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Gewalt auf der Straße

Eine meiner ersten konkreten Erinnerungen: brennende Obstkisten im Süden Frankreichs. Ich war vielleicht vier, als französische Bauern dagegen protestierten, dass ihr Markt von billigerem spanischen Obst geflutet worden war. Die Preise brachen ein, sie drohten ihrer Lebensgrundlage beraubt zu werden. Statt sich an den Händen zu fassen, versöhnliche Lieder zu singen und Kerzen anzuzünden, nahmen sie schwere Gegenstände in die Hand, sangen die Marseillaise und fackelten Autos und Obstkisten ab.

Frankreich hat eine etwas andere Protestkultur als Deutschland: ob besser, ob schlechter, wer weiß das schon. In Paris zogen 1789 Mütter und Marktfrauen mit Dreschflegel und Nudelholz los, dem König den Allerwertesten zu versohlen, weil er nicht zur verabredeten Zeit nach Hause gekommen war. Und die Deutschen hockten jenseits des Rheins, schauten rüber und bissen sich die Fingernagelbetten blutig. Das Establishment drückte der Monarchie die Daumen, die Dichter und Intellektuellen der Revolution, am Ende starben die Bauern auf dem Weg nach Moskau Hungers und Frost.

Es ist noch heute so: In Frankreich werden soziale Kämpfe eher auf die Straße getragen. Während vor der Rütlischule Reporter Jugendliche bezahlen, damit die für ein hübsches Bildmotiv Steine werfen, trauen sich die Reporter in Frankreich kaum mehr in die Banlieue, sobald da Autos brennen. Und die brennen häufig: Villiers-le-Bel, Clichy sous Bois, La Duchère, Mantes-la-Jolie, Vaulx-en-Velin, nur ein paar Beispiele für das, was man rechtsrheinisch Krawalle nennt. Und wir sprechen hier nicht von mehr oder weniger ritualisierten Zusammenstößen zwischen Polizei und Autonomen, wie sie am ersten Mai inszeniert werden. Sondern von spontanen Aufständen, die unvorhersehbarerweise eskalieren.

Ich wohnte 2003 einige Zeit in der Pariser Banlieue, damals lernte ich Karim kennen. Karim war ein zurückhaltender junger Mann, der gerade begonnen hatte, Jura zu studieren. Auf die Eskalationen politischer Gewalt in den französischen Vorstädten angesprochen, verteidigte Karim mit Nachdruck politisch motivierte Gewalt gegen Sachen. „Wenn wir nichts anzünden“, sagte er, „hört uns keiner.“ Und dann zitierte er Bourdieu: „On peut continuer à brûler des voitures, mais il faut un objectif.“ Man kann auch weiterhin Autos anzünden, aber es braucht ein Ziel. Mir fällt kein deutscher Intellektueller ein, der zu einer ähnlich radikalen Aussage fähig wäre. Vielleicht Enzensberger früher mal, aber das ist lange her.

Ich bin ein Gegner politischer Gewalt, vielleicht auch, wie Karim damals meinte, weil es mir gut geht alles in allem. Er hielt brennende Autos für einen höchst liberalen Gedanken: Es geht darum, sich selbst um seine Interessen zu kümmern. Wenn der Staat sich schon auf dem Rückzug befindet, warum nicht im Bereich des Gewaltmonopols? Wenn es darum geht, dem Bürger so viel Freiraum zu lassen wie möglich, ihn nicht mit Fragen des Gemeinwesens zu behelligen, ist es dann nicht stringent zu sagen, okay, die einen lösen das über ihre Ausbildung, die anderen über ihren Wurfarm? Wenn sie nicht an der öffentlichen Diskussion teilnehmen wollen, weil kein anderer ihre Sprache spricht oder ihre Argumente hören will?

Ich will damit nicht sagen, dass ich Krawalle gut heiße. Dass das Eigentum Unbeteiligter zu Schaden kommt, finde ich inakzeptabel. Dass Wohl und Leben zufällig Anwesender oder beteiligter Polizisten in Gefahr ist, auch. In einem Polizisten nicht mehr zu sehen als nur die Uniform, die ihn umgibt, geht nicht.

Das aber sind meine Hemmschwellen, und kein Argument. Jenseits der moralisch-humanistischen Bedenken gibt es einen weiteren schwerwiegenden Grund, handfeste politische Gewalt abzulehnen: bei allen gewalttätigen Aufständen hat sich in ihrem Verlauf herausgestellt, dass irgendwann der Zweck hinter die Mittel zurücktrat. Um es mit Hannah Arendt zu sagen: „Daher sind die zur Erreichung politischer Ziele eingesetzten Mittel für die Zukunft der Welt meist von größerer Bedeutung als die Zwecke, denen sie dienen sollen.“ An ihren Taten sollt ihr sie messen.

Das ist die Zweck-Mittel-Debatte: Arendt geht davon aus, dass Politik niemals ein grenzenloser Prozess sein darf, in dem alles möglich ist. Alles ist möglich, das heißt: auch Gewalt. Die Form von Demokratie, die wir hier und heute erleben, hat sich folgendes zum Grundsatz gemacht: Wir diskutieren innerhalb bestimmter Regeln, die wir vernünftig finden, um unser aller Belange. Dabei treffen wir Mehrheitsentscheidungen, das heißt, eine Minderheit wird immer vernachlässigt. Wenn diese Minderheit in den meisten grundlegenden Entscheidungen übervorteilt wird, ist sie überflüssig. Da aber die Demokratie keine Überflüssigen duldet, sondern alle Denk- und Bedürfnisströmungen unter einen Hut zu versammeln sucht, ist sie darauf angewiesen, dass die Überflüssigen darauf verzichten, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen – das heißt, sie müssen sich den Regeln der Diskussion in der Wahl ihrer Mittel unterwerfen. Wir haben vernünftig zu bleiben.

