Allen gemein ist jedoch die erhebliche Störung des Identitätsgefühls. Das dürfte sehr viel mit mit nicht ausreichend erfahrener Zuwendung in der frühen Kindheit zu tun haben. Mangel an Liebe erzeugt fast zwangsläufig das Gefühl, daß da etwas nicht im Lot ist. Und die Suche nach den Unzulänglichkeiten beginnen bei sich selbst, weil ja sonst niemand da ist.
    Diesen Zivilisationskrankheiten begegnen wir nicht durch mehr Therapieplätze sondern pragmatischerweiseweise durch Infragestellung der neuralgischen Punkte unseres extrem leistungsorientierten Systems.

  20. 20
    Pipi

    Ansicht
    (Bsp.)

    http://www.emma.de

    http://www.gofeminin.de

    In den Foren der benannten Links kann ‚man‘ sich weiters klug machen.

  21. 21
    fabiank22

    Ein Danke aus tiefstem Herzen von mir. Ich kann dir nicht sagen wieviel mir dieser Artikel bedeutet.

  22. 22
    westernworld

    @#687136: strukturierung von alltag bzw. vermeidung von alltag ist bei allen suchterkrankungen ein entscheidendes element, stoffgebunden oder nicht.

    william s. burroughs schreibt das in seiner sehr empfhelenswerten autobiographie „junkie“ und ich kann da aus eigener erfahrung auch liederabende bestreiten.

  23. 23
  24. 24

    Zitat DSM-IV-TR:

    Anoriexia Nervosa scheint weit häufiger in industrialisierten Gesellschaften vorzukommen, in denen es einen Überfluss an Nahrung gibt und in denen speziell für Frauen Attraktivität an Schlankheit gebunden ist.

    Der kulturelle Einfluss ist bei der A. Nervosa vorhanden und muss zu den Faktoren hinzugerechnet werden.

  25. 25
    mals

    schöner artikel

  26. 26

    Ein hervorragender Artikel. Eingentlich ist dem nichts mehr hinzu zu fügen. Außer vielleicht, dass der „Wurstbrothinschieben“ oft nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit der Beteiligten ist.

  27. 27
    heidrun

    nunja, die verknüpfung mit dem bild in den medien lässt sich nicht vom tisch reden (sagt man das so?). solange in frauenzeitschriften (die ja eh verboten gehören :P) etc. dem rezipienten immer wieder das bild eingebleut wird, man sei nur glücklich liebenswert und sexy, wenn man mit 48 kilo ohne cellulite durch die lande schwebt, erscheint das als eine naheliegende lösung für viele probleme junger mädchen. bei allen fällen derart essgestörter mädchen, und da kannte ich früher ein paar) hat das mit diäten angefangen, und alle dieser mädchen haben sich mit anderen frauen verglichen, die eben dem ideal „entsprachen“. dass das weiterführen muss, um zur magersucht zu werden, ist keine frage. aber schon allein das klischee, die frau habe schutzbedürftig zu sein (zwischen domina und reh wird doch so gut wie kein rollenbild ernsthaft vertreten in den einschlägigen medien), tut sein übriges.
    „Es gibt wohl keine andere Erkrankung, die man in einem solchen Maß zum Anlass nimmt, die Patienten der Lächerlichkeit preiszugeben, wie die Magersucht.“ das glaube ich nicht. da wird eher mit betroffenheiten gearbeitet, die brigitte oder die gala oder sonswter erzählt dann mal, wie schlimm das alles ist, und wenn du umblätterst, ist es wieder die gleiche scheisse. selbst die dove-kampagne ist m.e. nur ein stückchen des besseren weges gegangen.
    zwangsneurosen, anyone? wie sehr wird sich denn darüber lustig gemacht? ich hab selbst ein paar, wenn auch recht harmlose, aber mehr als nen blöden witz rufen die auch nicht hervor, während eine dürre frau immer große betroffenheit auslöst—

  28. 28
    Maltefan

    @#687146: Ack. Deswegen kann ich auch Malte nicht zustimmen, wenn er schreibt

    Es gibt wohl keine andere Erkrankung, die man in einem solchen Maß zum Anlass nimmt, die Patienten der Lächerlichkeit preiszugeben, wie die Magersucht.

