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Zwegat nach Amerika

Wir haben mal wieder bei unserem Schweizer Risk-Manager nachgefragt, was er zu den aktuellen Entwicklungen an den Finanzmärkten sagt.

Spreeblick: Im letzten Gespräch klangst du noch recht zuversichtlich – hat sich seitdem für euch spürbar etwas verändert?

RM: Eigentlich nicht, die Lehman Brothers-Pleite sitzt als Schock noch tief und die Märkte haben sich nicht wieder beruhigt. Lehman war als große Investmentbank eine bedeutende Gegenpartei am Markt. Praktisch jeder einzelne Handel eines Wertpapiers läuft über zwei Banken: die des Käufers und die des Verkäufers. Fällt eine Bank komplett aus, sind ungleich mehr Wertpapiergeschäfte davon betroffen, als bei der Pleite einer großen Industriefirma. Ein Ausfall ist vielleicht verkraftbar, aber bei mehreren bricht das ganze Kapitalmarktsystem zusammen, weil keine der verbliebenen Banken noch liquide Mittel hat, da die Masse der Werte bereits in der Konkursmasse der bankrotten Banken feststeckt.

Spreeblick: Wenn du Regierungsverantwortung hättest: was wäre dein Plan?

RM: Die amerikanische Regierung ist in der Zwickmühle, sie muss schnell handeln, sie muss gleichzeitig die amerikanischen Steuerzahler schützen, den Kapitalmarkt im Interesse der amerikanischen Wirtschaft am laufen halten und darf die ausländischen Investoren nicht abschrecken. Von denen gibt es viele, da die USA viele Schulden gemacht haben. Sarah Palin wurde die Frage gestellt, wer Schuld an der Krise sei, die Banken, die zu günstige Kredite an Kreditunwürdige vergeben haben oder die Kreditnehmer. Sie antwortete: „Die Kredithaie!“ Wenn aber man strikt sein wollte, dürften die Häuslebauer in den USA nicht vom Steuerzahler unterstützt werden, den Hypothekengebern kommt legal wohl keine Schuld zu, der Markt verlangte nach neuen Hypotheken, auch von weniger kreditwürdigen Schuldnern.

Aber diese Menschen sind zum einen Wähler, zum anderen stehen sie am Anfang der Problemkette und wenn ihre Finanzierungsprobleme gelöst werden, kommen wir alle mit einem Schreck davon. Aber ob das die anderen Regierungen unterstützen sollen, bezweifel ich.

Die Bundesregierung arbeitet in meinen Augen gut in dieser Krise, es wurde eine Garantie für private Geldeinlagen gegeben, die Bundesregierung scheint sich der Gesamtsumme und der Finanzierbarkeit bewusst zu sein. Der Finanzminister ist sich der Lage an den Finanzmärkten bewusst, aber Herr der Lage kann er nicht werden, das Problem hat seine Ursache nicht in Deutschland, es gibt dort keine Immobilienblase und keine Häufung verbriefter notleidender Hypotheken. Die Bundesschatzbriefe sind angesichts der Krise als Geldanlage hoher Qualität stark nachgefragt.

Mein Plan: Menschen wie Peter Zwegat, dieser Schuldnerberater aus RTL sollten alle Subprime-Familien in den USA besuchen, mit ihnen einen Refinanzierungsplan ausarbeiten, den Banken Zugeständnisse abtrotzen und die verbleibenden Fehlbeträge nach Kosten/Nutzen gemeinsam den Nationen auferlegen. Da sehe ich zumindest didaktische Erfolge bei den Schuldnern, um die nächste Krise abzuwenden.

Spreeblick: Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass normale Bankkunden im Laufe der Krise nicht mehr an ihre Konten können, also ihr gesamtes Geld verlieren?

RM: In Deutschland hochgradig unwahrscheinlich. Aber der private Investor wird viel am Renten- und Aktienmarkt verlieren können, Rentenversicherungen könnten keine Überschussbeteiligung zahlen und Kredite könnten sehr teuer werden. Ansonsten können europäische Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz froh sein, keine Immobilienblase zu haben, dann wären sie Kern der Finanzkrise und nicht nur bedingt Leidtragende.