Tun wir das nicht, stellen wir uns jenseits des Gesetzes. Wir denken nicht an die Ladeninhaber, deren Fensterscheiben zu Bruch gehen, auch nicht daran, dass Polizisten auch Familienväter sein könnten, oder dass in Diekmanns Auto hinten ein Kinderwagen steckt, wo Kinderwagen verbrennen doch viel böser ist als Benze zu verbrennen. Aber jenseits des Gesetzes, das heißt nicht: außerhalb des politischen Diskurses.

Danke, Nils.

48 Kommentare

  1. 01

    >Dabei treffen wir Mehrheitsentscheidungen, das heißt, eine Minderheit wird immer vernachlässigt.

    Das ist das Schlimme an der Demokratie. Man lässt eine bestimmte Gruppe bei Bildung, Finanzen, Sozialem und Partizipation hinten runterfallen. Und dann erzählt man ihnen: „Das ist die Demokratie – bleib vernünftig, oder Du darfst nicht mehr mitmachen“ – Was sollen sie antworten? „Wir dürfen ohnehin schon nicht mehr mitmachen – ihr macht die Gesetze und die Spielregeln für euch – da müssen wir sie auch nicht anerkennen“.
    Hinter jedem Polizisten kann ein Familienvater stehen – aber auch hinter jedem Autoabfackler. Und zur Zeit werden die meisten Autos durch die Regierung vernichtet und die Familienväter stehen am Rand und zahlen. In Frankreich zahlen wenigstens die Versicherungen. Vielleicht ist mir diese Form der Abwrackprämie dort doch sympathischer.

  2. 02

    @#714652: Der mit der Abwrackprämie ist gut. :) Das mit den Familienvätern, die Autos anzünden, wage ich jedoch zu bezweifeln.

  3. 03
  4. 04
    Chris

    Wenn ich da noch meinen alten Strafrechtsprofessor zitieren darf: „Wenn zwei entscheiden, dass ein Dritter ihnen all sein Geld geben soll, ist das nicht Demokratie, sondern meistens Raub.“

  5. 05

    Ich weiß auch nicht was das alles soll. Wohne in Hannover, wo morgen die NPD demonstrieren wollte. Ob sie es dürfen ist noch unklar, zur Zeit ist die Demo verboten. Soll man das gut finden, dass die Nazis nicht laufen dürfen? Eigentlich ja schon. Die Begründung des Gerichts führt an, dass die Polizei nicht für die Sicherheit der Demonstranten sorgen kann. Find ich schon wieder nicht so gut. Ist es nicht Aufgabe der Polizei die Meinungsfreiheit zu garantieren? Klar, scheiss auf die Nazis – aber mal vom Prinzip her? Darf der Staat vor ’nem Haufen steinewerfender Linksautonomer einknicken. Was wäre in einer umgekehrten Situation? Würde man es hinnehmen wenn ein Haufen Rechtsautonomer eine Demo für ein links-besetztes Thema verhindern? Wie weit sollte die Meinungsfreiheit gehen? Also ist für den Fall der Fälle von linker Seite für morgen eine Blockade angekündigt. Keine Gegendemonstration, sondern eine Blockade. Normale Bürger wollten entscheiden dürfen wer demonstrieren darf und wer nicht. Klar, wenn der Staat nicht gegen Rassismus und Nationalsozialismus vorgeht – ist es dann Aufgabe der Bürger? Aber wie weit darf man da gehen? Gegendemo ist kein Problem, aber auch hier stellt sich die Frage: Wie weit darf der Bürger „Staatsaufgaben“ übernehmen? Muss wer für die Blockade ist auch Bürgerwehren gut finden? Denn Bürgerwehren finde ich völlig unmöglich, aber dort greift die Argumentation der linken Blockierer genauso.
    Wei nicht wirklich was ich davon halten soll…

  6. 06

    @#714662: Das ist gut! Allerdings war der Professor schon sehr alt, oder? Und die Gelder müssten ihm mittlerweile auch gestrichen worden sein. Was ist eigentlich, wenn zwei ihre Stimme in eine Urne werfen und der dritte sich enthält.

  7. 07
  8. 08
    franx

    Das wird sowieso noch ein Problem, mit den ganzen Benzinkutschen die keiner mehr will. Die gehören entsorgt und in Frankreich fängt man schon mal an. Das müsste nur kanalisiert werden, dass es etwas umweltfreundlicher einhergeht.

  9. 09

    Zum Problem von Minderheitenrechten in einer Demokratie ein Zitat von Churchill: „Die Demokratie ist die Schlechteste aller Staatsformen, außer allen anderen.“ Das Grundproblem aller Staatsformen war, ist und bleibt, dass nur einige Menschen, in schlimmen Fällen nur ein Mensch, seine Bedürfnisse erfüllt sieht. Man kann es niemals allen Menschen recht machen. Die Demokratie billigt nun der Mehrheit von Menschen in einem Land die Entscheidungsbefugnis zu. Das ist wohl das Beste, was man suboptimal hin kriegen kann. Alle anderen Staatsformen beschränken die Entscheidungsbefugnis auf wesentlich weniger Menschen. Das Problem in einer Demokratie ist nun (und da gibt es meiner Meinung nach in Deutschland noch viel Raum für Verbesserung), wie man jedem Individuum die Möglichkeit geben kann in den kollektiven Entscheidungsprozessen des Systems seine Postion geltend zu machen. Und zwar unabhängig von finanziellem, politischem und auch sonstigem Status des Individuums in der Gesellschaft.

