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Die Beliebigkeit der Parteien

remei schrieb in einem Kommentar zum Piratenartikel:

Die etablierten Parteien benutzen die Wertvorstellungen ihrer Mitglieder und der Wähler um möglichst viele Posten zu besetzen. Werte geben vielen Menschen ein kuschliges, wärmendes Gefühl namens Identität.

Und das ist – leider – richtig. Die Parteien sind zu Unternehmen geworden, die Wertvorstellungen im Tausch für Wählerstimmen anbieten. Sie produzieren Programme, „von denen sie sich am meisten Gewinn versprechen“. Es geht nicht darum, „vorgefasste politische Konzepte zu verwirklichen“, sondern darum, politische Konzepte zu formulieren, „um an die Regierung zu kommen“ (Anthony Downs). Opportunismus ist das Programm der Stunde.

Und zwar nicht nur, seit Ursula von der Leyen irgendwas mit Kindern im Wahlkampf machen wollte, und dann auf das Netzsperren-Gesetz kam. Anders als Johnny glaube ich nicht, dass von der Leyen ein schlechter Mensch ist: sie ist eine hemmungslose Karrieristin.

Dieser Karrierismus durchzieht (fast) alle Parteien in der Regierungsverantwortung. Und er ist auch der Hauptgrund, warum die ‚eingefahrenen‘ Rechts-Links-Schemata (Schubladen sagt man glaube ich in diesem Internetz) nicht mehr greifen. Denn natürlich gibt es noch rechte und linke Werte. Aber die Parteien vertreten Werte nur noch dann, wenn sie opportun erscheinen, und bedienen sich beim gegnerischen politischen Lager, sobald sie sich was davon versprechen.

Einerseits: Die SPD hat in der Verantwortung mit Otto Schily ihre Wurzeln in den Bürgerrechtsbewegungen gekappt. Schröder hat einen Spitzensteuersatz von 52 Prozent auf 43 Prozent gesenkt, Helmut Kohl reibt sich noch immer verwundert Bauch und Augen, dass sowas geht. Andererseits: Vor der Landtagswahl in Hessen forderte Ypsilanti Korrekturen an Hartz4 und die Einführung eines Mindestlohns. Die SPD schlingert, wies gerade passt, von Leistungsgerechtigkeit zu Verteilungsgerechtigkeit und wieder zurück.

Die CDU erhöht das Kindergeld und schwenkt im Hessenwahlkampf auf den Kurs der Linkspartei ein, indem sie die Pendlerpauschale gutheißt. Die CSU hat im Moment das Problem, die FDP weder gut noch scheiße finden zu dürfen: Im Bund wollen sie eine Koalition mit Westerwelle, deswegen darf die FDP nicht schlecht gemacht werden. In Bayern will Seehofer allein regieren, deswegen darf die FDP nicht gutgeheißen werrden. Irgendwo zwischen Selbstverleugnung und Selbstbeweihräucherung, zwischen sozial und christlich sucht die CSU nach ein wenig Nestwärme.

Die kleinen Parteien haben es da ein wenig leichter, weil an ihnen nicht das gleiche Maß angelegt wird: Jeder, der FDP oder Grüne wählt, weiß, dass er damit höchstens eine Korrektur der Politik versucht. Trotzdem lassen sich beide Parteien auch in ihren Kernthemen gerne reinreden, wenns denn realistisch werden soll: Die FDP ist als Opposition zwar strikt gegen Onlinedurchsuchungen, aber wenn man denn den nordrhein-westfälischen Innenminister stellt, nimmt man das mit den Bürgerrrechten auch nicht mehr so genau. Und die Grünenwähler in Hamburg werden sich schön gewundert haben, als die Grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg absegnete und die GAL Hamburg der Elbvertiefung zustimmte.

Die Linke hat es ein wenig einfacher in ihren Forderungen, weil auf Bundesebene keiner mit ihr spielen will. Solange das so bleibt, stimmt Gregor Gysis Satz vermutlich, dass jede Stimme mehr bei der Linken Politik in Deutschland sozialer macht: nicht, weil die Linke an sich so vertrauenswürdig und durchsetzungsfähig wäre, sondern weil SPD und Grüne erst dann wieder mit sozialerer Politik aufwarten, wenn sie die Notwendigkeit sehen, Wähler bei den Linken abzuholen. Dass die Linke sich realpolitisch von den restlichen Parteien unterscheidet, daran kann nicht glauben, wer wie ich in Berlin lebt: Sie hat hier die ganzen Einschnitte in der Sozialpolitik mitgetragen hat, die Sarrazin für angebracht hielt, und sich mit der Rettung der Opernhäuser hervorgetan. Welch Sieg für den Sozialstaat!

Der Witz an der Diskussion über Politikverdrossenheit ist, dass es vermutlich eher eine Parteienverdrossenheit ist. Als neulich u.a. die Katholische Bischofskonferenz zur Wahl aufrief, tat sie es mit dem Hinweis, dass, wer nicht wählen geht, auf die Beeinflussung der Politik verzichte. Aber welche Politik? Die aktuelle Shell-Studie sagt laut Hurrelmann: „Wir haben es mit einer jungen Generation zu tun, die eine Distanz zwischen ihrem Leben und dem etablierten politischen System mit seinen Parteien, Parlamenten, Ministerien und Behörden entwickelt hat. Ich vermute, dieses geringe politische Interesse ist darauf zurückzuführen, dass die jungen Leute wenig damit anfangen können, wie Politik bei uns organisiert ist.“

Politik ist so organisiert, dass sich alle Parteien mehr oder weniger einig sind, außer in den Themen Mindestlohn und Atomausstieg. Politik ist so organisiert, dass die Meinung der Bevölkerungsmehrheit bei zentralen Fragen wie EU-Verfassung oder Bahnprivatisierung übergangen wird. Politik ist so organisiert, dass die meisten Politiker männliche Akademiker aus der Neuen Mitte sind. „Parteien sind Interessengruppen in eigener Sache, die an politischen Führungsaufgaben interessierten Bürgern Karrierechancen eröffnen“, sagte einst Winfried Steffani.

