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Zum Selbstmord von Robert Enke

Mein erster Impuls… Nein, mein zweiter Impuls, als ich vom Selbstmord Enkes hörte, war Scham. Mein erster Impuls war, dass man darüber etwas schreiben müsse, darüber etwas sagen müsse. Dass man das Ereignis „Selbstmord Enke“ einordnen müsse, ihm einen Sinn geben müsse. Dass man daraus was machen müsse. Einfach, um über den Schock hinwegzukommen.

Die Flut an Artikeln, Fernsehbildern, Fotos und Nachrufen dokumentiert, dass es nicht nur mir so geht. Sie stehen im krassen Gegensatz zu den wenigen, stillen, beinah nichtssagenden Zitaten der Nahestehenden, der tatsächlich Hinterbliebenen. Das ist die mediale Erweckung eines Toten. Wenn die Zeitung zu Jesus wird.

Man kann das verurteilen. Dirk Gieselmann verurteilt das. Dirk Gieselmann hat einen aufrührenden Artikel geschrieben, um den Voyeurismus der Medien zu geißeln. Ein Plädoyer für eine stille Trauer, jenseits des Blitzlichtgewitters. Er hat sich Albert Camus zum Kronzeugen gemacht:

„Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord“, sagte Albert Camus. Das glaubt man nun offenbar allein durch die schiere Zahl der aufgefahrenen Kameras beantworten zu können. (…) Trauern heißt aushalten, dass es keine Antwort mehr gibt.

Was mir an Gieselmanns Artikel gefällt: Er versucht nicht, Enke zum Kranken oder Irrsinnigen zu machen. Er ist einer der wenigen, der sich nicht auf den Tod der Tochter stürzt, nicht auf Enkes berufliches Scheitern in Istanbul. Er sucht nicht nach Motiven für Enkes Selbstmord. Er sieht diesen Selbstmord nicht als Frage, auf die er dringend eine Antwort geben muss. Das ist mutig, vielleicht. Jedenfalls ist es selten. Und ehrlich.

In mir steigt immer der fade Beigeschmack der Leichenfledderei auf, wenn in Gesprächen oder Artikeln begonnen wird, über die Motive eines Selbstmordes zu spekulieren. Das läuft immer auf eine Verächtlichmachung des Selbstmörders hinaus. Entweder er wird pathologisiert, oder er wird zum schwachen Menschen. Depressionen sollen der Grund sein für seinen Selbstmord, sein Scheitern, sein Unvermögen, mit Rückschlägen umzugehen, das Schicksal. Diese Suche nach Motiven ist es, die dem Selbstmörder die Würde nimmt: Im Endeffekt hat nicht er sich dazu entschlossen, sich das Leben zu nehmen, sondern die Umstände, seine beschädigte Seele haben ihn dazu gezwungen. Dass es sich um seine Entscheidung handelt, kann man nicht zugeben dürfen.

Ein Selbstmord ist immer ein Tabubruch. Deswegen sanktionieren die meisten Kulturen den Selbstmord, indem sie ihn verschweigen. Im Judentum wurden Selbstmörder ohne letzte Ehren verscharrt, im Christentum wurde ihnen das Himmelreich verwehrt, der Islam hält das noch heute so. Das passt zu unserer heutigen Kultur: 2001 brachte sich in Deutschland alle 45 Minuten ein Mensch um, alle vier Minuten versuchte ein Deutscher zu sterben. Das sind horrende Zahlen, über die wenig berichtet wird. Eine Gesellschaft, so sagt man sich mit Emile Durkheim, die so viele Selbstmörder hervorbringt, kann nicht gesund sein.

Gerade deswegen muss man immer beweisen, dass der Selbstmörder krank oder unglücklich oder sonstwie anders geartet war. Ein Fremder in einer gesunden Welt.

Der französische Fotograf und Schriftsteller Edouard Levé hat kurz vor seinem eigenen Selbstmord seinem Verleger ein Manuskript übergeben, in dem es um den Suicide eines Jugendfreundes geht. Darin beschreibt er ohne Pathos, ohne großes Aufsehen die Umstände der Entscheidung, das Leben des Selbstmörders, ohne je in ihn eindringen zu wollen. Das Buch ist deswegen so gut, weil es die Entscheidung des Helden unangetastet lässt. Weil es seine Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, akzeptiert. „Dein Selbstmord war die wichtigste Äußerung in Deinem Leben“, heißt es da.

So schwer es fällt: Manche Äußerung muss man stehen lassen. Aus Respekt.

89 Kommentare

  1. 01

    Danke für diesen Artikel. Danke, dass es kein „Ohoh, guck, da hat sich einer umgebracht.“ und kein „Ich weine um eine mir fremde Person“ Artikel geworden ist.

  2. 02
    milhouse

    Bullshit.

    Muss man mal so offen sagen. Was für eine Respektlosigkeit gegenüber Robert Enke, zu schreiben, der „Selbstmord war die wichtigste Äußerung in seinem Leben“!

    Ich glaube, die Liebe zu seiner Frau, seiner Tochter, seiner Adoptivtochter und seinem Umfeld war eine weitaus wichtigere „Äußerung“. Und es ist eine Tragödie, dass ein Mensch durch die Krankheit Depression dazu getrieben wurde, sich selbst zu töten.

    Die Krankheit Depression zu verharmlosen, in dem man der Gesellschaft Schuld zuschiebt, ist einfach ein Fehler und eine komplette Missinterpretation des Komplexes Depression. Sind Ungarn und Finnen signifikant schlechtere Gesellschaften, weil dort auffällig mehr menschen Selbstmord begehen?

    Ich hoffe sehr, dass Depression jetzt noch mehr als konkrete Krankheit wahrgenommen wird, die der medizinischen Behandlung mindestens ebenso bedarf wie der Hilfe durch das Umfeld.

    Und dass sie nicht mehr als Stigma wahrgenommen wird, so wie Robert Enke das offenbar leider noch empfunden hat.

  3. 03

    @#737552: Das Zitat stammt aus einem Buch, wie du oben lesen kannst und bezieht sich nicht auf Enke. Denn genau das, was dein Kommentar tut, hat Fred vermieden: Zu vermuten.

  4. 04

    Ich finde es schade, daß ein gesunder junger Mann, diese Entscheidung getroffen hat. Ich respetiere seine Entscheidung sich das Leben zu nehmen, nachvollziehen kann ich es aber nicht.

    Anstatt Selbstmord, bevorzuge ich den Begriff Selbsttötung. In Mord finde ich ehr die Aspekte des unfreiwilligen Todes. Wenn jemand die eingene klare Entscheidung trifft, aus dieser Welt zu gehen, ist es kein Mord.