  10. 10

    @#714664: Ich denke, dass auch eine linke Demo, die Gefahr läuft, von Rechten attackiert zu werden, u.U. abgesagt werden würde, wenn die Sicherheit der Demonstranten nicht zu garantieren wäre.

    Nazi-Demos kann man aber aus anderen Gründen verbieten, wenn sie verfassungswidrig sind. Das wissen auch Nazis, weshalb sie sich viel Mühe geben, eben keine Nazi-Demo anzumelden.

    Daher muss man vlt. manchmal „tricksen“, um diese Demo dann doch verbieten zu können.

    Sollte man Nazi-Aufmärsche zulassen wegen Meinungsfreiheit?
    Nein. Hatten wir schon, brauchen wir nicht mehr. Faschismus ist keine Meinung.

    @#714672: Danke. Schön auf den Punkt! Ergänzen würde ich evtl. noch, dass die Herausforderung auch darin liegt, jedem Individuum zu zeigen, dass es sinnvoll ist, seine Position geltend zu machen und dafür zu sorgen, dass sich das Individuum dafür überhaupt interessiert.

  11. 11

    @Johnny Haeusler

    Vor einem Staat der bei seinen eigenen Gesetzen trickst habe ich aber auch Angst. Da brauche ich keine Gesetze mehr.

    Sollte man Nazi-Aufmärsche also zulassen. Ja, auf jeden Fall. Sie zeigen uns, dass wir wirklich etwas tun müssen und aufeinander mehr zugehen. Wir sollten uns gute Lösungen einfallen lassen – anstatt in eine immer stärkere Konkurrenz gegeneinander zu geraten. Wenn der Staat hier mit Unterdrückung und fraglichen Mitteln vorgeht, dann bestätigt er diese Menschen doch nur. Wenn wir vor Hass und Gewalt einen Vorhang spannen, dann geht das doch nicht weg – es brodelt nur und kocht immer höher. Und Ausländerhass ist mittlerweile so stark in Deutschland, obwohl die Politik und die Gerichte schon mit so vielen Verboten reagiert haben. Aber das ist einfach nicht der Weg zum Verständnis und nicht der Weg zur Aufklärung.

  12. 12

    @#714678: Man muss doch Demos von Parteien zulassen? Wenn die NPD nicht verfassungsfeindlich (genug) ist, dann muss das doch zugelassen werden?

  13. 13
    martin

    @#714680: M

  14. 14
    Christine

    Ganz im ernst: ich war grad auf der Schanze in HH… DAS ist die Wahrheit des Straßenkampfes. Zumindest im versnobten HH

    http://totalerscheiss.wordpress.com/2009/04/30/ihr-wollt-show-sie-kampfen-in-eurem-krieg/

  15. 15
    Moses

    …Und was zündet der Mob als erstes an? Das eigene Viertel.

    [Vielleicht sehen die Kreuzberger den Ersten Mai ja auch nur als eine Art Frühjahrsputz?]

  16. 16
    Burn, Hollywood, burn111

    @M0ses:Mehr Feuer = weniger Schwaben.

  17. 17

    @#714679: Vollste Zustimmung.

    @#714678: Wenn Faschismus keine Meinung ist, was ist es dann? Jetzt bitte nicht mit „ein Verbrechen“ antworten, das ist billige Sozi-Rhetorik.

    Tatsache ist: Auch Fremdenhass ist eine Meinung, mit der wir uns auseinandersetzen und sie nicht einfach totverbieten sollten. Nicht, dass man da differenzieren oder gar etwas Gutes daran finden sollte – man muss sich bloß überlegen, wie es soweit kommt, dass jemand zur Meinung gelangt, Ausländer wären Schuld am Übel der eigenen Nation.
    An der Wurzel bekämpfen heißt die Devise – und dabei nicht vergessen, dass auch ein Neonazis das Recht auf freie Meinungsäußerung besitzt.

  18. 18
    fpk

    „Sollte man Nazi-Aufmärsche zulassen wegen Meinungsfreiheit?
    Nein. Hatten wir schon, brauchen wir nicht mehr. Faschismus ist keine Meinung.“

    Entschiedner Widerspruch. Denn wer definiert was ne Meinung ist und was nicht. Du? Die Mehrheit? Der gerade aktuelle Mainstream? Gefährliches Terrain!

    „Das Problem in einer Demokratie ist nun (und da gibt es meiner Meinung nach in Deutschland noch viel Raum für Verbesserung), wie man jedem Individuum die Möglichkeit geben kann in den kollektiven Entscheidungsprozessen des Systems seine Postion geltend zu machen.“

    Ich bin ja großer Freund der Idee kollektive, also Mehrheitsentscheidungen möglichst zu begrenzen. Weniger Politik, mehr Zivilgesellschaft! Das schützt die größte Minderheit der Welt, die Individuen, immer noch am besten vor einer Diktatur der Mehrheit.
    Ich weiß ich mach mich grad unbeliebt. Was solls.

