Ich war mir nach all den Kritiken, die ich schon gelesen habe, sehr sicher, dass ich dieses Buch nach 100 Seiten entnervt und gelangweilt weglege. „Von einem, der aus Versehen konservativ wurde“, das klingt nicht nach meiner Leib- und Magenlektüre. Allerdings ist das Buch jetzt schon hin und wieder in Spreeblick-Kommentaren aufgetaucht: und siehe, ich bin überrascht worden. Ein bisschen.
Fleischhauer rechnet gar nicht mit der Linken ab, sondern mit einem bestimmten linken Milieu. Die sozialdemokratische, gut situierte Bürgerwelt, das ist, was ihn nervt. Eine Bürgerlichkeit, aus der er selbst stammt, un der die meisten seiner Kollegen, seiner Kommilitonen und seiner Freunde angehören. Er nennt es Mittelklasse-Sozialismus oder Links chic, in Frankreich gibt es das schöne Wort der Kaviar-Linken dafür. Seine Mutter war in der SPD wegen Brandt, wegen Gerechtigkeit, wegen der Ideale, er ist also als Linker geboren und sozialisiert worden.
Bei all den amüsanten gesellschaftlichen Ausführungen hätte ich gehofft, zwischendurch zumindest einen Ansatz von Theorie zu entdecken. Aber die großen linken Denker interessieren Fleischhauer nicht. Er schreibt über Feminismus, ohne Butler und foucault gelesen zu haben, er schreibt über Distinktion und Bourdieu nur mit dem Blindenstock gestreift. Von den aktuellen Theoretikern hat er vermutlich noch nicht einmal gehört. Badiou hält er vermutlich für einen Teddybären von Matell, Rancière für einen französischen Ausdruck für Weinpresse.
Wenn er sich tatsächlich mal an Basistexte wagt, dann wirds hässlich. Bevor er sich mit Rousseau und dessen „Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“ auseinandersetzt, schimpft er den Philosophen einen faulen, selbstsüchtigen, hartherzigen, larmoyanten Tagedieb, der seine Kinder ins Waisenasyl steckt und sich von älteren Damen aushalten lässt. Rousseau ist für ihn das role model des linken Gutmenschen. Nichts gegen eine unterhaltsam geschriebene Beschimpfung, aber hey: ein bisschen dünn ist das schon. Es wirkt mehr wie der Ausbruch eines Tourette-Syndromatikers, der versucht, sich in einen Smoking zu zwängen, als diese „kleine Geschichte der Linken“, die die Kapitelüberschrift ankündigt.
Es gibt ein paar sehr schöne konservative Reflexe im Buch. Fleischhauer findet es beispielsweise unerträglich, dass Die Linke nach wie vor die Systemfrage stellt. Warum, darauf geht er weiter nicht ein: aber es ist völlig klar, dass, wenn jemand die Systemfrage stellt, er damit die Wahl meint zwischen düsterstem Sowjetkommunismus und liberalalalaler Demokratie, zwischen Spreewaldgurken und Importbananen, zwischen Gulag und Ferienlager.
Es gibt einige richtige und interessante Passagen in Unter Linken: über die Bildungspolitik der Sozialdemokraten beispielsweise, oder wenn Fleischhauer über die Opferkultur schreibt. Und konstatiert, dass es inzwischen keine demokratische Gemeinschaft mehr gebe, sondern eine „Randgruppenhierarchie der Stammeswelt“. Ob das den Linken, also den Sozialdemokraten, anzukreiden ist, bezweifle ich, denn diese Randgruppenhierarchie ist ein Grundpfeiler der ideologischen Welt des Multikulturalismus, und deswegen liberal. Und nicht links. Aber diese Aufteilung wäre Fleischhauer vermutlich schon wieder zu analytisch.
Es kommt hin und wieder vor, dass Fleischhauer unfreiwillig komisch ist: Im Kapitel „Die Linke und ihre Gegner“ wirft er den Linken vor, den Faschismusvorwurf als brutalste Waffe und als beliebtestes Allzweckmittel zu gebrauchen, um dann mit Orwell zu konstatieren:“Das Wort Faschismus hat inzwischen keine andere Bedeutung mehr als die, etwas zu bezeichnen, was als „unerwünscht“ gilt.“ Ganze drei Absätze weiter hat er sich schon von seinem Gedanken verabschiedet und kommt zu der Schlussfolgerung: Man muss nicht soweit gehen wie der amerikanische Autor Jonah Goldberg, der den Faschismus für eine im Kern linke Idee hält. Aber…“ Da hat aber einer aus seiner linken Vergangenheit gelernt, wie man mit dem Faschismusvorwurf umzugehen hat, Respekt.
Am lustigsten ist, dass Fleischhauer nicht den Eindruck vermittelt, eine Vorstellung davon zu haben, was Konservatismus ist. Vielleicht hat er deswegen keinen Gegenentwurf, keine Alternative verfasst, sondern in erster Linie genörgelt. Bisweilen sehr unterhaltsam genörgelt, ja, aber eigentlich ist so eine Geisteshaltung doch grün wählenden Lehrern aus Obersdorf vorbehalten, die morgens politisch korrekten Tee mit Sojamilch trinken. Hat die Abnabelung nicht vollständig geklappt? Gibts womöglich noch eine Fortsetzung? Man darf gespannt sein.
Jan Fleischhauer: Unter Linken (amazon-Partnerlink) Eine Leseprobe. Und das Blog zum Thema.
„Faschismusvorwurf als brutalste Waffe und als beliebtestes Allzweckmittel zu gebrauchen, um dann mit Orwell zu konstatieren:“Das Wort Faschismus hat inzwischen keine andere Bedeutung mehr als die, etwas zu bezeichnen, was als „žunerwünscht“ gilt.“ Ganze drei Absätze weiter hat er sich schon von seinem Gedanken verabschiedet und kommt zu der Schlussfolgerung: Man muss nicht soweit gehen wie der amerikanische Autor Jonah Goldberg, der den Faschismus für eine im Kern linke Idee hält. Aber“¦“ Da hat aber einer aus seiner linken Vergangenheit gelernt, wie man mit dem Faschismusvorwurf umzugehen hat, Respekt.“
Was ist daran ein Faschismusvorwurf?
Es ist doch nicht das Gleiche, ein Verhalten als faschistisch zu umschreiben und den Faschismus zu analysieren.