    Für sein Umfeld tut mir der Verlust eines scheinbar geschätzten Menschen leid.

  5. 05
    milhouse

    @jonny

    Mir ist schon klar, dass das ein Zitat ist. Aber die Einbettung in den Text und der Schlusssatz beziehen dieses Zitat für mich ganz eindeutig auf Robert Enkes Selbstmord. Wie soll man das auch anders verstehen? Der Artikel heißt „Zum Selbstmord von Robert Enke“, natürlich liest man das Ende auf ihn bezogen.

    Es ist übrigens sicherlich kein Zufall, dass dieses Zitat von jemandem stammt, der sich kurz darauf selbst getötet hat. Ich halte es für mittelsinnvoll, sich diese Sicht zu eigen zu machen. Man kann es gar nicht oft genug betonen, Depression ist eine schwere Krankheit. Und eben kein „Weltschmerz“, kein poetisches Leiden einer schlechten Welt.

    Mit einer Mystifizierung des Selbstmords macht man es sich bequem, nicht mit der Analyse seiner Umstände.

  6. 06
    micha

    Und im Endeffekt bist du doch auf den Zug „Selbstmord R.Enke“ aufgesprungen.. Warum muss man das denn unbedingt tun? Wirklich nur, um über den „Schock“ hinweg zu kommen?

  7. 07
    Sven

    Als jemand, der seinen Bruder durch Suizid verloren hat, weiß ich, wie viele offene Fragen nach so einer Tat bei allen Hinterbliebenen verbleiben. Sinnvolle Antworten gibt es selten, und wenn, dann erst nach einiger Zeit.

    Was ich mich dennoch frage ist, warum dieser Freitod (den Begriff „Selbstmord“ lehne ich auch ab – ein Mord ist gemeinhin eine verachtenswerte Straftat, eine Selbsttötung mag manchmal verachtenswert sein – ist aber definitiv nicht strafbar) die mediale Öffentlichkeit so sehr aufwühlt.

    Für seine Freunde und Familie ist seine Entscheidung sicherlich tragisch und ihnen gilt auch mein Mitgefühl. Aber muss die gesamte scheinbetroffene Öffentlichkeit ihren Senf zu diesem „Ergeinis“ (um nicht zu sagen „Event“) geben, nur weil es sich um einen Prominenten handelt.

    Leave them alone – seine Familie braucht diese ganzen Beileidsbekundungen und Meta-Interpretationen (von Menschen, die Enke zu 99% alle nicht kannten) sicherlich als allerletzes. Zumal ich meinen Ärtzen und Managern nicht wünschen würde, nach meinem Tod private Dinge in der Welt rumzuerzählen.

    @ Wolle

    Du meintest sicherlich „anscheinend geschätzt“ nicht „scheinbar geschätzt“, oder?

  8. 08
    Frédéric Valin

    @#737561: Robert Enke zu einem Kranken zu machen (auf welcher Grundlage übrigens?) ist in Deinen Augen eine Respektbezeugung?

  9. 09
    Sven

    @milhouse

    full ack

  10. 10
    milhouse

    @frederic

    Nein, eine Feststellung. Er war deswegen seit Jahren in ärztlicher Behandlung.

    Ist Krankheit in deinen Augen ein Stigma? Ist es respektlos, einen Kranken krank zu nennen?

    Für mich zeugt es von Respekt, die Situation, in der ein Mensch steckt, wahrzunehmen und anzuerkennen.

  11. 11
    Jan(TM)

    „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt“ (Deutscher Presserat, 1997)

    … manchmal wäre es besser einfach gar nichts zu sagen!

  12. 12
    Sven

    @ Frédéric Valin

    Weil die Romantisierung des Freitods der Sache definitiv unangemessen ist.

    Was ist respektlos daran zu sagen, jemand sei krank oder wäre krank gewesen? Gemeinhin sind suizide Menschen depressiv oder haben andere psychische Krankheiten – das ist keine respoktlose Behauptung sondern einfach eine faktische Feststellung.

  13. 13

    Da ich seinerzeit einen nahen Verwandten auf die gleiche Weise (also durch Suizid halt) verloren habe, konnte ich mir viele Gedanken machen.

    Mein Resümee ist:

    Es tut mir für mich weh, aber wenn er es für sich tun wollte, so respektiere ich es, da es ihm eine Lösung schien um sich aus einer Notlage zu befreien.

    Traurig für die Umstehenden, aber gut für einen selber. Das ist das Wichtigste.

  14. 14
    0HN0

    am anfang dachte ich, das wird ein guter artikel, bis es im zweiten teil wieder in namedropping verfällt (als ob wir nicht wüssten, dass frederic die ganzen französischen soziologen und kulturellen drauf hast). eine theoretisierung des selbstmordes, die genauso unnötig ist wie die von ihm zu recht angeprangerte pathologisierung.

  15. 15

    @Sven
    Ich stimme mit dir Voll und Ganz zu.

    „anscheinend oder scheinbar geschätzt“ Ich wollte eigentlich ausdrücken das Robert Enke sicherlich einige echte Freunde hatte, die Robert Enke nicht nur aus dem TV kennen. (vielleicht ist scheinbar aber auch kein wort)

  16. 16

    @#737561: Ich lese den Text völlig anders als du (das passiert halt) und erkenne keine Verharmlosung von Depressionen. Ich glaube, Fred sucht einfach nicht händeringend nach Erklärungen. Ist das so schlimm? Was, wenn alles anders war, als es bisher dargestellt wird? Angeblich soll Enke „keine typische Depression“ gehabt haben, sondern „Phasen“ — aber genau diese Schnitzeljagd, die uns nichts angeht, macht Fred nicht mit. So lese ich seinen Text, der viel allgemeiner gehalten ist. Ob man die (durch die Form der Schrift bedingte) theoretische Auseinandersetzung mit Selbstmord gut findet oder nicht, kann man diskutieren, na klar. Das entscheidet jeder für sich, und wofür sich Fred entschieden hat, kann man ja lesen.

    @#737562: Fred schreibt seit Jahren über Fußball(spieler), den Tod Enkes nicht zum Anlass für einige Gedanken zu nehmen, wäre für ihn vlt. „falscher“.

    Bei solchen Ereignissen hat man (haben wir) immer die Frage im Raum stehen: Haben wir etwas zu sagen, dass nicht schon woanders steht (davon ausgehend, dass wir uns an medialer Fledderei sowieso nicht beteiligen wollen)? Wenn ja, dann tun wir es. Bei Unsicherheit in dieser Frage wird immer besser geschwiegen.

