Urban Camouflage ist die Einswerdung mit dem Supermarkt. Das Projekt der beiden Studentinnen Yvonne Bayer und Sabina Keric von der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe greift die fortschleichende Militarisierung der Zivilgesellschaft, auch und vor allem in der Bekleidungsindustrie, auf und dreht sie gegen ihren Wirt, den globalisierten Hypersupermarkt. Dazu verkleiden sich die beiden mit Utensilien aus dem Einkaufsparadies, ähnlich wie es Scharfschützen machen, und verstecken sich anschließend so getarnt in eben jener Kaufhalle.
Wir hatten die Gelegenheit ihnen einige Fragen zu den Umständen ihres Projektes in mehreren Stockholmer Einkaufs- und Einrichtungsmärkten zu stellen und haben das natürlich auch gemacht.
[VIDEO] Urban Camouflage 01
Könnt ihr etwas zur Entstehungsgeschichte sagen? Wie seid ihr von dieser Scharfschützenverkleidung, auf die ihr euch bezieht, bis zum Urban Camouflage gekommen?
Das Projekt Urban Camouflage entstand während unseres Auslandssemesters an der Konstfack Stockholm unter Betreuung des Künstlers Juan-Pedro Fabra. Aufgabe war es eine Tarnung im öffentlichen Raum zu entwickeln. Unser Ziel war es von Anfang an die Idee des „Ghillie Suits“ (Tarnanzüge der Scharfschützen) in den Alltag des kommerziellen Raumes zu leiten und weiterzuführen.
Wir wählten zunächst einen amerikanisch anmutenden Verbraucher-Großmarkt in Stockholm aus, der mit seiner übertriebenen Warenauswahl, den überall blinkenden Werbemonitoren und der überdimensionalen Größe der Verkaufsräume der perfekte Testort für unsere Anzüge zu sein schien. Leider konnten wir dort nur eine Performance durchführen, da wir innerhalb kürzester Zeit von dem Geschäftsführer des Ladens wegen Unverständnis und Illegalität verwiesen wurden. Daher wichen wir auf den danebenliegenden IKEA aus und entwickelten spezielle Tarnmethoden für das Möbelhaus und das Lager.
Warum will man sich im Supermarkt verstecken?
Der kommerzielle Raum bleibt üblicherweise von störenden künstlerischen Aktivitäten verschont. Während im öffentlichen Raum eine mal mehr mal weniger große Flut an unterschiedlichen grafischen, experimentellen, gewollten und ungewollten Dingen geschehen, ist der Kommerzraum steril und bildet eine eigene Welt für sich. Der Besucher taucht für kurze Zeit in das sorgenfreie Asyl der Marken und Preisschilder und erwartet auf diesem Trip keine Eingriffe von außen. Unser Projekt hat diese Grenze testweise überschritten und ist auf unkonventionelle Art und Weise in eine andere Welt eingedrungen ohne vorher um Erlaubnis zu fragen und ohne finanzielles Interesse.
Die Anzüge sind von den „Ghillie Suits“, den Tarnanzügen von Scharfschützen im Krieg, abgekoppelt und wurden für kommerzielle „Schauplätze“ gemorpht. Diese komplexe Camouflageversion, die sich nicht nur farblich, sondern auch dreidimensional an die Umgebung anfügt, verdeckt nicht nur die Identität des Trägers sondern lässt auch vergessen, dass darunter überhaupt ein menschliches Individuum verborgen ist. Man muss sich vor Augen führen, dass speziell die IKEA Anzüge übermenschliche Ausmaße von ca 150 cm Durchmesser hatten, so dass vor dem Betrachter eher ein Übermensch als ein Mensch erschien.
Die Verbindung zu Krieg und Terror besteht natürlich. So wie auch Scharfschützen sich in Hecken tarnen, hat sich unser Schütze getarnt bis er es für wichtig hielt sich dem Publikum anzunähern. Ein komplett verhüllter „Mensch“ bringt den Betrachter aus dem Konzept und erzeugt ein ungutes Gefühl, dass sich meistens in verzweifeltem Kichern offenbart. Das bewegendste Gefühl für den Betrachter ist wohl, dass er nicht versteht, was das ist und was das soll. Man kann natürlich interpretieren: dieser Mensch will sich und seine Identität tarnen, für einen Moment verschwinden und untertauchen vom Lärm des Kommerzes. Aber die meisten Betrachter sahen von ihrem Sicherheitsabstand aus eher einen modernen Yeti als einen sich tarnenden Menschen vor sich.