    Völliger Schwachsinn. Die Essstörungen, die zu extremer Dünnheit führen, lassen doch die meisten vor Mitleid mit dem Erkrankten zerfliessen, während die Essstörungen, die zu (nicht mal notwendigerweise extremer) Fettleibigkeit führen, tatsächlich Anlass sind, die Betroffenen mit Hohn, Spott und Häme zu überziehen. Und während es sich bei den „dünnen“ Essstörungen doch schon langsam herumgesprochen hat, dass es sich um eine Krankheit handelt, die man nicht einfach so mit „Iss was“ heilen kann, ist doch das einzige, was den meisten beim Anblick eines fetten Menschen einfällt „Reiss Dich mal zusammen“.

  29. 29
    rodi

    Guter Beitrag,trifft den Kern des Problems genau ! Man kann das Phänomen „Magersucht“ auch über den Aspekt „Sucht“ betrachten und gelangt zu den gleichen Ergebnissen. Dies ist eine wirklich gefährliche psychische Erkrankung,die nicht selten zum Tode führt.
    Danke für den Beitrag.

    rodi

  30. 30

    @#687207:

    fettleibigkeit, besonders der extremen art, mag ungesund sein, aber gefährlich wie magersucht ist sie nicht.

  31. 31

    @#687209:

    aber ich will hier gar nicht krankheiten gegeneinander aufrechnen. was ich hier im übrigen mit „der lächerlichkeit preisgeben“ meine, ist der monokausale erklärungsansatz im zusammenspiel mit allerlei blöden sprüchen zu dem thema, nicht allein die blöden sprüche. witze sind das eine, wenn jemand vorgibt, sich ernsthaft mit etwas auseinanderzusetzen und dann kommt so etwas heraus – dann ist das schon sehr daneben.

  32. 32

    Es gibt wohl keine andere Erkrankung, die man in einem solchen Maß zum Anlass nimmt, die Patienten der Lächerlichkeit preiszugeben, wie die Magersucht.

    Es passiert mit jeder anderen Krankheit, die sichtbar ist, auch immer wieder. Depression alleine kann man halt nicht sehen. Magersucht ist eine Form von Depression, die «wundervoll» visualisiert ist und daher der Medien liebstes Krankheitskind. Mich erschrickt wie einerseits der Blätterwald sich gerne an Menschen mit Ernährungsstörungen als Motiv für ihre Werbung bedient, andererseits sie gerne als Opfer vorführt, um sich ein weiteres Mal an ihrer Krankheit zu bereichern, um sich dann mit ihnen ein Pseudo-Image zuzulegen.

    Ich habe die Ausstellung von Yvonne Thein im Postfuhramt gesehen. Sie war für mich im Erleben deswegen etwas Besonderes, weil die Fotografin zu diesem Projekt aufgrund von Gesprächen mit betroffenen Frauen kam, von denen sich aber keine dann fotografieren lassen wollte. Eine sehr gesunde Einstellung. Und das passte wie die Faust aufs Auge, weil kurze Zeit vor (der Ausstellung, nicht der Projektarbeit) die Kampagne von Oliviero Toscani mit dem offensichtlich magersüchtigen Isabell Caro rauskam. Bei dem medialen Rummel war ich froh für diese Frauen, dass sie sich geweigert haben. Und sich wegen ihrer Krankheit geschützt haben. Die Fotos wirkten dennoch erschreckend real:

    Gerade deswegen zeigt dieses Fotoprojekt sehr deutlich, was elektronische Bildbearbeitung zu vollbringen vermag. Da wird gestretcht, optisch verdünnt, jünger retouchiert auf Teufel komm raus. Es werden Kreaturen geformt, die es im wirklichen Leben überhaupt nicht gibt. Das Signal ist dabei ein sehr deutliches: Menschen müssen für diesen Job heutzutage überhaupt nicht mehr schlank sein. Das regelt eh die Elektronik. Womit sich Medien einerseits zunehmend ihrer Verantwortung entziehen. Und trotzdem werden diese digital geformten Kreaturen jungen Menschen als einzig wertes Ziel vorgehalten, das es zu erreichen gilt. Manchmal bin ich froh, kein Kind zu haben, dem ich immer wieder erklären muss, dass dem wonach — ein z. B. Mädchen im Teeangeralter womöglich streben will — nichts Reales anhaftet. Aber auch gar nichts. Wie erklärt man das einem sehr jungem Menschen, der seinen Traum leben will, dass das, was er da sieht und wohin er auch gelangen möchte, gar nicht existiert?