20 Kommentare

  1. 01

    Ach ja, die gesetzliche Rentenversicherung wurde schlecht gemacht und die Riester-Rente über den grünen Klee gelobt.

    Nix is mit der kapitalgedeckten Riester-Rente. Nix als Verluste für den Versicherten.

    Sichere Bankkonten:
    Sage mir, ob im Keller der Bank Leichen liegen, und ich sge Dir, ob Dein Geld dort sicher ist.

    Die Politik ‚garantiert‘ den „Sparerinnen und Sparern“ die Einlagen.
    Sollte der Garantiefall eintreten, wird halt der Steuerzahler belastet, damit „Sparerinnen und Sparer“ wieder zu ihrem Geld kommen.

    Die Bürgerinnen und Bürger garantieren sich also ihre Einlagen selbst.

    Köstlich! Oder perves?

    Nein, eben Politik – dummdreiste.

    Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen wird landauf, landab gefordert. Dazu bedarf es aber bei den Verantwortlichen des Handelns nach Treu und Glauben.

    Was wir dagegen tagtäglich erleben ist Lug und Trug.

  2. 02
    peter h aus b

    Da könnte man sich fast freuen, anstatt eines Guthabens Schulden zu haben….

  3. 03

    Wie man doch Probleme kleinreden kann. Wer glaubt denn wirklich, daß diese Krise beendet wäre, wenn ein paar tausend verschuldete Amerikaner ihre Raten pünktlich bezahlen würden?

  4. 04

    @#692516:

    das sagt er ja nicht: didaktische erfolge für die nächste krise sieht er.

  5. 05
    mc bastard

    weis ja nicht wie es den anderen leuten hier im lande geht, aber ich fühle mich irgendwie belogen und betrogen… kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass unsere regierung genug geld hat um unsere einlagen zu sichern. ich meine, wir haben schulden in billionen höhe und dann will man das gesparte geld der leute sichern, die wiederum mit ihrem geld (steuern), das geld stellen, das zur sicherung ihres geldes dient? versteht mich nicht falsch aber irgendwie klingt das nicht logisch…

  6. 06

    Am schlimmste finde ich, wie nun wieder alle mit ihrem Halbwissen versuchen, die Krise zu analysieren und ihre Folgen abzuschätzen. Damit wir doch nur Panik geschürt. Dabei sollte man lieber einen kühlen Kopf bewahren und auf die Arbeit der Experten vertrauen.

  7. 07

    Angela kann ja mal den Bush fragen ob sich die Amis bei unseren Sicherungsplänen beteiligen wollen.
    Schließlich sollten wir ja auch bei ihnen.

  8. 08

    @#692523:

    der war gut:)

  9. 09
    drexen

    Das Ganze ist doch eine riesige terroristische Verschwörung des Kommunismus um den Kapitalismus zu stürzen!
    Jedes Kind weiß doch, dass sich Märkte immer selbst regulieren und der Kapitalismus somit eigentlich Gott ist.
    Da muss es schon mit dem kommunistischen Beelzebub zugehen.

  10. 10
    RM

    @#692496: Ja, wir würden sagen Du bist rechtzeitig „short“ gegangen.

    @#692516: Tausende wäre schön, das sind Millionen!

  11. 11

    Diese Millionen Hypotheken fallen aber ganz sicher nicht zu 100% aus. Ich finde es einfach nur dreist, zu behaupten, die kleinen Schuldner tragen die Hauptschuld an dieser Krise und müssen für das nächste mal lernen, wie man es besser macht. Es waren bestimmt nicht diese Häusle-Bauer, die Islands Banken in den Ruin getrieben haben, sondern Gier und falsches Riskmanagement.

    Jetzt wäre die Zeit für tiefgreifende Systemänderungen, wie z.B die Einführung einer Tobin-Steuer. What better place than here, what better time than now.