Wenn du jemanden vorwirfst xenophob zu sein und dir dann spaeter ueber xenophobie Gedanken machst und zu dem Schluss kommst, dass sie besonders von Rechten verbreitet wird, dann ist das – diese Reflexion ueber Xenophobie – doch kein Xenophobievorwurf.
Ansonsten kann man sich ja ueber nichts mehr Gedanken macht, ohne eine Vorwurf zu aeussern. Und ein Buch ueber Antisemitismus wird dann zum Antisemitismusvorwurf?
Die anderen sagen: Wer Äpfel hat, ist blöd. Aber Äpfel gibt es gar nicht. Die Äpfel, die es nicht gibt, haben die anderen. Ergo: Die anderen sind blöd.
(Es gibt keine Faschismus-Analyse bei Fleischhauer. Es gibt ein paar Sätze zu Arendt, aber keine Analyse.)
naja, wohl eher so:
wer aepfel hat ist bloed (faschismus ist nicht gut).
die einen sagen immer die andern haben aepfel, auch dann wenn die gar keine aepfel haben (die linken werfen den anderen immer vor faschisten zu sein).
aber denken wir ueber aepfel nach (eine analyse des faschismus).
und tatsaechlich sind apfelbaeume irgendwie in einem linken umfeld gezuechtet worden……
du hast ja auch geschrieben, dass er goldbergs analyse zitiert.
wenn man sich mit dem nicht religioesen antisemitismus, also mit dem modernen europaeischen rassismus befasst, dann muss man feststellen, dass das eine idee ist, die sehr von „linken“ hervorgebracht und gepflegt wurde.
ist das dann ein antisemitismusvorwurf?
Nur, dass er zwischendurch sagt, jemanden als Faschist zu bezeichnen, mache keinen Sinn mehr, weil das eben ein Generalvorwurf sei und das Wort faschsitisch nichts mehr heiße.
Was faschistisch tatsächlich heißt, klärt er an keiner Stelle.
das ist vllt schlechtes niveau aber kein widerspruch.
wenn er sagst, es macht heute keinen sinn mehr jemanden faschist zu nennen, dann kann er doch trotzdem etwas ueber faschismus schreiben.
faschismus und faschisten sind ja nicht das gleiche.
dumme und dummheit sind ja auch nicht das gleiche.
Buch ist total überflüssig. Dein letzter Absatz trifft es völlig, denn das Motto könnte lauten: Was ich alles schon wegnörgeln wollte.
Ich hab ein paar Stellen überflogen und fand es grotest, da stört den Autor z.B., dass jemand in einem besetzten Haus sich ne schöne Wohnung mit Möbeln im Ikea-Stil eingerichtet hat. Na und?
Buch ist echt überflüssig.
Also bitte! Politisch korrekter Tee ist immer noch Assam ohne Zucker und mit richtiger Milch. Möchte meine politische Korrektheit wahren, was den Tee angeht…
Sehr geehrter Frédéric Valin,
klingt nach typisch deutsch. Oder liege ich da falsch? Nörgeln, nörgeln, nörgeln.
Welche Alternative wirft er auf? Welche Verbesserungen schlägt er vor?
Ist da was?
Was macht nach Ansicht dees Autoren ein Vollblutsozialisten aus?
Und:
Es lebe der Ferienkommunismus. Ich glaub, damit habe wir schon ordentlich zu tun.
Grüße!
Ich habe mir mal paar von den Interviews auf seiner Seite angeschaut. Abgesehen von den Moderatoren die so tun als ob er von Wölfen groß gezogen worden wäre, fällt mir auf das er scheinbar immer noch sauer auf seine Mami ist. Durfte keine Cola trinken, gab kein Nesquik und MC Donalds war auch verboten. Das wiederum verwirrt mich, weil ich kenne konservative Eltern wo es den Kindern genauso geht.
So richtig niedlich wird er aber, wenn er anfängt zu behaupten das Linke Asketen sein müssen und viele nur deshalb links sind weil sie sonst alle Freunde verlieren würden. Süß.
Spreewaldgurken for ever!
Ich halte das Buch für eine weitestgehend treffende Analyse einer Weltanschauung, die sich nie wirklich selbstkritisch mit der eigenen Dogmatik und Geschichte, Praxis-Umsetzung bzw. katastropahl gescheiterten Umsetzungen, befasst hat.
Dabei gäbe es weiß Gott Grund genug dafür.
Doch einen selbstironischen Linken habe ich, muss ich gestehen, noch nie erlebt. Dafür ist das wohl auch zu sehr säkulare Heilslehre.
Fleischhauer tritt einer Linken ein wenig in den A***, die sich, wieso auch immer, für die Wächterin politischer Moral und die Kämpferin des Lichts und des Guten hält.
Kämpfer der Gerechtigkeit, Utopisten, sehen sich immer im Recht und können mit Selbstkritik garnichts anfangen und mit äußerlicher Kritik, noch dazu von Apostaten wie Fleischhauer oder Broder natürlich v.a. mit nervöser Gehässigkeit reagieren.
Die Linke sollte sich etwas entkrusten, ein nüchterner Blick auf sich selbst wäre absolut notwendig. Aber ob das gelingt…
hab einen ähnlichen Eindruck gewonnen vom Buch wie du; möchte zu den von dir als „richtige und interessante Passagen“ beschriebene Teile aber noch anfügen, dass er in der Tat die Situation richtig beobachtet, aber den falschen Schluss zieht, dass es ein typisch linkes Verhalten sei. Denn die Opferkultur wird beispielsweise auch von den Bauernverbänden (keine fordert und meckert so viel, trotz horrender Subventionen) – vielleicht sogar von Verbänden generell – in Perfektion betrieben…und die möchte nun wirklich keiner ernsthaft als linke Klientel bezeichnen.
Will mal anmerken, daß es im Sowjetkommunismus keineswegs immer Spreewaldgurken gab, nicht mal im Spreewald!
Hallo Ihr lieben,
mein Beitrag dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=_SW2DtcjXaA
erstmal ein großer dank an den autor, dessen sicht ich weitgehend teile.
in diesem zusammenhang ein vllt. ganz interessanter link (ja guuuut, es ist die „welt“, aber auch hintenrumschnuffeln kann hin und wieder ganz nett zu betrachten sein):
http://www.welt.de/politik/article3841470/Linken-ist-wichtig-besser-zu-sein-als-die-anderen.html
aber obacht: ich übernehme keine haftung für lachkrämpfe (fleischhauer: ich schwanke zwischen bürgerlich und monarchist) und daraus resultierende schmerzen.
als ich damit durch war hab ich mir ernsthaft überlegt ob an fleischhauers these, wir „linken“ seien viel weniger komisch als die „konservativen“, nicht doch was dran sein könnte.