    Mir wird übel, wenn genau die Branche, die große Schuld an den Ursprüngen der weiteren Verbreitung der Krankheit Magersucht trägt, sich auf der anderen Seite die Opfer greift, um mit ihnen dann auf der nächsten Ebene wieder Auflage zu machen und sich das auch noch als menschenfreundliche Imagekampagne vor die Brust hält.

    Jungen Mädchen und jungen Männern soviel Selbstbewusstsein mit ins Leben zu geben, dass sie sich selber lieben können, so wie sie sind — mit ihren angeblichen Fehlern und großartigen Abweichungen von denen ihnen in den Medien vorgegaukelten unrealistischen Normen. Und so stark durch unglaublich sensible Zeiten wie die Pubertät kommen, das muss heute einer der härtesten Aufgaben von Eltern sein. Und dann bringen Eltern ihre Kinder zu Bett und reden sich den Mund fusselig, das Kind steht am nächsten Morgen auf und begegnet wieder und wieder den multimedialen Lügen und dem Gefühl «nicht gut genug zu sein.»

  33. 33
    Maltefan

    @#687210: Ich will ja auch keine Krankheiten gegeneinander ausspielen, und freilich stirbt man an Magersucht schneller als an Fettsucht. Aber Dein Statement, es gäbe keine andere Erkrankung, bei der man die Patienten derart der Lächerlichkeit preisgibt, das stimmt nun mal einfach nicht. Ich würde Dir ja zustimmen, wenn Du schriebst, dass Magersucht trotz viel guten Willens halt immer noch nicht verstanden und gerne Klischeehaft abgefrühstückt wird, aber das ist, wie jemand anders schon schrieb, bei den meisten psychischen Erkrankungen so.

    Wohingegen ein fetter Essgestörter halt noch nicht mal als krank, sondern nur als faul, willensschwach und generell von minderwertigem Charakter gesehen wird, den man gerne auch mal öffentlich verspotten darf.

  34. 34

    @#687214:

    wollen wir uns auf folgendes einigen: du hast wie immer recht, dafür erlaube ich mir das als rhetorsche freiheit?

  35. 35
    heidrun

    „fettleibigkeit, besonders der extremen art, mag ungesund sein, aber gefährlich wie magersucht ist sie nicht.“
    mit solchen aussagen wäre ich sehr, sehr vorsichtig, wenn du hier für einen angemessenen umgang mit von psychischen krankheiten betroffenen plädierst. klingt doch sehr danach, als sei magersucht dein „lieblingskind“. sowohl fettleibigkeit als auch magersucht gehen wohl meist mit depressivität hand in hand und sind beide absolut nicht zu verharmlosen. ebensowenig wie alkoholismus übrigens, der doch auch recht verbreitet ist und stark verharmlost wird…
    ich kenne eine äusserst fettleibige frau, der die aufmerksamkeit, liebe, und das verständnis, das hier eingefordert wird, wohl auch nicht schlecht getan hätten. ein langes leben sage ich der dame ganz sicher nicht voraus. wer nach 100 m gehen schon völlig erschöpft ist, dem bleibt auch nicht so viel. die (allerdings fast alle ex-)magersüchtigen, die ich kenne/kannte, sind glücklicherweise nicht daran gestorben. ich kenne die statistiken nicht, aber ich schätze auch nicht, dass so viele betroffene tatsächlich daran sterben. das „gute“ daran ist ja, dass diese krankheiten sichtbar sind (eben im gegensatz zu depression, wie oben schon richtig bemerkt), und es dem umfeld wenigstens ermöglichen, etwas für eine heilung zu versuchen.

  36. 36
    Maltefan

    @Malte
    Du darfst sowieso alles sagen. Ich aber auch :P

  37. 37

    und auch, wenn gerne gesagt wird, magersucht lasse sich nicht mit einem „iss doch mal mehr“ kurieren, so läuft es am schluss aber genau darauf hinaus:
    mal wieder was essen.
    wenn alle therapien durchgezogen sind, genügend liebe vorhanden ist, wenn alle ursachen analysiert, alle zwänge aufgegeben sind und alles gedanklich überwunden ist, so ist der letzte schritt doch der, sich hinzusetzen, sich ein brot zu schmieren, mund auf, brot rein, kauen, schlucken, drin lassen. wiederholen.
    klingt blasphemisch (insbesondere in den ohren der meisten magersüchtigen), ist aber so.

