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Slow Revolution

Dies ist eine politische Skulptur.
Sie visualisiert die Dauer, die ein gesellschaftlicher Impuls braucht, bis er am (entscheidenden) politischen Ende eine minimale Bewegung hervorruft.
Im Falle von Jan Vormanns Slow Revolution dauert es eineinhalb Jahre, ehe die 5700 U/min des ersten Rädchens das letzte zu 0.0000003 U/min bewegen kann.
Die Unerträglichkeit des Anblicks wird nur noch durch die des Gedankens dahinter übertroffen!

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29 Kommentare

  1. 01
    Jan(TM)

    Die 5700 U/min des Motors. In der Zeit gibts ja gerade eine Serie über die Adenauer Ära, da hat der Motor auch 1945 angefangen zu drehen und die Veränderungen kammen ganz langsam, aber stetig. In der DDR schien auch alles still zu stehen und dann wurde man mit 0.0000003 U/min förmlich überrollt, bei Kohl stand dann wieder alles still …

  2. 02
    Markus

    > The Revolution of the last cogwheel takes one and a half years.

    Sprich: Nicht „das letzte zu 0.0000003 U/min bewegen kann“, sondern „das letzte zu einer ganzen Umdrehung bewegen kann“.

  3. 03

    @#729045: Ausgezeichnet!

  4. 04

    Aus irgendeinem Grund würde ich den Motor sehr gerne mal am letzten Rad angeschlossen sehen…

  5. 05

    Wer das mal in echt sehen möchte, sollte mal ins Phaeno nach Wolfsburg fahren und sich das Ding anschauen ;) Echt faszinierend.

  6. 06

    Genial! Und genial auch, dass Tanja endlich mal wieder was schreibt :D

    @#729049: Ich auch. Wahrscheinlich dreht die Welt sich dann falsch herum.

  7. 07

    Geniales Teil. Wobei der Gedanke dahinter wirklich unerträglich ist.

  8. 08
    Bege

    sehr schön! Auch das Bild, dass alle wie ein Zahnrad ins andere ineinandergreifen sollen, damit was auch immer läuft wird so schön kritisiert: Die Metapher vergisst die Übersetzung ;-)

  9. 09
    DSB

    Hm, ich finde den Gedanken keineswegs unerträglich – in einer Gesellschaft von 80 Mio. wäre es doch eine ziemliche Hybris zu glauben, nur weil mich etwas stört, müsse sich gleich alles ändern. Das System ist nun einmal hochgradig komplex und Änderungen dauern nun einmal, wenn sie demokratisch abgestimmt werden müssen. Das Schöne ist doch eigentlich, DASS sich – wenn auch langsam – Dinge tatsächlich ändern lassen. Und wenn ich mir anschaue, wie sich Deutschland allein gesellschaftspolitisch in den letzten 40 Jahren verändert hat, dann habe ich den Eindruck, dass sich das große Rad bisweilen deutlich schneller dreht, als man glaubt. Schneller jedenfalls, als in nicht-demokratischen Systemen, wo die „kleinen“ Rädchen vollkommen entkoppelt sind und überhaupt keine Wirkung haben, drehten sie sich auch noch so schnell.

  10. 10

    in deutlich größer gibt es die idee auch noch mal im heinz nixdorf museum in paderborn (das auch sonst uneingeschränkt zu empfehlen ist). allerdings mit größeren zahnrädern, und ner höheren potenz, so dass sich da das letzte rad in 1000 jahren nicht drehen wird.

  11. 11
    Sosse

    eelbaker…ich wollte, du Euter.
    btw: im heinz nixdorf museum ist das letzte Zahnrad an einem Granitklotz befestigt.

  12. 12
    Florian

    Das erinnert mich stark an den Bericht auf SPON über ein 639 Jahre dauerndes Orgelstück ( http://km42.spiegel.de/home/index.php?directid=4189 ).

