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Modern life is rubbish

Hallo, ich bin ihre sprachgesteuerte Support-Mitarbeiterin, Sie können mich benutzen, der sexuelle Unterton ist beabsichtigt, denn unsere Statistik zeigt, dass über 80 Prozent unserer Anrufer männlich sind und selten oder nie Sex mit einer anderen Person haben. Sagen Sie einfach, was Sie „Berátung“ Ich habe Sie nicht verstanden, bitte sagen sie entweder Blah oder Beratung oder „Bérátung“ Mit unserem neuen Produkt haben Sie die Möglichkeit, für noch mehr Gebühren noch weniger Sinn in ihr Leben „BÉRÁTÚNG!“ Ich kann Sie leider nicht verstehen, denn ich bin nur eine verdammte Kopie dessen, was Verstehen tatsächlich bedeutet, doch ich bin billiger als das Original, in keiner Gewerkschaft, selten krank und doch virenanfällig und am besten tue ich jetzt das, was ich ohnehin in 99,9 Prozent der Fälle tue, ich verbinde Sie also mit einem Bérátér, macht dreifuffzich.

Hallo und einen schönen guten Donnerstag, ich begrüße Sie bei der Fullservice-Rundumzufrieden-Flatrate-GmbH, mein Name ist unaussprechlich und sie werden Ihn wegen der schlechten Audioqualität meines Headsets sowieso nicht verstehen, dann noch der Doppelnachname, egal jetzt, ich verschwende also Ihre Zeit und ihr Geld mit Begrüßungsfloskeln, die eine Consulting Agency für eine sechsstellige Summe für uns entwickelt hat, da sich so viele Kunden über unfreundliches Service-Personal beschwert haben, und da uns unsere Eltern nicht einmal die simpelsten Umgangsformen beigebracht haben, scheiterte auch unser Arbeitgeber daran und seitdem lesen wir alles ab und man hört uns erst wieder wie ein Mensch sprechen, wenn Sie eine Frage stellen, die nicht in meinem Ablaufplan steht, bitte halten Sie sich also an das Protokoll und kennen Sie schon unser neuestes Produkt?

„Ich habe vor 10 Tagen etwas bestellt, das am folgenden Tag eintreffen sollte, es ist jedoch noch nicht angekommen. Könnten Sie bitte den Status prüfen?“

Ich erkenne an den Hintergrundgeräuschen und daran, dass Ihnen vor Ort gerade jemand ein Gramm angeboten hat, während Sie mit mir telefonieren, dass Sie sich vor dem Frankfurter Hauptbahnhof in illustrer Gesellschaft befinden. Bitte nennen Sie mir jetzt also laut und deutlich ihr geheimes Kennwort, das Sie bei Antragstellung auf ein Stück Papier mit drei Durchschlägen geschrieben haben, das durch die Hände sämtlicher Praktikanten gegangen ist, bevor wir es in unserem System jedem unserer dreitausendfünfhundert Callcenter-Mitarbeitern zur Verfügung gestellt haben. Geheimwort Danke sehr, ich wiederhole jetzt ihr Passwort noch einmal, damit es jeder hier mitbekommt. Ihr Kennwort ist korrekt, Herzlich Willkommen bei Wie kann ich Ihnen weiterhelfen.

„Ich habe vor 10 Tagen etwas bestellt, das am folgenden Tag eintreffen sollte, es ist jedoch noch nicht angekommen. Könnten Sie bitte den Status prüfen?“

Das ist korrekt, Sie haben vor 10 Tagen etwas bestellt, das am folgenden Tag eintreffen sollte, es ist jedoch noch nicht angekommen, da uns noch eine wichtige Information fehlte, die wir per Fax brauchen. Bitte geben Sie dabei in möglichst großen Buchstaben ihr Kennwort auf dem Fax an. Nein, ich weiß leider nicht, warum sich niemand bei Ihnen mit der Information gemeldet hat, dass wir diese Angabe noch brauchen, ich frage nach, bitte bleiben Sie gefühlte 15 Minuten in der Leitung und ertragen Sie unsere aufdringliche Wartemelodie, die wir vor 10 Jahren für so dermaßen viel Geld haben komponieren lassen, dass wir uns eine Erneuerung in den nächsten 10 Jahren leider nicht leisten können, die Musik wurde u.a. von Psychologen entwickelt, ihre Wirkung ist erwiesenermaßen beruhigend, selbst wenn die Mischung aus billigsten Synthesizer-Presets und abgekupferter Melodie, gepaart mit den Stimmen ekelhaft anbiedernder DSDS-Vorrunden-Aussteigern Sie äusserst aggressiv macht, bitte folgen Sie dem Protokoll und bleiben Sie in der Leitung.