  38. 38

    @#687216:

    nagel mich da bitte nicht fest. ich habe ja bereits im nächsten kommentar gesagt, dass ich da nichts gegeneinander ausspielen will und in der folge vollständig kapituliert.

  39. 39

    @#687218:

    das lässt sich wohl nicht leugnen:)
    aber da geht es eben um den zeitpunkt

  40. 40

    Wie meinte schon der dicke Hansen:
    „Ich hab einseitige Bulimie.
    Ich kann nur fressen,
    nicht kotzen.“

  41. 41
    heidrun

    zu der arbeit der fotografin: ich finde es nicht so schlecht, dass die folgen der krankheit gezeigt werden, auch im zusammenhang mit der oben erwähnten digitaltechnik. über die originalität dieser arbeit allerdings ließe sich vortrefflich streiten.
    was wäre denn die alternative? so weitermachen wie bisher? warum nicht zeigen, dass im „normalen volk“ viele menschen leben, die krank sind oder auch körperliche makel haben oder oder? ich plädiere immer dafür, dem zu tode gephotoshoppten wahnsinn etwas entgegenzusetzen. hätte eine fotoserie mkit alkoholikern, junkies oder fettsüchtigen eine ähnliche reaktion deinerseits hervorgerufen? es wird schlimmer umgegangen mit anorexie als auf diesen bildern, denk ich.

  42. 42

    Danke Malte. Wieder mal ein sehr guter Artikel!

  43. 43
    heidrun

    was mir noch einfiel: wie, wenn nicht durch ein medial verbreitetes ideal, würdest du dir die un gleich größere anzahl an weiblichen betroffenen erklären und die in den letzten jahren steigende anzahl der männlichen, die sich doch scheinbar proportional zu der zunehmenden präsenz männlicher „zerbrechlicher“models verhält?
    so lange es normal ist, dass viele frauen sich beim anblick eines eisbechers bemüßigt fühlen, irgendwelchen gewissenskonflikten a la “ eigentlich darf ich ja nicht“ ausdruck zu verleihen, läuft so einiges schief und der weg zu essstörungen ist viel zu eben und mit fließenden übergängen gesegnet.,

  44. 44

    @#687225:

    das erkläre ich mir so: wir mädchen

  45. 45

    Vielen Dank für diesen Artikel!

  46. 46
    heidrun

    und dieses männlich-weiblich-bild hat für dich nichts mit medialen bildern zu tun?? (war ja klar, dass das wieder bei dem thema landet, leider hab ich nicht wirklich zeit grade :)

  47. 47

    wenn man mal paolo’s etwas verkürzendes statement (jede/r 2. zu fett) am sachlichrichtigen kern nimmt und dann die um sich greifende magersucht dazuaddiert, zuletzt noch die zahllosen allegien und nahrungsmittelunverträglichkeiten hinzunimmt, die mit unserer ernährung in zusammenhang zu bringen sind; dann – so fürchte ich- bleibt vor lauter essstörungen kaum mehr normalverhalten in bezug auf ernährung übrig…

    ich mein: wo will man denn da noch von norm reden?

    [obendrein soll es sogar leute geben, die bei vermeintlich ’normaler‘ ernährung (psychische) probleme haben.]

    unsere pflegeheime sind voll von leuten, die vom fressen krank geworden sind.

    letztlich ist wohl jeder zu beneiden, der einfach essen kann worauf er appetit hat (was ob der machenschaften der bösen nahrungsmittelindustrie eh nicht mehr funktioniert) und davon nicht krank und/oder fett wird. dem appetit als alleinigem indikator für richtige ernährung ist heutzutage einfach nicht mehr zu trauen.

    das problem bei magersucht ist doch auch, dass die idee seine ernährung im griff zu haben und bewusst zu essen prima facie erstmal vollkommen richtig ist!
    die idee (fr)essen und saufen zu können, wie und was man will, um sich dann per diät seine ’sünden‘ wieder runterzuhungern, all das in der irrigen hoffnung, dass man bei der rückkehr zum ’normalen‘ essverhalten nicht sofort wieder aus dem leim geht, ist doch total absurd.

    damit wir uns nicht falsch verstehen:
    jede form von pathologischer verhaltensstörung ist scheisse und gehört nach bestem wissen behandelt, aber gerade wenns um den komplex von norm – industrie – medien – ernährung geht, begibt man sich ganz schnell auf ganz dünnes eis.

    natürlich ist magersucht ein symptom dafür, dass in unserer gesellschaft einiges falsch läuft. aber das viel größere problem ist doch, dass die vielbeschworene norm, von der magersüchtige abweichen, lediglich eine arythmetische konstruktion ist, die als ideal genausowenig taugt, wie fotos von unterernährten mannequins.

