Ich brauche Rechtsbeistand. Vielleicht hilft auch ein Theologe oder ein nicht akademisch belasteter Denkkünstler.
Die Intelligenz der Masse und eine Masse von Experten ist vonnöten. Sonst geht mir der Weihbischof nie mehr aus dem Kopf.
Für die, die einfach nur helfen wollen, ohne dass sie sich für die Hintergründe interessieren: Bitte runterscrollen zum Fettgedruckten.
Während meiner Examenshausarbeit erlebte ich die vier seltsamsten Wochen meines Lebens. Wegen meines angeborenen Hangs zur Aufschiebung auf den übernächsten Tag (deutsch: Prokrastination) war es mir nicht vergönnt gewesen, für mein juristisches Staatsexamen zu lernen. „Aber“, so mein Gedanke, „das Wichtigste ist ja die Hausarbeit und für die muss man nicht lernen, da kann ich mir alles innerhalb der vier Wochen anlesen.“
Dann kam der unten zu lesende Sachverhalt und ich verbrachte die nächsten zwei Tage damit, das Kirchenrechtsseminar zu suchen. Selbst altgediente Herumlungerer (die, wie sich zu spät herausstellte, gegen Geld Examenshausarbeiten schrieben) hatten noch nie von diesem Ort gehört. Ich fand das Seminar schließlich, indem ich in den Aufzug des Südturms stieg, zwischen der zweiten und dritten Etage gegen die Aufzugstür trat und durch einen engen Schacht gen Westen kroch. Am Ende des Schachts traf ich auf fünf Aschfahle. Sie hatten denselben Sachverhalt zu lösen.
Wir waren in der nächsten Zeit wie Blutsbrüder. Zwischen verstaubten Festschriften und Doktorarbeiten über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen von Stigmata (deren Seiten, ich lüge nicht, in unregelmäßigen Abständen bluteten) brüteten wir über den Weihbischof von Münster. Alle paar Stunden sprang einer auf und schrie: „Ich hab´s! Die Errichtung und Umgrenzung von Unterverbänden fällt in den Bereich innerkirchlicher Maßnahmen*.“ Aber ein anderer murmelte dann stets: „Die These, das Vertragsrecht sei demokratisch suspekt, ist Ausdruck einer vorwiegend an Souveränität und Dezision orientierten, prinzipiell antipluralen Demokratiekonzeption*1.“ „Achso, na dann“, sagte dann der, der gerade noch so etwas wie Lebensfreude empfunden hatte, setzte sich wieder und schnitt mit seinem Füllfederhalter an seinen Pulsadern herum.
Es kam vor, dass ich auf dem Klo saß und mich der Blitz der Erkenntnis traf, aber bis ich, den Hosenbund an den Knien, den Rechner anhatte, war der Gedanke auch schon wieder verraucht.
Nach wenigen Wochen ging das Gerücht, ein Aufsatz von Cempowski in der NJW 13 des Jahres 1987 enthalte die Lösung. Aber zwischen NJW 12 des Jahres 1987 und NJW 14 des Jahres 1987 klaffte für den Rest der Zeit im Regal eine höhnische Lücke.
Wir verzagten. Wir schrieben Bittbriefe nach Münster, baten um Stellungnahme des Vatikans und der Landesregierung, aber wir glaubten nicht mehr. In meinen Träumen bekam ich göttliche Zeichen, wachte ich jedoch schweißgebadet auf, so erwies sich der Rat des Dornbuschs (der gewispert hatte: „Von Campenhausen ist der richtige Weg“) als Narretei.
Morgens schrie ich: „Der Weihbischof!“ wie ich später „Der Kahn!“ schreien sollte nach dem verlorenen WM-Finale 2002. Die Frau, die bei mir wohnte, die ich aber nicht mehr erkannte, sagte, ich sähe irre aus. Dabei war ich nur Gott sehr nah. Der Heilige Stuhl, das preußische Konkordat, der Saum des Gewandes des Heiligen Vaters, den ich im Traum berührte und der mich dann anlächelte und sagte: „Salzwedel, Seite 213“: Ich war der Erleuchtung nah. Nur der Sinn meiner geschriebenen Zeilen, der blieb dunkel.
Am Ende bekam ich einen Punkt. Und seitdem durchzuckt mich immer mal wieder ein Lösungsansatz.
Aber nie führt der zu irgendwas. Der Weihbischof ist mein Moby Dick.
Helft mir.
Der zur Unterstützung des Diözesanbischofs von Münster bestellte Weihbischof W, der ebenfalls seinen Sitz in Münster hat, stirbt. Zu seinem Nachfolger ernennt der Heilige Stuhl den Priester P. Ohne einen Versuch zu unternehmen, das Benehmen mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung herzustellen, ordnet der Heilige Stuhl an, dass P seinen Sitz statt in Münster in Steinfurt nehmen soll.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung sieht hierin eine Verletzung von Artikel 2 Absatz 10 Satz 3 des Vertrages des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhl vom 14. Juni 1929 (Preußisches Konkordat).
Der Heilige Stuhl ist ebenfalls der Auffassung, dass von einer Weitergeltung des Preußischen Konkordats auszugehen sei. Allerdings stünden der Vorschrift des Artikel 2 Absatz 10 Satz 3 Pr.Konk. Regelungen der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV entgegen. daher sei die Landesregierung gehindert, das Benehmensrecht auszuüben.
1. Treffen die Ansichten des Heiligen Stuhls zu?
2. Auf welche Weise kann die Meinungsverschiedenheit zwischen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und dem Heiligen Stuhl geklärt werden?