Ich danke Ihnen sehr, dass Sie gewartet haben, ich habe in der zuständigen Abteilung nachgefragt, wir benötigen die zusätzliche Information unbedingt für den Versand Ihrer Bestellung. Nein, ich weiß leider nicht, welchen Unterschied diese Information für Ihre Bestellung ausmacht, Sie haben ein Kreuz an einer Stelle gemacht, an der sie kein Kreuz hätten machen brauchen, denn dieses Kreuz setzt die zusätzliche Information voraus und ich bin nicht dazu autorisiert, Fragen nach einem Warum zu beantworten, das ist nicht mein Job, dafür habe ich mich nicht beworben und außerdem ist es mir egal, was ich Ihnen aber nicht sage, weil das unfreundlich wäre, ich lese Ihnen stattdessen einen weiteren freundlichen Satz aus meinem Ablaufplan vor, der mit unserem Gespräch und ihrer Bestellung nichts zu tun hat, wie finden Sie das?

Verstehe. Sie stornieren Ihre Bestellung und geben eine neue Bestellung auf, diesmal ohne das betreffende Kreuz, somit wäre die zusätzliche Information nicht nötig. Hm.

Ich weiß nicht, ob das geht.

Ich frage lieber nach, denn ich weiß nicht, ob das geht. Ich finde diese Passage nicht in meinem Ablaufplan. Ich werde nervös. Ich mag das nicht. Ich möchte nicht mit Ihnen reden. Ich leite das Gespräch weiter, bitte ertragen Sie die Ihnen bekannte Prozedur erneut.

Hallo, schön, dass unsere Warteschleife Sie noch aggressiver gemacht hat, wir freuen uns über jede Emotion, die im Zusammenhang mit unserer Marke entsteht. Ich habe Rücksprache gehalten, wir wissen nicht, ob das geht, aber eine Kollegin, die jemanden kennt, der vielleicht weiß, ob das geht, wird sie heute noch zurückrufen, auch diese Prozedur ist Ihnen ja schon bekannt, eine Kollegin wollte Sie ja schon letzte Woche zweimal zurückrufen und hat das nie getan, auch diese Kollegin wird sie also nicht zurückrufen, aber wir haben eine Lösung gefunden, die dazu führt, dass wir sie als Kunde scheinbar fair behandelt haben und gleichzeitig für heute los sind. Die Kollegin wird sie auch morgen nicht anrufen, obwohl ich Ihnen das jetzt so verspreche, denn dadurch rufen Sie frühestens morgen nachmittag erneut an und da habe ich frei.

Dankeschön, auf Wiederhören, vielen, vielen, vielen, vielen Dank, dass Sie meinen Ablaufplan behindert haben, ich hasse diesen Job, das gesamte Prozedere unseres Telefonats hat jetzt, anteilige Entwicklungskosten des anfänglich zugeschalteten Sprachcomputers und der Wartemelodie, zwei für soundsoviel Minuten involvierte Mitarbeiter, Call-Center-Kosten etc. mit einberechnet, etwa unseren Gewinnanteil an drei ihrer Monatsgebühren verschlungen, wir werden uns bemühen, diesen Verlust wieder einzufahren, indem wir Sie zu weiteren Vertragsverlängerungen bewegen, eine teuflische Spirale, diese moderne Welt.

Wenige Minuten später behauptet eine SMS, dass die Bestellung versendet wurde.

32 Kommentare

  1. 01

    Beim Lesen blieb mir das Lachen im Halse stecken – die Beschreibung ist leider doch zu realistisch, um witzig zu sein.

  2. 02

    Und die schröckliche Alternative wäre tatsächlich, das Haus zu verlassen, X€ mehr zu bezahlen und sich den Mist (der, wenn man ihn hat, sowieso zu noch mehr „Hallihallo, schön, dass sie sich für unseren Service entschieden haben“-Telefonaten führt) selber zu kaufen.