Das erklärt die Beliebigkeit der Parteiprogramme und die Abkehr vieler von der Politik. Da hilft auch keine „Mach Dein Kreuz“-Kampagne. Drei Kreuze wären besser; wird schon alles gut gehen.

66 Kommentare

  1. 01

    Toll, wie eigentlich immer. Ich nenn mich irgendwann in Fredfan um.
    „Anders als Johnny glaube ich nicht, dass von der Leyen ein schlechter Mensch ist: sie ist eine hemmungslose Karrieristin.“
    Und du findest nicht, dass hemmungslose Karrieristen schlechte Menschen sind? So wie ich Johnny verstanden hatte, war es ja genau das, was ihn so entsetzt hat an von der Leyen: Dass sie tut, was sie tut; nicht weil sie glaubt, dass es eine positive Veränderung bringt, sondern weil sie damit Seelen Wählerstimmen erschachert.

  2. 02

    Erste Bürgerpflicht: Nicht alles glauben!

  3. 03
    danielj

    Anders als Johnny glaube ich nicht, dass von der Leyen ein schlechter Mensch ist: sie ist eine hemmungslose Karrieristin.

    Sie missbraucht die Opfer ein weiteres Mal um auf deren Kosten Karriere zu machen. Jede Gelegenheit nutzt sie um zu erklären wie abartig dieser Mißbrauch ist, man sollte also annehmen sie weiß wovon sie spricht. Anstatt aber daraus Konsequenzen zu ziehen und wirklich und effizient gegen den Mißbrauch vorzugehen benutzt sie das Thema um Karriere zu machen. Für mich, mit Verlaub, reicht das um einen schlechten Menschen aus ihr zu machen der mich über alle Maßen anwidert.

  4. 04
    Frédéric Valin

    @#729063: Ich weiß nicht: Ehrgeiz ist doch ein positives Charaktermerkmal. Wenn Karrierebewußtsein ein Kriterium für schlechte Menschen ist, was ist dann die Wählerschaft der FDP?

  5. 05
    Frédéric Valin

    @#729065: So gesehen: ja. Muss ich nochmal drüber nachdenken.

  6. 06

    Man könnte jetzt einiges schreiben über symbolischen Aktionismus, über mediale Kontrolle der Politikvermittlung, über die Parallelwelt Politik wie sie zum Beispiel beim Sturz Ypsilantis sichtbar wurde, aber halten wir es vorerst mit dem Manager, der Sabine Christiansen ins Gesicht lachte und meinte, das interessiere niemanden in der Wirtschaft, was die Politik wolle. Oder noch komprimiertere Replik: Take That!

  7. 07
    DSB

    Wenn schon A. Downs, dann aber richtig. Dass Parteien Politik machen, „um an die Regierung zu kommen“ ist nun wirklich eine Binse. Entscheidend an der „politischen Ökonomie der Demokratie“ ist aber doch, dass die Parteien sich an der Maximierung ihrer Stimmen orientieren – und dementsprechend an der politischen Mitte. Wobei das auch nur für Systeme mit Mehrheitswahlrecht gilt. Politische Systeme mit Verhältniswahlrecht (oder einem gemischten System, wie in Deutschland) sind da noch etwas komplizierter … aber um die Sache kurz zu machen: Die Rational Choice-Theorie betrachtet auch Parteien natürlich als ökonomisch-rationale Systeme (will heißen: man versucht die meisten Stimmen zu holen) – aber das bedeutet natürlich im Umkehrschluss auch, dass man die Wähler für sich gewinnen muss. „Karrierismus“ wäre nach Downs also in erster Linie eine Politik, die sich an Stimmenmaximieriung und ergo am Wählerwillen orientiert. Wobei das mit dem „Wählerwillen“ dann auch wieder so eine Sache ist …

  8. 08
    Martin

    Ehrgeiz rechtfertigt nicht jedes Mittel. Ehrgeizig und nett sein, schließt sich nicht aus. Ich würde sagen die Frau von der Leyen hat kein Unrechtsbewußtsein. Sie ist einfach ein bißchen doof Vielleicht hat sie zu lange in der Sonne gelesen. Aber guter Artikel. Interessenvertreter in eigener Sache – so sehe ich das auch.

  9. 09

    Kchch. Im selben Atemzug hat Ähnliches nebenan weissgarnix gepostet.

  10. 10

    Bei aller Panikmache habe ich, was die deutsche Politik angeht nur eine Angst: Dass die Große Koalition aus einem Improvisorium zu einer permanenten Institution wird. Dies erscheint mir sogar recht wahrscheinlich – vielleicht wird SPD-CDU, bei 5 Parteien im Bundestag, auf lange Zeit die einzige Chance auf eine 2 Parteien Regierung.
    Und dann heißt es Schwarz-Rot für immer. Und immer. Und immer.

  11. 11
    Und immer...

    … und alle so YEAH!

  12. 12
    de_villaret

    menschen, wie frau von der leyen, die durchschlagende gegenargumente systematisch ausblenden und sich demagogischer mittel bedienen, um gefährliche entwicklungen bewusst zu befördern, sind nicht schlechte menschen, sondern SEHR schlechte menschen!
    und da kann sie noch so artifiziell-nett in die kamera lächeln oder tausend kleine kinder attackieren… äh streicheln. *schauder*
    ich habe den eindruck, vdl’s karriere scheint das aber im moment eher nicht so zugute zu kommen.

    wenn politik so organisiert ist, dass bei allen etablierten parteien über die große masse der themen ein stiller konsens besteht und die vorgegebene marschrichtung so aussieht, dass die meinung großer teile der bevölkerung in wichtigen bereichen keine rolle mehr spielt, ja deren vitale interessen zunehmend bedroht sind, dann macht politik alles falsch und die menschen wenden sich zunehmend von ihr ab.

    als wähler verlange ich von dem kandidaten, dem ich meine erststimme gebe, dass er zu wichtigen themen ein detailliertes, für mich vertretbares konzept auf den tisch legen kann, dass er es für sich selbst und für mich glaubwürdig begründen kann, dass er dieses konzept so stark wie nur möglich durchsetzt im parlament, und dass er im parlament in allem grundsätzlich verfassungstreu handelt.
    allein mit letzterem wäre schon mal ganz viel gewonnen.
    zugegeben, eine sehr idealistische sicht der dinge…

  13. 13
    Rabo

    Ich mag ja Luhmann. Demzufolge ist der binäre Code des Systems Politik Macht haben/keine Macht haben. Die Aufgabe eines Politikers ist also, an der Macht zu bleiben oder an die Macht zu kommen und nichts anderes.