@OP Hm, irgendwie eine nasebohrende Kritik, aus der eigentlich nur klar wird, was Fleischhauer hätte schreiben können, wenn er so ähnlich ansetzen würde wie F.V., falls er denn so ein Buch schreiben würde.
Ich persönlich empfinde es als verdammt problematisch, dass die Ecke, in die sich die SPD manövriert hat, offenbar die Endstation für diese Partei darstellt, aber niemand darin ein großes Problem zu erblicken scheint. Man steuert bei den Wahlergebnissen dorthin, wo die FDP auch mal hin wollte, hat so gut wie keinen klaren Gedanken, der innerparteilich unwidersprochen bliebe.
Wenn also sich jemand verabschiedet und zurückruft, er sei jetzt ein Konservativer – ohne dabei genau zu wissen, was das Wort eigentlich meint – ist das nur ein weiteres besorgniserregendes Symptom.
Mit den angestaubten Theoretikern der vergangenen Moderne wird man dem Problem in der heutigen Form wahrscheinlich nicht gerecht, da es sich meiner Meinung nach eher um ein Problem psychologisch-sozialer Natur handelt.
Sprich: Die Leute fühlen sich bei der SPD nicht mehr zu hause und schieben allenfalls zusammenfabulierte Gründe vor, falls sie sich überhaupt genötigt sehen, das zu begründen.
Das was uns Menschen fehlt, ist die Liebe zueinander. Es geht ja im grunde nur noch ums Geld. Der Mensch ist soweit im Hintergrund gelandet, dass er bereits von Geburt an seine Würde verloren hat. Wo ist der Glaube an den Menschen und der Familie geblieben? – Da muss man sich nicht wundern, warum die Menschen immer weniger wählen gehen. Wir Menschen brauchen Mut, Unterstützung und den Glauben an unsere Politiker. Warum sind wir alle so blind und schauen einfach nur zu, wärend die Welt immer schlechter wird ?…….traurig.
Das Video ist für alle die den glauben an sich und an andere verloren haben. Das was uns fehlt ist Liebe:
http://www.youtube.com/watch?v=zWrdcMQm6BE
In Liebe
Alessandro Moretta
Ich selbst habe das Buch noch nicht gelesen, da es auch eigentlich nicht meine Tasse Tee ist. Und deine Kritik geht auch eher in die Richtung, die ich mir schon gedacht habe. Rumgestammel, nichts wirklich handfestes und vorallem kein Bezug zur Theorie hinter allem.
Ich kann nur empfehlen, sich mal das folgende Buch anzuschauen. Ist recht kurz und dünn, aber sehr gut geschrieben und beinhaltet das, was meiner Meinung nach zur Zeit am wichtigsten ist. Eine Perspektive und einen Weg aus dem Erstmal-Links-und-somit-gegen-alles-sein.
http://www.amazon.de/Maschinenwinter-Wissen-Technik-Sozialismus-Streitschrift/dp/3518260081/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1247645136&sr=8-1
Frédéric: Du schreibst am Anfang kurz über aktuelle linke Theorie. Da bin ich auch nicht auf dem laufenden. Welche neueren Theoretiker sind aus deiner Sicht lesenswert. Badiou kenne ich nur als traditionellen Kommunisten. Siszek sagt mir auch nicht zu.
@#722382: Zugegeben, da hast Du Recht. Aber die Unterscheidung macht Fleischhauer nicht.
@#722386: Es ist, und das meine ich jetzt gar nicht abwertend, eher ein Buch in der amerikanischen Tradition populärer Sachbücher geschrieben. Das Hauptproblem ist, dass es am Kern seines eigenen Themas vorbeigeht.
Als Franzose kann ich sagen: nörgeln können die Welschen auch ;)
@#722399: Fleischhauer macht den Fehler, alle, die sich als Wächter des Lichts sehen, zu den Linken zu rechnen. Für ihn ist das deckungsgleich.
@#722425: Rancière ist erhellend; eher ein Anarchist. Die zehn Thesen zur Politik fand ich ausgezeichnet. Badiou geht bisweilen in die gleiche Richtung, Zizek auch, bloß stolpert der ein wenig häufig. Recht viel weiter bin ich auch noch nicht, ich werds demnächst mit Toni Negri und Balibar versuchen.
Ich halte Jan Fleischhauers Buch für das Werk eines pseudointellektuellen Pseudojournalisten, dessen Stammkapital aus seiner umfassenden Feindseligkeit gegen „links“ besteht. Mit Mühen macht er aus einer schnell hingehuschten Essay-Sammlung ein Buch.
Ich habe von Jan rüpelhaft geführte Interviews gelesen, wo er seinem Gesprächspartner im Stile eines Entlarvers begegnet, und Dutzende schlechter Essays, die seine Ressentiments versammeln – an Stelle kluger Gedanken.
Man lese besser: Hannah Arendt. Nach dem Totalitarismus. 13 Essays.
Wenn das eifrig und systematisch in Blogs via Astroturfing beworbende Buch von Herrn Fleischhauer längst wieder – mangels Relevevanz – vergessen sein wird, kann man aus einem Essayband von Hannah Arendt immer noch Gewinn ziehen.
Sorry: Wie kann man nur auf die Idee kommen, etwas geistig so Armes wie Jans „Unter Linken“ zu rezensieren? Ist es für Frederic so nahe liegend, die eigene Themenwahl von Astrotufing-Marketing steuern zu lassen?
@#722435: Wie kann man nur auf die Idee kommen, etwas geistig so Armes wie Jans „Unter Linken“ zu rezensieren?
Steht in den ersten Sätzen. Woher hast Du denn das mit dem Astroturfing?
@ Frédéric
Die Sache mit dem Astroturfing liegt m. E. überaus nahe, wenn man schaut (v.a. in reichweitenstarken Politikblogs – zum Beispiel Spiegelfechter), dass da genau die gleichen Kommentare zum Fleischprügler auftauchen.
Ich glaube da nicht an Zufall.
Es wäre mal interessant, wenn ihr auswertet, von welchen IPs die Werbekommentare in eurem Blog für Fleischprüglers Werk kamen. Jedenfalls, wenn es wirklich die Kommentare waren, die dich zur Lektüre anstifteten – dann lohnt sich die Nachforschung: Was denn das für Kommentare waren, von wem sie kamen – und warum derartige Kommenatere sehr ähnlicher Art in diversen Blogs auftauchten.