    Und zur Gewaltfrage und in Anlehnung an Johnnies Zitat:

    Gewalt ist keine akzebtable Form politischer Meinungsäußerung, sondern ein Verbrechen.

  19. 19

    @johnny: Das mit den Familienvätern, die Autos anzünden, wage ich jedoch zu bezweifeln.

    Nöö. Vaterschaft erweckt Verantwortungsgefühl , da ist es Pflicht zu reagieren, man will es ja für seine Kinder besser haben. In den 80ern sind wir (jung, Hippies, Kommune) mit und für die Kinder auf die Straße gegangen, und wo seinerzeit gehobelt wurde, fielen auch Späne.

  20. 20
    Martin2

    Großartig wie Glotz damals in der Talksendung mit Voigt umgegangen ist.
    http://www.youtube.com/watch?v=qkzn4evn_4c&feature=related
    Dies nur zum Thema NPD und wie man mit ihr umgehen sollte.

  21. 21
    fredge

    Per definitionem fusst eine Meinung auf vorher gezogenen Schlüssen, die einer Argumentationsstruktur folgen. Eine Argumentation ist eine Verknüpfung von vielen einzelnen Argumenten, die sich gegenseitig stützen, widerlegen, angreifen oder ausschließen können. Jedes Argument besteht aus Prämissen und Konklusion.

    Beispiel: 1. Die Jacke ist rot. (P)
    2. Wenn die Jacke rot ist, dann habe ich die Jacke gern. (P)
    ———-
    3. Also habe ich die Jacke gern. (K)

    Ein einfacheres Argument lässt sich schwerlich konstruieren.

    Wenn wir also eine Meinung vertreten, dann hat dies meist sehr, sehr viele unterschiedliche Prämissen als Voraussetzung, denen wir zustimmen.

    Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten:

    1. Die Meinung, die wir vertreten, ist mit den Prämissen, die wir für richtig halten, nicht vereinbar. Das bedeutet, dass unsere Meinung nicht konsistent gedacht werden kann.

    Es kann passieren, dass wir in einer Diskussion darauf aufmerksam gemacht werden. Dann denken wir darüber nach und kommen entweder zu dem Schluß, dass unsere Meinung tatsächlich aufgrund von Verwirrungen zustande gekommen ist und wir ÄNDERN unsere Meinung. Oder aber, wir finden, dass wir mit anderen Prämissen unsere Meinung durchaus behalten können und vertreten sie daher weiterhin.

    2. Es kann auch sein, dass wir sagen: „Fick dich, du Hure. Ich kann sagen, was ich will. Ich kann denken was ich will. Wenn du nicht dein Maul hältst, dann hau‘ ich dir die Fresse ein.“ – Ungefähr so laufen die meisten Streitigkeiten ab.

    Ein ehemaliger Philosophieprofessor von mir sagte oft: Jeder kann meinetwegen behaupten was er will, aber dann hört dort eben das Philosophieren auf. Bezogen hatte er sich auf metaphysische Vorstellungen (Gibt es einen Gott etc.).

    Auch auf die politische Einstellung von Nazis lässt sich das übertragen. Wenn ein Nazi irgendetwas behauptet, dann ist das noch keine Meinung; denn eine Meinung ist fundiert und – hier schließt sich der Kreis – fusst auf Prämissen, die EIN JEDER nachvollziehen und mitgehen kann. Kein Nazi kann seine „Meinung“ konsistent vertreten, denn eine faschistische und menschenverachtende „Meinung“ ist nie konsistent. Wenn sich ein Nazi auf sein Demonstrationsrecht in einer Demokratie beruft, dann will er also einerseits ein Recht einfordern, dass aufgrund einer echten politischen Diskussion eingeräumt wurde, um andererseits etwas herauszugrölen, das mit Diskussion rein gar nichts zu tun hat.

    Ein Nazi will sich überhaupt nicht überzeugen lassen, von niemandem und von gar nichts. Er ist nicht bereit, vernünftige Gründe überhaupt anzuhören und noch viel weniger ist er bereit, seine „Meinung“ jemals zu ändern. Ein Nazi will einfach nur hassen und projiziert seine Wut auf Menschen, die sich gerade am besten anbieten, weil sie sowieso stigmatisiert sind und sich prima als Prellbock machen.

    Wieso sollte man einem Menschen, der diskussionunfähig ist, eine Plattform einräumen, die geschaffen wurde, um zu diskutieren?

  22. 22
    Jan(TM)

    @#714710: Till Schatzi warum gehst du nicht raus überfährst ein paar Kröten?

    @#714711: Weil Scheuklappen nur bei Pferden funktionieren.

  23. 23

    Ist nicht im GG und der Menschenrechtserklärung festgeschrieben, dass persönliche Freiheit und Menschenrechte nur so weit gehen, wie sie die der anderen nicht einschränken? Faschismus ist ja sicher eine Meinung, aber keine die man diese Bedinung erfüllt. Das ist doch ein Grund … um mal an die Diskussion oben anzuschließen.

    „“žOn peut continuer à brûler des voitures, mais il faut un objectif.“ Man kann auch weiterhin Autos anzünden, aber es braucht ein Ziel.“
    Anders als in Frankreich protestieren die, die in Deutschland in vergleichbaren Vierteln/Bedingungen/Sozialen Umfeldern wie in den Banlieues leben, doch kaum (geschweige denn gewalttätig). Die jugendliche in den Banlieues sind ja keine „linksradikalen Steineschmeißer“, von der breiten Bevölkerungsschicht nicht verstanden (so wie in Deutschland). Vergleichen kann man das gar nicht, und als Nicht-Franzose vielleicht auch nicht verstehen?