  14. 14
    Ben

    Jaul will sagen analytisch OK aber dann? Das zB. unser Steuersystem undemokrtisch, verfassungswiedrich und Bestandteil der Finanzkrise ist gehört auch zu den Binsen – eine Partei die hier ansetzen würde hätte sicherlich viele Wähler würde von den Lobbyisten angefangen bei Springer über Siemens zu BMW oder RWE (es wären alle Firmenvertreter) nicht nur geschlachtet sondern komplett verwurstet sprich keinerlei spenden mehr keine Kuscheldinner im Kanzleramt usw. Ist das Web stark genug unsere Politiker davor zu schützen? Dieser Aspekt fehlt mir.

  15. 15

    In dem, was du hier schreibst, kann ich dir nur zustimmen. Schon Max Weber schrieb:

    Wer Politik treibt, erstrebt Macht: Macht entweder als Mittel im Dienste anderer Ziele (idealer oder egoistischer), oder Macht ‚um ihrer selbst willen’…

    Die Weiterentwicklung zum 5-Parteiensystem ist sicher nicht der einzige Grund für diese Entwicklung. Aber dadurch, dass es nicht mehr nur rot und schwarz gibt und der Bürger seine Stimmen auch für andere Parteien abgeben kann, schwinden natürlich die Mehrheiten. Die Koalitionen werden größer, die eigenen Positionen werden schwerer durchzusetzen. Folglich müssen sich die Parteien darum kümmern, wieder ihre Mehrheiten zu bekommen. Und das tun sie eben indem sie Programme auflegen, die möglichst viele Wähler ansprechen.
    Das erledigt sich aber vielleicht ja bald, wenn das Wahlrecht reformiert wird. Da könnte eine Reform hin zum Grabenwahlsystem den großen Parteien nützen.

  16. 16
    slowcar

    Der Gesichtspunkt der mir fehlt ist die Betrachtung ausserhalb der Wählerstimmen. Parteien die sich kaum noch unterscheiden und nach „Jefühl“ wählen lassen kämpfen doch gar nicht mehr um die Gunst der Wähler. Zählen lassen sich die Wählerstimmen, die Nichtwähler sind aus dem System ausgeschlossen. Je mieser und unterscheidungsloser die Politik wird desto weiter driftet das Gesamtergebnis in Richtung Konsensmatsch, die die etwas Verändern wollen enden in der Desillusionierung oder werden Fanatiker – mit Vernunft kommt man nicht weit.

    Nicht einmal die Parteien selbst sind noch demokratisch. Entscheidungen die „nicht populär bei der Basis“ sind könnte es da nicht geben, eine „Realo“-Führungsspitze die eine ehemals friedensbewegte Wählerschaft in einen Angriffskrieg führt auch nicht.
    Fraktionszwang, zum spucken.

    Sollte man links wählen, auch wenn die Leitlinien der Partei nicht den eigenen Überzeugungen entsprechen? Nur weil die Partei als Korrektiv einen Einfluss auf die Politik der Regierung haben könnte?
    Oder ergibt man sich damit dem ermatteten System nur stets das kleinere Übel zu wählen statt etwas verbessern zu wollen?

    Auch wenn die Piraten nur 2% bekommen – diese 2% sind doch genauso ein Korrektiv. Das sind Menschen die noch nicht die Hoffnung aufgegeben haben das es besser sein kann.
    Unabhängig davon ob sich die Hoffnungen bewahrheiten, die Piraten alle Erwartungen erfüllen, bleibt doch das Gefühl für etwas potentiell gutes einzustehen – und nicht für das kleinere Übel.

  17. 17
    Zetterberb

    Im Grunde haben wir kein 5-Parteiensystem. Die Leute sind einfach zu verblödet und verblendet, um zu kapieren, dass wir nur ein 2-Parteiensystem haben.

    Auf der einen Seite Union/SPD/FDP/GRÜNE und auf der anderen Seite Die Linke. Die Unterschiede zwischen den Parteien, die in der BRD schon mal regiert haben, sind einfach zu klein oder unwichtig, um als ernsthafte politische Differenz verstanden zu werden.

    Das kann man übrigens sehr leicht nachweisen. Die Linke ist die einzige demokratische Partei, die in den Medien verteufelt wird und deren Politiker kategorisch dämonisiert werden. Der Rest wird umweltbewusst bei 40° im Schongang gewaschen.

  18. 18
    de_villaret

    @slowcar

    genau so sehe ich es auch. ein korrektiv verbunden mit der hoffnung, wichtige verfassungsgrundsätze zu stärken. noch schöner, wenn es nicht nur beim gefühl bleibt!

  19. 19

    @#729090: Dir ist aber schon klar, daß die Vagheit, für etwas „potentiell gutes einzustehen“, das Gleiche ist wie bei Oma Krause die Vagheit „Herr Guttenberg ist immer so adrett angezogen.“? So wie Oma Krause bei Herrn Guttenberg hast Du keine Ahnung, wofür die Piraten sich in Wirtschafts-, Sozial- oder Umweltfragen stark machen werden. So wie er für Oma Krause, sind die Piraten Projektionsfläche für Deine Wünsche.

