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Relevanz-Tanz [Update]

Wenn man sehr, sehr gelangweilt ist, kann man sich einen Dartpfeil auf den Fuß fallen lassen, um zu testen, ob er steckenbleibt, oder Löschdiskussionen bei der Wikipedia verfolgen. Beides kann schmerzhaft sein, aber das mit dem Dartpfeil macht mehr Spaß.

Um die Relevanz eines Themas geht es in diesen Diskussionen, um die Frage, ob eine Person, ein Unternehmen, ein Begriff überhaupt Erwähnung finden sollte in der freien Enzyklopädie. Aktuell hat (unter vielen anderen) den Verein MissbrauchsOpfer Gegen InternetSperren (MOGiS) eine Löschdebatte erwischt. MOGiS hat sich durch seinen Vorstand Christian Bahls unter anderem mit einer von ihm beauftragten Studie einen Namen im Kampf gegen Internetsperren gemacht — einige Wikipedianer finden das irrelevant, andere nicht.

Über die Relevanzkriterien, über Inkludisten und Exkludisten und über die Zukunft der deutschen Wikipedia hat sich pavel lesenwerte Gedanken gemacht:

Man könnte glatt den Eindruck bekommen, dass die Wikipedia von pensionierten Beamten übernommen wurde. Vielleicht steckt aber auch in vielen Deutschen, die das hiesige Bildungssystem durchlaufen haben und von Beamten ausgebildet wurden, im Kern ein preussischer Beamter.

Der ganze Text:
99% aller Deutschen sind irrelevant

[via]

Update Fefe berichtet von der Löschung des Zensursula-Artikels.

22 Kommentare

  1. 01

    Es hat schon seine Gründe, wieso ich lieber auf der englischen Wikipedia meine Zeit verbringe, obwohl ich Deutscher bin…die deutsche Wikipedia hat sich zu einem Verein von elitären Benutzern entwickelt, die das Ziel, eine Enzyklopädie zu schreiben, die die Summe des menschlichen Wissens wiedergibt, schon lange aus den Augen verloren hat. Ein anderes Beispiel wären auch fiktive Personen: Die englische Wikipedia hat z.T. ellenlange und ausgezeichnete Artikel über wichtige Figuren, die in der deutschen Wikipedia unerwünscht wären. Nicht, weil es nicht tausende von Quellen gäbe, sondern weil man dort beschlossen hat, dass es sowas nicht geben soll. Ein sturer Verein leider :-/

  2. 02

    Relevanz ist klar definiert. Keine Relevanznachweise – keine Relevanz.

    Würde es anders gehandhabt, würden wieder die Leute kommen: „In der de.WP sind lauter Müllartikel!“

    Wie denn nun?

  3. 03

    hmm, es sind alles andere als müll-artikel, wegen denen ich die englischsprachige wikipedia so schätze, bei den deutschen relevanzwarten aber keine gnade finden würden.

  4. 04
    Wedge Faraway

    @#734278: Ich zweifle an dem Umstand, dass Sie den entsprechenden Artikel in seiner Gänze zusammen mit den gesetzten Beispielen in Hypertextlinks gelesen haben, da Ich mir, sollte Ich mich in meinem Zweifel irren, nicht erklären kann, wie man nach der Lektüre dieses Artikels den Standpunkt vertreten kann, dass die deutsche Wikipedia relevanzbezogen einen status quo nach außen vertreten würde.

    So wie es im Moment getan wird führt dies anscheinend zu einer interessanten, wenn auch fraktalen Zukunft digitaler Enzyklopädien, deren direkter informationsvermittelnder Anspruch auf einem Niveau geführt wird, der stark an das Format eines Fernsehsenders erinnern kann: Informationen so zu filtern und zeitgleich aufzubereiten, dass sowohl jedweder des Lesens mächtiger Konsument Wikipedias Angebots diese Informationen verstehen kann, dabei aber außer acht lassend, dass gewisse Informationen auf einem Niveau erst verständlich werden, welches einen spezifischen Hintergrund nötig werden lässt, wird wohl zu etwas führen, dass man als Mikrowikis ansehen kann – Spartensender sozusagen, die außer einer bestimmten Thematik nichst anderes vermitteln und alle anderen, themenfremden Inhalte herausfallen lassen werden (müssen), um eine Detailfülle gewährleisten zu können, die einer Enzyklopädie in einer Zeit totaler Relevanz des Einzelnen (man vergleiche hier nur mit der Werbung, wie auch mit Wahlkampagnen; weitere Beispiele lassen sich schnell finden, auch wenn diese Ausrichtung auf die Zielgruppe Mensch nicht jedem schmecken will) gerecht werden könnte.

