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Watchmen (Film-Review)

Nach 23 Jahren der Entwicklung und juristischen Streitigkeiten, nach denen man fast schon dachte, der Stoff von Alan Moore würde ewig in der Produktionshölle braten, hatte Film „žWatchmen“ gestern Premiere, während weltweit Pressevorführungen stattfanden. Der Film zu einem legendären, epischen Comic, der bislang als unverfilmbar galt, weil er mit Meta-Ebenen und alternativen Realitäten jongliert, als gäb’s kein morgen. Und ich habe ihn mir angesehen — I watched the Watchmen.

Eine kleine Vorbemerkung: Dieses Review enthält ein paar Spoiler und ist eher für Leute gedacht, die das Comic gelesen haben. Ich gebe allerdings Spoilerwarnungen an den spoilrigsten Stellen, wer das Comic also nicht kennt, sollte beim Anblick von: [Spoiler!] einfach wegsehen.

„žWatchmen“ ist angesiedelt in den achtziger Jahren einer alternativen Realität, in der es die Menschen der dreißiger Jahre nach dem Erscheinen der ersten Superman-Comics ziemlich cool fanden, Masken zu tragen und Bösewichte zu fangen. Daraufhin formten sich die Minutemen, aus denen die Watchmen hervorgingen: Eine Gruppe Superhelden, von denen keiner wirklich sympathisch wirkt. Der kalte Dr. Manhattan, ein nach einem Unfall zum blauen Gott mutierten Wesen, der Materie mit Gedanken formen kann, der arrogante Ozymandias (schlauster Mensch der Welt), der reaktionäre Halbnazi Rorschach, der zynische und sadistische Comedian. Lediglich Night Owl und Silk Spectre wirken halbwegs menschlich, dafür aber auch durchschnittlich.

Dank dieser Superhelden ist Nixon Präsident (in der dritten Amtszeit) und Amerika hat den Vietnamkrieg gewonnen, doch nach immer lauter werdenden Vorwürfen der Selbstjustiz werden Superheldentätigkeiten per Gesetz, dem Keene-Act, verboten, woraufhin sich die Watchmen zurückziehen. Dr.Manhatten wird Wissenschaftler und ist liiert mit Silk Spectre, Night Owl zieht sich ins Private zurück, Ozymandias lüftet seine Geheimidentität und verdient damit Millionen, Rorschach bekämpft weiterhin das Verbrechen im Untergrund.

Als der Comedian ermordet wird, macht sich Rohrschach auf die Suche nach dem Täter und besucht seine ehemaligen Kollegen, um den Fall aufzuklären. Eine klassische Who’s-dun-it-Geschichte in einem komplexen Mantel, sozusagen, die ihre eigenen Superhelden am Ende als opportunistische Menschen zeichnet und die Wertung ihrer Taten dem Zuschauer/Leser überlässt.

Und nun der Film.

Zunächst: Der Film ist zum Glück nicht so zeitlupenintensiv wie angenommen, erwarteten doch die meisten nach dem Slomo-Porno „ž300“ erneut eine Orgie der Langsamkeit von Zack Snyder (Regie). Dem ist nicht so, er setzt die Zeitlupe zwar häufig ein, das tut er aber sehr pointiert und nicht exzessiv.

Überhaupt: Ästhetik. Der Film sieht wahnsinnig gut aus, was natürlich nicht Snyder, sondern Alan Moore bzw Dave Gibbons (Zeichner des Comics) geschuldet ist. Snyder hat die Panels des Comics oft 1:1 umgesetzt, nur hier und da Änderungen vorgenommen, um der größeren Dynamik des Medium Films gerecht zu werden. Unter anderem änderte er das Ende, was unter den Fans große Diskussionen auslöste. [Spoiler!] Wo am Ende des Comics ein riesiger Riesenkraken ganze Städte auslöscht, sind es hier schnöde Superbomben, mit der Energiesignatur Dr.Manhattans versehen. Das Ende funktioniert für den Film tatsächlich besser, ein riesiges Tier wirkte deplatziert.[/Spoiler!]

Die Meta-Ebene der Vorlage streut Snyder an manchen Stellen ein, indem er andere filme zitiert und versucht so, diese Erzählebene in den Film zu holen. Als Beispiel sind mir vor allem „žOldboy“ und „žApocalypse Now“ (die Vietnamszene ist mit Wagner unterlegt) aufgefallen, und eine der Splatterszenen wirkte tatsächlich sehr Braindeadesque. Hier bleibt es aber beim Versuch, bei Einzelfällen, und sie wirken wie ein „žHey, wir müssen unbedingt die Meta-Ebene cineastisch übersetzen“.

Der Film hat zwei zentrale Figuren: Rorschach und Dr. Manhattan. Vorlage wie Film umkreisen die beiden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Rorschach ist, wie bereits beschrieben, ein reaktionärer Halbnazi, der auf „ždie Liberalen“ schimpft und keinerlei Kompromisse eingeht. Auf der anderen Seite Dr. Manhattan, ein Halbgott, der Atome mit Gedankenkraft auseinandernehmen kann und keinen Sauerstoff braucht, wenn er auf dem Mars ein Schloß in Form eines Uhrwerks baut. Dr. Manhattan ist Rorschachs Antithese, romantisch mit Quanten und Atomen bewegt er sich auf der Zeitachse in jeder Richtung, teleportiert sich von hier nach da und erzählt außerweltlichen Quatsch.