  20. 20
    Sim

    Sehr schön geschrieben und sehr, sehr wahr. Die Politikverdrossenheit entsteht aus der schlichten Unglaubwürdigkeit der Parteien, die ihre Wahlprogramme bereits zwei Minuten nach der Wahl verleugnen.
    Besonders schönes Beispiel war vor knapp vier Jahren die Einführung einer erhöhten Mehrwertsteuer. Die SPD wollte sie bei 16% belassen, die CDU auf 18% erhöhen. Vor der Wahl… danach wurde sich spontan auf 19% geeinigt. Yuchu!
    Auch das Fernsehduell hat eigentlich die positive „Wir arbeiten alle zusammen“ Grundstimmung nur bestätigt. Ein paar Pseudo-Angriffe Steinmeiers, Merkel völlig gelangweilt und defensiv und davor vier völlig verblödete Journalisten, die Fragen wie „Duzen Sie sich?“ stellten, anstatt Steinmeier zum Thema Gesundheitspolitik ausreden zu lassen.
    Deutschlands Politik geht den Bach runter – was auch die zunehmende Popularität der Piraten-Partei beweist, die in Umfragen nur noch nicht über 5% geklettert ist, da sie außerhalb des Internets zu unbekannt ist.

  21. 21
    muss.sein@name.de

    Brilliant festgestellt.

  22. 22
    Konsti

    @#729103: Nicht nur ist die Piratenpartei außerhalb des Internets unbekannt, sie ist außerhalb des Internets auch unwählbar. Eine Partei zu wählen, die keine Meinung zum Afghanistan-Krieg, zum Mindestlohn, zum Kündigungsschutz, zur Vermögenssteuer, zum ALG II und anderen wichtigen Themen hat, ist fahrlässig und zeigt, dass man sich im Grunde für Politik überhaupt nicht interessiert. Sondern nur politisch wird, wenn es ein Thema trifft, wovon man selber „betroffen“ zu sein scheint.

  23. 23

    Die Piratenpartei lockt viele junge Wähler aus dem Internet in die Real-Life-Wahlkabinen. (Außerdem sind ihre Ziele höchst erstrebenswert.) Ist doch schon was.

    Ich wähle eine Partei nach ihren Inhalten, nicht nach dem, was man über sie redet. Die Linke, zum Beispiel, ist bisher nur durch heiße Luft aufgefallen („Reichtum für alle!“, „Reichtum besteuern!“, das sagt schon alles).

  24. 24
    Konsti

    @#729108: Das sagt nicht alles, aber das sagt einiges… nämlich, dass du nicht in der Lage bist, dich mit provokativen Thesen auseinanderzusetzen und zu verklemmt bist, um Politik kontrovers zu diskutieren. Wahlplakate sind bestenfalls Anreize, nicht mehr.

  25. 25

    Wahlplakate sind Anreize, über die Partei, die sie aufhängt, herzlich zu lachen. Immerhin haben sie immer eine bestimmte Aussage, die em potenziellen Wähler irgendwas suggerieren soll. In diesem Fall bestärken sie nur das Bild, das man sich von den lächerlichen Aussagen auf Wahlkampfveranstaltungen bislang machen konnte: Dass die Linke heute nicht mehr weiß, was sie gestern noch geredet hat, und dass es ihr auch so was von wurscht ist.

  26. 26
    Konsti

    @#729112: Die Plakate wurden nicht aus Versehen gedruckt. Die Linke hat dazu Stellung genommen. Von wegen „HAHA“ jetzt haben wir euch erwischt. Diejenigen, die sich über die Plakataktion aufgeregt haben, waren einfach zu vorschnell und haben vergessen, dass nicht alle Parteien blind nach Macht schielen.

    Seriously??? Grüne und CDU? SPD und FDP? WTF? Wie verlogen… jeder will mit jedem, damit er an die Macht kann. Nur mit den Linken geht’s nicht, weil die tatsächlich was anderes wollen.

  27. 27

    Ach, die Linken wollen nicht an die Macht? Das ist gut, dann muss wenigstens niemand darunter leiden, dass ich jedem davon abrate, denen irgendwelche Stimmen zu geben.

    Stellung genommen? Wo? – Noch nicht gesehen. Klingt aber interessant.

  28. 28

    verzeihung, aber ich halte das hier für ganz großen mist und für mindestens so opportunistisch wie die angeprangerten parteien/programme.

    zunächst ist es einfach nicht möglich eine partei als eine einheit nach innen und außen zu sehen. sie entsprechen doch eher netzwerken. dort gibt es flügel und gruppen sowie eine bundesebene und eine landesebene und überall agieren individuen. diese haben sicherlich den gleichen politischen hintergrund, sind aber auch selbstständig denkende wesen – ja wirklich. das beispiel ypsilanti-schröder ist daher nicht wirklich sinnvoll. erstens weil eine zeitliche differenz dazwischen liegt und zweitens weil eben schröder eher dem rechten und ypsilanti eher dem linken flügel der spd zuzurechnen ist.

    cdu und spd haben nun einmal jeweils über eine halbe million mitglieder und jeder glaubt wahrscheinlich auch noch eine eigene meinung haben zu müssen. das ist bei den kleineren parteien keinesfalls anders.

    und das ist auch gut. genauso gut wie karrieremenschen. denn ohne den passenden machtwillen, hat man nun mal in diesem land kaum möglichkeiten zur direkten mitgestaltung in der politik. die von der leyen ist natürlich ein beispiel wie so etwas ausarten kann. aber um diesem verhalten tribut zu zollen gibt es eben wahlen.

    noch ein wort zum opportunismus. ja klar, es gibt sicherlich einige politiker die ihren wählern nach dem mund reden. das ist in einem gewissen maße doch auch gut so, nicht? denn politiker vertreten nun einmal ihre wähler im passenden parlament. und wenn sich einstellungen ihres wählerklientel ändert, dann ist es gut wenn der jeweilige volksvertreter seine eigene meinung hinterfragt. oder soll dies wirklich ein ernsthafter kritikpunkt sein?

    sicherlich läuft in den letzten jahren in den parteien einiges schief, ohne frage. aber ich halte diesen beitrag für viel zu einseitig. und jetzt mal ehrlich: wer ließt schon die kompletten programm aller relevanter parteien?