Das ist eine Werbestrategie – der miesen Art.
Frédéric: Wer möchte sich schon als Blogger von Seiten astroturfender Werbe-Arschenturen am Nasenring durch die Manege ziehen lassen?
@#722470:
Fleischpruegler. Werbe-Arschenturen. Hach, was lustich. Oder doch eher pseudolustig?
@#722470: Die Kommentare kamen von Leuten, die hier bekannt sind. Ich glaube nicht, dass es jetzt noch Sinn machen würde, eine Kampagne in den Blogs zu starten: wo doch das Buch an allen Ecken und Enden besprochen worden ist. Ich hab mich entschieden, es auch noch zu besprechen, weil ich finde, dass die meiste Kritik am Kern der Sache vorbei geht. Ich sach mal Bescheid, dass wir sie trotzdem auswerten, das interessiert mich jetzt durchaus.
Ich bin erstaunt, das dieses Buch hier behandelt wird. Ich hab es zwar nur in Auszügen in Spiegel und anderswo gelesen, aber manchmal weiss man nach auch nach ein paar Bissen, das Rosenkohl scheußlich schmeckt.
Das Problem dieses Buches ist vor allem: Sein unterirdisches Niveau.
Und nebenbei bemerkt: Die Faschismus-Keule sei typisch links?, Ja, dann gucken wir mal, wo wir die noch so finden: Ich lese ständig in Zeitungen, vor allem auch in Kommentaren und Blogs Sachen wie:
Linksfaschist, rot lackierter Faschist, Islamofaschismus, Öko-Stalinismus, Feminazis, oder, mein Liebling: die Stalinisten in der hessischen SPD. (Klar, bei Stalin bekam „Abweichler“ bekanntlich auch bloß Rügen). Beliebt sind auch Sachen wie „Holocaust 2.0-Befürworter“ für jeden, an dessen Schlafzimmerwand weder israelische Fahnen noch Liebermann-Poster hängen.
Gerade beim Begriff Öko-Stalinismus zeigt sich, das die „Meinungsdiktaturen“ nich von links kommen, denn man stelle sich mal vor, ein Linker würde gegen die vorherrschende Lehrmeinung von geschätzt 98% aller Wissenschaftler argumentieren. Er würde als Verschwörungstheoretiker, Linksideologe, der von der Wirklichkeit widerlegt wird, oder einfach nur als armer Irrer gelten.
Kommt der Einspruch aber von „Rechts“, gilt man als „Politisch Inkorrekt“ und Opfer des (natürlich) linken „Meinungsfaschismus“. usw.
So könnte man noch ewig weitermachen.
Gerade
Allein schon die Tatsache dass von Linken nervös um sich geschlagen wird als handele es sich bei dabei um Majestätsbeleidigung oder Ketzerei, zeigt, wie dringend dieses Buch war.
@#722495: Das ist inhaltlich mit das dämlichste, was ich in den letzten Wochen gehört habe. Ist der Krach, den etwas macht, Gradmesser für seine Relevanz? Und vor allem: für seine Qualität?
Hab das Buch nicht gelesen, aber so weit ich es verstehe gehts ihm doch um die Beschreibung eines bestimmtes linken Milieus. Und nicht um Irrungen und Wirrungen linker Ideengeschichte.
Aber vielleicht bezeichnend diese Sätze für die übertriebene Bedeutung die bei der Linken gern Theoretikern zugemessen wird. Da wird die Karte dann schnell mal mit dem eigentlichen Gelände verwechselt. Etwas mehr common sense und etwas weniger Theorie täte dem oder der ein oder anderen ab und an ganz gut.
@#722505: Wenn er sich auf die Milieubeschreibungen beschränkt, ist er ja auch unterhaltsam. Allerdings geht es in seinem Buch auch um eine Theorie des Opfers, um Antisemitismus, „die Linke und das Böse“, „die linke und die Fremden“ – das sind zwei Kapitelüberschriften. Es geht um Rousseau und um Marx, etc pp. Wenn das keine theoretische Herangehensweise, weiß ich auch nicht.
@#722497:
Der Krach zeigt erstmal, wie ungemein selbstbequem eine bestimmte Weltanschauungs-Anhängerschaft, die sämtliche Institutionen unserer Gesellschaft erobert hat, ist. Dieses Moralaposteltum nervt auch mich.
Der Großteil der geistig festgefahrenen Linken schreit förmlich nach einem Stoß vom zweifelhaft hohen Ross, nach frischem Wind.
@#722514: Wer schlägt denn nervös um sich? Ist Steinmeier ausgeflippt? Hat sich Grass geäußert? Wollte Naumann sich in der Elbe ertrinken gehen?
Steini ist vll gerade wieder am räppen, vll dieses mal mit dt. Neonazis, wer weiß ?
Grass hat sich schon viel zu oft geäußert, denke ich. Und Naumann interessiert mich nicht die Bohne.
Fleischhauer verwendet in seinem Buch an einer Stelle den Begriff „Cäsarenwahn“. Und das trifft es auch im Gesamtzusammenhang, wie ich finde, am besten:
Die Linke ist zu besoffen von sich selbst. Nur, wieso eigentlich ?
Es trifft anscheinend gefühlte Überlegenheit auf erlebte Unterlegenheit, namentlich seit dem Ende des Kaltren Krieges, dessen Ende zu keiner irgendwie neuartigen Denkstruktur bei der Linken geführt hat.
@#722492:
wenn du weisst, wo man liebermann poster kaufen kann, dann sage es mir. ich brauch noch eine paar geschenke fuer freunde in berlin!!
Warum hätte denn ausgerechnet der Kalte Krieg zu einer neuen Denkstruktur innerhalb der Linken führen sollen?
Und wie kann das sein: einerseits dominiert die Linke das kulturelle Geschehen, andererseits erlebt sie Unterlegenheit?
Das Ende des Kalten Krieges !
Die Linke steckt immer noch im Sozialismus/Kapitalismus-Gegensatz und kann sich nicht von verkrusteten Dogmen lösen.
Sie dominiert das kulturelle Geschehen, merkt aber dass ihre Dogmen gescheitert sind.