Dr.Manhattan ist im Comic schon sehr cheesy („Atome fügen sich zu Welten, ich sehe die Zeit und so weiter und so fort“ — er redet fast nur so), im Film wirkt das allerdings meistens unfreiwillig komisch. Im Kontrast Rorschachs kompromissloses Vorgehen, das sehr gut und hart umgesetzt und von Jackie Earle Haley sehr gut gespielt wurde. Dieser Kontrast wirkt allerdings seltsam in der Filmumsetzung. Er wirkt dadurch oft leider episodenhaft und nicht flüssig erzählt. „žWatchmen the Movie“ wirkt deshalb manchmal ein wenig wie ein Flickenteppich, als ob sich Snyder von einer wichtigen Szene im Comic zur nächsten hangeln würde.

Mein Fazit: „žWatchmen“ ist ein guter Film, visuell herausragend trotz nur okayer Effekte — die CGI wirkt ein bisschen wie Plastik, was zwar Absicht ist, aber seltsam wirkt. Es macht Spaß, ihn sich anzusehen, vor allem die ersten 20 Minuten sind ganz wunderbar, er ist aber leider nicht das Meisterwerk, das der Comic ist. Dazu ist Snyders Annäherung an die Komplexität des Stoffes zu plump, die 1:1-Umsetzung zu unoriginell. Eine stärkere Anpassung an das Medium Film hätte ich mir gewünscht. So bleibt Watchmen „žnur“ eine relativ starke Comic-Verfilmung mit handfester Action.

Mehr zu Watchmen:
Ein sehr langes Interview mit Alan Moore auf Wired („žMr. Gilliam did ask me how I would go about translating Watchmen into a film, and I said to him, ‚If anybody had asked me, Terry, I would have advised them not to.'“)
Zeichner David Gibbons hat ein gutes Gefühl beim Film („žI think that the film does have the same richness as the comic book.“)
Review auf Times Online
Watchmen auf Rotten Tomatoes (derzeit mit einer Bewertung von 89%)
Watchmen bei den Filmfreunden

Trailer

(Youtube Direktwatchmen)

28 Kommentare

  1. 01

    Da kann man ja schon neidisch sein – werde bis nächste woche warten müssen.
    Laut deinem Tweet wars nicht so ganz sicher ob du in die Vorstellung kommst oder nicht? Bist du einfach auf gut glück hin und hast deinen „Secret Blogger Service“-Ausweis rausgeholt oder lief da schon was vorher?

    Ansonsten beschreibst du ziemlich genau, was ich mir auch so vom Film dachte; Sicherlich gut und ansehnlich, aber eben nich das Comic (wer hätte das gedacht ;) ]

  2. 02

    @#710087: Ich hab‘ vorher bei der Agentur angerufen, die den Film betreut, und da meinte man, ich solle einfach hingehen, das ginge schon klar.

  3. 03

    Ich habe, da ich Spoiler gar nicht mag, nicht den kompletten Review gelesen, aber ich muss sagen: ich habe jetzt Lust, mal wieder ein Comic zu lesen. Ja, eher den Comic erstmal und dann den Film. Mal schauen.

  4. 04
    Zoe

    „Produktions Hölle“? Deutsch kann zusammengesetzte Substantive. ;)

  5. 05

    Hört sich ja ganz gut an!

    Als ich den Trailer zum ersten Mal gesehen hatte, kam mir das Thema doch sehr käsig vor.
    Hmmh vielleicht werde ich mir das Comic mal durchlesen.

  6. 06

    da frag ich mich doch glatt mal, ob sich die hardcoreband rorschach nun nach der stadt in der schweiz, dem tintenkleckstest oder diesem typen hier benannt hat.

  7. 07

    Rorschach als „reaktionären Halbnazi“ zu bezeichnen, auch wenn es eine gewollte Überzeichnung von Dir ist, finde ich zu hart René ^^ Rorschach ist nun einmal einer der ersten Anti-Helden des Comicgenres gewesen. Sein erklärtes Ziel, seine Vorstellung von seiner Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu „erzwingen“ ist der Knackpunkt an seinem Vorgehen und in seiner Person…. ich frage mich, ob die Tragik, die in seinem Charakter steckt, auch im Film rüberkommt?

    Ich kämpfe stark mit mir im moment oder besser gesagt seit dem ersten Trailer x). Ich habe schon ein Karte für nächste Woche, aber ich bin der Meinung, dass Watchmen ein Comic ist und für dieses Medium auch erdacht wurde. Es ist kein Film und ich glaube auch, dass es einfach nicht umsetzbar ist. Ich würde aus Respekt vor Alan Moore, so ein Filmprojekt niemals beginnen ^^. Aber ich habe dem Naaman versprochen, dass ich ihn mir mit ihm angucke :D

  8. 08

    @#710105: Rorschachs Geschichte und der Teil im Knast sind mit die besten Stellen im Film, hier erinnert er teilweise an Sin City, den ich auch sehr mochte.