  3. 03

    ich kann mir nicht helfen: das ist Alice!

  4. 04
    Moritz

    kommt mir bekannt vor. 1&1 hotline?

  5. 05
    Stefan

    Ich bin gerade durch die Portierungshölle gegangen. Erst hat 2+2 einfach mal ’ne Portierung meiner Telefonnumern zu sich bei der Telebumm beantragt und sogar bekommen. Dann wollte ich einfach keinen Vertrag mit 1&1 haben und stattdessen meinen Anschluss gefälligst wieder zurück. 8 Wochen ohne Telefon ist eine spannende Grenzerfahrung, die man eigentlich nur mit so tollen Anrufen bei irgendwelchen Call-Centern überbrücken kann.
    Danke Johnny für die treffende Beschreibung, du hast mich heute sehr glücklich gemacht.

  6. 06

    ganz klar – T-Online

  7. 07
    micha

    Ich würde auf Freenet oder Alice tippen.

  8. 08
    Tobert

    ach quatsch – ganz klar Arcor!

  9. 09

    Die Kassen in dem Symbolbild sprechen uebrigens auch. „Unexpected item in the bagging area“ und sowas. Zuhoeren tun sie allerdings nicht und reagieren nicht auf ein mehr oder weniger lautes STFU.

  10. 10
    Fritz

    OMG! Danke für diesen Text :-)

  11. 11

    Habe mich auch gefragt, um welchen Anbieter es sich handeln könnte, aber die bisherigen Kommentare machen es ja schon schön deutlich: Es könnte einfach jeder sein!
    Traurig, gruselig, ärgerlich und doch irgendwie beruhigend, weil man auf keinen Fall bei dem schlechteren ist.

  12. 12
    Markus

    Die Selbstbezahl-Theken tauchen bei uns jetzt auch auf … toll, dann gibt’s noch ein paar Arbeitslose mehr!!! ……………………………..

  13. 13
    westernworld

    so was wird ja frei nach franz nicht umsonst geschäftsprozeß genannt „¦

    die liebe zum detail des customer care waterboardings läß auf t-„insertcorporaterebrandingdujour“ schließen, wenn ricke, obermann, sommer von kundenorientierung sprechen meinen sie das als drohung.
    nicht das der rest besser wäre „¦

  14. 14
    JanM

    Warum nennst Du das Unternehmen nicht? Mir ist schon klar, dass das Beschriebene symptomatisch für ein übergreifendes Problem ist, aber dennoch — da ist doch nichts justiziables in Deinem Text (oder? Ich bin kein Anwalt“¦), und wenn ich schon mal ein Blog mit hohen Zugriffszahlen an der Hand hätte, könnte ich nicht widerstehen, das entsprechende Unternehmen am Skrotum durch die Manege zu zerren. Verdient hat es jeder, der seine Kunden so behandelt.

  15. 15

    Hey woher hast du den Mitschnitt meines Telefonat mit IKEA?

  16. 16
    Susanne

    Arcor hat mir gerade heute eine Rechnung über 150,- geschickt, für einen Vertrag den ich vor 2 Jahren online abgeschlossen habe und innerhalb von 10 Tagen widerrufen habe.

    Bisher habe ich widerstanden da anzurufen.

  17. 17

    Danke, einfach nur danke…für diesen tollen Beitrag.

  18. 18
    Sascha

    Ja, so ist das wirklich.
    Ein super Beitrag.

  19. 19

    hat schon jemand medion als beispiel angeführt? :D

    toller beitrag, einfach zu treffend.

  20. 20
    Stefan

    Da es scheinbar besonders auf Telekommunikationsanbieter zutrifft, mal ne Frage nebenher: Kennt jemand einen Internetprovider der nicht so arbeitet? Also irgendeine Empfehlung wo ich mein DSL herbekomme, ohne mit inkompetenten Mitarbeitern in Call-Centern zu telefonieren? Und wo ich im Fall einer Störung auch wirklich Hilfe bekomme und nicht eine halbe Stunde in einer teuren 0900-Warteschleife Kreise, um zu erfahren, dass dafür jemand anderes zuständig ist? Gibt es so was überhaupt?