War die Aktion mit der Leitung des Einrichtungshauses abgesprochen?
Nein, wir hatten uns dazu entschieden, dass Projekt nicht anzumelden und auf die Reaktion der Marktleitung zu warten. Aufgrund unserer Dreistigkeit wurden wir auch relativ schnell des Ortes verwiesen. Die Anzüge mussten wir teilweise dort anfertigen, teilweise in den Markt schmuggeln.
[VIDEO] Urban Camouflage 02
Wart ihr über den Erfolg des Camouflage überrascht, auf den Videos scheinen euch die Passanten ja tatsächlich zu ignorieren?
Das prägendste war wohl die Erkenntnis, dass man durch Verhüllung des Körpers und Gesichtes tatsächlich auch seine Identität verhüllt und vor äußeren Angriffen schützt. Beängstigend ist dabei, dass man nicht nur seine Skrupel und seine Scheu ablegt, sondern auch ein Stück weit seinen Charakter in kürzester Zeit verändert und im Moment der Tarnung auch ein wenig vergisst, wer man überhaupt ist. Dies brachte uns vor Augen, wie getarnte Soldaten (und evtl Uniformierte generell) in kritischen Situationen wohl auch ihre Identität ablegen und wie ferngesteuert arbeiten, also ihre Menschlichkeit verlieren.
Interessant war es auch zu sehen, wie das unvorbereitete Publikum auf eine solche Situation reagiert. So gab es Neugierige, die sich sofort auf das Material stürzten und versuchten einen Menschen darin ausfindig zu machen. Andere betrachteten die Situation mit Sicherheitsabstand und reagierten mal mehr, mal weniger amüsiert, aber immer verwirrt. Viele erschraken auch und entfernten sich so schnell es geht aus dem Blickfeld. Es gibt aber auch eine andere Art des Betrachters, unserer Meinung nach die interessanteste: Diese Gruppe von Menschen ignorierte einfach was neben ihnen passierte. Wir sind uns sicher, dass die Tarnung nicht so gut gewesen sein konnte, dass diese Menschen, sie gar nicht wahrnahmen. Vielmehr handelt es sich hierbei wohl um Menschen, die einfach nicht etwas sehen wollen, was sie nicht steuern können bzw. nicht geplant haben. Wenn man in einem Supermarkt seine Einkäufe erledigt, dann WILL man einfach nicht mit etwas konfrontiert werden, was das eigene Vorstellungsvermögen und Verständnis überfordert. Besonders gut konnte man dies auf dem Filmmaterial beobachten, wenn Passanten ohne mit der Wimper zu zucken durch das Bild laufen.
Habt ihr noch weitere Pläne, wollt ihr das Projekt ausweiten und in anderen urbanen Bereichen austesten?
Das Thema Tarnung im weitesten Sinn ist ein spannendes Gebiet, das sich immer wieder in unserer Arbeit blicken lässt und das wir bei weitem noch nicht ausgeschöpft haben. Daher wird es sehr sicher noch einige Aktionen in dieser Richtung geben.
Weitere Bilder finden sich auf der Projektwebseite Urban Camouflage.
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Aber die Muehe mal kurz nachzusehen wo der Begriff ghillie suit herkommt und dass so ein Anzug nicht unbedingt militaerisch sein muss, darauf scheint keiner gekommen zu sein, oder?
Klingt in meinen Ohre mehr nach Protest und organisiertes Wachrütteln. Aber Kunst ist ja bekanntlich was ihr draus macht…
Ich finde aber, dass solche sehr institutionalisierte Kunst eher ihr Gegenteil provuziert. Das selbst im kommerzielle Raum Kunst gemacht wird -und die Art und Weise wie sie dort aufgenommen wird – zeigt, dass die Kritik nur als eine von vielen Meinungen gelten gelassen wird. So verliert sie, meiner Meinung nach, ihren Stachel.
Das wandelnde Gelber-Sack-Monster ist aber echt zum Schiessen. Muss ich glaub ich auch mal machen
@#710667: so wie das dynamit ja eigentlich nur für den bergbau und die kernspaltung lediglich zur stromerzeugung erfunden wurde…
@#710669:
Sorry, aber mir ging das ueberhebliche Gesuelze von der Militarisierung der Gesellschaft und dem ach so hohen kuenstlerischen und cleveren Anspruch der ach so wunderbar kreativen und tollen Idee etwas auf die Nerven. Da nehme ich mir halt das Recht heraus das ein bisschen zu hinterfragen und auch halt mal zu fragen ob denn die Grundlagen ueberhaupt so stimmen.