  9. 09

    @#710107: Ich werde es ja dann sehen ;)
    In der aktuellen GEEK MONTHLY sagte Snyder in einem Interview: „The movie is not to replace the graphic novel in any way. It’s a trailer for the graphic novel!“. Bin mal gespannt wie sich nach dem Kinostart die Verkaufszahlen von Watchmen im Comicladen verhalten werden. Letztes Jahr hat der Watchmen TPB DC schonmal über Wasser gehalten. Als ich im August 2008 in Chicago war, habe ich glaube ich alle zwei Tage eine Person mit Watchmen unter dem Arm gesehen. :D

  10. 10

    Als letztes Jahr die ersten Previews rauskamen (noch mit Smashing Pumpkins musikalisch unterlegt, was erstaunlich gut gepasst hat) war ich noch voller Hoffnung, dass es diesmal eine Moore-Verfilmung sein könnte, die nicht enttäuscht. Doch schon die aktuelleren und ausführlicheren Previews haben mich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Und was du sagst, scheint das zu bestätigen (auch wenn ich dich natürlich sehr beneide, dass du nicht wie das gemeine Fußvolk bis nächste Woche warten musst ;-) ).
    Für mich war Watchmen die Graphic Novel, die nach Jahren Comicabstinenz wieder dafür gesorgt hat, dass ich mich volle Pulle in das Medium verliebt habe. Deswegen bin ich da jezt auch extra-empfindlich. Und nur „gut aussehen“ reicht da nicht, um mich zu entzücken.
    Wer hat denn letztendlich die Musik gemacht?

  11. 11
    Bootie

    also mir kommt ja bei der filmmusik schon das kotzen. ist das „him“?

  12. 12

    Schöne Vorstellung, werde mir Watchmen auch auf jeden Fall anschauen.

  13. 13
    Igor

    Die Kinofassung wird für mich nur der Vorgeschmack auf den Final Cut im September auf DVD/BR sein. Der wird ja dann 3,5h laufen und hoffentlich noch um einiges komplexer. Die Kinofassung interessiert mich nur temporär.

  14. 14

    Zum Thema 1:1-Umsetzung: Bei 300 hat Snyder es ja ähnlich gemacht. Mit dem Unterschied, dass es bei 300 funktioniert, weils nicht so komplex ist wie Watchmen, sondern sehr geradlinig. Der Film gehört aber für mich ohnehin zu den Must-Sees dieses Jahr, egal wie die Kritiken ausgefallen wären :)

  15. 15

    Sehr, sehr geiles Review, vielen Dank :). Das bestätigt eigentlich das, was ich bisher über den Film gehört habe und überzeugt mich davon, dass der Film für mich selbst wirklich genial sein wird (bin Fan von den Comics und habe die tatsächlich alle gelesen). Jetzt muss nur noch das Game auch noch gut werden, dann ist meine Welt für die nächsten Wochen gerettet ;).

  16. 16

    ich guck mir den film auf jeden fall an! ich kann nach milk und benni button mal wieder etwas action vertragen. deinen beitrag werde ich aber erst lesen, NACHDEM ich mir den film reingezogen (hoffentlich reingesogen) habe, hehe.

  17. 17

    @#710125: Der Absatz wird stimmen, ist schließlich der „Comic zum Film“– stimmt ja,irgendwie

  18. 18

    @bootie: HIM?! Ne, ich denke, Smashing Pumpkins. Und ich finde das Lied sehr passend zum Trailer.

  19. 19

    Muss ich mir unbedingt ansehen, schliesslich hat es ja recht lange gedauert, bis er endlich gedreht wurde.

  20. 20
    phossi

    @Igor 3,5h auf DVD? FETT. In der Zeit sollte man es doch schaffen, die komplexe Story vollständiger auf die Leinwand -äh Bildschirm- zu transportieren.
    Seit der ersten Ankündigung sitze ich auf glühenden Kohlen und verbitte mir im Sinne der interessierten Leserschaft spoilermäßige Vorabberichte, die den anschließenden Filmgenuß nur trüben.

  21. 21

    warum ist plastik absicht?

  22. 22

    @#710323: Weil es der Ästhetik des Comics entspricht. Wie gesagt, Snyder hält sich sehr streng an die Vorlage. Ob das dem Film zuträglich ist, darüber kann man streiten.

  23. 23
    o

    die vorlage selbst ist ja auch so etwas wie ein flickenteppich,
    sagte moore ungefähr auch schon selbst. meiner meinung nach gelungen.
    wieviel sympathie ich nun aber für dieses resultat aufbringen würde, ohne
    „buch“ im voraus, kann ich nicht beantworten.

    für mich alles in allem eine V-dergutmachung ;)
    wenig überraschende, jedoch sehr solide umsetzung.

    welcher verleih in deutschland?

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    flipsidescreen

    @#710147: naja….wer bei MUSE kotzen muss, kann nicht so einen großartigen Musikgeschmack besitzen…