  24. 24

    @#714723: Inwiefern schränkt eine faschistische Meinung (also keine daraus folgenden Gewalttat, beispielsweise) die persönliche Freiheit irgendeines anderen ein? Weil er sich „beleidigt“ fühlen könnte?
    Nun, dann sollten wir überhaupt jegliche Meinungsfreiheit beschneiden – könnte ja immer jemanden geben, der sich angepisst fühlt.

    @#714711: Woher weißt du, dass die Meinung aller Nazis (tolle Kollektivierung, übrigens – fast schon faschistisch) nicht auf fundierten Prämissen beruht? Wie kommst du überhaupt auf die Idee, eine Prämisse müsse für alle nachvollziehbar sein, um als eine solche gelten zu dürfen? Das würde ja bedeuten, dass beispielsweise die Meinung eines Sozialisten, die Kapitalträger gehören enteignet, auch keine solche ist – denn den Grund dafür nachvollziehen kann ich keineswegs.

    Deine Aussage scheitert an der Tatsache, dass du sie objektiver darstellst, als sie ist. Wer entscheidet, welche Personen als „diskussionsfähig“ gelten? Wer legt fest, ab wann es sich um eine Meinung und ab wann nur noch um blinden Hass handelt? Die Mehrheit? Ist das nicht auch schon eine Art Diktatur, nämlich die der Mehrheit über die Minderheit?

  25. 25

    Natürlich ist Faschismus eine Meinung, wenn auch eine Scheißmeinung. Trotzdem denke ich, man sollte sie nicht künstlich unterdrücken, z.B. in Form von „Tricksen“ im Veranstaltungsrecht. Solange die NPD nicht so offen verfassungsfeindlich ist, dass sie auch verboten werden kann, gehört das zur Glaubwürdigkeit einer Demokratie, sich an die eigenen Regeln zu halten. Es gibt ja sogar Leute, die diese Demokratie gar am Hindukusch verteidigen ;-)
    Viele Nazigruppen wurden ja auch schon verboten, wie die ANS, FAP, Wiking-Jugend oder erst neulich diese Kinder-/Jugendorganisation.
    Wie soll ich jemanden von den Vorzügen demokratischer Spielregeln überzeugen, wenn ich sie selber nicht ernst nehme, auch wenn die hier herrschende Demokratie sicher manche Nachteile hat? Statt z.B. Extremisten (beider Richtungen) ihren gewissen Spielraum zu unterdrücken, muss man dafür sorgen, dass die Ideen dieser Leute keine Mehrheit finden. Aber außer „das sind ja Nazis“ fällt weder den Parlamentariern, noch den meisten anderen etwas ein. Leider reicht das immer weniger, vor allem für Jüngere ist dies allein noch kein Grund zur Ablehnung. Wenn man dann aber keine wirklichen Argumente hat, sondern nur verbieten oder – wie die Autonomen – nur zuschlagen kann, braucht man sich nicht zu wundern, dass man dann als derjenige dasteht, der Unrecht hat.
    Viel gefährlicher als die NPD auf der Straße finde ich, dass ein Teil ihrer Ideologie in den Köpfen der Masse Platz nimmt. Was ich teilweise schon von meinen Fahrgästen über Juden oder Ausländer höre, ist haarsträubend. Ich halte es für ein viel größeres Problem, dass sich rechtsextremes Gedankengut im Bewusstsein der Menschen festsetzt, die sich selber überhaupt nicht als Rechte oder gar Nazis sehen würden.
    Wenn man aber mit „Faschismus ist keine Meinung“ kommt und damit die Auseinandersetzung mit diesen Inhalten verweigert, überlässt man die Meinungsbildung eben den Faschos. Solange es nur ein paar hundert oder tausend sind, ist das noch zu vernachlässigen. Aber ich habe den Eindruck, dass Rassismus und Antisemitismus, aber auch die selbstverständliche Akzeptanz von staatlichen Repressionsmaßnahmen, zunimmt. Wenn dieser Staat plötzlich aber nicht mehr CDU/SPD regiert wird, sondern z.B. von CDU/FDP unter Duldung der NPD, was nicht völlig unwahrscheinlich ist (siehe Italien, wo die einstige Duce-Faschisten jetzt Teil der neuen Regierungspartei sind), dann kann sich der Wind schnell drehen. 5 oder 6 Millionen Arbeitslose können auch im bürgerlichen Lager eine Haltung hervorbringen, dass man es „denen“ jetzt mal zeigen will und die Verfemten wählt.
    Die Trotzreaktion, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Nazis abzulehnen, wird diese Entwicklung noch beschleunigen.

  26. 26

    mit deichkind ernsthaft krawall machen klappt aber nicht so. die franzosen haben wenigstens justice.

  27. 27

    Ich bleibe dabei: Faschismus ist keine Meinung. Sondern ein System. Demokratie ist aber auch keine Meinung.