Deine Reaktion bestaetigt mich leider irgendwie in dem Eindruck.
@#710673: die „militarisierung der gesellschaft“ ist mehr eine raffung als arrogantes herumformulieren. ich wollte nur nicht wieder von bundeswehrjacken und pali-tüchern anfangen.
statt vieler andeutungen lass uns doch konkret werden, wofür wurden diese tarndecken denn ursprünglich erdacht. soweit ich der englischen wikipedia trauen kann, hat man sie zur tierjagd in den schottischen highlands benutzt.
jahre später, 1916, trugen schottische soldaten diese art der tarnung erstmals in einer kriegerischen auseinandersetzung (im 1.wk wurden überhaupt unzählige neue arten der tarnung „erfunden“). diese schottischen soldaten waren gleichzeitig die ersten scharfschützen.
die kulturgeschichte der ghillie suit ist damit recht kurz und irgendwie auch recht eindeutig. wenn man das ding zum schafe hüten eingesetzt hätte, dann würde ich da ein argument sehen, aber da man damit von anfang an heimtückisch tötete, kann ich deinen einspruch irgendwie nicht so richtig nachvollziehen.
Geile Aktion.
Wozu sollte ich mit irgendwelchem Blödsinn beschäftigen, der mich kein bisschen interessiert? Keine Ahnung, wenn ich irgendwelche Leute verkleidet irgendwo herumliegen sehen würde sähe meine Reaktion vermutlich genauso aus. Das hat zwar vermutlich etwas mit „Vorstellungsvermögen“ und „Verständnis“ zu tun, aber eher in der Hinsicht das mich ein paar Spinner die verkleidet im Supermarkt herumlunger einfach kein bisschen interessieren. Gewogen, für seltsam befunden und abgelegt unter „Spinner“. Soll ich hingehen und ein Gespräch über Globalisierungskritik anfangen? Mich davorstellen, mit dem Finger drauf zeigen und lachen? Oder wie sähe die richtige Reaktion aus? Da ignoriere ich die doch lieber, genau wie die unverkleideten Spinner die ich nicht kenne die mir jeden Tag bei jeder Bewegung in der Öffentlichkeit über den Weg laufen. DAS wäre doch mal ein interessanter Gegenstand für eine Untersuchung: weshalb ignoriere ich täglich ungefähr 6 Milliarden Menschen auf der Welt?
Danke für die Beleidigung.
@#710674: Das mit den ersten Scharfschützen sieht Wikipedia aber anders http://de.wikipedia.org/wiki/Scharfschütze#Geschichte .
Wo fließen die Konjunkturpaketmilliarden hin? In die Rüstung. Sag nochmal einer, der MIK sei nur in den USA zu stark.
@#710684: erwischt. richtig wäre: die ersten scharfschützen in der britischen armee.
…nein. kunst hat nichts mit „vorstellungsvermögen“ oder „verständnis“ zu tun. kunst hat etwas mit „reaktion“ und „auslösen“ zu tun, mit „anregen“ mit „wiedererkennen“. das wesentliche merkmal von kreativität ist, dass Künstler (vulgo „spinner“) bekannte dinge in einen neuen zusammenhang bringen, und dies von ihren mitmenschen auch so erkannt wird.
das muss aber nicht bei allen so sein, sonst wäre das einfach ein sensation.
ob da allerdings aucn die anderen dazuzählen, welche andere andere sofort und gerne als „spinner“ bezeichnen und auch ansonsten vor allem ihre hassbacke pflegen, kann ich nicht beurteilen.
…übrigens: an die „Zielgruppe“ hat noch keiner gedacht…
Ich sag das nicht oft hier, aber diesmal muss es sein: toll!
…übrigens: an die Papierordner oder was immer in #1 zu einem Berg aufgetürmt ist, scheint auch niemand zu denken. Nach der Kunst-Kletter-Aktion sind die verknittert und werden von potentiellen Käufern ebenso ignoriert wie die Künstler.