    Ich finde den Artikel gut, nicht reißerisch und aus anderer Perspektive geschrieben als das meiste, was man gerade lesen kann. Dass Fred das tragische Ereignis berührt und er sich nicht aus Sensationsgier damit befasst hat, sollte man hoffentlich lesen können.

  17. 17
    the_stephan

    Also ich interessiere mich gar nicht für Fussball.

  18. 18
    monk

    @#737572: danke.

  19. 19
    menomena

    ihr hättet garnichts schreiben sollen, das wäre konsequenter gewesen. so läuft es unvermeidlich doch wieder auf das übliche rumgezanke raus und am ende werden die kommentare geschlossen.

    und für alle, die es noch nicht mitbekommen haben (Wolle): robert enke war nicht gesund, sondern litt an depressionen und war deswegen in behandlung.

  20. 20

    Zu Entscheiden, sich selbst das Leben zu nehmen mag im Ermessen jedes Einzelnen liegen, einen Lokführer (oder wen auch immer) zu diesem Zwecke zu mißbrauchen – nicht.

  21. 21
    Mrs Psmith

    warum ist es so schwer zu sagen: robert enke ist leider an seiner depression gestorben.
    Gäbe es so einen artikel hier auf spreeblick, wenn er an krebs gestorben wäre?

  22. 22

    Mein erster Impuls war:

    Robert …wer?

  23. 23

    @#737577: du betonst in gewisser Weise, dass sich obiger Artikel von der sonstigen Medienwelt absetzt. Keine Frage er ist nicht reisserisch und nicht sensationsgeil. Ebensowenig sucht er nach einem Grund. Meiner Meinung nach hätte man ihn aber auch einfach nicht schreiben sollen.

  24. 24
    anka

    Ganz generell gehen mir Selbstmörder auf die Nerven, weil sie sich vor den Problemen des Lebens herumdrücken, ich lehne es ab, dann auch noch Energie in der Reflektion über das warum zu verschwenden. Es gibt viele schwerbehinderte Menschen, denen wir mit dieser Energie helfen könnten. Jemanden wie Enke, der vermutlich an seinem Überehrgeiz gescheitert ist, möchte ich da nicht bedauern.

  25. 25
    hattorijenso

    Ich bin kein Fußballfan und habe den Namen Enke gestern zum ersten Mal gehört. Ohne ihn und die Motive zu kennen ist für mich jeder, der sich das Leben nimmt, indem er sich vor einen Zug stürzt, ein egoistisches Arschloch, das nicht an andere Menschen denkt, sondern nur an sein eigenes Leid. Von Frau und Tochter mal ganz abgesehen: Wer denkt an den Zugführer?

    Versteht mich nicht falsch, ich habe kein Problem mit Selbstmord, auch wenn ich für mich zur Zeit nicht in Betracht ziehe. Jeder sollte mit seinem Leben tun dürfen, was er will. Er sollte sich dabei aber auch über andere Menschen Gedanken machen.

  26. 26

    @#737589: Natürlich mit anderem Thema, aber ich kann mir vorstellen, Fred hätte auch dann etwas geschrieben. Enke war Nationaltorwart. Für Fußballfans also keineswegs unwichtig.

    Allgemein:

    Geht es darum, dass man zum Selbstmord einer Person der Öffentlichkeit gar nichts schreiben sollte (außer evtl. die reine sachliche Meldung)? Den Standpunkt akzeptiere ich und teile ihn mit Ausnahmen (siehe mein Kommentar weiter oben), wir haben uns in diesem Fall aber anders entschieden, da sich der Artikel eben nicht mit den vermuteten Umständen des konkreten Falls auseinandersetzt oder gar mitvermutet.

    Eventuell kann man übrigens auch mal überlegen, ob ein Autor vielleicht tatsächlich auch eigene Erfahrungen hat, die ihn zu einem Artikel treiben. Ich weiß nicht einmal, ob das hier der Fall ist, aber ich finde es bemerkenswert, dass diese Motivation anscheinend ausgeschlossen wird. Ebenso, wie die bisherigen Kommentare aus vielen Gründen eine Meinung zum Artikel oder zur Krankheit/ zum Selbstmord einer ihnen persönlich unbekannten prominenten Person haben, hat Fred das halt auch. Und schreibt aus traurigem Anlass darüber. Es sind doch oft Ereignisse im Zusammenhang mit Prominenten oder anderem „öffentlichen Interesse“, die den Ausschlag für allgemeinere Gedanken geben.

    Wie gesagt: Ich lese viele lesenswerte Gedanken aus dem Artikel da oben, ich finde ihn nicht pietätslos oder anders geschmacklos. Was ich von sehr vielen anderen Artikeln in anderen Medien nicht behaupten würde.

    Ich halt‘ mich jetzt aber auch raus. Nicht ohne etwas zu tun, was in diesen Debatten oft vergessen wird:

    Den Angehörigen und Freunden von Robert Enke mein Beileid auszusprechen.

  27. 27

    @#737596:

    @#737597:

    an euch beide: Hattet ihr schonmal persönlich mit Depressionen zu tun? Also sowohl Betroffenen im Umfeld, oder selbst?

  28. 28
    rio

    kommentare wie oben „schade, dass so ein gesunder junger mann…“ finde ich völlig fehl am platz! – das impliziert für mich, dass sein noch großes produktivitätspotenzial gegenüber der gesellschaft ihn irgendwie in seiner entscheidung beeinflussen sollte – dabei ist es mMn völlig irrelevant, ob ein 80 oder 30jähriger sein leben für nicht mehr zumutbar hält…

    auch will ich die motive enkes nicht abschätzen, aber die möglichkeit in den raum stellen, dass die kausale kette nicht enke–>depressiv/krankheit wie krebs–> tod sein muss, sondern seine selbstmordgedanken ihn auch einfach als depressiven klassifizieren könnten – es ist ein unterschied ob jemand z.b. familiär-genetisch bedingt einen neurotransmitter mangel/überschuss hat oder der serotonin haushalt sich durch die psychosomatik ändert…(und ich weiss wovon ich rede)

  29. 29
    rio

    @rosebud: bitte löschen! pietätlos!

  30. 30
    hattorijenso

    @Andi

    Ja, das hatte ich. Und ich kenne die Gedanken, dass alles keinen Sinn mehr hat und viel einfacher wär, wenn man nicht mehr leben würde. Ich habe nicht nur einmal daran gedacht, einfach auf der Autobahn das Lenkrad rumzureißen und vor eine Mauer, einen Baum oder wogegen auch immer zu fahren. Aber halt so, dass keine anderen Fahrzeuge einbezogen sind.
    Und ich hatte ja auch beschrieben, dass ich generell kein Problem mit Selbstmord habe. Nur sollte man es so machen, dass man nicht andere als ausführende Kräfte einbezieht.