  12. 12
    mackenzen

    @ michael:
    den ‚EXPERTEN‘ ueberlassen?! bitte nicht schon wieder! nee du dann schon lieber: hot head!!! diese sogenannten experten sind kettenbriefheinis und huetchenspieler vom feinsten! seit vielen vielen jahren weiss doch jeder halb- ja nur viertelwissende dass dieses recht einfaeltige aber ‚wirtschaftswissenschaftlich‘ begruendete gemache in dieser krise enden musste! diese ‚expertentypen‘ gehoeren enteignet: so gut wie alle haben sich nur gierig bereichert unter dem deckmaentelchen des ‚expertentums‘

  13. 13

    Sorry, da platzt einem ja bald der Kragen. Man kann ja von der amerikanischen Regierung halten was man will, man kann sogar ihr Handeln in dieser Krise sehr heftig kritisieren, dass sie bisher den Tag legte. Aber niemals forderte sie von anderen Regierungen, sich an ihrem Rettungspakt zu beteiligen. Vielmehr warnten sie, und forderten, andere Regierungen sollten ihrerseits mit einem solchen Paket vorsorgen, was unser Finanzminister nur lauthals belachte und voller Häme und Mißgunst mitteilen ließ, dass das bei uns ja alles in Ordnung sei. Ja, das war nur kurz vor der Nacht und Nebelaktion um die Hypo Real.

    Deswegen noch mal zum Lob für die Bundesregierung im Artikel. Die kann man so nicht stehen lassen. Damit meine ich nichtmal das Wie der Rettung der Hypo Real (da kann man sich drüber streiten), sondern zum Beispiel Steinbrücks tollpatschigen Ausspruch vom „Abwickeln“ der Bank in einer öffentlichen Äußerung zu Beginn der Krise, so dass der Bank noch zusätzliche Kreditmöglichkeiten versperrt wurden. Oder auch, dass die Jungs nicht mal in der Lage waren, die Bilanzen richtig zu lesen und erst die Prüfer der Deutschen Bank die vielen noch versteckten Milliarden ausfindig machen mussten, weswegen der Deal beinahe komplett geplatzt wäre. Dazu die völlige Übergehung der EU bei der Rettung, die auch harsch kritisiert wurde. Auch dass sich die Regierung nicht für ein einheitliches Vorgehen der EU bei diesen Dingen abstimmen will, ist auf einem mittlerweile ja europäisch zu nennenden Binnenmarkt ein großes Problem.

    Ich will gar nicht anfangen, was die Regierung im Vorfeld der Krise eben NICHT gemacht hat, so einer Fehlentwicklung vorzubeugen.

    Dann noch lieber das Lippenbekenntnis auseinandernehmen, dass der Interviewte auch noch lobt. Denn ja, ohne einen Gesetzestext bleibt die Garantie ein Lippenbekenntnis und wenn man den Staatshaushalt gegen die Spareinlagen der Bürger gegenrechnet sogar das steilste Lippenbekenntnis der Geschichte! Dagegen ist „Die Rente ist sicher“ ein schaler Witz!

    Und noch mal abschließend zum Artikel: Es grenzt an Zynismus der widerlichsten Sorte, die Schuld für die Krise bei den Kleinschuldnern zu suchen. Otto Normal macht was Bank ihm gibt. Und um das zu bemessen haben wir eben Profis, die das Risiko kalkulieren sollen, eben so wie der Interviewte hier. Ich kann das aber schon verstehen, dass er davon gerne nichts mehr wissen will und die Schuld jetzt lieber wo anders sucht.

  14. 14
    chefkoch

    mein plan: herr zwegat sollte lateinamerikanische tänze studieren resp. abtanzen und um himmels willen öffentlich keinen insolvenzrechtlichen schwachsinn mehr verbreiten

  15. 15
    RM

    @#692597: Natürlich fallen die nicht zu 100% aus. Aber wenn zB der chinesische Staat seinen Milliarden-Dollarüberschuss in solchen AAA Verbiefungen zu 5% anlegt dann will er nicht nur den Zins sehen, sondern am Ende auch 100% vom Notional zurückbekommen und nicht 88%, sonst ist der Markt für diese Bonds tot, wie man aktuell sehen kann.