Quatsch. Das Entdecken von Konzentrationslagern ist eine der großen Herausforderungen für die Linke gewesen und auch der Moment, wo sie sich gespalten hat. An die Zweiteilung Kapitalismus – Sozialismus glauben nur noch Pfadfinder. Und wer den Stalinismus mit Kommunismus gleichsetzt, aht auch nicht viel verstanden.
“ Und wer den Stalinismus mit Kommunismus gleichsetzt, aht auch nicht viel verstanden. “
An der praktischen Umsetzung hat es immer gehapert, nur in der Theorie war alles Paradies und Sonnenschein. Nenne mir ein einziges funktionierendes kommunistisches Projekt, ein einziges.
Wieviel ist also so eine Theorie wert ?
@#722527:
„Und wer den Stalinismus mit Kommunismus gleichsetzt, aht auch nicht viel verstanden.“
naja. alkoholismus und alkohol kann man ja auch nicht gleichsetzen.
Wer glaubt, Theorie sei eine Schablone, die sich über die Wirklichkeit legen lässt, vollsprühen und dann kommt ein Bild bei raus, der hat nicht verstanden, was Theorie ist.
@#722537:
so. nun hast du uns gesagt was theorie nicht ist. dann sag uns bitte, was theorie ist. :)
du denkst nicht ernsthaft, dass „der kommunismus“ eine theorie ist, oder?
oder nimmst du an, das kommunismus und marx‘ wirtschaftstheorie identisch sind?
soviel geschrei wegen fleischhauers kindlichem trotz!
sicher verkauft sich so ein buch sehr gut in einem land, in dem es ernsthaft leute gibt die behaupten, es würde von linken regiert…*prust*
passt perfekt zur stimmung, in die man auch tiraden wie von broder („putt gemacht, hihi“) einsortieren kann.
kennzeichnend dafür ist auf jeden fall, dass es immer nur um das dagegen geht, ohne nur den leisesten anklang einer eigenen idee. so wird man wohl wirklich monarchist, das fand ich ja so witzig, dass ich immer noch kichern muss. es wär ja wirklich super, wenn das beschriebene unsere ärgsten probleme wären!
richtig entlarvend fand ich ja den von fleischhauer entrüstet vorgebrachten fall, er hätte nie zu mcdoof gedurft (ja UND?) und sein unverständnis darüber. denn ein burger ist doch nicht wirklich ungesünder als ein döner! nein, ist er auch nicht, fleischhauer! aber es zeigt, was kern der sache sein soll:bedeutend ist die wirkung des essens auf den konsumenten.
dass es, wenn einen etwas mehr interessiert als der eigene wanst, sehr viele gründe gibt, eher einen kleinunternehmer zu unterstützen als ein großunternehmen mit zumindest fragwürdiger personalpolitik, ist zum kleinen jan wohl nie durchgedrungen. schade. vor allem für ihn.
von daher: das bauklötzchenwerfen freundlich ignorieren und das nächste mal im dönerladen an der ecke einen burger als fleischhauer-soli bestellen (gibt es da nämlich auch). und gut is.
@#722538: „Der Kommunismus“ ist keine Theorie. Es gibt kommunistische Theorie, die in vielen Bereichen eine Rolle spielt, unter anderem in allen Emazipationsbewegungen in Westeuropa.
Aber denoch sehen die Ergebnisse kommunistischer Umsetzungsversuche ja wohl recht dünn aus, was die nichtmörderische, freiheitliche, nichtruinöse Komponente angeht, meine ich.
Aber all das gibt den meisten Linken garnicht zu denken, die Theorie war ja gut !
Ein narzisstischer Knacks seit 1989 ist aber wohl dennoch geblieben und dafür suhlt sich das linke Establishment um so mehr in trotziger Selbstgefälligkeit. Kritik oder gar Spott, ganz unerwünscht. Spießertum.
Ich finde es schwierig von den Linken zu sprechen. Auf diese Kritik kann man fast nicht eingehen, denn wer ist damit gemeint? Es gibt so viele Strömungen. Wenn ich das Buch von Jan Fleischhauer richtig verstanden habe (ich habe es nicht gelesen), geht es ihm wohl vor allem um eine Abrechnung mit dem bürgerlichen Linken.
Rohlex scheint sich hingegen nun auf den akademischen Linken eingeschossen zu haben. Hier sei gesagt, dass es eben kaum Linke gibt deren Theorien Bezugspunkte zum Kommunismus als gesellschaftliches Projekt aufweisen. Die meisten linken Akademiker sind vielmehr Theoretiker der kapitalistischen Gesellschaft. Hier besitzen sie auch weiterhin Relevanz. Über den Kommunismus haben Karl Marx, Antonio Gramsci oder Nicos Poulantzas eher wenig bis nichts geschrieben. Soviel dazu.
Dann weiß ich leider nicht wer mit linken Establishment gemeint ist und kann somit nicht auf diesen Kritikpunkt eingehen. Der Großteil der Linken hatte sich aber schon lange von 1989 vom Ostblock distanziert. Insofern wird hier auch wieder auf einen vermeintlichen Feind geschossen, der so gar nicht existiert.
Alles in allem scheinen hier eher konservative Beißreflexe, denn Linke zu greifen.
Danke, Jacob. Jetzt kann ich meine tasten schonen.
@#722582:
Es ist, soweit ich das verstanden habe, eine Beschäftigung mit der linksideologischen Weltsicht im Allgemeinen. Was sind denn eigentlich „nichtbürgerliche“ Linke ? Punker, Krawalljohnnies und Co. ? Nicht wirklich ernst zu nehmen, oder ? Die Typen kommen übr. auch vor.
Inwiefern meinst Du Theoretiker der „kapitalistischen Gesellschaft“ ?
Zum einen lehne ich schon den ideologisch gefärbten Begriff K. ab. Und zum anderen kenne ich eig keinen linken Theoretiker, der nicht langfristig die „Überwindung des Kapitalismus“ anstrebt. Wie hat man sich das vorzustellen ?
Linken Akademikern werfe ich übr. v.a. ein gewisses „Nerdtum“, also mangelnde Menschenkenntnis und fehlendes Verständnis für historisch gewachsene Kulturentwicklungen oder auch für die unausrottbare Rolle des Glaubens, vor.
Die brechen nahezu alles auf Ökonomie runter.
Die Linke ist in den wichtigen Positionen der Gesellschaft federführend, linke Ansichten sind lange schon tonangebend, sie haben die moralische Oberhoheit erobert. Ein Linker muss sich nicht für seine Ansichten rechtfertigen.