Wenn die Künstler, wie beschrieben, nach kurzer Zeit mir ihren an diese Umgebung angepassten „Ghillie Suits“ aus dem Laden fliegen, mhm, haben sie dann nicht eine der Grundfunktionen (Tarnung) so eines Anzugs verfehlt?
Ist das dann nicht eher was fürs Fail-Blog?
@#710688: Auch nicht. Die ersten britischen Scharfschützen gab es laut dem Artikel schon um 1778 im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Ein tolles Beispiel dasnicht alles was unter dem Schlagwort „Kunst“ segelt in irgend einer Weise künstlerisch wertvoll oder sinnvoll ist. Und das Interview tut sein restliches: Totaler Quatsch.
@#710689: „Spinner“, weil da eine Story drumherum erfunden wurde, die in meinen Augen partout nichts mit der Aktion selbst zu tun haben will. Ich gönne den Leuten ja, da im Laden einen haufen Spass gehabt zu haben und das auch auf Youtube zeigen zu wollen. Kreativ ist aber IMHO höchstens die Beschreibung als Konsumkritik, ansonsten wurde ähnliches vorher schon dutzende male auf MTV gezeigt. Der einzige tiefere Sinn dieser Tat scheint die Publikumsbeschimpfung im Anschluss gewesen zu sein.
Lustige Aktion, fieses nachtreten, Kunst ist was anderes. Oder eben Jackass.
Ich fühle mich immer noch beleidigt.
@#710707: aber immerhin waren die dann jäger.
…najaschön, die „fortschleichende Militarisierung der Zivilgesellschaft“ ist wohl tatsächlich eher unfreiwillig komisch, aber das ist mehr autorenmatsch als der von die künstlers. ansonsten bleibe ich da, also dass da schon was ist mit kunst. die beschreibung nicht. die ist verkrückt. zugegeben. aber deswegen spinnt da sonst nichts, für mich…
auch gut: konstfack… (mann da ist soviel drin, freiwillig oder nicht, schmeiß deine scheuklappen weg…)
Die Aktion hat für mich die selbe aussage, wie jede jackass folge. damit will ich nich mal sagen das es keine gibt… Denn eine ist offensichtlich: Die Menschen die sowas machen, haben langeweile! Muss bei der aktion die ganze zeit, an den künstler denken der nen müllberg hingesetzt hat und den die putze dann weg geräumt hat XD Zu dem was zur aktion gesagt wurde: Ich fühl mich auch beleidigt… Nur weil ich etwas keine achtung schenke bin ich bei weitem noch nicht überfordert! Also liebe Künstler passt auf dass man euch nicht iwann wie Germanys next topmodel behandelt, wenn ihr schon so redet… Mit behandeln meine ich: Mit dem Finger drauf zeigen und lachen!
In diesem sinne…
HaHa!
Interessant finde ich das enorme Auseinanderklaffen von Aktion und Reflexion: Das ist unbestreitbar lustig, hübsch, und meinetwegen sogar gedankenanregend. Aber das hilflose Gestammel der Künstler selbst, die vagen Verweise auf Krieg und Militarisierung, werden dem, was ich da sehe und denke in keiner Weise gerecht. Und der brunzöde konsumkritische Unterton… Ich kann ja akzeptieren dass das offenbar ein starker Motivationsfaktor ist, überhaupt sowas Schönes zu machen, auch wenn ich den leisen Verdacht hege, das ist nur die passendste und wohlfeilste Ex-post-Begründung, die halt eh bequem zu haben ist.
Derweil verwurstet es die Werbefilmindustrie mal ratz-fatz zu nem schicken HORNBACH-Werbefilm. Ein schöner Kreislauf von Konsumterror, Konsumterrorkritik und Konsumbeförderung, in dem die Künstler nix als die nützlichen Idioten (die kostenlosen, unvergüteten Ideengeber) sind. http://www.horizont.net/kreation/tv/pages/protected/show-2051.html
,,,schrecklich. und jetzt steht das auch noch in der netz-taz. die leute sind so unwissend…
Warum kann man nicht einfach zugeben, dass es nur Scheiße ist?
Es hochtrabend „Projekt“ zu nennen, ist schon eine Unverschämtheit.
Hauptsache, im ersten Atemzug kommen Wörter wie Hochschule, Gestaltung und Pipapo vor. Damit jeder gleich weiß: Hoho, die feinen Herrschaften.
Schade, dass ich nich an einer Hochschule bin.