  31. 31

    Diese ganze Gegenüberstellung des „Gesunden“ gegen das „Kranke“ ist nur begrenzt sinnvoll. Wer den Suizid nicht pathologisieren will, aber fragt, ob eine Gesellschaft gesund ist, der pathologisiert dann halt die Gesellschaft. Natürlich ist unsere Gesellschaft nicht gesund – aber es gibt überhaupt keine gesunde Gesellschaft. Jede menschliche Gesellschaftsform ist auf ihre ganz eigene Weise menschenfeindlich.

    Es ist einfach nur menschlich, nach so einem Ereignis händeringend nach Erklärungen zu suchen. Es ist ehrlich, am Ende zuzugeben, daß man keine Erklärungen finden kann. Aber das heißt nicht, daß man nicht suchen sollte. Wenn man Erklärungen will, um sich abzuschotten, um die eigene Normalität bestätigt zu kriegen, weil einem selber sowas ja nie passieren könnte, dann kommt das aus dem alten, niederen Instinkt, der das Kranke abtrennen und aus der Gruppe ausstoßen will. Wenn man aber Erklärungen sucht, weil einen die Frage, was einen Menschen zu so einer Tat treibt, selbst im Inneren berührt, weil man sich in andere Menschen hineinversetzen kann und will, dann kann ich daran nichts schlechtes finden. Zu dieser allgemein menschlichen Empathie, die uns vom Tier unterscheidet, gehört es auch, einen Suizid nicht einfach so hinzunehmen und ihn als Entscheidung wie jede andere zu respektieren. Das Problem ist, daß all diese Regungen aus einer menschlichen Nähe erwachsen müssen, die durch mediale Vermittlung nicht hergestellt, sondern nur simuliert werden kann. Der Tod Robert Enkes geht uns in diesem Sinne nichts an. Er ist Privatsache seiner Angehörigen, denen wir unser respektvolles Beileid aussprechen sollten, weitere Spekulationen sind schon eine Art emotionaler Hausfriedensbruch. Übrigens, wer sich völlig freiwillig einfach so selbst tötet, dem kann man umgekehrt auch in voller Schwere vorwerfen, daß er seinen liebsten Menschen etwas entsetzliches antut, nämlich ein Trauma, das nie verschwinden wird- aber auch das ist Privatsache.

  32. 32

    @#737604: ok sorry, mein Fehler, hab deinen ursprünglichen Kommentar nicht richtig gelesen.

  33. 33
    rio

    nachtrag: selbstmörder = egoistisches arschloch? maße mir nicht an, zu beurteilen ob enke ein arschloch oder lieber kerl war, kannte ihn nämlich nicht. generell habe ich immer das Gefühl, dass so Diskussionen schnell in eine (die gleiche) richtung abdriften…

    finde es immer spannend, weil solche diskussionpartner (keine ahnung ob dass hier auch so war) eigentlich ihre eigene hilflosigkeit zeigen – sie wurden vor vollendete tatsachen gestellt (und sind bei weitem nicht familiär betroffen!) und ihre Reaktion ist (überspitzt) dann meist: das egoistische arschloch hätte ja noch was für sein geld tun können, ich arbeite auch den ganzen tag! sagt so natürlich niemand, kommt mir aber immer so vor ,als wenn dass dann der tenor ist!

    nur hypothetisch, völlig ab von enke: ich wäre single, hätte keine familie – wär ich dann auch ein egoistisches arschloch, wenn ich selbstmordgedanken hätte?!

  34. 34

    @#737572: Volle Zustimmung. Und @Frederic Valin:
    Suizid bzw. suizidale Gedanken sind ein Symptom der Krankheit Depression. Depressionen töten durch Suizid, wie Krebs durch Geschwüre tötet – ein verhältnismäßig simples Ursache-Wirkung-Verhältnis, und keine Ehrabschneidung gegenüber Herrn Enke.

  35. 35

    Das passt zu unserer heutigen Kultur: 2001 brachte sich in Deutschland alle 45 Minuten ein Mensch um, alle vier Minuten versuchte ein Deutscher zu sterben. Das sind horrende Zahlen, über die wenig berichtet wird.

    Aus gutem Grund: Die Zahl der Suizide steigt nämlich mit zunehmender Berichterstattung über Suizide.

  36. 36

    @#737595: Das zu finden, ist ja okay. Wobei letztendlich halt immer der Autor entscheidet, was er schreibt bzw. veröffentlicht. In harten Fällen habe ich dann auf Spreeblick sicher noch die Möglichkeit zu sagen: Nein, das veröffentlichen wir nicht. Dafür sah ich aber hier keinen Anlass aus den genannten Gründen, ich finde den Artikel nach wie vor lesens- und veröffentlichungswert.

    @#737596: Es gehört schon einiges dazu, sich von Selbstmördern „genervt“ zu fühlen und ihnen Schwäche oder Feigheit vorzuwerfen. Hoffen wir, dass du immer stark, gesund und mutig sein wirst, um anderen nicht auf die Nerven zu gehen.

    @#737597: Mag sein, dass ein Selbstmord ein egoistischer Akt ist. Einen Toten dafür aber als „Arschloch“ zu bezeichnen, ist jedoch auch nicht besonders umsichtig.

  37. 37

    @#737610: Die Berichterstattung ist aber nicht die Ursache. Das ist ein verbreitetes massenpsychologisches Phänomen, auch Einbrüche und Mordraten erhöhen sich nach Berichten darüber. Und nun? Selbstmorde verschwinden doch andersrum nicht, wenn man sie nicht mehr erwähnt.

  38. 38
    Frédéric Valin

    @#737610: Korrelation oder Kausalität?

  39. 39
    hattorijenso

    @rio

    Lies meinen Kommentar doch bitte noch einmal richtig und bis zu Ende durch.

    1. Hatte ich nicht Selbstmord allgemein verurteilt, sondern nur die Formen, in denen andere Personen als ausführende Kräfte einbezogen werden. In diesem Fall der Zugführer.

    2. Hatte ich nicht Enke persönlich gemeint, den kannte ich nämlich bis gestern gar nicht. Wie gesagt bin ich kein Fußballfan.

    Wenn Du als Single ohne Angehörige Selbstmord begehst, ist das meiner Meinung nach ok. Wenn Du andere mit reinziehst (Zugführer, Autofahrer, was auch immer) ist es meiner Meinung nach nicht ok und Du wärst für mich zumindest sehr egoistisch. ;)

    @Johnny: Wie gesagt, es ging mir nicht um den Selbstmord ansich, sondern die Art und Weise, für die er sich entschieden hat.
    Vielleicht ist Arschloch wirklich zu krass, aber extrem egoistisch finde ich es trotzdem. Und ich wiederhole, dass ich nur die Art und Weise meine, nicht den Suizid selbst. Wegen mir soll sich jeder umbringen, der genug vom Leben hat. Nur soll er andere da nicht mit reinziehen.