  48. 48

    @#687230:
    ich stell grad fest, dass das möglicherweise etwas sehr pro magersucht klingen könnte. nun ja. sollte es nicht…

    was man festhalten sollte ist m.e., dass es im wesentlichen darauf ankommt, sich wohlzufühlen in seiner haut. dass einem das (je nach persönlicher distanz zum gegenwärtigen schönheitsideal) von den medien und der industrie mehr oder weniger leicht gemacht wird steht dahin, greift aber nicht an den kern der problematik.

  49. 49
    heike

    Es ist natürlich ein Unding jemandem, der tief in einer Magersucht steckt und beinah verankert ist, zu sagen: „Na, da bist du wohl auf Photoshop hereingefallen.“ Was ich aber gar nicht mal glaube und ich sehe nicht, dass das so unbedingt Konsens ist. Magersucht hat ja zum Ziel ein ästhetisches Bild zu erreichen und wenn dieses stilisierte Bild genommen wird, um Alarm zu schlagen, dann mit recht. Das Problem bei den Photos ist – sie sind nicht echt. Da fehlen hervorstehnde Knochen und eingefallene Gesichter – eine schlecht durchblutete Haut. Eine gesunde dünne Frau von einer magersüchtigen zu unterscheiden ist mit ein wenig Aufmerksamkeit nicht schwer.

    Wobei mir wieder so ein typisches Gruppenphänomen einfällt. Denn Magersüchtige unter sich können, wenn sie denn ihr Problem als Krankheit erkannt haben, die derbsten Witze über sich reißen. Dazu gehört auch Mut, sich seinen Problemen zu stellen.

  50. 50
    bernd

    Ganz ehrlich, weißt du, über was du schreibst oder schreibst du, weil du schreiben willst?
    Hast du schon mal jmd. gefragt, warum er magersüchtig ist? Nach deinem Text zu urteilen, nicht.
    Und die Kommentare hier, geben auch nur das wieder, was in den großen Medien zum Thema steht.

  51. 51
    heike

    @#687238: Ich glaube, der Konsens in den Kommentaren zu Anfang war vor allem, dass jedes Schicksal individuell ist und jeder hier kennt jemanden oder ist eventuell auch selbst betroffen oder betroffen gewesen.

    Was ich noch sagen wollte ist, dass es Umfelder gibt, bzw. Partnerschaften, die durch eine jahrelange Sucht in eine Co-Abhängigkeit rutschen können.
    Bzw. ein bestimmtes Umfeld gar nicht gewillt ist, dass die Sucht bei dem Betroffenem aufhört. Klingt hart, aber kommt häufiger vor als man denkt. Und auch diese Medieninszenierungen sind augenscheinlich nicht an einem Ende interessiert. Unsere Vorbildkranken. Sei du krank für mich, dann muss ich es nicht sein oder werden.

  52. 52
    Marlene

    @#687238:

    ich war magersüchtig und kann nur sagen: malte spricht mir aus dem herzen. ich will damit nicht bestreiten, dass es fälle gibt, bei denen der mediale durck größeren einfluss hat als hier dargestellt. aber ich persönlich wollte zu keinem zeitpunkt dünner sein und von bmi oder pro-ana hatte ich auch noch nie gehört. ich bin dankbar für den artikel, weil ich meistens das gefühl habe, mit dieser krankheit als eitle zicke abgestempelt zu werden, die zu viel barbie gespielt hat.

  53. 53
    heike

    @#687244: Also war für dich das „dünn – sein“ nicht der Anreiz, sondern etwas anderes?

