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Beim Friseur

Frauen, die etwas ändern wollen, gehen zum Friseur, sagen führende Friseurzeitschriften.
Vielleicht steckt da eine tiefere Weisheit drin. Da ich offen bin für tiefere Weisheiten, fahre ich also zu meinem Friseur. Das Mädchen, das mir immer die Haare schneidet und das ich nur wiedererkenne, weil sie unter all den zauberhaften Homosexuellen das einzige Mädchen ist, hat Zeit. Das letzte Mal sah sie aus wie Marylin Monroe nach der Überdosis, jetzt wie Kylie Minogue im Video von Can´t get you out of my Head. Manchmal ist sie sehr hübsch. Wir betrachten mich im Spiegel und denken darüber nach, was mir stehen würde. Wir blättern ein paar Magazine mit Frisurbeispielen durch. Alles zuviel Frisur. Die Models sind alle 20 und sehen aus wie äußerst attraktive Mädchen. Ich bin 34 und sehe aus. Mann, sehe ich aus!
„žEben vor dem Badezimmerspiegel sah ich noch besser aus“, behaupte ich. „žDas Licht hier ist bösartig.“ Das Frisurenmädchen lächelt milde, sie hat schon alles gehört und zuviel gesehen.
Wir entscheiden uns dafür, alles zu lassen, wie es ist, nur ein paar Korrekturen und ein wenig Ausdünnen. Sie führt mich zum Waschbecken — Geht so? – Geht — und ich versuche, die Kopfhautmassage zu genießen. Seitdem ich von einer Frau gelesen habe, die beim Friseur wegen der Nackenüberdehnung einen Schlaganfall bekommen hat, fällt mir der Haarwäschegenuss schwer.
Wie jedes Mal schlage ich vor, meine Haare einfach nass und zurückgebürstet zu lassen, früher Falco/Godfather-Look. Wie jedes Mal lacht sie. Wir sind ein gutes Team. Wie ich und Herr Parkinson-Schroeder. Der sagte jeden Morgen, wenn ich ihn rasiert hatte und ihm Lagerfeld-After-Shave auf die Wangen schmierte, mit Begeisterung: „žJetzt rieche ich wieder wie ein ganzer Puff.“ Ich habe auch jedes Mal gelacht.
Sie sagt, ich habe trockenes Haar. Ich denke, dass es ja auch nicht saftig sein soll. Was ist überhaupt das passende Gegenstück zu trocken? Fettig ist das negative Gegenstück, klar, aber was das positive? Natürlich: normal. Normal ist das Höchstmaß der Haarzufriedenheit. Gilt sowieso für jede Körperbeschreibung. Wer will schon lange oder kurze Zähne haben? Große oder kleine Füße? Winzige oder riesige Brüste? Wie so oft. Brüste sind eine Ausnahme.
Sie will mir ein „žProdukt“ verkaufen. Friseurinnen nennen ihre Haarwässerchen, Haarkuren, Shampoos, Spülungen, Conditioner, Sprays, Gele, Wachse, Schmieren, Salben, Öle immer Produkte. Will ich ein Produkt kaufen?
„žIch glaube, das ist genetisch“, sage ich.

Kylie zieht eine Schnute und ihr Cape etwas über ihren Pony. Dann fängt sie an zu schneiden.
Als sie fertig ist, sehe ich grotesk aus und ich sage: „žVielen Dank.“

24 Kommentare

  1. 01
    Lebedjew

    Ich glaube, dass „fettig“ noch ein kleines Stückchen weiter von „normal“ entfernt ist als „trocken“. (Kleiner Trost für einen grotesk Aussehenden.) Ich, der Fettighaarige, hingegen befinde mich in einem grundsätzlichen Dilemma bzw. unendlichen Regress: Ich will meine Haare jeden Tag waschen, soll ich aber nicht, weil sie dadurch noch schneller fetten, sodass ich irgendwann das Bedürfnis haben werde, sie zweimal pro Tag zu waschen uswf. bis dann irgendwann vermut- und hoffentlich das Alter erreicht ist, bei dem es eh keine Rolle mehr spielt.

  2. 02
    Al

    Hmm, Kopfhautmassage. Letztens hat mir ein Mädchen beim Friseur die Kopfhaut massiert, das war einfach nur… wow. Wow! Wooow.