    Ich schwanke bei der Frage, ob man alles zulassen sollte immer, denn die Fallen sind mir bewusst und es ist richtig, dass Auseinandersetzung besser ist als Verbote. Aber: Rechte Meinungen und Politik setzt immer auf die Beschneidung der Rechte Dritter und beinhaltet fast immer Gewalt gegen Andere. Grundsätzlich und grundgesetzlich hat man sich in dieser Gesellschaft aber darauf geeinigt, dass solche Systeme hier keinen Platz haben.

    Man kann das also zwar diskutieren, muss man aber nicht. In dem Moment, in dem ich anfange, menschenverachtendes rechtes Gedankengut zu diskutieren, gestehe ich doch diesen Gedanken zu, dass es daran überhaupt etwas zu diskutieren gäbe. Und das wäre ein Erfolg für Rechtsextreme, nämlich eine Anerkennung.

    Aber ich weiß: Man kann das auch anders sehen. Und ich finde auch, dass eine Demokratie sowas aushalten und bestehen muss. Ich fürchte aber, dass die simpel aufzugreifende Demagogie von rechts in ihrer Bauernfängerart wirklich gefährlich ist und bin daher nicht sicher, ob man sie wirklich so frei walten lassen darf, wie hier teilweise vorgeschlagen wird.

    Die NPD und ihre Verfassungsfeindlichkeit ist ein anderes, extrem komplexes Thema (V-Leute als Zeugen etc.), das zwar zeigt, dass Demokratie für viele Eventualitäten schon ziemlich durchdacht ist, an vielen anderen Stellen aber eben auch an schwer lösbare Grenzen stößt.

    Und Kommentare auf einem Handy tippen macht keinen Spaß, sorry für evtl. Tippfehler.

  28. 28

    @#714743: Kennst Du Jacques Derrida – Schurken
    Da setzt er sich sehr tiefgehend mit Demokratie auseinander. Besonders damit, wie Demokratien Schurkenstaaten sind oder wurden.

    Ansonsten denke ich, dass Menschen aus persönlichen Ängsten und Existenzängsten anfangen Faschistisch zu werden. Oft auch aus dem Bedürfnis andere zu schützen – sogar vor sich selbst. Wir sollten bei diesen Ängsten ansetzen – und diese diskutieren, dann bleibt keiner mehr in der Position, wo ihm er nur noch mit Hass und Gewalt dem Unverständnis begegnen kann.

  29. 29

    Grosses BLABLA…

    Ihr,
    die so Engagiert Eure Meinung zu Themen postet,
    glaubt doch nicht ernsthaft, dass die Masse der
    ‚User‘ bereit ist mehr als zehn Zeilen zu lesen.

    Mist ist aber auch, mich ständig zu Wiederholen.

    Mein ja nur… :-D

  30. 30

    Vielleicht sollte man noch erwähnen, was im Land des Camembert für Autos unterwegs sind. Die würde bei uns kein Schrotthändler mehr nehmen. Von daher.

  31. 31
    monk

    Das ist überhaupt eine der Stärken der Demokratie: es gibt nie ein absolut. Man kann weder sagen, dass man Nazi-Demos generell erllaubt, noch dass sie generell verboten sind. Verbietet man sie generell, ist man das braune Pack in der Öffentlichkeit los und verhindert eine Möglichkeit der Propaganda. Erlaubt man sie aber generell, so wird die Meinungsfreiheit gesichert und man bietet der Gesellschaft eine Möglichkeit, offen mit der Problematik umzugehen.
    Man muss immer abwägen zwischen den Vor- und Nachteilen.
    Die Demokratie muss aber Meinungsfreiheit auch für Faschisten sichern, solange sie sich dabei nicht selber abschafft.

  32. 32
    fpk

    @Johnny

    Aber: Rechte Meinungen und Politik setzt immer auf die Beschneidung der Rechte Dritter und beinhaltet fast immer Gewalt gegen Andere. Grundsätzlich und grundgesetzlich hat man sich in dieser Gesellschaft aber darauf geeinigt, dass solche Systeme hier keinen Platz haben.

    Oh Johnny, da hast du jetzt aber ein Fass aufgemacht. Wenn das deine Begründung für ein Verbot solcher Meinungen ist, dann musst du aber ganz viele auf der anderen Seite des pol. Spektrums auch verbieten. Die plädieren auch für die massive Beschneidung der Rechte Dritter und haben sich in der Vergangenheit nie gescheut Gewalt gegen Andere einzusetzten, um ihre Ziele zu erreichen.

  33. 33

    Ich stand gestern in Kreuzberg unmittelbar daneben, als die Damen und Herren der revolutionären 1.-Mai-Demo anfingen mitten auf der Wiener Straße, das sonstige Publikum vollkommen ignorierend, die am Straßenrand stehende Polizei mit Bodenplatten, Steinen, Bistrotischen, Böllern und Flaschen zu bewerfen. Plötzlich natürlich Panik, und mit überschlagender Stimme quäkt der Mann aus dem Demowagen: Wir sind eine angemeldete Demonstration, hört auf zu provozieren.
    Provozieren? Das halt ich nachdem, was ich gestern gesehen habe, für eine sehr billige und sehr traurige Ausrede um Gewalt gegen Menschen zu legitimieren. Der Aufruf vom Demowagen an die Revolutionäre, die Krawalle zu lassen, war dann auch deutlich knapper. Kein Interesse am Respekt vor dem Menschenleben, vor dem Wohlbefinden der Danebenstehenden — nur Freude am Adrenalin, am Kick der Gewalttat. Ich bin da ganz bei Hannah Arendt.