  29. 29
    Konsti

    @#729116: Die Linke können nicht an die Macht, weil sie alleine keine Mehrheit haben und die anderen Parteien bei wichtigen Fragen anderer Meinung sind, so dass es auf Bundesebene keine Koalitionen mit der Linken geben kann.

    Was du wählst ist deine Sache, ebenso was du anderen rätst :)

    Hier nimmt Gysi zu den Plakaten Stellung: http://bit.ly/18PjL5 (relativ am Anfang)

  30. 30

    @#729116: Im Gegensatz zu Die Piraten haben Die Linken ökonomischen Sachverstand. Da kann man sich von FAZ bis heute noch so sehr aufplustern, die Konzepte sind nicht inhaltsleer. Auch wenn Du gerne Dein Ressentiment hier spazieren führen möchtest.

  31. 31

    @#729118: Es ist ein ernsthafter Kritikpunkt, von einer Partei dauernd was anderes erzählt zu bekommen. Was soll man dann glauben?

    @#729120: Was missfällt dir am ökonomischen Sachverstand der Piraten? Wie definierst du den der Linken? Kommunismuspropaganda zeugt jedenfalls nicht davon.

  32. 32

    @der tux mal wieder.
    ernsthaft ist der kritikpunkt, ohne frage und ohne wiederworte. und es ist sicherlich auch mehr als einmal vorgekommen. und sowas sollte auch durch den wähler ordentlich honoriert werden.
    aber ich bin trotzdem skeptisch bezüglich der behauptung, dass parteien alle zwei wochen genau das gegensätzliche sagen.

  33. 33
    Fabian

    @#729123: Ich will ja nicht die Linke verteidigen. Aber welchen ökonomischen Sachverstand hat denn bitte die „Piratenpartei“?

  34. 34

    @#729125: Bei der Linken ist mir das aber schon wiederholt aufgefallen, das meine ich.

    @#729126: Wo hat die Linke mehr als die Piraten?

  35. 35

    Schöner Artikel.
    Das Problem mit den Parteien ist, dass sie keine Politik mehr machen. Ranciere benennt das, was deren Funktion jetzt ist, ja sehr schön mit dem Wort Polizei.
    Also die simple Aufrechterhaltung der Ordnung ohne Ideen.
    Und folgt man ihm weiter in seinen Überlegungen kann man schlechterdings nur sagen, dass wir warten müssen, bis es noch schlechter wird (da sind wir dann schon wieder beim alten: „Es geht den Leuten einfach noch zu gut“ … )

  36. 36
    Fabian

    @#729127: Wie ich schon andeutete: ich halte vom überwiegenden Teil des angeblichen Sachverstands der Linken nichts. Nur: wo haben die Piraten Ahnung?

  37. 37

    @#729128: Stimmt, Rancière. Da hätte ich auch nochmal reinlesen können vorab.

    Im übrigen tun sich die Piraten nicht gerade durch eine gerade, klare Linie in ihrer Politik aus. Die Aussage, mit wem man koalieren würde, mit „naja, denkbar ist alles“ zu beantworten, das ist schon ganz großer Opportunismus.

    Ich will nicht schon wieder zum Kritiker der Piraten werden, und ich bin froh, dass sie es schaffen, Leute zu politisieren, die sich ansonsten nicht mehr für Politik interessieren. Und dass sich viele das nicht nehmen lassen wollen und wild um sich schlagen, wenn die Piraten tatsächlich Mist bauen, kann ich auch verstehen. Aber weniger opportunistisch sehe ich zumindest die Parteispitze nicht.

  38. 38

    @#729130: Von dem, was sie vertreten, haben sie Ahnung. Die umfassende Weisheit kannst du von keiner Partei erwarten.

  39. 39
    archeophyt

    Die Kritik von Fred ist ja nicht unberechtigt, aber doch ein wenig wohlfeil. Es ist relativ einfach, „den Politikern“ oder „den Parteien“ Opportunismus, Feigheit, Machtgeilheit oder sonstwas vorzuwerfen. Da ist auch immer was dran. Das ist aber nur die eine Seite. Auf der anderen Seite wird ein Politiker, der etwas Unbequemes (oder auch nur Missverständliches) sagt, sofort von den Medien durch den Wolf gedreht und seit es dieses Internet gibt, dreht der Wolf sich noch ein kleines bisschen schneller. Beispiele davon gibt es genug.
    Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass eine Partei, kaum dass sie an der Macht ist, ihre Ideale aufgibt. Auch das stimmt (fast) immer. Wenn es aber schon innerhalb einer Partei unterschiedlichste Strömungen gibt, die in so ziemlich jeder Einzelfrage mit einer unterschiedlichen Antwort kommen, wird das ganze noch ein wenig schwieriger, wenn noch eine weitere Partei (oder sogar noch mehr) dazukommen, in denen wieder andere Strömungen wieder andere Antworten vertreten und vielleicht schon die Frage ganz anders verstehen. Ist man erstmal so weit gekommen, gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: Man stellt sich stur und hofft, dass der andere nachgibt. Oder man tritt in Verhandlungen und muss an manchen Punkten von seinen Positionen abweichen. Das kann einem in der Opposition nicht passieren. Das Parteien und Politiker dabei häufig Positionen räumen, die nicht geräumt werden dürften, ist unbestritten. Aber ohne Kompromissbereitschaft können komplexe gesellschaftliche Aushandlungsprozesse nicht stattfinden.
    Auch nett ist immer wieder der auch hier in den Kommentaren zu findende Denkansatz, dass die Regierung/Politik/Parteispitzen das tun sollen, was die Basis/die Bürger/die Wähler will/wollen. Klingt ja auch erstmal richtig. Manchmal muss die Politik aber auch Avantgarde sein und unpopuläre Entscheidungen durchsetzen. Wäre das nicht so, hätte es Brandts Ostpolitik nicht gegeben und wir müssten bei unserem nächsten Urlaub in Frankreich Geld wechseln, weil es den Euro ebenfalls nicht gäbe.
    Das größte Problem ist aber schlicht und ergreifend, dass die meisten von uns larmoyante Besserwisser sind, die den Arsch nicht hochkriegen, um selbst was zu bewegen, sondern sich stattdessen in den Kommentarspalten von Blogs gegenseitig klarmachen, dass sie die wahren Checker sind. In der Zwischenzeit steigen die Typen, die auf dem Pausenhof nicht mitspielen durften, unaufhaltsam an die Spitze der Republik. Ich nehme mich da auch gar nicht aus, ich will mir die ganzen Nasen auch nicht antun. Aber wahrscheinlich muss ich dann auch damit leben, dass ich von Leuten regiert werde, die dafür vielleicht nicht immer die optimalen Charaktereigenschaften mitbringen.