    Ich stelle die Frage danach in den Raum, ob es de facto relevant sein kann, was einzelne Interessensgruppen, welche nicht über maßgebliche Vorbildung zu einem Themengebiet verfügen, zu diesem oder jenem „meinen“.
    Weiter stelle Ich die Frage danach wie es sein kann, dass man als erwachsener und unter Umständen auch mündiger Mensch annehmen kann, dass jemand, der sich gegenüber einem selbst in einer Art Machtposition oder einer Position der Stärke und des längeren Hebels, als eine Person wahrgenommen wird, der diese Position mit Fug und Recht zugesprochen worden ist, anstatt dem Prinzip „zur rechten Zeit am rechten Ort“ zumindest ein oder zwei Gedanken zu opfern.

    Wo man in wissenschaftlichen Kreisen diese Probleme in dieser Form schlichtweg nicht kennt, kann man hier als Mensch etwas vermuten, das man bereits bei den Werken der großen Religionen dieser Welt vermuten möchte: nicht die Beteiligten, die Heilsstifter, die Relevanten entscheiden über den Inhalt, sondern der Longtail; der Longtail, der nicht da war, nichts gesehen hat, nichts versteht und am Liebsten sich selbst nach dem Mund redet, seine Meinung mit Objektivität verwechselnd und dadurch andeutend, dass ein Mensch zu dieser überhaupt in der Lage ist und dann obendrein auch noch ausgerechnet er.

    Ich lobe mir die Nachfahren der Portalsektionen Wikipedias, welche sich damals nur mit einem Themengebiet befasst haben; anders als die Portale verfügen diese Nachfahren inhaltlich wie auch von der Belegschaft her betrachtet über die nötige Detailverliebtheit, um sich der Frage nach der Relevanz kein einziges Mal stellen zu müssen.

    Spartenfernsehen vs RTL und ProSieben eben.
    Um noch einen draufzulegen: dcptv gegen alle.

  5. 05

    @#734288: Eben. Nehmen wir nur so als Beispiel http://en.wikipedia.org/wiki/The_Stolen_Earth, weil mir Doctor Who am Herzen liegt. Auf der englischen Wikipedia ist das ein ausgezeichneter Artikel, mit über 100 Fußnoten und Quellen. Auf der deutschen Wikipedia ist so ein Artikel per Definition schon unerwünscht, egal ob relevant oder nicht. Wenn das nicht Sturheit ist, weiß ich nicht, was es ist…

  6. 06
    Xeph

    Um es kurz zu sagen: Auch wenn ich gegen übermäßiges Löschen bei Grenzbereich-Artikeln wie in dem Fall MOGIS bin, müssen verschiedene Sachen bedacht werden. Das Dilemma und die Diskussionen sind innerhalb der Wikipedia alltäglich, dessen sollte man sich bewusst sein.

    „Relevanzgrenzen“ müssen gezogen werden. Die Wikipedia macht aus, dass nicht einfach alle sinnlose Information dort steht.
    Die Beispiele zur englischen Wikipedia, die gebracht worden sind, bedenken eins nicht: Die Texte dort taugen etwas! Schon bei Einstellung. Wird in der deutschen – wie englischen – Wikipedia ein kleiner Textstummel eingestellt, so wird der gelöscht. Aus gutem Grund: Das Neuschreiben von Artikeln fällt leichter, als einen Fetzen irgendwie zu erweitern.

    Die „Relevanzgrenzen“ sollten davon abgesehen einerseits ein wenig anders aussehen und andererseits nicht als bürokratische Keule gebraucht werden. Das ist leider so, es gibt ohne Ende Trolle und Leute, die diese Bürokratie ausnutzen.

    Wikipedia ist kein Werkzeug der Netzkultur! Auch wenn ich mich einerseits der Netzkultur verbunden fühle, und zudem einen Hang sehe, besonders in diesem Bereich gerne mal mit der Bürokratie-Keule zu kommen, sollte bedacht werden, dass zwar vielleicht viele Autoren zur Netzkultur gehören, aber nicht die Wikipedia selbst. Der Inhalt der Wikipedia sollte nicht Netzkultur-fixiert sein. Es muss nicht jeder Furz von $blogger rein, auch wenn es die Autoren bewegen mag.

  7. 07

    Bitte: fast alles was Fefe in dieser Sache „berichtet“, ist falsch oder grob verzerrt.

    Der „Artikel“ Zensursula war in Wahrheit nur einen Redirect, der auch – wie es völlig alltäglich ist – wieder hergestellt wurde. Es gab auch bis gestern keinen eigenständigen Artikel zum AK Zensur – jemand hat einen funktionierenden Redirect gelöscht und „Siehe Diskussionsseite“ dahin gesetzt.