  16. 16
    melmoth

    Das Schöne ist: Endlich hat die Linke nach Jahren der Prügel wieder Grund zur Hoffnung, Kapitalismuskritik wird wieder allgemein hoffähig, man hat es ja gleich gewußt. Es gibt wieder Munition für den Diskurs, freie Marktwirtschaft bleibt gottseidank keine Erfolgsstory ohne Schatten auf der Lunge! Nachteil: Den funktionierenden, realistischen Gegenentwurf dazu habe ich im Getöse immer noch nicht vernommen, es läuft alles immer auf das Jahrtausende alte Geschrei hinaus, die Besitzenden wollen weiter besitzen, nichts abgeben, möglichst eher noch mehr besitzen, die Besitzlosen wollen endlich was haben und schreien nach gerechterer Verteilung, also die anderen sollen ihnen was geben. Die in der Mitte, zum Beispiel Blogger mit Abitur, ohne Vermögen, sonnen sich auf beiden Seiten, sind natürlich auch dafür den Besitzenden was weg zu nehmen, bis sie selbst beginnen zu besitzen…dann kippt die Sache in der schicken Altbauwohnung mit Stuck im Berliner Zimmer sehr schnell. Das macht die Angelegenheit so langweilig, weil klassisch, weil schon immer so gehört, weil: Gähn! Gimme something new! Und sei es Cash…hehe

  17. 17

    Wer hat denn die Risiken bewertet, AAA-Bewertungen vergeben und daran verdient?

    Daß die Hypotheken gebündelt und über Wert weiterverkauft wurden, kann man meiner Meinung nach auch nicht den Hypotheken-Schuldnern in die Schuhe schieben.

  18. 18
    RM

    @#692620: Natürlich lobt man besser nicht die Regierung, das macht einfach niemand. Aber hätte die Kanzlerin zum Thema „wie sicher sind meine Einlagen“ geschwiegen oder gar gesagt „die sind in Gottes Hand“ dann gäb es Schlangen vor der Bank und die Lichter gingen aus. Ironischerweise wäre in dem Fall wäre aber das umlagenfinanzierte Rentensystem beständig, nur die Höhe würde von der aktuellen Wirtschaftslage abhängen.

    Mein Zwegat-Plan sagt eben nicht dass die Kreditnehmer schuld sind und bestraft werden müssen, die sollten von einem Fachmann zum Thema Schulden aufgeklärt werden und ein Überarbeitung der Finanzierung sollte sicherstellen dass sie a) in ihrem Haus wohnen bleiben und b) die Schulden, die sie aufgenommen haben auch zum Teil zumindest abtragen, zumal im Land der unbegrenzten Haftung.

  19. 19
    RM

    @#692646: Geht ja nicht um Schuld, geht um Lösung der Krise: Wenn die Kreditnehmer dank Herrn Zwegat zum Teil zumindest weiterzahlen können kämen wir weiter. Hätte nur der seine Hypothek unterschrieben, der sich ausgerechnet hat, dass er die auch in zwei Jahren finanzieren kann, sollte der Hauspreis in der Zeit mal ausnahmsweise nicht steigen, dann wäre es nie soweit gekommen. Aber natürlich hast Du mit den Ratingsagenturen recht, shame on them.

  20. 20
    t aus h

    @peter h aus b:

    > Da könnte man sich fast freuen, anstatt
    > eines Guthabens Schulden zu haben“¦.

    Geht mir auch so. Ich ärgere mich nur, dass meine so gering sind. Da lohnt sich eine Privatinsolvenz noch nicht wirklich. Bin trotzdem für einen Zusammenbruch in Kombination mit einem Neuanfang.
    Endlich kommt der versprochene Aufschwung auch bei uns an *g*