  40. 40
    peter h aus b

    Tolle Analyse des politischen Status Quo

  41. 41

    @#729123: Wie wäre es, wenn man einfach mal dem Link folgen würde, den ich gepostet habe? Gibt irgendwie mehr her als Dein Vorurteil, welches Du so stolz vor Dir herträgst.

    Edit: Ach ja, ich habe mir die Seite der Piratenpartei schon desöfteren angesehen und auch das eine oder andere Interview mit Spitzenkandidaten gelesen. Aber vielleicht habe ich auch nur was übersehen. Also, einfach her mit dem Link, in dem sich die Piratenpartei wirtschaftspolitisch positioniert.

  42. 42

    Ja, das ist ungefähr mein Problem mit der Politik: Die großen Partien gleichen sich an und ingesamt machen alle eigentlich irgendwie das, wovon sie sich am meisten versprechen, ohne das man das nachvollziehen oder voraussagen kann (Grüne HH, Linke Berlin).

    @Konsti (20): Wozu brauchen die Piraten denn eine Meinung zu Afganistan oder anderem, wenn sie sich — wie die Parteien mit einer Meinung — nicht dran halten würden?

    Fucking shit, gibt’s irgendwelche Lösungsansätze für dieses Disaster??? Volksabstimmungen? Anarchie? Argh!

  43. 43
    de_villaret

    ein ganz neues herrschaftssystem vllt? oder haben wir schon alle durch, die es so gibt?

  44. 44
    jochen

    ich finde es beeindruckend wie du (fred) es geschafft hast in vergleichsweise wenigen saetzen etwas so wahres zu einem so komplizierten thema zu schreiben und wie das genau mein gefuehl widerspiegelt ohne dass ich mein gefuehl vorher annaehernd haette so beschreiben koennen. großartig!

  45. 45

    Schwierig. Ich würde den etablierten Parteien nicht in erster Linie Opportunismus vorwerfen wollen. Anpassung an den Wählerwillen ist ja in einer Demokratie per se nichts schlechtes; die Grenzen zum Opportunismus sind nun leider fließend. Wenn man die eigenen Ideale dann unterordnet, klar, das ist zum brechen.

    Das schlimme ist ja, wenn man nicht nach den Wertvorstellungen handelt, die man nach außen vertritt. Um beim von der Leyen-Beispiel zu bleiben: Ich wäre ihr größter Anhänger, wenn sie tatsächlich etwas gegen Kindesmissbrauch getan hätte. Aber dieses so-tun-als-ob ist eben das Verwerfliche.

    Und bei aller Kritik an Parteien: Diese Beliebigkeit verfängt ja offensichtlich. Es ist nicht zuletzt auch ein gesellschaftliches Problem, dass eine nicht geringe Bevölkerungsschicht solche offenkundige Wendehälsigkeit noch mit ihren Stimmen honoriert.

  46. 46
    slowcar

    ich bin der meinung das ein gewählter politiker zu allererst seine wähler vertreten sollte.
    konsens- und kompromissfähigkeit ist wichtig, muss aber nicht in mehreren iterationen stattfinden. wenn abgeordnete ohne fraktionszwang agieren könnten wären einigungen manchmal sicher komplizierter, dafür transparenter und ehrlicher.

    @tschill(19)
    wenn die genannte oma v. guttenberg wählen könnte wäre das doch auch legitim. die cdu zu wählen weil v. guttenberg gut aussieht ist auch legitim, die demokratie baut darauf das sich solche stimmen ausgleichen. parteien nach vage gefühlten heilsversprechen zu wählen ist keineswegs besser.

    die piraten bieten zu vielen wichtigen positionen keinen klaren standpunkt, vollkommen richtig. dafür bieten sie glaubwürdigkeit bei den punkten die sie vertreten und stehen für ein neues, demokratischeres system.
    dazu gibt es eine klare übereinstimmung (mit meinen ansichten) bei den vertretenen punkten – die haben andere parteien eben nicht.

  47. 47

    @#729142: „Auf der anderen Seite wird ein Politiker, der etwas Unbequemes (oder auch nur Missverständliches) sagt, sofort von den Medien durch den Wolf gedreht und seit es dieses Internet gibt, dreht der Wolf sich noch ein kleines bisschen schneller. Beispiele davon gibt es genug.“
    Ich habe dennoch das Gefühl, dass sich das Volk nach sowas sehnt. Meiner Meinung nach sind „harte“ Aussagen, für die derjenige dann Medienschelte kriegt, trotzdem oft beim Volk sehr populär. Beispiel Fremdarbeiter-Oskar. Ich denke, dass dessen „markige“ Sprüche, trotz der Vorwürfe der Fremdenfeindlichkeit, die sich Lafontaine später anhören musste ihm weit mehr genutzt als geschadet haben.
    Der Tabubruch aus politischem Kalkül wird in den nächsten Jahren vielleicht wichtiger werden, wenn Politiker wieder darum kämpfen „ein eigenes Profil“ zu haben.