    Das alles ist einfachst nachvollziehbar und überprüfbar. Einige Leute sind aber derzeit nicht an Fakten interessiert – man sucht nur nach Gründen sich aufzuregen.

  8. 08

    @#734390: Das stimmt so nicht. Mein FA-Beispiel oben z.B. sah anfangs so aus: http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=The_Stolen_Earth&oldid=218844265 und wurde dennoch nicht gelöscht. En-wiki hat viel striktere Regeln was Löschung angeht und bevorzugt Verbesserung gegenüber Löschung. Und außerdem hat de-wiki halt viel striktere Relevanzkriterien, wie das o.g. „fiktive Dinge“ Beispiel zeigt, die einfach dazu führen, dass viele Sachen von gewisser Relevanz rausfliegen (als en-wiki Benutzer würde ich sagen, de-wiki wird von „deletionists“ regiert).

  9. 09

    hach, rose tyler…

    das ist so ein beispiel. ich selbst hatte die artikel zu einzelnen simpsons-episoden im hinterkopf, einer serie, die fest in der popkultur verankert ist, und die gespickt wurde mit anspielungen. die über den rahmen einer folge hinaus aufzuzählen schlicht jeden rahmen sprengen würde. oder einen artikel zu einer babylon 5- folge, bei der ich mehr über die hintergründe des dargestellten erfahren wollte und über die reaktionen, die es möglicherweise in der echten welt hervorrief.*

    aber auch außerhalb des fiktiven gibt es nicht zwingend irrelevante themen, die dennoch keinen platz hätten. einzelne veröffentlichungen von musikern zum beispiel.

    das ist sicher nichts für die klassische totholzenzyklopädie, aber wikipedia ist eben kein totholz.

    (*nun, der konkrete artikel ist leider ein stub, aber die s.e.h.r. ausführlichen artikel zu den beteiligten figuren halfen schon ein wenig weiter. zu den reaktionen war nichts zu lesen, aber hey, ist ja ’n wiki.)

  10. 10

    @#734270: Geht mir genau so.

  11. 11
  12. 12
    wols

    @#734426: Bist du ernsthaft der Meinung man sollte sich nicht drüber aufregen? Damit meine Ich nicht fefe und seinen Schreibstil bzw. Blog, sondern die URSACHE des ganzen Theaters.

  13. 13
    Torsten

    @#734630: Dass MOGIS im Artikel über Netzsperren erwähnt wird und vorerst nicht unter eigenem Lemma auftaucht – dass Vereine „in Gründung“ sich erst um das Vereinsregister und dann um die Wikipedia kümmern sollten oder dass Wikipedianer gerne Quellen sehen wollen – nein, über all das kann ich mich wirklich nicht aufregen. Ich hätte mich im Gegenteil auch nicht aufgeregt, wenn Christian Bahls seinen Artikel bekommen hätte.

    Das Entscheidungsdilemma in der Wikipedia? Ja, darüber rege ich mich seit Jahren auf und das beschäftigt mich noch wenn ihr schon lange wieder weg seid…

    Im übrigen geht es nicht um Schreibstil-Fragen sondern Desinformation und Kampagnen. Ich fände es auch nicht gut wenn amnesty international Kriegsgefangene erfindet.

  14. 14

    Die Diskussion ist doch, da muss ich Torsten zustimmen, längst total aufgebläht. Jeder will sich doch hier mal drüber aufregen. Wir machen mit…

    Unser Senf dazu: http://fuechseblog.de/?p=1490

  15. 15

    Wenn doch fast alle so überzeugt von der WP:en sind, zumindest von der Erlaubnis für sehr spezifische Artikel wie zB über einzelne Serienfolgen, wieso verbietet dann die WP:de genau das? Ich finde einfach keinen Grund. Relevanzkriterien festzulegen ist glaub ich immer schwer. Demnach kann man das ganze ja sehr stark öffnen und einfach mal ein zweigliedriges System einführen. Wer sind an ach-so-irrelevanten Themen stößt, sucht eben nur in Artikeln, die von den Bürokratiemonstern als „Enzyklo“ markeirt wurden. Und wer ganz offen für alles ist und auch kein Problem damit hat, weniger perfekte, aber vielleicht zT lesenswerte Artikel zu finden, der sucht in allen Artikeln. Kompromisslösungen finden sich zB hier http://blog.opencritics.de/2009/11/egalitare-wikipedia/ – meiner Meinung nach die beste Lösung.