  34. 34
    Frédéric Valin

    @#714779: „On peut continuer à brûler des voitures, mais il faut un objectif.“ Und das fehlt bei den Maikrawallen eindeutig. Da scheints mir – wie Dir ja auch – eher um Gewalt für Gewalt zu gehen.

  35. 35

    @#714785: Tut mir leid, aber das ist doch keine Satire. Das lässt eher auf ein persönliches Problem zwischen Dir und Spreeblick zu schließen. Am Anfang wurden diese Bilder auch noch unter Spreekillerblick kommentiert. Das ist schon ein bisschen hart und da muss man sich nicht wundern.

    Allerdings sehe ich nicht die Pointe. Findest Du Johnny nimmt sich zu wichtig und sollte lieber fernsehen anstatt über Politik zu bloggen?

  36. 36

    @#714652:

    Und zur Zeit werden die meisten Autos durch die Regierung vernichtet und die Familienväter stehen am Rand und zahlen. In Frankreich zahlen wenigstens die Versicherungen. Vielleicht ist mir diese Form der Abwrackprämie dort doch sympathischer.

    Und wer zahlt die Versicherungen? Wachsen fuer die das Geld auf den Baeumen? Nee, die zahlen naemlich auch die Familienvaeter. Zum einen ueber hoehere Beitraege und zum anderen ueber Lohnkuerzungen oder aehnliches weil die Versicherungen schliesslich alle Grossinvestoren sind und das durchdruecken.

  37. 37
    fredge

    @#714739: „Woher weißt du, dass die Meinung aller Nazis (tolle Kollektivierung, übrigens – fast schon faschistisch) nicht auf fundierten Prämissen beruht?“ – Erstens ist das überhaupt keine Kollektivierung, sondern eine Tatsachenbeschreibung (und mein Gott, so eine Korinthenkackerei brauchen wir doch wirklich nicht) und zweitens ist es nunmal so, dass der Neonanzi grundlegende Einstellungen zum besten gibt, aufgrund derer er Neonazi ist.
    Eine dieser Einstellungen ist, dass es zumindest ein Leben x gibt, das wertvoller als ein anderes Leben y ist.
    Diese Einstellung ist eine seiner Prämissen in einem seiner Argumente. Ich kann das nicht nachvollziehen. Du?
    Oder aber, er denkt ebenfalls grundsätzlich, dass alles Leben gleich viel wert ist, dann ist seine Meinung aber nicht konsistent. (Er lässt sich aber nicht überzeugen).
    Ansonsten ist er meinetwegen irgendwas anderes, aber kein Nazi. Diese Verwaschung von Begriffen bringt niemandem etwas.

    „Das würde ja bedeuten, dass beispielsweise die Meinung eines Sozialisten, die Kapitalträger gehören enteignet, auch keine solche ist – denn den Grund dafür nachvollziehen kann ich keineswegs.“

    – Dieses Argument ist doch nicht vergleichbar. Ob man die gleichen Werte vertritt, wie die eine oder andere politische Richtung, bleibt jedem selber überlassen. Es lassen sich immer Argumente finden, das eine zu rechtfertigen, das andere abzulehnen, weil es keinen allgemeingültigen Konsens darüber gibt und – Gott sei Dank – niemand in unserer Gesellschaft gezwungen wird, die Wirtschaft als absolut zu schützendes Wesen anzusehen. Um das mit dem oberen Argument zu vergleichen: Wir bekennen uns (normalerweise) zu unserer Verfassung; und was sagt das Grundgesetz doch gleich in Art. 1,1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ – Dem stimmen ALLE Parteien zu, egal ob Konservative oder Linke oder Mitte (außer den Faschos). Und auch ich würde niemals sagen, dass wir hingehen sollten und mit geballter Staatsmacht die Nazis einfach kaltstellen. Es ist genauso richtig, dass die mit der gleichen Würde behandelt werden, wie jeder andere Mensch auch.

  38. 38

    „Eine dieser Einstellungen ist, dass es zumindest ein Leben x gibt, das wertvoller als ein anderes Leben y ist.
    Diese Einstellung ist eine seiner Prämissen in einem seiner Argumente. Ich kann das nicht nachvollziehen. Du?“
    Ja, ich kann nachvollziehen, dass man zu diesem Schluss kommt. Was bitteschön nicht bedeutet, dass ich ihn unterschreibe oder gar befürworte.

    „Dieses Argument ist doch nicht vergleichbar. Ob man die gleichen Werte vertritt, wie die eine oder andere politische Richtung, bleibt jedem selber überlassen. Es lassen sich immer Argumente finden, das eine zu rechtfertigen, das andere abzulehnen, weil es keinen allgemeingültigen Konsens darüber gibt und – Gott sei Dank – niemand in unserer Gesellschaft gezwungen wird, die Wirtschaft als absolut zu schützendes Wesen anzusehen“
    Komisch. Zuerst ging es um „Prämissen, die für jeden nachvollziehbar sind“ und jetzt plötzlich um subjektive Werte. Wobei ich dir bei diesem hier zitierten Satz ja zustimmen würde – bloß, dass ich die Ansichten eines Neonazis ebenfalls bloß als andere politische Werte und Orientierung ansehen würde, lediglich extremer als vom Rest der Bevölkerung – wobei sich da Links- und Rechtsextreme wirklich nichts schenken.