  48. 48
    TATsache

    Es liegt an uns eine Entscheidung zu treffen. Wenn eine Mehrheit eine bestimmte Partei wählt , dann müssen wir diesen Sieg akzeptieren. Es liegt an uns Menschen zu informieren und zu mobilisieren, nur so können wir Veränderungen schaffen. Wir sollten den Eifer anderer nicht verurteilen, denn dieses wäre auch für uns wünschenswert, mit unseren Wertevorstellungen als Ziel. Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg… http://loom.tv/channel.php?c=19242

  49. 49
    Frédéric Valin

    @#729142: Hm. Stichwort Parteigehorsam: es sind doch häufig die Partei, die an der Macht sind, die keine Abweichler in den eigenen Reihen dulden. Schröders Vertrauensfrage, der Rauswurf Ströbeles aus den Listen, Münteferings Drohungen 2001 zum Mazedonienkrieg und 2003 zur Gesundheitsreform, alle Abweichler aus den Listen zu kicken. Das sind Leute, die unbequeme Sachen gesagt haben und deswegen parteiintern kaltgestellt werden sollten.

  50. 50

    Der Artikel impliziert ja, dass innerhalb der Parteien nur darum gestritten würde, was bei der Mehrheit der Wähler besser ankommt – da hab ich allerdings ganz andere Erfahrungen.

    Außerdem müssten dann doch alle Parteien exakt die gleichen Forderungen haben – oder haben sie nur unterschiedliche Vorstellungen davon, was die Mehrheit will, können also unterschiedlich gut prognostizieren?

    Spätestens nach der Wahl müssten ja dann (bis auf die führende Partei) alle ihren Kurs ändern, weil ihre Prognose offenbar falsch war.

    Sorry, für mich leider nicht gerade einer der guten Spreeblick-Artikel.

    Ansonsten kann ich nur sagen: Einmischen! Die eigenen Überzeugungen in die Parteien tragen. Mitmachen!

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    zeilenfeind

    @Konsti:

    Was interessiert in der Politik eine Meinung ohne Handlung?
    Die Partei- und Wahlprogramme sind voll von Meinungen und Absichtserklärungen. Das Programm der FPD liest sich wie der Traum jedes (digitalen) Bürgerrechtlers.
    Nehme ich dieses Programm, bräuchte es im Grunde keine Piraten mehr.

    Allein, es ist Verhandlungsmasse. Auch die FPD nur einige wenige Kernthemen und im Zweifel gilt „Tausche Bürgerrecht gegen Partikularinteresse der FPD-Wähler“.
    Bei den Grünen ist es ähnlich. Dort waren Bürgerrechte seit den Anfängen immer ein wichtiges Thema aber Gender, Umwelt und Atomausstieg eben noch mehr. Hier gilt dann „Tausche Biblis gegen Otto-Katalog“.

    Die Piraten handeln also nicht fahrlässig, weil sie keine Meinung zu diesen Thema abseits ihrer Kernthemen haben, sondern weil sie keine Verhandlungsmasse aufbauen damit sie bei einer eventuellen Beteiligung sagen können „Tausche Bürgerrechte gegen sofortigen Afghanistan-Abzug“.
    Das Problem ist nicht, dass sie eine Themenpartei sind, das Problem ist, dass sie es ehrlich zugeben.

    Politik ist Kompromiss und die kann nur schließen, wer eine abweichende Position hat. Habe ich keine abweichende Position schenke ich Thema A meinem Koalitionspartner. Dieser allerdings wird bei meinen Kernthemen eine Position haben und daher dort auf einen Kompromiss drängen und mit Recht sagen, „Ja und, du hattest doch bei Thema A gar keinen Gegenvorschlag“. Daher funktioniert der Anstatz „Wir überlassen euch den Rest, wenn ihr uns die uns wichtigen Themen gestalten lasst“ leider nicht. Obwohl das natürlich edel und gut wäre, denn dann fühlten sich die Wähler nicht laufend veräppelt.

    Denn genau dieses politische (Ver)Handeln führt dazu, dass viele Wähler sich frustiert von ihren Parteien abwenden, da sie sehen wie schnell Positionen aufgegeben werden.

  52. 52
    Frédéric Valin

    @#729196: CDU und SPD stimmenbis auf marginale Unterschiede in den meisten Themen überein. Mindestlohn und Atomausstieg sind die einzigen Reizthemen.

    FDP, Grüne und Linke sind Klientel-Parteien. Trotzdem sind die Übereinstimmungen in bestimmten Punkten mehr als überraschend: das Wirtschaftsprogramm der Grünen unterscheidet sich nur marginal von dem der FDP, z.B. sobald sie in Machtpositionen sind, ist die Politik kaum mehr einer Partei zuordbar: Salomon in Freiburg macht erzschwarze Politik, die Linke im Osten ist eine Form netterer Sozialdemokratie.

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    @#729205: Zeig mir mal die großen Übereinstimmungen in den Wirtschaftskapiteln der Programme von FDP und Grünen.
    Stichworte: Green New Deal, Steuersenkungen, Mindestlohn, Kündigungsschutz,…

    Abgesehen davon – wenn es so wäre, wie du schreibst: Müssten dann nicht die Wirtschaftskapitel aller Parteien übereinstimmen? Genau wie die zu anderen Themen, z.B. zu Bürgerrechten oder Umweltschutz?

    Tun sie aber nicht.

    Wobei es bei den Volksparteien durchaus Tendenzen in die Richtung gibt, die du beschreibst. Aber: 1. Tendenzen, 2. Volksparteien – nicht alle.

    Übrigens, unter rot-grün (Machtposition) wurde sehr viel Grünes umgesetzt: Atomausstieg, Homo-Ehe, Erneuerbare-Energien-Gesetz, Ökosteuer,… Stand vorher auch im Programm.

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    Konsti

    @#729205: „die Linke im Osten ist eine Form netterer Sozialdemokratie.“

    Ja. Das bestreitet keiner. Nur bestreite ich, dass wir in der BRD auch noch andere Sozialdemokraten hätten. Insofern ist die Linke eben doch die einzige Oppositionspartei.

  55. 55

    Warum beklagen wir uns in unserer Rolle als Wähler über die so schrecklich opportunistischen Parteien und deren Vertreter?

    Solange wir uns selbst so dumm geben, als könnten wir ein Parlament und damit indirekt auch „unsere“ Regierung bestimmen, die uns wie der Weihnachtsmann unsere Wünsche erfüllt: Arbeitnehmerschutz erhalten, Opel retten (Klingt schon nach Autoheiland), Anreize Umweltschutz setzen, Finanzkrise lösen, Gesundheitssystem für alle, Mindestlöhne, gerechtes Steuersystem, mehr Rente und und und.