Deshalb kann man durchaus von einem linken Establishment sprechen.
Und daher ist dieses Buch so erfrischend.
@rohlex
um die frage nochmal auf zu greifen, was soll das denn sein, die „linksideologische weltsicht im allgemeinen“.
„Ein Linker muss sich nicht für seine Ansichten rechtfertigen.“
wo lebst du? *g*
und für welche ansichten müssen sich rechte rechtfertigen?
jetzt werd mal ein bisschen konkreter. vor allem in diesem punkt:
„mangelnde Menschenkenntnis und fehlendes Verständnis für historisch gewachsene Kulturentwicklungen oder auch für die unausrottbare Rolle des Glaubens“
„Ein Linker muss sich nicht für seine Ansichten rechtfertigen.“
Dieser Satz (der ja auch bei Fleischhauer vorkommt) fasst im Grunde die Wichtigkeit des Buches zusammen. Heutzutage gilt alles als gut, was von Links kommt – umgekehrt ruft man den „Kampf gegen Rechts“ aus (und nicht etwa: gegen Rechtsextremismus). Dabei ist die Grundtheorie der Linken, nämlich der Sozialismus, nicht nur in seiner bisher ausnahmslos gescheiterten praktischen Anwendung menschenverachtend – selbst die Theorie ist ob ihrer Freiheitsfeindlichkeit per se abzulehnen.
Dass sich Fleischhauer damit aber eigentlich kaum beschäftigt kann man nur gutheißen, denn das Buch ist (und das wissen alle, die mehr als die ersten paar Seiten gelesen haben, wo zum ersten und einzigen Mal Burger und Cola vorkommen) so eine erfrischende und unterhaltsame Abrechnung eben mit dem Verhalten und den Gegebenheiten in der bürgerlich-linken Szene der Moderne, die sich nur allzu gerne herausnimmt, mit ihrer Ideologie auf der moralisch einwandfreien Seite zu stehen, während die anderen „alles Faschisten“ (auch ein Kapitelname) sind. Da sind die egalitären Hausbesetzer mit ihrer IKEA-Einrichtung nur ein kleiner Nebenaspekt.
@#722622:
Bevor ich auf dein Replik eingehe, möchte ich bereits im Vorfeld sagen, dass dies mein letzter Beitrag zu diesem Thema sein wird.
Ja was sind eigentlich nichtbürgerliche Linke? Eine gute Frage. Vielleicht sollten wir uns zunächst darauf einigen, was die bürgerliche Linke ist? Diese rekrutiert sich aus meiner Sicht aus der Mittelklasse (bürgerlich). Der Mittelklasse sind bestimmte Ausbildungs-, Konsum- und Wertvorstellungen gemein. Zum Beispiel der Wunsch nach einem Eigenheim und einer möglichst krisensicheren Anstellung. Linke Werte drücken sich dann durch Spenden, Ökostrom oder dem Einkauf von Bioprodukten aus. Im Kern hat sich die bürgerliche Linke mit der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung arrangiert und eher Angst vor Veränderungen. (Eine solche Charakterisierung ist natürlich stereotypisch und lässt sich in der Realität nicht so genau abgrenzen).
Die nicht „bürgerliche“ Linke zeichnet sich für mich dann dadurch aus, dass sie die bestehenden Macht- und Besitzverhältnisse in Frage stellt und langfristig deren Überwindung anstrebt. Darunter fallen radikale Demokraten oder Feministen, genauso wie Trotzkisten. Das ist dann aber auch schon was sie meist gemeinsam haben. Über die politische Ausrichtung Punk könnte ich hier alleine zwei Seiten schreiben (Es sei hier auf den exzellenten Wikipedia Artikel verwiesen http://en.wikipedia.org/wiki/Punk_subculture) Krawalljohnnies habe ich noch nie gehört.
Weiter im Text: Was meine ich mit Theoretikern einer kapitalistischen Gesellschaft? Ich meine damit, dass linke Intelektuelle sich bisher und heute auch noch eher mit der Frage auseinandersetzen, wie Kapitalismus funktioniert und warum dieser weiterhin Bestand hat. Linke haben sich somit theoretisch immer sehr wenig damit auseinandergesetzt, wie eine mögliche Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens jenseits des Kapitalismus aussehen kann. Dies kann man zu recht kritisieren. Aber von dir wurde kritisiert, dass die linke Theorie in der Praxis versagt hat. Und dazu gilt es eben festzuhalten, dass linke Theorie zu 90% sich nicht mit Gesellschaftsformen jenseits des Kapitalismus beschäftigt und eine solche Kritik nur von Unwissen zeugt.
Wie man sich eine „Überwindung des Kapitalismus“ vorzustellen hat? Die Antwort darauf hängt wieder sehr davon ab, was für Linke Du fragst. Aus meiner Sicht durch eine radikale Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche (insbesondere der Ökonomie), wie sie bis in die 1960er Jahren durchaus auch noch von den Gewerkschaften gefordert wurde (Weiteres dazu hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftsdemokratie). Aber letztendlich kann ich es dir auch nicht sagen. Geschichte ist ein offener Prozess. Einige weitere Anregungen findet Du in der aktuellen Ausgabe der Prokla http://www.prokla.de/archiv/archiv155.htm
Deine Aussagen zu linken Akademikern zeigt erneut, dass Du einfach nur schlecht informiert bist. Der zu Recht von dir kritisierte Ökonomismus ist längst nicht mehr das bestimmende Paradigma linker Wissenschaften. Siehe hierzu Antonio Gramsci (http://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Gramsci) der bereits Anfang des letzten Jahrhunderts geschrieben hat, dass Kultur eine zentrale Rolle spielt und der Marxismus sich nur durchsetzen kann, wenn er die spirituellen Bedürfnisse der Menschen (was Du hier als unausrottbare Rolle des Glaubens schildert) befriedigt. Allerdings bin ich hier anderer Meinung als Du und Gramsci. Aber wir wollen jetzt nicht noch über Religion diskutieren.
Deinen letzten Absatz kann ich so überhaupt nicht teilen. WIe viele andere Linke empfinde ich es genau umgekehrt. Linke Positionen sind kaum noch in der Öffentlichkeit vertreten und wo sie es sind (z.B. in Form der Linken) werden sie von den Medien scharf angegriffen. Die SPD ist in den letzten Jahren wohl nicht linker geworden, oder? Und der Spiegel sicherlich auch nicht. Und die Gewerkschaften waren in den 80er Jahren auch deutlich radikaler. Wo also ist dieser vermeintliche Linksruck? Ich kann ihn nicht sehen, so sehr ich ihn mir herbeiwünschen würde.