    Also: Wenn es für das Recht auf Meinungsäußerung für Neonazis unabdingbar ist, dass alle deren Prämissen nachvollziehen können, dann passt das nicht mit dem – zum Glück – geltenden Meinungsäußerungserlass für Linksextreme zusammen, deren gewaltvolle Motive (Enteignung etc.) ich ebenfalls nicht nachvollziehen kann. Jeder politischer Vorgang, der auf physischer Gewalt beruht, ist für mich weder akzeptabel, noch irgendwie verständlich (und wie fpk bereits angemerkt hat, schließt das ziemlich viele „linke“ Meinungen mit ein). Daraus schließe ich aber keine Notwendigkeit zum Meinungsverbot.

    „Es ist genauso richtig, dass die mit der gleichen Würde behandelt werden, wie jeder andere Mensch auch.“
    Das Grundgesetz sagt auch Folgendes:
    „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
    Und mit „jeder“ sind ja wohl auch Rechtsextreme gemeint. Ansonsten wäre dieses Grundgesetz auch ziemlich inkonsequent, was aber auch offensicht der Fall ist, da Punkt 1 durch Punkt 2 ja schon wieder relativiert wird. Demzufolge sollte man aber eher an der Sinnhaftigkeit eines solchen GG zweifeln.

  39. 39

    @#714780: Das zum einen. Diese möchtegern-revolutionäre Demonstration war nicht einmal in der Lage, substantielle Kritik zu üben. Inhalte? Viel zu anstrengend. Zudem glaube ich nicht, dass sich Gewalt gegen Dinge letztlich von Gewalt gegen Menschen trennen lässt. Und ich halte es auch für falsch, die Dönerläden und Büdchen in 36 als Ziel seiner antimarktwirtschaftlichen Krawalle zu instrumentalisieren. Aber das ist ja auch schon wieder so ein Problem: Ein Hedgefond brennt halt nicht so ‚geil‘. Ich wünsche mir für’s nächste Jahr, dass diese revolutionäre Demo nicht durch das Myfest darf. Und wünsche mir eine Linke, die sich laut und deutlich zu Wort meldet, wenn aus ihnen Reihen einzelne Menschen angreifen. Keine Toleranz für Körperverletztung. Keine Gewalt und doch Erfolg geht — siehe ’89.

  40. 40
    Maltefan

    Was ist das für ein Protest, der die Autos derer anzündet, denen es nur marginal besser geht als einem selber? Ich verstehe nicht, warum die in der Banlieu immer nur ihre eigene Nachbarschaft verwüsten anstatt mit Fackeln und Mistgabeln ins Regierungsviertel zu ziehen.

  41. 41

    @#714876: Das gibts schon auch: aber allein aus praktischen Zwecken ist es einfacher, an einer riot teilzunehmen, wenn man den Stadtteil kennt, wenn man weiß, wohin man sich verziehen kann, wenns eng wird, etc. Außerdem haben die meisten Proteste lokale Auslöser, und sind kein generelles Aufbegehren.

  42. 42

    @#714804: „(„¦) mit „jeder“ sind ja wohl auch Rechtsextreme gemeint. Ansonsten wäre dieses Grundgesetz auch ziemlich inkonsequent, was aber auch offensicht der Fall ist, da Punkt 1 durch Punkt 2 ja schon wieder relativiert wird. Demzufolge sollte man aber eher an der Sinnhaftigkeit eines solchen GG zweifeln.“

    Ich würde vor dem Zweifel eine Auseinandersetzung mit der Entstehung dieses GG sowie mit der Geschichte derer empfehlen, in deren Tradition sich große Teile der NPD sehen. Für „alle dürfen alles“ braucht man keine Gesetze und so sehr ich Verständnis für die Stimmen habe, die absolute Rede- und Demonstrationsfreiheit für alle und jeden fordern, so überrascht bin ich davon, wenn man rechtsextreme Einstellungen quasi nur für eine von vielen möglichen Meinungen hält.

    @#714768: Diese Meinungen (s.o.) mit denen von Parteien gleichzusetzen, die sich klar zum GG bekennen, scheint mir etwas naiv zu sein. Ich behaupte nicht, dass es in anderen Parteien keine Ungerechtigkeit, keine (ich nehme an, du meinst die kriegerische?) Gewaltanwendung oder keine Ausgrenzungen gibt. Aber ich kenne außer der NPD keine Partei in Deutschland, bei der Mitglieder, die den Holocaust leugnen oder das NS-Regime verherrlichen, nicht hochkant rausgeworfen werden.

    Wir reden hier nicht von „eher liberal“ oder „eher konservativ“. Wir reden von Leuten unter denen wir, wenn sie etwas zu sagen hätten, diese Diskussion hier überhapt nicht führen dürften. Ja, eine Demokratie muss solche Leute ertragen können. Und sie aber auch in ihre Schranken weisen.

  43. 43
    Maltefan

    @#714895: Auch wenn rechtsextreme Meinungen idR zutiefst verachtenswürdig sind, sind es doch Meinungen. Mir persönlich geht die Zensur bei uns auch zu weit (das hört ja schließlich bei Rechtsextremismus nicht auf), ich finde die fast absolute Redefreiheit, wie sie in USA herrscht, bedeutend besser. Und die Demokratie dort überlebt das schließlich auch,

  44. 44
    zack

    „In Paris zogen 1789 Mütter und Marktfrauen mit Dreschflegel und Nudelholz los“

    jau, das ganze ist dann einer der terror herrschaft geendet. tolle aussicht!