Da kann ich sowas gar nicht machen.
So ein „Projekt“.
@Jonas:
Weil es nicht „einfach nur Scheisse“ ist. Es ist viel mehr, finde ich: Unterhaltsam, hübsch, inspirierend. Woher kommen denn in den vielen Kommentaren diese Anti-Intellektuellen, Anti-Kunst-Attitüden? Versteh ich nicht. Anstatt sich mit dem auseinanderzusetzen, was wirklich Scheisse ist, nämlich der waffelweiche Diskurs an dem der Artikel genauso unkritisch mitschlabbert wie die KünsterlInnen selbst, da kann man sich jeden Satz einzeln vornehmen:
„Urban Camouflage“ ist schonmal eine Scheissbezeichnung, weil das eben nicht im urbanen, öffentlichen Raum stattfindet, sondern im privatwirtschaftlich betriebenen, kommerziellen Raum.
So Scheisse wie die Benennung ist die naive Reaktion der Künstlerinnen auf’s Rausgeworfenwerden: wer einen Supermarkt mit einem Marktplatz verwechselt sollte sich nicht im Ernst über die entsprechenden Reaktionen wundern, das ist entweder aufgesetzt naiv oder schlicht dämlich.
„Greift die fortschleichende Militarisierung der Zivilgesellschaft auf“ – does it? Gibt es die? Warum schleicht sie? Ist das gut? Ist das schlecht? Und so weiter, und so weiter.
fahrt mal die temperatur ein wenig runter. natürlich kann man solche aktionen, projekte, ideen, wie auch immer, auch einfach so machen. von jetzt auf sofort, auf dem nachhauseweg von der disko auf mtv, was weiß ich. warum nicht.
aber es gibt eben noch einen anderen, einen konzeptionellen ansatz, wo man sich, eventuell in einem universitären rahmen, theoretisch einem gesellschaftlichen phänomen nähert. das kann, so lächerlich das für jemanden, der jeden morgen um sechs auf der baustelle steht, klingen mag, auch unter umständen einige wochen dauern. und aus dieser theoretischen auseinandersetzung wird dann eine künstlerische, indem der künstler eigenen absichten und fertigkeiten miteinbringt.
dass der titel nicht 100prozent treffend, ist – kann man drüber diskutieren, wie über so viele andere aspekte, denn natürlich besteht bei kunst mehr redebedarf als bei einer unsauber verputzten mauer, aber dann bitte argumentativ und nicht guttural.
die diskussion über die von mir leichtsinnig referenzierte „fortschleichende Militarisierung der Zivilgesellschaft“, die können wir dann gerne auch führen. argumente und beispiele gibt es genug.
@#710674: @#710754:
Tarnung (ein Ghillie suit ist ja auch nur eine Form der Tarnung) ist also militaerisch, boese und heimtueckisch? Ich sehe das etwas differenzierter.
Zuerst einmal ist Tarnung etwas ganz natuerliches. Tiere machen dies in vielen Variationen und zu verschiedenen Zwecken. Teilweise um sich zu verstecken und zu schuetzen. Teilweise um bei ihrer Jagd erfolgreich zu sein.
In den weiter oben erwaehnten Artikeln werden Scharfschuetzen erwaehnt die ihre Opfer ueber Entfernungen von ueber 1000m, teilweise sogar 2000m erschiessen. So weit entfernt dass die Opfer sie wahrscheinlich nie gesehen haben.
Viele Greifvoegel fliegen sehr hoch koennen aber durch ihre hervorragenden Augen Kleintiere auf dem Boden sehen und praktisch aus dem Nichts diese erlegen ohne dass die Maus sie vorher sehen kann. Eulen fliegen praktisch lautlos und koennen sich so ihren Opfern im Schutze der Dunkelheit naehern. Auch alles eine Form der Tarnung.
Sind die jetzt heimtueckisch?
Auf den Menschen uebertragen wuerde ich einen Jaeger der sich tarnt auch nicht als heimtueckisch bezeichnen wollen (Disclosure: Ich kenne verschiedene Jaeger persoenlich und halte diese fuer sehr verantwortungsvolle und ehrliche Menschen). Solange man nicht die Jagd an sich als heimtueckisch bezeichnet ist es eine legitime Moeglichkeit sich den Tieren zu naehern.