  40. 40

    Es gibt offenbar Menschen, die höherwertig sind als andere Menschen. Wenn sich ein Arbeitsloser vor den Zug wirft, reicht es nur zu einer Anzeige im Lokalteil, falls dafür überhaupt das Geld da ist, aber mit Leuten wie Robert Enke oder Michael Jackson haben wir gefälligst immer Mitleid zu haben, sonst werden wir als herzlose Arschlöcher beschimpft.

    Ich glaub, es tickt.

    http://tuxproject.de/blog/?p=1069

  41. 41

    Ohne den Menschen zu kennen wollen einige wissen, warum sich der Mensch umgebracht hat. Ohne Respekt wird von vielen über diesen Menschen geschrieben, es werden krampfhaft irgendwelche Geschichten ausgegraben, um dem Menschen und damit auch seinen Angehörigen das letzte bisschen Würde zu nehmen. Leute schämt euch, ihr wisst gar nichts und tut so, als müsstet ihr den Selbstmord dieses Menschen erklären.

    Lest einfach noch einmal Freds Text und stellt eure Kommentare dann ergebnisoffen in Frage. Bitte!

  42. 42

    @#737617: Nein, der Suizid ist ein Sonderfall, weshalb er auch im Presskodex ausdrücklich genannt wird. Und ob Korrelation oder Kausalität ist Schnurz, Tatsache ist: Berichterstattung über Suizide erhöht die Zahl der Suizide. Er nehmen sich Leute das Leben, die sich sonst nicht das Leben nehmen würden.

    Wie groß dieser sogenannte „Werther-Effekt“ ist, hängt natürlich von der Art der Berichterstattung ab. Leider gehört zu den negativen Faktoren aber auch, wie beliebt das Opfer der Selbsttötung war – was im konkreten Fall das Schlimmste befürchten lässt.

    Eine ausführliche Darstellung findet sich z.B. hier: http://psychiatrie-heute.net/psychiatrie/werther.html

  43. 43
    anna b.

    @dietrich: danke.
    Ansonsten: ja, Depression ist eine Krankheit, die unbedingt behandelt gehört und ich hätte es, trotz des Artikels von Fred, den ich gut finde, auch sehr würdevoll gefunden, zu sagen „…ist an einer Depression gestorben.“ Nichtsdestotrotz ist jede Krankheit auch ein Symptom und die horrende Selbstmordrate finde ich erschütternd. Ich glaube, daß wir fast alle an mangelnder Emapthie leiden und zugleich unsere Leben oft gewissen Fehlwertigkeiten unterwerfen. Insofern stehe ich stumm und traurig vor allen Selbstmördern, aber man sollte nicht vergessen, weswegen man auch da ist: wegen der Lebenden.

  44. 44
    banjo23

    Sebstmord ist per se ein egoistischer Akt. Sieht man für sich allerdings nur noch diesen Ausweg, mag es unvermeidbar sein Angehörige mit ihrer Trauer und ihrem Unverständnis zurück zu lassen. Aber in der Wahl der Mittel könnte man doch dafür Sorge tragen, dass andere Menschen dabei nicht Schaden nehmen. Es muss ja nicht der Zug sein.

  45. 45
    milhouse

    Ich habe mit meinem Ausruf „Bullshit“ vielleicht ein falsches Signal gesetzt, ich finde es keineswegs falsch, über den Selbstmord Robert Enkes zu schreiben. Es war einfach mein erster spontaner Gedanke zu Frederics Gedankengang. Ein einfaches „Ich sehe das grundsätzlich anders“ wäre sicherlich die bessere Formulierung gewesen.

    So sehr ich eine reißerisch boulevardeske Berichterstattung zum Thema ablehne, so wichtig finde ich es andererseits, anlässlich einer solchen Tragödie miteinander zu reden. Ich tue das in meinem persönlichen Umfeld und ich tue das auch online.

    Mrs PSmith wollte mit ihrem Beitrag meiner Meinung nach auch nicht sagen, dass Frederic nicht über Robert Enke hätte schreiben sollen. Sondern dass man Depression als Krankheit von der Person Enke trennen sollte. Im gewissen Sinne hat nicht Robert Enke sich getötet, sondern eben die Krankheit ihn. Genauso wie ein Krebskranker nicht freiwillig aufhört zu leben, weil er Krebs hat, sondern weil der Krebs ihn tötet.

    Teresa Enke hat gesagt, Robert Enke habe befürchtet, seine Adoptivtochter zu verlieren, wenn seine Krankheit bekannt würde. Für mich ist das ein eindeutiges Signal, inwieweit die Depression sein Urteilsvermögen eingeschränkt hat, wie wenig er in der Lage war, seine Situation rational einzuschätzen.

    Robert Enkes Selbstmord durch den Zustand der Gesellschaft erklären zu wollen, erscheint mir genauso sinnvoll wie AIDS als Strafe für den moralischen Verfall unserer Zeit zu betrachten.

  46. 46
    Frédéric Valin

    @#737626: Konsequenterweise dürfte man über den Selbstmord Enkes überhaupt nicht schreiben?

    In dem Artikel werden Imitationstaten so beschrieben: sie ähneln der zugrundeliegenden Tat in Ort, Methode, Muster.

    Wenn man diese Komponenten verschweigt, und damit nicht dem von den 11Freunden angeprangerten Voyeurismus verfällt, nivelliert sich dann nicht der Sogeffekt? Also die, wies im Artikel heißt, Enttabuisierung?

  47. 47
    Frédéric Valin

    @#737634: Wo behaupte ich, dass die Gesellschaft am Tod Enkes schuld ist? Ich glaube nicht, dass ich das behauptet habe.

  48. 48

    @#737641: Du hast in drei Minuten den ganzen Text gelesen? (Nachtrag: Okay, es waren 13.)

    Na gut. Ja, konsequenterweise dürfte man über den Selbstmord Enkes überhaupt nicht schreiben. Das ist aber nicht realistisch, weil der Tod eines Fußballnationalspielers natürlich Aufsehen erregt. Also sollte man so berichten, dass der Nachahmungseffekt möglichst gering bleibt. Der verlinkte Artikel sagt es ja konkret:

    Keine Spekulationen über Ursachen und Bewertungen des Suizides: Diese Empfehlung mag überraschen und vor allem journalistisch einengen, hat aber einen nachvollziehbaren Hintergrund. Nach dem erschütternden Freitod eines Familienmitglieds neigen vor allem Angehörige und Bekannte, Freunde und Nachbarn dazu, den Verstorbenen zu überhöhen. Das kann eine entsprechende Berichterstattung bahnen („er blieb sich selbst treu“, „er starb, wie er lebte“, „Anpassung war nicht seine Sache“ u.a.).