  54. 54
    Chr

    Hmmm… der zweite Versuch – sollte der Post zweimal auftauchen – sorry! Mir hat zum Thema die Seite ‚pure-ana – über die Ambivalenz der Anorexie‚ sehr gut gefallen, sofern man das so formulieren kann. Sie führt auf eine einfühlsame Weise in die Lebenswelt anorektischer Frauen ein. Die Autorin schreibt in der Rubrik „pro-Ana? Was soll diese Seite?“:

    […] Ich möchte vorausschicken, daß diese Seite nicht als „pro ana“-Seite geplant und gestaltet wurde – aber ich kann, so lange die Definition von „pro ana“ nicht geklärt ist, auch nicht ausschließen, daß es, zumindest in Teilen, eine solche Seite ist. Deshalb und dennoch bitte ich darum, vor einem Urteil alles zu lesen, nicht nur das, was zuerst ins Auge zu stechen scheint.[…]

    Auf der Seite wird deutlich auf die Symptome, die Ursachen und die Folgen der Anorexia nervosa eingegangen. Desweiteren gibt’s einen
    Selbsttest und seriöse weiterführende Links zur Hilfe bei der Suche nach Therapeuten.

    Das nur vorweg, weil ich hier keine Pro-Ana-Seiten verbreiten möchte. Ich will mir auch keine einzelnen Ansichten zueigen machen, die dort ggf. geäußert werden. Mir hat pure-ana einen Einblick in die Innenansichten bereitet. Vielleicht ist das auch für die/den eine/n oder andere/n DiskutantIn von Wert.

    Am Anfang der Website steht u.a. ein Gedicht, dass das Körperbedürfnis der offensichtlich schwer anorektischen Carina vermittelt:

    Ich möchte gehen können, ohne dass meine Oberschenkel aneinanderreiben, durch die Welt stacksen mit dünnen langen Beinen, wie ein Storch.

    Ich möchte gehen können, ohne Geräusche zu machen, auf dem Wasser laufen ohne einzutauchen, über Sand und Schnee ohne Abdrücke zu hinterlassen, durch die Welt schweben wie eine Feder.

    Ich möchte herausstehende Schulterblätter haben, die aussehen als würden mir Flügel wachsen – endlich – nach langem Warten oder wie die gebrochenen Flügel eines gefallenen Engels; Ich möchte Schlüsselbeine haben, die hervorstehen und mich wie ein zierliches Wesen aussehen lassen, ein Wesen voll Glanz, rein zart und zerbrechlich.

    Ich möchte schwebend durchs Leben wandeln, jede Bewegung so elegant, jeder Schritt so anmutig, jede Geste so zart…

    Ich möchte auf einer Wiese liegen und den Wind um meinen Körper spüren, wie der Adler ihn unter seinen Schwingen fühlt den Wind um mich spüren, den Wind der mich hinfortträgt.

    Macht traurig, das zu lesen…

  55. 55
    Chr

    Man kann nicht mehr kommentieren? Oder doch? Nur ich nicht? Keine längeren? :(

  56. 56

    @#687254:

    du kommentierst doch?
    hattest du etwas mit vielen links? dann schaue ich mal im spam-ordner.

  57. 57

    Besonders passend sind ja die Google Anzeigen unter der Bildstrecke.
    SEM machts möglich!


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  58. 58

    @#687129:

    ich-schwäche war auch eher laienhaft ausgedrückt, nicht als terminus-technicus benutzt. was würde man denn eher sagen?

  59. 59
    Chr

    @#687255: Oh, zu viele Links werden aussortiert? Entschuldige, dass wusste ich tatsächlich nicht… *Hüstel* Wo liegt denn die Grenze? Bin halt ein Computeridiot!

  60. 60

    @#687261:

    bei spam sind halt häufig viele links drin. aber jetzt ist dein kommentar ja wieder da:)
    danke!

  61. 61
    heike

    @#687238: Hast du schon mal jmd. gefragt, warum er magersüchtig ist? Nach deinem Text zu urteilen, nicht.

    Vermutlich käme als erstes die Antwort: „Ich weiß es nicht!“, wenn derjenige „mittendrin“ in der Sucht/Krankheit ist.

  62. 62

    @#687265:

    habe ich auch schon so erlebt. wenn man immer wüsste, was einen so umtreibt, dann wäre ja schon ein ziemlicher schritt getan.

  63. 63
    Chr

    @#687264: Danke dir!