    Ob es nun Zahnräder sind, oder Orgelstücke, beide zeigen auf, dass Zeit relativ ist und es in der momentan überall herrschenden Hektik auch Dinge gibt die dazu anregen mal innezuhalten, nachzudenken und Ruhe zu finden.

    Man muss sich ja nicht immer mit der Geschwindigkeit des ersten Zahnrads bewegen…

  13. 13
    Kathleen

    „Slow Revolution“ ist gerade auch in Berlin zu besichtigen, im Alten Museum in der auch ansonsten sehenswerten Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ (über das Humboldt-Forum). Tatsächlich ein faszinierendes Gebilde, dass sich zum Philosophieren auch über das Politische hinaus eignet.

  14. 14
    Cptz

    Mal ein wenig Pi mal Daumen gerechnet (bestimmt falsch, aber die Größenordnungen sollten stimmen…)

    Wenn das letzte Rad 1,5 a, also ca. 788.400 min für eine Umdrehung braucht, hat sich das erste Rädchen mit dem Motor also 4.493.880.000 mal um sich selbst gedreht.

    Wenn ich jetzt den Motor „einfach“ am letzten Rädchen anbaue (das ganze Ding geht vorher kaputt und/oder fliegt einem um die Ohren, am ehesten schmort wohl einfach der Motor durch, aber egal), sich also dieses Rädchen mit 5700 min^-1 dreht, müsste sich das erste Rädchen in unserem idealen Modell mit 25.615.116.000.000 min^-1 drehen (25,6 Billionen).

    Mal angenommen so ein Zahnrad hat einen Durchmesser von 4 cm, so bewegt sich ein einzelner Zahn am äußeren Ende mit einer Geschwindigkeit von 1.931.334.246.000 km/h, also der 1.789,51-fachen Vakuumlichtgeschwindigkeit.

    Das wäre übrigend ungefähr Warp 9,4

    …. make it so!

  15. 15
    peter h aus b

    Ganz schön. Sehr schön sogar.

  16. 16

    naja, wenn das universum tatsächlich so mechanistisch wie ein uhrwerk funktioniert, dann hat das beispiel an der skulptur möglicherweise auch seine berechtigung.
    neue, revolutionäre „fakten“ aus der welt der wissenschaften brauchen auch ihre zeit, bis sie vom zeitgeist der vorherrschenden elite akzeptiert werden (also diese bereit ist, ihre bisherige meinung zum teufel zu jagen).
    die mechanistische vorstellung vom universum ist allerdings einige hundert jahre alt.
    wenn man berücksichtigt, welche faktoren von der zeitgenössischen physik mittlerweile als einflussfaktoren auf zu beschreibende und sich verändernde systeme zugelassen sind (einschließlich des einflusses, den der beobachter selbst durch bloßes beobachten des systems ausübt), dann kann das ding mit impuls und den daraus resultierenden veränderungen GANZ anders ausschaun.
    mal von der tatsache abgesehn, wie „absurd“ es erscheint, einen „gesellschaftlichen impuls“ als linear funktionierendes gebilde darstellen zu wollen, wo EIN zahnrad EIN folgendes zahnrad bewegt.
    der impuls zur revolution funktioniert da wahrscheinlich anders. und mechanisch is da wahrscheinlich garnix.
    die tatsache, das sich gesellschaftlich die dinge so laaaangsaaahhhm bewegen und verändern, liegt wohl an der tatsache, wie äffisch, also mechanistisch die meisten mitglieder des menschengeschlechts funktionieren.
    und wie lange so großer wert darauf gelegte wurde, das dieses tunlichst auch so bleibt.
    der chemisch induzierte 60er freakout sei nur erwähnt, um deutlich zu machen, wie schnell manchmal verkrustete systeme aufgebrochen werden können. und dieser war noch nicht mal wirklich organisiert.. tatsächlich waren sich die menschen nicht wirklich im klaren darüber, was dieser eine zuckerwürfel vor der party an explosionen im äffischen konditionierungsgerüst auslösen konnte.
    wenn wir nun revue passieren lassen, wie technoparties, nintendo und das internet in den letzten 20 jahren an uns und unserem bewußtsein herumgewerkelt haben, dann darf man durchaus höchst gespannt drauf sein, was an (r-)evolutionären kollektiven veränderungen uns theothetisch bevorstehn.
    solange der impuls stimmt.
    und er zur richtigen zeit am richtigen zahnwerk ausgelöst wird.
    und alle so yeaahh stöhnen, weil sie intuitiv ahnen, was einstein im sommernachtstraum verloren hat. und wer der mann hinterm vorhang ist.