    Das werde ich jetzt nie mehr genießen können. Weil Du von der Nackenüberdehnung geschrieben hast.

    Doofmann.

  3. 03

    Gestern bei der türkischen Friseuse gewesen: Bitte nur die Spitzen schneiden. Und wie seh ich jetzt aus? Kojak ist dagegen ein Hippie. Nie wieder Friseur, dann mach ichs mir lieber wieder selber. Spätestens drei Wochen danach sind die schlimmsten Schnitzer wieder rausgewachsen.

  4. 04

    sie haben da was im fell, herr welding…

  5. 05
    Bernd Haas

    Du hast ein beneidenswertes Normalitätsverständnis, wenn auf Deiner Ausnahmeliste der nicht normalgroß gewünschten Körpermerkmale nur Brüste stehen.

  6. 06

    @#700557:

    bei genauer betrachtung: lol

  7. 07
    Zoe

    Und ich bin gestern den ganzen weiten Weg nach Charlottenburg gereist, um mir von Vidal Sasson die Haare färben zu lassen. Mein nicht homosexueller aber oder gerade deshalb umso liebenswerterer Friseur in Mitte hat nämlich gesagt, meine Haare wirken „helmartig“ und das läge an der Farbe. Aber er schneidet ja nur. In Charlottenburg angekommen kam eine hysterische Färberin mit zu großen Augen auf mich zu (ja,normale Augen wären in diesem Fall besser gewesen). Und ihr erster Satz war, dass sie gerade „in einer kreativen Phase“ sei. Da bin ich ganz schnell wieder gegangen. Zum Glück! Helm sei das neue Strähnchen.

  8. 08
    Felix

    @Aro

    interessant, dass du in der ersten zeile noch von der türkischen friseuse sprichst, die dir in Zeile 2 wohl dein harrliches-erscheinungsbild versaut hat, du in zeile 3 zum rundumschlag gegen die friseur zunft bläst, du dann aber mit zeile 3 (ende) jedoch alles schlechte aus zeile 1 bis 3,5 eigenständig neutralisierst und in zeile 4 die weisheit aller weisheiten kommt, welche zeile 1 bis 3 wiederum nichtig machen:
    Zeit heilt alle Wunden
    DANKE!

  9. 09

    @#700563:
    Das Ergebnis ist leider: Es gibt keine Lösung dieses Problems…

  10. 10
    Alberto Green

    @#700562: Vidal Sasson. War die nicht mit Peter Hofmann verheiratet? Oder war das Gore Vidal? (Klugscheisserkalauer zum Aufdiefresse VIII)

  11. 11

    Ganz schön verbittert, bin ich denn der einzige Mann, der gern zum Friseur geht? Ich seh aber auch schon wieder aus…:-D

  12. 12
    melmoth

    Hmmm, es gibt absolut goettliche Kopfmassagen von Friseurinnen (das Wort mit -eusen soll man ja nicht mehr verwenden, genau wie „Negerkuesse“, na egal), aber dein Einwand mit dem Schlaganfall verunsichert mich nun auch etwas. Frueher dachte ich oft das Sex ueberschaetzt ist, im Gegensatz zu Kopfmassagen oder auch sehr angenehm: Ruecken kratzen lassen, so Silberruecken im Affenkaefig maessig…wahrscheinlich ne uralte Erberinnerung eines menschlichen Primaten wie mir. Heute werde ich beim Gedanken an Haarewaschen und Kopfmassagen im Salon eher nostalgisch, seit meine Gene sich ihrer Vorfahren erinnerten und Friseurbesuche obsolet wurden. Nun brummt eine solide Haarschneidemaschine kalt ueber meinen Schaedel und verpasst mir einen soliden Hansa Rostock Fanblock Look. Geniesse jeden Augenblick der Verwirrung um deine Haare, Malte! Bald sorgen nur noch Nasenhaare fuer Aufregung, hehe! Oder diese Pelze die Herren ueber vierzig aus den Ohren wachsen.

  13. 13

    @#700562: Es gibt nicht homosexuelle männliche Friseure? Das halte ich für ein Gerücht. Andererseits – ich wohne in Köln, da ist man ja schon froh, wenn man in der Innenstadt überhaupt einen Hetero trifft.