Ein kurzer Nachtrag noch: Das Du Kapitalismus als Begriff ablehnst finde ich schon etwas unterhaltsam. In welchem Wirtschaftsystem leben wir denn dann?
@#722574:
„“Der Kommunismus“ ist keine Theorie. Es gibt kommunistische Theorie, die in vielen Bereichen eine Rolle spielt, unter anderem in allen Emazipationsbewegungen in Westeuropa.“
sind dann kommunistische theorien in deiner lesart theorien, die die kommunistische ideologie als ausgangs- oder endpunkt ihres denkens sehen?
@#722627:
Ach komm, als Linker ist man einer der „Guten“, es gibt „Rock gegen Rechts“, „Kampf gegen Rechts“, usw. usf. Linkssein ist mittlerweile ein Wellness-Programm, man kann sich einfach gut fühlen, auf der „richtigen Seite“ zu sein als Gutmensch. Links = Gut.
Sagst du, du seist konservativ, wirst du manchmal gar schief angesehen.
Und rechts ?? Donnerlitzchen… Behauptest du soetwas, kannst du dir eine neue Identität zulegen.
okay, wenn das so aussieht…das sind doch alles schlagworte, „als linker ist man einer der guten“, etc. pp.
wenn du möchtest kannst du dich natürlich an der semantik aufhängen und behaupten der „kampf gegen rechts“ sei ein angriff auf konservative. ein kleiner blick in die tagespolitik belehrt einen da schnell eines besseren.
aber sich dem unterschied rechts/rechtsextremisten zu verweigern eröffnet auch die schöne möglichkeit, zu klagen (kann fleischhauer ebenso), sich unverstanden und verfolgt zu fühlen. und das ist vor allem eins: bequem.
aber ich kann keinem darob wirklich böse sein, auch nicht fleischhauers geistesbrüdern, die ob der schlimmen, schlimmen unterdrückung ein weineläppchen in buchform brauchen. wer hat´s nicht gern kuschlig. ;-))
@#722633: Weder noch. Als Ausgangspunkt haben sie immer bestehende Herrschaftssysteme im Auge. Und sie formulieren alternative Herrschaftsformen, oder analysieren bestehende. So funktioniert Theorie.
@#722639: Du hast Minderwertigkeitskomplexe, gut. Das ist natürlich schade für Dich persönlich. Aber es spielt für die Weltgeschichte keine Rolle. Hast Du noch ein bisschen mehr als Phrasen?
@#722652:
„Weder noch. Als Ausgangspunkt haben sie immer bestehende Herrschaftssysteme im Auge. Und sie formulieren alternative Herrschaftsformen, oder analysieren bestehende. So funktioniert Theorie.“
ach was!
und was ist dann daran das spezifisch „kommunistische“?
@#722652:
Hätte ich welche, würde ich wohl links werden.
Außer bestimmten Glaubensgemeinschaften schafft es keine andere Weltanschauung so sehr, die eigene heilige Unfehlbarkeit ohne jeden Anflug von Selbstzweifel hochzuhalten.
So sind natürlich immer die anderen schuld. Und, alles Faschisten !
Ich bin da vll etwas zu nüchtern für.
@#722677: Na, die Art und Weise, wie sie Kritik formuliert, und woran.
@#722684: Also in meiner Welt sind Selbstzweifel ein Merkmal, wenn nicht DAS Merkmal für Minderwertigkeitskomplexe. Für Dich? Wenn jemand keine Selbstzweifel hat, hat er keine Minderwertigkeitskomplexe?
@#722690:
Ein von Selbstzweifeln Gepeinigter fühlt sich daher als Teil einer Gruppe der letzten Wahrheit besonders wohl, denke ich mal. In solchen Weltsichten sind sie frei von Zweifeln, sie sind auf der richtigen Seite und können es sich im ewigen Opferstatus bequem machen, da die letzte Wahrheit keine Fehler haben kann.
Der Zulauf zu Neonazis und Islamisten erklärt sich womöglich ähnlich.
Aber ich will das hier nicht vertiefen, Ausgangspunkt war ja bloß dass ich das Buch als sarkastische Abhandlung über eine dominante Denkrichtung ganz erfrischend finde.
@#722690:
„die Art und Weise, wie sie Kritik formuliert, und woran“
dann zeichnen sich kommunistische theorien in deiner lesart also doch dadurch aus, dass sie die kommunistische ideologie als ausgangs- oder endpunkt ihres denkens setzten.
@#722695: Nein, die Kritik an den herrschenden Umständen ist ihr Ausgangspunkt.
@#722694: Das heißt, Du wärst links, wenn Du Minderwertigkeitskomplexe gehabt hättest, und jetzt keine mehr hast? Dann musst Du Fleischhauer konsequenterweise Käse finden, denn das ist nicht sein Punkt.
@#722698:
und wie ist kritik ohne ausgangspunkt moeglich?!
jetzt wirds spannend!!
Feststellung eines zu kritisierenden Umstandes – Systematisierung des Vorwurfs – Entwicklung einer oder Rückgriff auf eine Methode – Anwendung der Methode – (möglicherweise Formulierung einer Utopie bzw. Alternative)
@#722707:
„Feststellung eines zu kritisierenden Umstandes“
und wie soll das ohne ausgangspunkt gehen?
bsp: ich sehe in dass in deutschland 10% der bevoelkerung 90% des kapitals besitzen. ich kritisiere es.
aber warum? wie stelle ich fest, dass das ein zu kritisierender umstand ist.
weil ich denke dass es ungerecht ist. warum denke ich dass es ungerecht ist?
weil das meine oma sagt, weil es in der bibel steht, weil es andere vor mir schon gesagt haben, oder einfach so?
Für die Psychoanalyse einzelner Theoretiker bin ich gern zu haben, dann müsstest Du mir aber sagen, welche. Woher deren Ungerechtigkeitsempfinden kommt, kann man pauschal nicht sagen. Sicher ist, dass so gut wie alle Menschen ein Gefühl für das haben, was sie als ungerecht empfinden, bevor sie Foucault gelesen haben.
das hat damit nichts zu tun. und meine frage hast du auch nicht beantwortet.
nagel dich nicht an meinem daemlichen beispiel fest.
sag mir lieber wie man einen zu kritisierenden umstand feststellt und daraufhin eine kommunistische theorie entwirft, wenn man nicht schon bei der feststellung eine kommunistische herangehensweise hat.