  21. 21

    @#694849: Klar gibt es die. Da müsstest du aber dann zu einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen gehen. Und das da der Anschluss einige Euro mehr kostet, versteht sich von selbst. Wer für 20 Euro eine flatrate haben will, darf sich nicht wundern, wenn er keinen Service bekommt. Von was soll der bezahlt werden? Eine IT-Fachkraft verdient i.d.R. mehr als ein Call-Center-Agent.

    @Johnny
    sehr geil geschrieben. Das ist die Realität.

  22. 22
    Harm

    Mein Favorit ist die brazilesq-dynamische Anpassung der 01805-Gebühren:
    diese Wartezeit ist gebührenfrei… dudel, dudel, dudel, … ab jetzt kostet es 24 Cent/Minute … tuuut, tuuut, tuuut, … alle Mitarbeiter befinden sich im Gespräch und es geht zurück in die Warteschleife, welche gebührenfrei ist, … dudel, dudel, dudel, … Sie werden jetzt verbunden und das kostet ab jetzt wieder 24 Cent/Minute, … tuuut, tuuut, tuuut, … leider niemand frei, aber dafür warten Sie ab jetzt wieder gebührenfrei, … dudel, dudel“, etc.
    Crazy.

  23. 23
    henker

    Achja ihr braucht nicht rumrätseln, die arbeiten eh alle mit den selben callcenteranbietern zusammen, so is das billiger, die callcenter sind übrigens hauptsächlich in hannover, im ruhrgebiet, berlin und mecklenburg vorpommern, studien haben ergeben, dass die leute dort die symapthischsten stimmen haben

  24. 24

    bringt mich auch jedesmal auf die palme. „warum können sie nicht einfach [irgendwas mit gesundem menschenverstand]“ – „ich darf nicht“ – das nennt man dann wohl entfremdung 2.0 (oder so).

    cooler titel übrigens :)

  25. 25

    Blödsinn
    .. versendet wurde.
    Johnny Haeusler

    Soll hier Hielfestellung angeboten werden?
    Oder weiterhin nur Plakative Wichtigmachung der
    Spreeblickseite als Nonplusultra gelten?

    Kann es so gar nicht akzeptieren.

    Alles Liebe
    @PiPi

  26. 26

    @#694798:
    Wir sollten uns durchaus das Recht heraus nehmen unsere Erfahrungen,
    die wir über die Jahre hinweg gesammelt haben, zu benennen. @Toppic

    Alles Gute
    PiPi

  27. 27
    Stephan

    Zum Titelbild: Auf der Box ganz links würde ich als Kunde einen Dildo oder zumindet einen dildoähnlichen Gegenstand „vergessen“…

  28. 28
    Mia

    Also ich mag diese Kassen :> Wurden bei „uns“ (REAL) als „Ersatz“ für die Schnellkasse eingerichtet (und würden sich die Kunden dran halten, wäre es eine geniale Idee..). Arbeitsplätze? IdR haben „wir“ zwei Mitarbeiter dran stehen, speziell am WE, für 4SB-Kassen, die Platz für 2 „normale“ Kassen einnehmen, is also (noch) okay so.
    Allerdings findet es auch nach meiner Erfahrung nur Anklang bei Jüngeren. Wenn man einmal den Dreh raushat, gehts superfix, grad wenn man nur 2 oder 3 Teile kaufen will.
    Was Hotlines betrifft: Absolut und mal wieder perfekt getroffen :> Der einzige Anbieter, mit dem ich noch nie Probleme hatte waren bisher die Kabel Anbieter, sowohl hier in NRW als auch in BaWü. Speziell Arcor und Telekom aber… huihui..

  29. 29

    Mal von der anderen Seite aus betrachtet.
    http://www.daujones.com/

  30. 30

    @#694952:

    Kann dann allerdings passieren dass Du Dich danach im Interweb oder einer dieser „die lustigsten Videoclips“ Shows wiederfindest. Die Kassen sind normalerweise videoueberwacht und eine Aufnahme der Art „Mann vergisst seinen Dildo im Supermarkt“ wird bestimmt schnell mal „geleakt“.

  31. 31
    luminanzmuster

    @#694785:

    nix als flausen im kopp, du bist genau ein jahr zu spät mit deiner vermutung ;-D