    Genau dieser Heroisierung passiert gerade bei Enke.

    Weitere Empfehlungen:

    [Die Medien] sollten vor allem keine Informationen über die Motivation, die äußeren und inneren Ursachen des Suizides andeuten, um so jede Identifikations-Möglichkeit und Motivations-Brücke mit den entsprechenden Lebensumständen und Problemen des Suizidenten vermeiden. (…)

    Beschreibe den Suizidenten, die Methode, den Ort, die Lebensverhältnisse und die Gründe so abstrakt, dass sie kein Anschauungsmaterial mehr enthalten, das einer möglichen Identifikation und Enthemmung Vorschub leisten könnte (nach W. Ziegler und U. Hegerl, 2002).

    Das ist keine abstruse Einzelmeinung, sondern Stand der Wissenschaft und konkrete Forderung des Pressekodex.

    Gerade als Journalist ist es schwer, sich damit abzufinden, dass das, was man tut, auch wenn man es mit besten Absichten tut, einen solchen negativen Effekt haben soll.

    Natürlich kann man sagen, dass es unrealistisch ist, dass sich die Medien in einem Fall wie Enke an solche Verhaltensregeln halten – obwohl sie gerade in einem Fall wie Enke so nötig werden. Das bedeutet aber, etwas pathetisch formuliert: Unser Glaube an das Recht und die Pflicht der Berichterstattung auch in diesen Fällen hat einen Preis, und der lässt sich in Menschenleben zählen.

  49. 49

    „Eine Gesellschaft, so sagt man sich mit Emile Durkheim, die so viele Selbstmörder hervorbringt, kann nicht gesund sein.“

    Du behauptest das nicht, aber du legst es mit obigem Zitat nahe. Oder habe ich eine Distanzierung von Durkheims Position übersehen?

  50. 50

    @#737623: Ich bitte dich. Fred erwähnt oben die Selbstmordzahlen und es geht doch nicht um die Wertung von Wichtigkeit einzelner Menschen — es ist nur verständlich, dass der Selbstmord eines Nationaltorwarts mehr Aufmerksamkeit bekommt als der einer anderen Person (bei der sich auch weniger Menschen für seine Fußballkünste interessiert haben). Eine Wertung hat bis zu deinem Kommentar niemand getätigt. Du warst der erste, der das unterstellt hat.

    @#737626: Danke für den Link! Ich kenne das Phänomen auch in anderen Bereichen — mag aber sein, dass es im Suizidfall eine andere Dimension hat.

    @#737624: Danke. Ich dachte schon, der Text wird von allen falsch verstanden (was ja immer zu der Frage führt, ob er zu missverständlich geschrieben wurde) und wunderte mich, dass ich ihn anders als einige andere verstehe.

    @#737634: Danke für die etwas erklärenden und weiterführenden Worte. Klingt tatsächlich besser als „Bullshit“ (wobei wir ja ganz andere Sachen gewöhnt sind, also keine Sorge „¦ ;)).

  51. 51
  52. 52
    peter h aus b

    Sehr gut gedacht und geschrieben!

    Allein, ich hätte gar nichts dazu geschrieben. Warum auch? Man muss nicht alles kommentieren. Es ist tragisch für die Hinterbliebenen, aber kann eben geschehen. So what?

  53. 53

    Ich finde Frédérics Artikel angemessen, so angemessen wie ein Artikel zu diesem Thema sein kann. Er hebt sich im Umgang mit dem Phänomen Selbstmord und mit der Person Robert Enke um Welten vom sonstigen hysterischen Rudelgeblöke der Masse der Restmedien ab.

    Ihr wollt pietätloses Gebrüll und Leichenfledderei? Gebt euch spon… ein ekelhafter multimediales und unreflektiertes Ausschlachten des Falles. Jeder darf was blöken, jedes Bild wird vorgezerrt, Klicks Klicks Klicks, jedes alte Interview nochmal verwurschtelt:

    – Nachruf eines 96-Fans: Warum ausgerechnet Robert?
    – Enke über Enke Man kann das Leben nicht ändern“
    – Nationalmannschaft in Trauer DFB sagt Länderspiel gegen Chile ab
    – Die Fußballwelt trauert: „Das ist unvorstellbar“
    – Nationaltorwart Enke beging Selbstmord: Tod im Dunkeln
    – Fotostrecke: Bewegende Pressekonferenz
    – Reaktionen auf den Tod von Nationaltorhüter Enke: Trauer und Entsetzen
    – Verstorbener Torwart: Enke hinterließ Abschiedsbrief

    und das wirklich allerletzte in Punkto Leichenfledderei und sprichwörtlichem Witwenschütteln:

    – Enkes Witwe spricht über Depressionen ihres Mannes

  54. 54

    Ich empfinde für eine junge Witwe Respekt, die sich vor die mediale Öffentlichkeit stellt und ihr ins Gesicht sagt, dass ihr verstorbener Mann Angst hatte mit seiner Krankheit, diesen besonderen sehr schweren, in die Öffentlichkeit zu gehen.

    Denn das sagt aus, wie in unserer Zivilisation heutzutage mit psychischen Erkrankungen immer noch umgangen wird. Unter einem solchen Druck mit dieser Krankheit klar zu kommen und wieder gesund zu werden, scheint mir unmöglich.

    Letztendlich hat Robert Enke eine Entscheidung für sich getroffen und die haben wir zu respektieren. In aller Fairness: denn er wird sie nicht mehr mit uns diskutieren können.

  55. 55
    Biggie

    @#737621:

    Wegen mir soll sich jeder umbringen, der genug vom Leben hat. Nur soll er andere da nicht mit reinziehen.

    Diese Einstellung ist natürlich überhaupt nicht egoistisch.

    Selbstmörder sind für gewöhnlich totunglücklich. Und irgendwas ist schuld daran.

    Entweder sind sie krank, dann kann man kein rationales Verhalten mehr von ihnen erwarten. Oder die Gesellschaft treibt sie in den Tod – dann braucht sich selbige aber auch nicht über die mangelnde Umsicht des Sterbenden wundern.

    Ps. Es liegt mir wirklich daran das du das erkennst. Wenn du dich um Zugführer sorgst liegt es ja auch in deinem Interesse zu verstehen warum Selbstmörder so egoistisch handeln können.

    Wenn du an Krankheit glaubst musst du deine Wut auf die unzureichende Krankenversorgung richten. Wenn du an Fehler in der Gesellschaft glaubst gegen sie. Beidem kann man politisch entgegentreten.