Auch in anderen Bereichen sehe ich Tarnung als durchaus legitim und sogar sehr sinnvoll an:
Ein andere Art von Jaegern (naemlich die mit Photoapparat oder Kamera) benutzt ebenfalls Tarnung (teilweise sogar etwas das mit einem Ghillie Suit vergleichbar ist) um sich Tieren zu naehern und diese zu fotografieren/filmen ohne sie zu stoeren. Ich kenne Fotografen die sich ein paar Stunden in einen Busch unter ein Tarnnetz legen um tolle Bilder von seltenen und scheuen Voegeln zu machen die sich sonst so nicht machen liessen. Sind die jetzt heimtueckisch oder militaristisch?
Ich kenne verschiedene „Outdoor Typen“ die ganz bewusst in „Tarnkleidung“ oder zumindest sehr unauffaelliger Kleidung herumlaufen, aus dem einfachen Grund dass sie sich in die Natur „integrieren“ wollen und dort nicht stoeren wollen. Sind die jetzt heimtueckisch oder militaristisch?
Ich habe von verschiedenen Gebaeuden gelesen (und auch ein paar schon „gesehen“) die bewusst so gebaut wurden dass sie so wenig wie moeglich in ihrer Umgebung auffielen und sich teilweise sogar versteckten. Teilweise um so den Menschen die Annaeherung an die Natur und die Tierwelt zu ermoeglichen, teilweise um eine Gegend zu erhalten und nicht durch Gebaeude zu „verschandeln“. Sind die jetzt heimtueckisch oder militaristisch?
Ist all das jetzt eine „fortschleichende Militarisierung der Zivilgesellschaft“ oder ist es vielleicht genau andersherum, eine Rueckeroberung (pun intended) uralter Kulturtechniken vom Militaer durch die „Zivilgesellschaft“?
Irgendwie ist mir die Argumentation in dem Projekt und vor allem in dem Interview zu einfach, zu wenig reflektiert und hoert sich einfach nur nach dem Nachplappern tausendfach gehoerter Platitueden an.
@#710754:
Jow, „Scheiße“ war etwas zu unbestimmt.
Unterhaltung, Inspiration, Blödsinn halt.
Das sehe ich genauso. Die Aktion an sich finde ich auch großartig, wenn auch etwas lahm umgesetzt.
Aber der konzeptionelle Ansatz, den Nico gerade anspricht, wage ich gerade bei solch einer Aktion doch zu bezweifeln.
Aber ich kann es nachvollziehen, dass man sich dazu etwas ausdenken muss.
Oft genug musste ich mir schon hanebüchene, an den Haaren herbei gezogene Konzeptionen aus dem Wanst schneiden. Irgendwer will und muss so etwas zu hören/lesen bekommen.
Bestes Beispiel: Wäre es sonst hier?
(Ich zwinker mal mit einem Auge.)
@#710760:
das sagt ja niemand.
tarnung in der absicht jemanden oder etwas zu töten ist allerdings heimtückisch. und auf die wird sich ja im artikel und im projekt bezogen. (heimtückisch wohlgemerkt im juristischen, nicht im charakterlichen sinn, du brauchst dir um deine freunde keine sorgen zu machen.)
gerade die natur macht es ja in den meisten fällen genau so, dass sie den schwächeren mit besseren tarn-(mimikry)eigenschaften ausstattet. hochfliegende greifvögel sind ja nicht getarnt, sie sind einfach nur verdammt weit weg.
[…]Scharfschützenanzüge, die es ermöglichen sich im Supermarkt oder bei IKEA perfekt zu tarnen. Insbesondere[…]
Im Kölner Karneval findet jedes Jahr Verkleidung statt. Aber von Krieg hat dabei niemand gesprochen. Gähn.
der supermarkt scheint ja gut zu laufen, das war ja quasi unter ausschluss der öffentlichkeit
eine lustigere Form der camouflage findet sich hier:
http://www.rudi-renner.de/de/1145/?sess=j4pdh768c78pko5klpa6ofams1
obere Bildergalerie ganz rechts (der lebendige Weihnachtsbaum) anklicken und dann das Video starten
lg powerdienstleister
Gute Sache, hab mal ein bisschen kritisiert und laut gedacht und drauf verlinkt, und zwar hier: http://www.hirngerechte-gestaltung.com/2009/03/urban-camouflage.html
Grüße,
Fred
Klasse Idee, klasse Umsetzung. Diese Menschen verdienen Bundesverdienstkreuz! ;)