(es sei denn man kritisiert positivistisch widersprueche innerhalb eines systems.)
Sorry, ich check Deinen Punkt nicht. Ich versuch gerade, dafür:
ein Fallbeispiel zu rekonstruieren, das den Moment der ersten Erkenntnis einer Ungerechtigkeit mit einbezieht. Wann wird man zuerst etwas als ungerecht empfinden, das über die eigene Person hinausgeht? Ich weiß, dass ich, als ich fünf war, es ungerecht fand, wenn der dicke Nachbarsjunge verprügelt wurde von den Älteren. Ich denke, diese Arten von Ungerechtigkeiten, die einen das ganze Leben begleiten, versucht man aufzulösen. Man versucht zu verstehen, warum dieses und jenes passiert, warum sich das Opfer wie ein Opfer verhält und der Täter wie ein Täter. Dazu entwickelt man verschiedene Theorien oder bedient sich an welchen.
Ansonsten wär man ja als Kommunist geboren.
@#722768:
evtl haben dir deine eltern gesagt, dass man andere nicht verpruegeln soll.
oder dass man schwaechere nicht angehen, sondern unterstuetzen soll.
(nietzsche – waere er fuer deine erziehung verantwortlich und wuerde seine philosophie auch an zu erziehende weitergeben – haette dir unter umstaenden beigebracht, dass die schaecheren …..).
und da war nun eben der dicke junge, der gleich von mehreren – noch dazu aelteren – geklatscht wurde.
das fandst du ungerecht.
haette der junge zwei tage zuvor dein matchbox auto kaputtgemacht, haettest du dich vmtl gefreut.
so, zurueck zur theorie.
ich denke, dass kritik nicht ohne ausgangspunkt moeglich ist (es sei denn sie bleibt innerhalb eines systems, also in einer weise positivistisch).
und eine gewisse herangehensweise nennt man dann eben kommunistisch/marxistisch (leute die man auf marx u.a. zurueck fuehrt).
wenn attac staendig fuer eine spekulationsbesteuerung eintritt, dann tun sie das ja nicht, weil das das ist, worauf sie kommen, nachdem sie das wirtschaftssystem an seinen eigenen praemissen messen, sondern wenn sie ihre schablone darauf anlegen und dann das benennen, was fuer sie einer der ersten schritte sein sollte um ihre ziele (soziale sicherheit fuer die bevoelkerung der westlichen laender) zu erreichen.
Mein langer Beitrag scheint dann doch einige der Dummschwätzer hier vertrieben zu haben. Die frage ob Theorie in negativer Form möglich ist finde ich aber durchaus spannend. Da muss ich aber noch einmal drüber nachdenken. Ich glaube aber spontan kann man die Frage werder mit Ja oder Nein beantworten.
@#722793: Selbstverständlich geht es auch um Ideologiekritik: das geht den Konservativen ähnlich. Ansonsten dürften ja nur noch Fachleute am bestehenden System rumschrauben (obwohl es ja das ist, was die momentan herrschende Ideologie einfordert, so wie es alle herrschenden Ideologien egal welcher Couleur immer einfordern).
Attac ist übrigens kein gutes Beispiel, die Bewegung ist viel zu durchmischt, um ideologisch schlagkräftig zu sein.
@#722821:
Was ist denn die „momentan herrschende Ideologie“ ?
Ich würde sagen, eine Art multikultureller Liberalismus. Oder liberaler Multikulturalismus.
Insgesamt trifft das Buch sehr gut die Situation in Deutschland, ohne auf gegenwärtiger Anti-Parteienpolemik rumzureiten, wie andere das tun. Eine ausführliche Rezension gibt es auch hier: http://www.buchtest.de/rezension/unter-linken.html
Angefangen mit der Rezension und noch verschlimmert in einigen Kommentaren: Manches hier ist so arrogant dass einem übel werden kann und wenn was unterirdisches Gestammel ist und am Thema vorbeigeht, dann ist das dieser „Thread“.
Alle hacken auf ihm rum, die meisten ohne das Buch gelesen zu haben. Kritik geht teils unter die Gürtellinie und hat so gar nichts mit dem Buch zu tun. Wohl deswegen merken es einige auch gar nicht, wie sehr sie dem von Fleischhauer skizzierten Klischee entsprechen. Steckt wirklich eine Werbeagentur hinter den lobenden Kommentaren? Darüber zerbrecht ihr euch den Kopf? Wie toll ihr doch alle seid!
Zum Glück gibts Rohlex und ein paar Andere die sich nicht zu doof sind eine andere, eigene Meinung zu haben und sie auch hier zu vertreten.
Ich habe das Buch gelesen, würde mich ohnehin als Liberalen mit Hang zum Konservativem bezeichnen, daher mag man einen gewissen Insestösen Anruch feststellen, wenn mir dieses Buch gefallen hat, aber so ist es nun mal. An ein paar Stellen fällt dem nachdenkenden Leser natürlich auf, dass die Vorwürfe ein wenig psiegelbildlich sind (der erzlinke ist humorlos, aber liegt das nicht in der Natur der Politik?), aber im großen und ganzen ist es eine schöne Geschichte seiner persönlichen Entwicklung vom linken Jugendlichen zum konservativem Erwachsenen, mit vielen scharfen Beobachtungen und durchaus sehr amüsanten Anekdoten. Das er nicht bei jedem Thema in die theoretische Tiefe und Breite geht ihn zu enem Vorwurf zu machen wirkt hilflos, denn es ist sonnenklar, dass dies dieses Buch zerstören würde, denn dafür ist es nicht da. Es ist ja keine Analyse der linken Philosophien, sondern eine Betrachtung der verbreiteten linken Weltanschauung. Udn welcher Linke kennt schon all seine theoretischen Wurzeln, vielleicht zwei dutzend in ganz Deutschland, aber nicht der normale Linke auf der Straße (oder wo auch immer).
Traurig wie manch einer sein Leben lang die nie erfolgte Abnabelung vom Elternhaus vor sich hertragen muss.
Herr Fleischhauer tut mir Leid, verharrt Er doch in der Rebellion des eigentlich gerade mal Adoleszenten.
Adorno hat immer vor diesen chronisch renitenten „Kindern in Erwachsenenkörpern“ gewarnt.
Das Beispiel Fleischhauer hat mir gezeigt wie recht Er doch hatte.