Anmerkung: In Artikel 2 Absatz 10 Satz 3 des Konkordats heißt es:
„Zum Sitz eines Weihbischofs wird ein anderer Ort als der Sitz des Diözesanbischofs erst nach Benehmen mit der Preußischen Staatsregierung bestimmt werden.“
* BVerfGE 18, Seite 388
*1 Alexander Hollerbach: Grundlagen des Staatskirchenrechts
…hieß das früher nicht leihbischof?
lustig, erinnert mich an meine derzeitige situation. aber ich habe ja noch vier wochen…
Ich werde mal meinen Vater(Jurist) dazu befragen. Mein Beileid für diese schreckliche Zeit, in der du sehr an deiner eigenen Existenz und der Macht deines Gehirns gezweifelt haben musst, doch muss dir auch die Tatsache geholfen haben, nicht der einzige zu sein.
Oh Mann, ich kann deine Leiden so unglaublich gut nachvollziehen. Examenshausarbeiten sind schlichtweg ein Alptraum! Allein diese unglaublichen Abgaben um 23:55h im fristwahrenden Gerichtsbriefkasten nach hektischer Konsultation irgendwelcher „Notbinder“, die für’s leimen 50€ nehmen… Ich würde eine weitere Examenshausarbeit sicherlich nicht ohne schwere psychische Deformation überstehen. Woran man nach Abgabe allein nicht zweifelt, ist die Tatsache, dass man mit der Juristerei nie, nie wieder, never ever irgendetwas zu tun haben will…
Mich durchzuckten lange, lange Zeit immer wieder Ideen, anfänglich noch herbei phantasierte Fehler, die ich – wahrscheinlich nicht gemacht – aber immerhin gemacht haben könnte, gern morgens so gegen 4:52h.
Aber wie zum Henker kamst du denn an solch einen Sachverhalt? Ich dachte immer, diese total abwegigen Sachverhalte seien für mich persönlich reserviert?
(Tut mir leid, aber bei der Bezeichnung „Heiliger Stuhl“ kommt in mir unweigerlich das Bild einer Religion/Sekte auf, die Altäre in form von Kloschüsseln hat. XD)
das ist doch pillepalle. da hätste mir mal damals mit kommen sollen.
examenshausarbeiten? in meinem südlichen bundesland gibt es sowas nicht.
ich würde frohlockend jede examenshausarbeit schreiben, wenn ich damit die last der klausuren lindern könnte.
@ cand. jur. daniel
das war in dem westlichen bundesland viel viel besser: hausarbeit + klausuren. da half lindernderweise nur noch überdosierung von allem mehr oder minder legal zu erwerbenden.
Meine Toilette ist mein heiliger Stuhl. Gibt es sonst noch einen?
@chefkoch: nee im ernst. bei einer fiesen hausarbeit sehe ich mehr chancen, als bei einer fiesen klausur. auch bei einem sachverhalt mit weihbischof.
zur linderung reichen bislang ginko und rosenwurz. aber zu viel stress vor prüfungen war bislang auch nicht mein problem – eher das gegenteil…
Promotionsvorschlag: das selbe Thema aus canonischer Sicht nochmal durchkauen. Dafür gibts dann den Dr. beider Rechte.
gottseidank bist du ein besserer schreiberling als jurist.
also ein punkt ist ja mal offensichtlich: wenn der vertrag zur weimarer zeiten abgeschlossen wurde kann ja wohl kaum ein artikel der weimarer verfassung ihn ungültig machen. zu klären wäre dann noch die nrw’sche, in der bin ich nicht so firm.
od’r?
Wenn das nicht ein Zeichen Gottes war, bezüglich des Jura-Studiums schleunigst «Apfel-Taste und Q» zu drücken.
die frage ist natürlich eigentlich: wen interessierts?
Examensaufgaben von solchem Kaliber zeigen, was alles falsch ist an der universitaeren Ausbildung. Realitaetsfern und irrelevant fuer die Praxis, bedeutungssuechtige Professoren.
Besonders Rechtswissenschaften leiden an der Vergeistigung. Welcher Jura-Student hat schon mal einen Gerichtssaal von innen gesehen? Oder ein anwaltliches Schreiben in der Hand gehabt?
Die Universitaeten verstehen sich selbst als reine Wissensvermittler. Und wollen erklaertermassen nichts mit der Praxis zu tun haben. Erforderlich ist aber eine Berufsvorbereitung, was auch zu Recht von den Studenten erwartet wird. Solide Grundlagen und Hintergrundwissen ist noetig, aber nicht alles.
Soviel zur Schwarmintelligenz. Letzte Hoffnung: Vielleicht sind ja die frühaufstehenden Archivare unter uns schon fleißig bei der Recherche …
Also in Wirklichkeit fällt der Priester P. wegen unzüchtigem Verhaltens auf und wird aus der kath. Kirche ausgeschlossen. Der Papst schüttelt daraufhin ein paar Hände, küsst ein paar Quadratmeter Flughafenboden und übereignet der Landesregierung ein paar tausend Hektar Bauland (alternativ ein paar baufällige Wohnblocks) und kann fürderhin seinen Weihbischof hinschicken, wo es ihm passt, ohne mit Widerstand rechnen zu müssen.
Nicht? Nur zu laut gedacht? Hm …
Und ja, ich finde solche Examensarbeiten abstrus.
gruß, Frank
Ich kann leider zur Sache überhaupt nichts beitragen, aber finde eigentlich den Vorschlag sehr konstruktiv, daraus 1-2 Doktorarbeiten zu machen. Mit etwas Glück findest du einen Diplomanden, der das Problem für dich löst.
Amtsarzt.