  64. 64
    philo

    ähm…. den Artikel fand ich erstmal gut, jedoch stört mich diese Passage:

    „Die Kranken, die oft aus schwierigen bis desaströsen Familienverhältnissen stammen, sind die Letzten, die sich gegen die mediale Fehldarstellung wehren können“

    Denn ich kenne keine Menschen aus desaströsen Familienverhältnissen, ich kenne nur viele Mädchen die „well-off“ sind, aus „perfekten“ Familien kommen (also Familien die nicht den Schein geben, sondern es sind, in denen sich die Eltern einen Arsch aufreißen und den Kindern alles ermöglichen, vieles mit denen machen, etc.) und trotzdem wie viele leiden an irgendwelchen Essstörungen, etc?!

    Ich glaube das dies ein Krankheitsbild GERADE für die Mädchen ohne Probleme ist.

    Vielen Dank für den Ansatz der „versteckten“ Depression, daran habe ich noch nie so gedacht.

  65. 65
    panzi

    @#687251: @dem Zitat: Eine solche Eleganz erreicht man aber eher durch Tanzstunden und nicht durch abnehmen. So Tänzerinnen sind zwar dünn, sind aber trotzdem gut durchtrainiert und oft muskulös. Hingegen sieht man Models am Laufsteg in so argen Stöckelschuhen wo einem beim hinsehn die Füße wehtun. Und wie man sich in solchen Schuhen bewegt finde ich zumindest gar nicht elegant. Das wirkt für mich wie ein dahinstolpern in ganz kleinen Schritten weil man bei größeren in den Schuhen die Balance nicht halten kann.

  66. 66
    Maltefan

    @#687271: Ballettänzerinnen sind auch oft magersüchtig bzw. hart an der Grenze. Die ernähren sich von Obst und Zigaretten. Diese ätherische Anmutung erreicht man nicht durch anstrengedes Training allein, dazu muss man auch hungern.

  67. 67
    Chr

    @#687271: Mir musst du das nicht sagen. Für mich ist in dem Gedicht rein gar nichts bezeichnet, was ich unter Eleganz verstehen möchte. Mich erschreckt dieses Bild zunächst einmal.

    Dennoch fand ich das Gedicht spektakulär, weil die Verfasserin – entgegen der allgemein gängigen Vorstellung, Magersüchtige sähen eine nahezu andere, eine „fette“ Person im Spiegel und lebten mit einer mit der bildhaften Realität nicht übereinstimmenden Wahrnehmung, einer entfremdeten und gestörten Körperwahrnehmung – ein sehr genaues Bild von anorektischen Körpern zu haben scheint und darin eine gewisse Ästhetik festmacht, auch wenn ich die nicht nachvollziehen kann… Dieses Selbstbild hat natürlich trotzdem krankheitswert!

    Es ist eben sehr schwer, sich eine Vorstellung von einer fremden Wahrnehmung zu machen, weil wir unseren eigenen kognitiven Modellen verhaftet sind. Ich hätte so etwas, wie es in dem Gedicht hervor kommt, nicht unbedingt erwartet.

  68. 68
    heidrun

    schön auch die visa-frau mit den schön schmalen wangen und den großen augen unter dem artikel – ein schelm, wer böses dabei denkt.

  69. 69

    ich verstehe sowieso nicht, was männer an gerippen die man eigentlich füttern möchte toll finden – aber noch dramatischer ist doch, das solche frauen auch noch als vorbild von anderen frauen gesehen werden.
    kopfschüttel.

  70. 70
    heike

    @#687244: weil ich meistens das gefühl habe, mit dieser krankheit als eitle zicke abgestempelt zu werden, die zu viel barbie gespielt hat.

    Wie gesagt, ich kenne deine Gründe nicht und ich frag auch nicht noch mal so doof nach. Aber lass dir gesagt sein, dass es grobmotorige Idioten sind, denen sowas aus ihren Münder dir vor die Füße fällt. Und es ist halt nicht immer einfach, damit umzugehen. Ich habe teilweise einen sehr derben Humor, den ich mir teilweise auch durch eine anorektische Freundin angeeignet habe. Jeder Mensch ist da anders, aber jeder Mensch ist liebenswert, auf seine Art.

  71. 71
    Lily of the valley

    @ jan: na, da würde ich direkt mal den Malte fragen. Ihm war ja schon Kate Winslet „zu schwer“.