    Die aufgezählten Punkte sind beispielhaft und daher unvollständig aber je nach Blickwinkel und manchmal auch objektiv berechtigt.

    Wenn wir uns selbst jedoch als dumpfbatzige Wähler verhalten, die so tun als hätte da jemand ein Füllhorn, dass er ausschütten könnte über uns, oder als könnte jeder seine gruppenspezifischen Interessen meistbietend an die Parteien und ihre Vertreter für seine Stimme verkaufen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir opportunistische Parteien und Politiker generieren, die uns für genau so dumm verkaufen, wie wir uns verhalten.

    Wir lassen uns auf diese Art und Weise leicht gegeneinander ausspielen: Junge gegen Alte, Arbeitslose gegen Arbeitende, Gesunde gegen Kranke, …
    Wir leben in prekären Zeiten sowohl wirtschaftlich, sozial und auch ökologisch. Grundrechte werden eingeschränkt. Wo sind die politischen Bewegungen aus den 70-ern und 80-ern des letzten Jahrunderts, aus Zeiten in denen es den Meisten bei uns (zumindest in der BRD) noch gut ging. Wir haben damals mehr und härter gestritten, wir hatten mehr Blick über den Tellerrand, wir haben uns mehr eingemischt.
    Warum sind wir so viele Sesselfurzer geworden?

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    Warum beklagen wir uns in unserer Rolle als Wähler über die so schrecklich opportunistischen Parteien und deren Vertreter?

    Solange wir uns selbst so dumm geben, als könnten wir ein Parlament und damit indirekt auch „unsere“ Regierung bestimmen, die uns wie der Weihnachtsmann unsere Wünsche erfüllt: Arbeitnehmerschutz erhalten, Opel retten (Klingt schon nach Autoheiland), Anreize Umweltschutz setzen, Finanzkrise lösen, Gesundheitssystem für alle, Mindestlöhne, gerechtes Steuersystem, mehr Rente und und und.

    Die aufgezählten Punkte sind beispielhaft und daher unvollständig aber je nach Blickwinkel und manchmal auch objektiv berechtigt.

    Wenn wir uns selbst jedoch als dumpfbatzige Wähler verhalten, die so tun als hätte da jemand ein Füllhorn, dass er ausschütten könnte über uns, oder als könnte jeder seine gruppenspezifischen Interessen meistbietend an die Parteien und ihre Vertreter für seine Stimme verkaufen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir opportunistische Parteien und Politiker generieren, die uns für genau so dumm verkaufen, wie wir uns verhalten.

    Wir lassen uns auf diese Art und Weise leicht gegeneinander ausspielen: Junge gegen Alte, Arbeitslose gegen Arbeitende, Gesunde gegen Kranke, …
    Wir leben in prekären Zeiten sowohl wirtschaftlich, sozial und auch ökologisch. Grundrechte werden eingeschränkt. Wo sind die politischen Bewegungen aus den 70-ern und 80-ern des letzten Jahrunderts, aus Zeiten in denen es den Meisten bei uns (zumindest in der BRD) noch gut ging. Wir haben damals mehr und härter gestritten, wir hatten mehr Blick über den Tellerrand, wir haben uns mehr eingemischt.
    Warum sind wir so viele Sesselfurzer und so beliebig geworden?

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    dr. stiller

    @#729259: Ich beobachte zunehmend, das „der Bürger“ gegenüber „den Parteien“/“der Politk“ einen Dienstleistungsanspruch entwickelt. Als wenn Parlamente Behörden wären.
    Da wird alles munter durcheinandergewirbelt: Finanzamt, Fraktion, Parteitagsbeschluss, Gesetz, Ordnungsamt, Abgeordneter etc.

    Die wenigsten wissen, in welchem langen Prozess in der Kommune, im Land, im Bund, in Europa politische Meinung in Gesetze/Verordnungen umgesetzt werden.
    „Das mit der Zweitstimme“ muss bei jeder Wahl wieder neu erklärt werden, sich für eine Partei mit einem Infostand auf die Straße stellen bedeutet Nachhilfestunden in Staatskunde und Bürgerrechtsunterricht geben.

    Das Erschreckende: wie viele ein „durchregieren“ befürworten, wie viele meinen, für dieses und jenes Problem gäbe es nur eine glasklare Lösung, nämlich ihre.
    Kompromiss wird als Schwäche gesehen, andere Meinungen nicht als politische Einstellung sondern als Dummheit abgetan.

    Irgendwo in den Köpfen liegt eine Schwelle, ab der man zur Kaste der Unberührbaren, „der Politiker“ gehört. Da ist nicht der Gedulds- sondern ein Verständnisfaden gerissen. Aber da wird auch vom „Volk“ kräftig gerupft. Wieso sollten eigentlich Parteien besser sein als ihre Wähler? Sie können jedenfalls nicht gleichzeitig basisdemokratisch UND meinungsführend sein.
    Vielleicht hilft, wie oft, ein Blick ins GG: Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit. Man sollte sie damit nicht so alleine lassen.

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    Habe lange über diesen Artikel und einige andere Dinge, die im Zusammenhang mit der Bundestagswahl stehen, nachgedacht und hatte ein eher mulmiges Gefühl. Parteien als Unternehmen. Eine mögliche verfassungswidrige Regierungsmehrheit. Die Ausschließeritis, die irgendwann in eine Ypsilantitis umschlagen könnte. Habe meine Gedanken dann mal geordnet und aufgeschrieben. Ich erlaube mir den Link hier zu posten:

    http://www.senfpresse.de/?p=121

  60. 60

    politik hat nur ein ziel: macht. wer das akzeptiert versteht. in der wirtschaft geht es ja auch vornehmlich nicht darum, das fell von babykätzchen glänzen zu lassen, sondern um zahlung/nicht zahlung, sprich geld verdienen.

    systeme, codes, niklas luhmann.