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Gisela Elsner – Die Zähmung

Alfred Giggenbacher und Bettina Begemann sind ein modernes Künstlerehepaar: er schreibt einigermaßen erfolglos, sie macht Filme für ein Kunstmagazin und bringt das Geld nach Hause. Die Geburt des gemeinsamen Kindes steht an, und während Giggenbacher mit einem Theaterstück erste Erfolge auf Provinzbühnen feiert, beginnt im gemütlichen Heim der Machtkampf zwischen den Eheleuten. Begemann leiert sich eine Affäre mit einem talentierten Nachwuchsautoren an; der in seiner Kunst und Männlichkeit gekränkte Giggenbacher versucht sich als Hobbykoch.

Begemann verlustiert sich in der mondänen Welt der Künstlerbohème; Giggenbacher stellt die literarische Arbeit ein und kutschiert die gemeinsame Tochter auf den Kinderspielplatz, wo er mit anderen Hausfrauen Rezepte tauscht. Er verfettet nach und nach, wird hysterisch, bekommt Brüste, kurz: er verweibischt, während Begemann, um in Ruhe an einem sentimentalen Frauenroman zu arbeiten, in ein Zwei-Zimmer-Appartement zieht und mit ihrem Nachbarn, einem jungen Maler, anbändelt. Am Ende sitzt Giggenbacher in der eigenen Küche und will ein Jäckchen für das Kind stricken, das sein Rivale mit Begemann gezeugt hat.

Es ist selten, dass ich Bücher gerne lese, deren Personal durch die Bank unsympathisch ist: aber den Figuren der Elsner sehe ich immer und immer wieder gerne beim Scheitern zu. Die Zähmung ist herzzerreißend böse, erbarmungslos und detailgenau: manchmal hab ich mich gefühlt, als säße ich bei einem befreundeten, aufgeklärten Pärchen auf dem Sofa und würde deren Beziehung beim Bach runterrauschen zusehen. Elsners Figuren scheitern ja meistens vollständig, aber für theatralische Monumentalität ist zwischen Babykotze und Schwangerschaftsstreifen, zwischen Übergewicht und der nervigen Chefredaktion weder für Giggenbacher noch für Begemann Platz.

Die Zähmung ist erschreckend nachvollziehbar, und sie ist erschreckend aktuell. Das klingt erst Mal nach schwerer Lektüre, wenn da nicht diese bittere Komik, dieser pelzige Witz wäre. Beispiel? Beispiel: Giggenbacher also eignet sich Kochkünste an, weil Begemann ihn gelobt hat, als er ein Abendessen auftischt; die Gerichte werden immer opulenter, immer noch leckerer, aber weil sie ihn ja nicht jeden Abend loben kann für seine Kochkünste, die irgendwann sogar als gegeben hinnimmt, nimmt er sich vor, irgendwann den Kochlöffel niederzustrecken aus Rebellion. Weil er aber Angst hat vor ihren Vergeltungsmaßnahmen, steht er doch wieder Tag für Tag am Herd, scheppert dafür aber etwas lauter mit den Töpfen, als es nötig wäre: Begemann aber argwöhnt nichts Böses.

Schließlich konnte sie nicht wissen, daß Giggenbacher absichtlich zu viel Wasser in die Suppe gegossen, zu viel Salz in die Rindsrouladen gestreut und zu wenig Milch mit dem Puddingpulver vermischt hatte. Auch erfuhr sie nie, daß er, um sich Luft zu machen, in die Sauce gespuckt hatte.

2 Kommentare

  1. 01
    david

    allein für „einigermaßen erfolglos“ gehört dir ein preis verliehen

  2. 02

    Direkt bestellt. Danke für den Tipp. Ist an sich garnicht mein Genre, aber die Rezension ist grandios. Wenn das Buch nur halb so gut ist, wird es sicherlich bald ausgelesen sein.