  17. 17
    joergo

    eine noch schönere variante dieser idee gibt es von arthur ganson:

    Each worm/worm gear pair reduces the speed of the motor by 1/50th. Since there are 12 pairs of gears, the final speed reduction is calculated by (1/50)12. The implications are quite large. With the motor turning around 200 revolutions per minute, it will take well over two trillion years before the final gear makes but one turn. Given the truth of this situation, it is possible to do anything at all with the final gear, even embed it in concrete.

    http://www.youtube.com/watch?v=5q-BH-tvxEg

  18. 18

    @#729092: Kann mir bitte mal einer erklären, warum das nicht geht. Ich glaube nämlich noch, dass das ginge!

  19. 19
    Alfred

    @ Cptz:
    rotfl !!! Ich hab da auch noch etwas nachgerechnet. (ich hoffe ich hab richtig gerechnet.) Dein letztes Zahnrad hat dann eine Belastung von
    14 390 632 599 430 511 250 000 000 g.
    das heißt, wenn ein Zahn ein Gramm wiegt, hat er ein scheinbares Gewicht von fast 1,5 Trilliarden Tonnen.

    mfg

    P.S. Wenn du die Maschine gebaut hast, vergiss nicht die Quantenphysiker aus Genf einzuladen! Die staunen bestimmt nicht schlecht, wenn das Ding im Subraum verschwindet.

  20. 20

    Fupp! Und alle so „¦

  21. 21
    Max Krause

    Es tut weh, sich das Ding in echt vorzustellen. Und noch mehr es sich als Symbol für gesellschaftliche Veränderungen zu denken. Genial!

  22. 22

    Da gibt es aber noch mehr Sinnbilder dahinter als nur die Zeitdauer. Wäre das Getriebe stabil genug, so hätte das letzte Zahnrad eine sehr große Kraft (oder Macht, „Power“).

  23. 23
    Frogster

    @#729049: Geil, dann bewegt sich das erste Rad mit Lichtgeschwindigkeit. Das ist überhaupt die Lösung. ;)

  24. 24
    Sam

    Das gibts noch in viel besser in Wien im Technikmuseum. Da ist das letzte Zahnrad einbetoniert.

  25. 25
    Peter

    @#729049: Es ist wie im echten Leben: Würde der Motor weiter vorne angeschlossen, hätte er nicht genügend Kraft, überhaupt etwas zu bewegen. Erst diese enorme verlangsamung gibt dem einzelnen, schwachen Motor genug Kraft, am Ende *sehr* viel Kraft auszuüben – dauert halt nur etwas länger..

  26. 26

    @Alex:
    Im Wolfsburger Phaeno gibt es auch so etwas, ja. Sitze quasi direkt an der Quelle.

    @Sam:
    Um das Ganze ist ein Plexiglaskasten gebaut und das letzte Zahnrad befindet sich einbetoniert außerhalb des Kastens (wahrscheinlich aus Sorge der Finger). Wenn man die Hand auf den Klotz legt, spürt man die Vibrationen.
    Fragt sich nun, ob er die Bewegung „žabsorbiert“. Das scheint mir aber zu abstrakt.

    Hier drei Bilder aus dem Phaeno:
    http://www.flickr.com/photos/viewsfromaglassprison/2240544338/
    http://gruppen.tu-bs.de/schulen/elan/HTML/Aktuelles/Phaeno/Phaeno.htm