    Wütend auf den Selbstmörder zu sein ohne sich für die Ursachen zu interessieren bringt nichts – dann bist du nächste Woche wieder wütend.

    Pps. Und selbst wenn man dem Selbstmörder mehr Rücksichtnahme abverlangen könnte: Was würdest du den dann machen wollen? Repressionen für Leute die Führer von Zügen vor die sie sich schmeißen erschrecken?

  56. 56

    Okay, ich zieh mich hier erstmal raus, sonst wird das endlos.

    Zum Abschluss:

    @mario (53)

    SpOn hat Teresa Enke nicht geschüttelt, sie hat auf der Pressekonferenz von Hannover 96 zu den Umständen des Selbstmordes ihres Mannes und zu seiner Erkrankung Stellung genommen.

    @creezy (54) und andere

    Ich bin nicht der Meinung, dass Robert Enke eine Entscheidung für sich getroffen hat. Genauso, wie ein volltrunkener Mensch sich nicht frei entscheiden kann, ist auch ein schwerstdepressiver Mensch dazu nicht in der Lage.

    Zum Abschluss auch von mir mein tiefes Mitgefühl an die Angehörigen von Robert Enke und sein Umfeld. Ich „kannte“ ihn nur als Fußballfan, bin mir aber sicher, dass er einer von den Guten war. Sehr, sehr traurig, das alles.

  57. 57
    Frédéric Valin

    @#737646: Nein, überflogen. Ich kannte den Werther-Effekt allerdings schon.

    Der Unterschied zwischen Heroisierung und Entpathologisierung besteht für mich in dem Grad, wie sehr man das an der Person Robert Enke festmacht. Eine Heroisierung braucht die Projektionsfläche. Eine Entpatholigisierung betrachtet nur das Phänomen.

    Ich hoffe, es ist klargeworden, dass mir nicht daran liegt, Enke zu heroisieren. Auch und gerade weil es mir viel zu einfach ist, zu sagen: Er war krank, fertig.

  58. 58
    Phil

    es tut mir leid, dass aus seinem Freitod so ein grosses Event gemacht wird. Respekt und Beileid zoll ich der Witwe fuer ihr Interview. Das jetzt jedoch sogar unsere Bundeskanzlerin der Witwe einen Brief schreibt, finde ich offen gesagt uebertrieben.
    Es ist jedoch auch Schade fuer den Fussball. Enke hat im Vergleich zu anderen Torhuetern immer nur durch Leistung anstatt grosser Sprueche ueberzeugt (oder dies versucht). Es war ein sympatischer Sportler, der sich besonders nach dem Tod seiner Tochter meiner Meinung nach wieder gut gefangen hat. Jedoch weiss man, wie man sieht, nie was in einem anderen Menschen vorgeht.

  59. 59
    Frédéric Valin

    @#737647: Nein, das ist nicht meine Meinung. Das ist mein Erklärungsansatz, warum man versucht, Enke und andere Selbstmörder zu pathologisieren; völlig unabhängig davon, ob sie tatsächlich krank waren oder nicht.

    Mit Durkheim tritt das Credo in Kraft, dass Selbstmord an sich schon ein Symptom ist. Der hat sich umgebracht, also ist er krank. Genau dagegen verwehre ich mich.

    Wenn ich das wietergesponnen hätte, wäre ich irgendwann zu dem Punkt gekommen, ob die Einteilung in gesund und krank wirklich so sinnvoll ist, wie es scheint.

  60. 60

    „Das ist mein Erklärungsansatz, warum man versucht, Enke und andere Selbstmörder zu pathologisieren; völlig unabhängig davon, ob sie tatsächlich krank waren oder nicht.“

    Welchen Sinn hat es, über die Pathologisierung eines Menschen von außen zu spekulieren, der offensichtlich tatsächlich krank war? Oder gibt es irgendeinen sinnvollen Zweifel an der Tatsache, dass Robert Enke eine Depression hatte? Oder zweifelst du an, dass Depression eine Krankheit ist?

    „Mit Durkheim tritt das Credo in Kraft …“ Huh? Stimmt, du behauptest nichts. Schade eigentlich, vielleicht hättest du ja was Interessantes zu behaupten (ernst gemeint). Versteck dich doch nicht hinter solchen Formulierungen, nichts gegen Zitate, aber man sollte sich doch wenigstens klar zu ihnen positionieren.

    „Wenn ich das wietergesponnen hätte, wäre ich irgendwann zu dem Punkt gekommen, ob die Einteilung in gesund und krank wirklich so sinnvoll ist, wie es scheint.“

    Hiermit untermauerst du mein Gefühl, dass Kulturphilosophie französischer Prägung und Esoterik nicht immer klar trennbar sind.

    Tatsächlich gehören wir ganz einfach stark unterschiedlichen Denkschulen an (nicht schwer zu erraten, dass ich der angloamerikanischen Philosophie näher stehe), die schriftlich nur dann versuchen sollten, auf einen Nenner zu kommen, wenn sie einen unendlichen Betrag an Zeit zur Verfügung haben.

    Diese Differenz zu überwinden muss man jetzt aber nicht anhand des Todes eines Menschen ausfechten. Außerdem bin ich mir sicher, dass wir die menschliche Dimension dieser Tragödie ziemlich ähnlich beurteilen. Ein trauriger Tag.

  61. 61

    @#737675: Mir wird das zu spekulativ, und vor allem: mir wird das viel zu Enke-bezogen. Ich kann mich nicht dazu durchringen, von der heimischen Couch aus Enkes Gesundheitszustand zu beurteilen, und ehrlich gesagt steht mir das auch nicht zu.

    Mit dem letzten Absatz hast Du unbestritten recht. Belassen wirs dabei. Die Unterschiede zwischen angloamerikanischer und französischer Philosophie können wir tatsächlich ein andermal ausdiskutieren.

  62. 62

    Okay, es ist unappetitlich, wenn private Angelegenheiten so ausgebreitet werden.

    Richtig ist aber auch: Robert Enke war krank. Er starb aufgrund dieser Krankheit. Was an dieser Aussage ist so falsch, dass man eine gefährliche „Pathologisierung“ darin sieht? Ja, es ist eine schwere Krankheit – und doch war Robert Enke ganz offenkundig ein ganz besonderer Mensch, der viele Menschen faszinierte, nicht nur mit seinen Leistungen, sondern mit seiner menschlichen Qualität.

    Es wäre falsch, seine Krankheit klein zu reden (oder gar vom „Freitod“ zu sprechen), und falsch wäre es auch, ihn auf seine Krankheit zu reduzieren. Beides wäre eine Form von Pathologisierung.