  14. 14

    it’s a bad hair life

  15. 15

    das Wort mit -eusen soll man ja nicht mehr verwenden
    Ach was, ich bin nicht pc und Hair-Designerin hört sich doof an. Außerdem nenne ich meine Imbiss-Dame ja auch Friteuse…

  16. 16

    Sehr schöner Text!
    Ich hab vor dem Friseur mehr Angst als vor dem Zahnarzt.
    Ich werde nie vergessen, wie sich meine po-langen Haare mit ein paar Mal „Huch, jetzt hab ich mich verschnitten… hm, jetzt ist die eine Seite zu kurz geworden…“ in kinnlang verwandelten.
    Ich hab noch Tage später Rotz und Wasser geheult und bin drei Jahre nicht zum Friseur gegangen.

  17. 17
    RC

    […]sie hat schon alles gehört und zuviel gesehen.[…]

    Muaharharharharharhar. :)

    Ich war auch gerade beim Friseur. Bei mir läuft das selbstverständlich völlig anders ab. Um keine Frisuren auswählen zu müssen endet es mit einem „wie immer“. Mir steht ja nichts und ich selbst habe keinen nennenswerten Geschmack. Während dem Schneiden werde ich böse angeschaut, weil ich kann ja kein Smalltalk. Und ein echtes Thema anschneiden ist schließlich erst Recht nicht erwünscht. Back to Silence.

    Da es Winter ist, bleiben einem so wenigstens die immer gleichen Sommer-Friseur-Sprüche (na jetzt wo es so warm ist will man es natürlich kürzer, gell) erspart.

    PS: Ich hoffe mal der Friseur Besuch war nicht wegen dem einen Kommentator der meinte du solltest dir lieber mal die Haare schneiden lassen. :P

  18. 18

    @#700607:

    hehe, nein, tatsächlich war ich seitdem gar nicht beim friseur, das ist eher eine friseurgeschichte. allerdings gibt es kylie und tatsächlich erkenne ich die nie wieder.

  19. 19

    hm. ich fahr für meinen friseur immer ausm studienort nach hause. nachdem ich hier einmal beim friseur war und mich so gefühlt hab wie du, hab ich wieder geswitcht.
    Bei meinem neuen/alten weiß ich einfach, dass er’s draufhat. Außerdem gibts da n Bierchen und Fußball gucken und er hat Frau und zwei Kinder.
    naja, letztes mal Haare schneiden => Abends weg => jetzige Freundin kennen gelernt :-)

    Gute Friseure sind selten. Leider. ;-)

  20. 20
    raj

    @#700591:
    Sah ja sicher verschärft aus, als Du dann Dein Haar vorm Gesicht bis hin zum Kinn getragen hast ;o)
    Und wie hast Du Dein Trauma dann überwunden?

  21. 21

    Entweder mann kennt jemanden der einem die Haare schneidet oder der Friseur der Wahl muss ein 0815-Friseur sein:

    Pappaufsteller von Wella.
    Durchschnittlich hübsche Friseusen die ganz jämmerliche Radiosender hören und pervers überteuerte Cremes, Döschen und Sprays verkaufen.
    Keinen Cappucino oder italienisches Mineralwasser oder hippe Mukke.

    In Hamburg war ich mal bei ’nem Friseur der war so um die 60 und hatte ne Halbglatze. Musik gabs gar nicht, stattdessen Autolärm von draussen. Und ich musste auch nicht in einen Spiegel glotzen (keinen Mann interessiert der Prozess des Haareschneidens … nur das Resultat ist wichtig) sondern mein Blick war unverbaut auf das Treiben der Stadt gerichtet.

    Er hat kein Wort gesagt und ich habe ihn geliebt dafür.
    Die Inneneinrichtung war uralt und staubig.
    Nicht mal Magazine gabs.

    Ich hab mich noch nie so wohl gefühlt beim Friseur!

  22. 22
    Julius

    „Frisur“? – Pussykram. Meine Frisörin hat ihren Meister seit 40 Jahren, schneidet trocken und einfach ab. Fertig. Are we not men?

  23. 23

    Fettig, trocken, normal, egal – hauptsache individuell :-)

  24. 24

    Gar nicht mal so untypisch, denke ich.
    Wenn man eher selten zum Friseur geht und dann einen wirklich kurzen Haarschnitt haben möchte, fragt die Fachkraft lieber einmal mehr nach. :-) Ist jedenfalls meine Erfahrung.