  72. 72
    heike

    @#687290: also, weil sie, die freundin, selbst diesen humor praktizierte.
    wir sind nicht mehr befreundet.

  73. 73

    @#687292:

    ein erinnerungsvermögen wie ein elefant.

  74. 74

    Malte, du bist groß

  75. 75

    Nachträglich (Edit)

    Ich Depp habe übersehen,
    dass die Problematik insbesondere die Jugend betrifft.

    Ganz Wichtig:
    http://www.jugendschutz.net/
    >>> LINKS <<< {Könnte mich deswegen selbst 'Ohrfeigen']

  76. 76

    @#687292:
    Ja, das hatte der Spiegel auch geschreiben, daraufhin habe ich einen bösen Brief geschrieben und das langjährige Abo gekündigt.
    Scheint aber niemanden zu stören.
    Die neuen jungen Redakteure und die „Macher“ sind auf einer ziemlich „hippen“ Linie. Ich lese den Spiegel nun nicht mehr…!

  77. 77

    I know it“™s over, Spreeblick, and it never really began.

  78. 78
    Ilana

    hallo,
    ich möchte noch einmal etwas zum kulturellen Aspekt von Essstörungen schreiben, und zwar anhand meiner eigenen Geschichte.
    Ich bin nicht essgestört, war aber oft genug sehr nahe dran, es zu werden.
    Ich bin mit Vollwertkost aufgewachsen, war gesund, topfit, schlank und im Prinzip zufrieden mit mir.
    Allerdings war ich eine Außenseiterin, weil ich weder Zucker noch Fleisch aß. Ich hatte zwar keine Figurprobleme und keine Probleme mit pickeln, wie viele Teenager, aber ich war halt die komische, die nicht richtig aß. ich wollte normal sein, mich anpassen.
    Ich fing an, bei Freundinnen doch Zuckerzeug zu essen, und es wurde immer mehr, ich wurde süchtig nach Schokolade. Als dann noch Stress und einige Misserfolge im Leben dazukamen, fraß ich zuviel Schokolade und nahm immer mehr zu. Ich wurde schlapp, fühlte mich absolut unwohl in meinem Körper und bekam deshalb eine leicht depressive Stimmung. Irgendwann merkte ich, dass früher doch alles besser war, als ich noch schlank war. Mit 15 war ich erwachsener als mit 19, damals ernährte ich mich verbünftig, hatte berufliche Ziele, für die ich kämpfte, und war in meiner Familie anerkannt und so einigermaßen auch in der Schule, auch wenn ich Außenseiterin war.
    Nun fehlte mir die Orientierung, ich fühlte mich zu dick, und meine Ziele hatte ich nicht erreicht.
    Also wollte ich wieder zu meinem damaligen Zustand zurückkommen, aber nicht durch gesunde Ernährung wie damals, sondern durch fasten. Danach nahm ich wieder zu, also stellte ich meine Ernährung um, aß wenig und machte viel Sport, also nahm ich wieder ab.
    Mir wurde schon gesagt, ich sei sehr dünn, da schlug die Schokoladensucht wieder zu.
    Ich hatte manchmal den Impuls, mein Essen auszubrechen, aber ich habe es nicht getan, ich wollte nicht krank sein.
    Aber mit meinem Körper bin ich nicht zufrieden, ich fühle mich nicht wohle, weil ich nicht so fit bin wie früher.

    Das Teuflische an der Gesellschaft ist, dass eine gute Figur erwartet wird und trotzdem ein Überangebot an Speisen da ist, was einem ständig angeboten wird.
    Wenn man da trotz allem gesund isst, ist man Außenseiter, also isst man heimlich weniger und weniger und wird zu sehr ungesunden Abnehmmethoden getrieben, die man nicht anwenden müsste, wenn vernünftige Ernährung besser anerkannt wäre.
    Es ist schrecklich, zwischen Außenseitertum, Essstörungen und Unwohlsein hin und her zu pendeln.

  79. 79

    Schlimme Sache. Auch wir haben immer wieder auf unserem Portal mit entsprechenden Usern zu tun. Da hilft es nur sensible zu sein und aufzuklären, aufzuklären und aufzuklären!

  80. 80

    Ich finde über dieses Thema kann einfach nicht genug geschrieben werden. Aufklärung ist besser als heilen.