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Popgun! 44 James Yorkston – Cry me a river

Folkwochen bei Popgun! Während Alela Dianes geisterhaften Lieder aus der letzten Woche unter dem Eindruck der entvölkerten Ödnis Nevadas entstanden, liegt der Fokus auch heute, dank dem Singer/Songwriter James Yorkston, erneut auf einem kargen Landstrich, der die seltsamsten Mythen und Geschöpfe hervorbrachte. Die Rede ist von Schottland.

Yorkston wurde Anfang der 70er in Kingsbarns, Fife, in eine Zeit hinein geboren, in der selbst der progressive Folkrock schon nicht mehr interessant genug war, um auf Kassetten, diese damals neuen handlichen Bänder eines holländischen Elektronikriesen, kopiert und weiter gegeben zu werden. Anfang der 70er, mit seinem Hard-, Acid- und Glamrock, war alles andere spannender als jahrzehntealte Musiktraditionen. Bob Dylans Mantra, die moderne Musik nur aus dem Studium der Musik unserer Eltern und Elterseltern heraus zu verstehen, war schon vergessen, bevor es sich überhaupt etablieren konnte.

Auch für den jungen James Yorkston ist wenige Zeit später der Londoner Punk viel näher als irgendeine britische Folktradition. In den nachfolgenden Jahren steht er für verschiedene Punk-, und Hardcore-Bands wie Miraclehead und Huckleberry am Bass. Nach der Auflösung letzterer widmet sich Yorkston, ganz im Sinne Bob Dylans, vermehrt Coversongs englischer und schottischer Folklegenden aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Eine Aufzählung derer wird schnell zu einem kleinen Who-is-who einer verschworenen ländlichen Szene, die die britischen Inseln nie verlassen hat: Anne Briggs, Dick Gaughan, Nic Jones, Martin Carthy, Lal Waterson, John Strachan und Adrian Crowley.

Yorkstons tatsächliche Solokarriere abseits der Coversongs beginnt erst um 2000, als der unvergessene John Peel die Demo ‚Moving up country, roaring the gospel“™ in seiner Sendung spielt und erklärt, das wäre ohne Zweifel der Liedtitel des Jahres. 2002 schließlich wird das aus der Demo hervorgehende Album ‚Moving up country‘ veröffentlicht. Der Rough Trade Shop erklärt es im selben Jahr zum Album des Jahres. James Yorkston supportet in der Folgezeit einige Indiebands quer über das Königreich und kann sich ebendort eine kleine Fanschaft aufbauen.

Zeitsprung: Im September dieses Jahres hat James Yorkston, der aussieht wie der ältere Bruder Malcolm Middletons, seinen vierten Longplayer ‚When the haar rolls in‘ veröffentlicht, und auch wenn es keine englische Zeitung gibt, die nicht darüber schreibt und dem Album gute bis sehr gute Rezensionen verpasst, ein Hype sieht anders aus. Der traditionelle Folk den Yorkston spielt ist trotz des Folkrock-/ Freakfolk-Revival in dem wir uns gerade befinden, irgendwie nicht mehrheitsfähig.

Der Schotte kommentiert im Guardian:

I feel more cut off from the music business than ever before – in a good way.

Das ist insofern erstaunlich, als dass die jüngeren Wurzeln zwar auf verschiedenen Kontinenten liegen, Yorkston dennoch sehr nah am US-amerikanischen Folknachwuchs wie Devendra Banhart oder eben Alela Diane eingeordnet werden kann. Eine Parallelentwicklung, die Rezensenten den Schotten und die Amerikaner gleichzeitig auf Nick Drake verlinken läßt. Und tatsächlich, mit ‚When the haar rolls in‘ (Haar bezeichnet einen schottischen Nebel) hat James Yorkston ein sehr intimes, Drake-eskes Album aufgenommen. Eines, das von reumütigen Rückblicken und Selbstzweifeln durchzogen ist. Ein Album über Verlust: Der juvenilen Kraft, von ehrgeizigen Plänen und nicht zuletzt der Liebe.

Was sich auf dem Papier in Komprimierung wie ein stetiges Auskotzen von Befindlichkeiten liest, dreht James Yorkston musikalisch in einen einzigartigen pastoralen Stream. Oder wie es David Sheppard vom Mojo-Magazin so treffend beschreibt:

[…] these nine hung-over essays drench everyday details in layers of narrative enigma.

Schon lange hab ich kein Album mehr gehört auf dem die Songs dermaßen zusammen gehören, eine Einheit bilden. Vom Opener ‚B’s Jig‘ bis ‚Queen of Spain‘ — ach bis zum letzten Titel — das ist die beste Werbung fürs Albumformat.

Trotz seines vergleichsweise großen Indielabels (Domino) gibt es von James Yorkston nur sehr wenige Audio- und Videobeispiele online. Besonders vom neuen Album findet sich so gut wie nichts. Stolze Besitzer eines Realplayers können sich immerhin ‚Tortoise regrets hare‘, ‚Summer isn’t the same without you‘ and ‚Queen of Spain‘ anhören, die der Schotte bei BBC6s Marc Riley eingespielt hat. Wir anderen müssen mit den älteren Sachen, wie dieser Black Cab Session, und einigen MP3s Vorlieb nehmen.

[MP3] James Yorkston – ‚Song to the siren‘
[MP3] James Yorkston – ‚I know my love‘ (Demo)

Das Video zu ‚Woozy with Cider‘ (vom 2006er ‚The year of the leopard‘, produziert von Paul Webb [Rustin Man]) ist ebenfalls ein wenig älter, zeigt aber ganz gut wo der Titelsong vom aktuellen Album ‚When the haar rolls in‘ sprechgesanglich her kommt:

[VIDEO] James Yorkston – ‚Woozy with Cider‘

2 Kommentare

  1. 01

    Haar, dass ich dieses Wort einmal in einem Deutschen Popkulturblog finden darf, damit hatte ich ja auch nicht gerade gerechnet…

  2. 02

    @Nico

    (Nörgel)
    Vor Dir ist wohl kein Musik-Genre sicher.

    Alles Gute
    @PiPi