    Weil Enke als Nationaltorwart für das öffentliche Interesse interessant ist, wird die Angelegenheit deutlich breiter (und unangemessen privat) ausgebreitet – andererseits ist es eine Chance, in der Öffentlichkeit über diese Krankheit zu sprechen. Das kann Verständnis befördern – und die Betroffenen sogar ent-pathologisieren.

    Die Öffentlichkeit kann sehen: Menschen sind schwer Depressive trotzdem. Sie können sogar Leistungsträger sein und mit ihrer menschlichen Qualität die Umwelt bezaubern.

    Ich denke, es könnte ganz bedeutsam sein, wenn sich über diese Erkrankung ein angemessenes öffentliches Bewusstsein entwickelt, wenn diese Erkrankung in der Öffentlichkeit enttabuisiert wird und – vor allem – wenn mehr Betroffene den Mut entwickeln, ihre Erkrankung behandeln zu lassen, auch dann, wenn die Behandlung im Fall vom Nationaltorwart Enke nicht zur Heilung geführt hat. Man weiß heute aber, dass sich die meisten Depressionserkrankungen gut behandeln lassen.

  63. 63
    Michael

    Der Tod eines Menschen der uns nahe steht beschäftigt uns immer, das ist sicher. Auch die Selbstötung eines Prominenten darf uns beschäftigen. Nur sollte man sich mit Interpretationen in aller Öffentlichkeit sehr zurückhalten: Man weiß zu wenig über den Toten, er ist uns unbekannt.
    Ich finde den Schritt der Frau Enkes an die Öffentlichkeit zu gehen sehr mutig. Allerdings frage ich mich: Musste sie diesen Schritt gehen um sich, ihr Kind und die Angehörigen auch in der Zukunft vor medialen Zudringlichkeiten zu schützen?
    Mich erschreckt, dass in der heutigen Medienlandschaft ein solcher Schritt nötig zu sein scheint.
    Ich wünsche den Angehörigen viel Kraft!

  64. 64

    Ich weiß nicht warum ich es getan habe, aber ich war gerade eben auf bild.de und dafür gibt es nur ein einziges Wort: abartig. Die machen zu dem Thema wieder einen multimedialen Streichelzoo und das ist einfach nur noch erbärmlich. Das schlimmste ist jedoch, dass viele diesen Scheiß sehen wollen, genau wie viele hier im Internet sich derzeit als Psychologen und Ärzte versuchen.

    Noch einmal: ihr wisst nicht, was mit Herrn Enke los war! Das einzige, was ihr wirklich wisst, dass er tot ist. Also hört auf, bitte hört mit diesem Scheiß endlich auf. Wenn ein Mensch stirbt ist es das Hinterletzte, so über ihn und sein Leben zu reden. Würdet ihr das machen, wenn er noch am Leben wäre?

  65. 65

    Beim Selbstmord des StudiVZ-Verdächtigen wird die Kommentarfunktion geschlossen. Und hier darf man sich auskotzen? Wo ist bitte der Unterschied? Johnnys Begründung dürfte ja wohl auch an dieser Stelle gelten.

  66. 66

    Input für die Tabuisierer Frederic & Co:

    Die große Mehrheit der 10.000 Selbstmorde und der rund 150.000 Selbstmordversuche in Deutschland, so schreibt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe, sei vermutlich auf eine nicht oder nicht optimal behandelte Depression zurückzuführen.

    Enke schrieb in einen Abschiedsbrief, in dem er sich entschuldigte, auch dafür, dass er seine Selbstmordabsichten gegenüber Arzt und Familie verschwiegen hatte.

    Frederic, ich halte es für ein Zeichen von Inkompetenz, wenn beim öffentlichen Dialog über das Thema Selbstmord so getan wird, als ob der Selbstmord seitens der Betroffenen mehrheitlich eine „freie“ Entscheidung darstellen würde. Sprich doch einfach mal mit Fachleuten! Die werden dir bestätigen, dass die allermeisten Selbstmörder – aufgrund einer Depression – ein überwältigendes Gefühl der Ausweglosigkeit entwickelt haben. Aber:

    Das Selbstmörder charakterisierende Gefühl der Ausweglosigkeit ist zumeist ein Symtom der Erkrankung.

    Und eben nicht akzeptabel. Sondern tragisch. Frederic beklagt in seinem Artikel Folgendes – und das sogar sehr stark als abzulehnende „Pathologisierung“:

    Depressionen sollen der Grund sein für seinen Selbstmord, sein Scheitern, sein Unvermögen, mit Rückschlägen umzugehen, das Schicksal.

    Sorry, das ist Bullshit, Frederic. Richtig ist vielmehr: Depressionen – behandlungswürdige zumal – sind in den meisten Fällen der Grund für einen Selbstmord. Wenn Du dagegen schreibst, es sei angeblich falsch, eine Depression als Ursache für den Selbstmord anzunehmen, dann ist das sehr deutlich unzutreffend. Das pseudohumane, tatsächlich aber nur nekrophil-romantische Ideal von Freunden französischer Philosophie, dass ein Selbstmord regelmäßig Ausdruck einer freien Entscheidung sei, ist haltlos. Ein Selbstmord ist in den allermeisten Fällen keine akzeptable, sinnvolle und „freie“ Entscheidung – und sollte als solche auch nicht romantiziert werden. Es ist auch wenig sinnvoll,die Depression als Krankheitsursache zu tabuisieren. Wer hier tabuisiert, der pathologisiert und stigmatisiert! Wer hier tabuisiert, der leistet damit einen kontraproduktiven Beitrag – egal, wie edelmütig seine Absichten sein mögen.

    Frederic, du musst das nicht alles verstehen. Du bist auch nicht vom Fach. Es wäre aber schön, wenn du dir Mühe geben würdet, das zu verstehen – und auch bereit wärest, in dieser Thematik dazu zu lernen. Bislang ist das nicht zu erkennen. Du klammerst dich vielmehr an deine Konklusionen. So eitel kannst du garnicht sein, dass das nötig wäre – pardon.

  67. 67
    Maxe

    Dieses „Ereignis“ (im allgemeinen) ist doch vor allem für die Angehörigen belastend! Die Medien sind da ganz sicher nur eine zusätzliche Belastung. Im Konkreten Fall sind aber auch Unbeteiligte betroffen: Der Lokführer und evtl. weitere Zeugen…

    Ich selbst war bereits Zeuge zweier tödlicher Verkehrsunfälle. Das ist sehr schwer verdauliche Emotionalkost. Nachdem neuesten Unfall habe ich oft an den Fahrer des Dumpers gedacht, der den PKW überrollt hat.
    Ich hab auch schon ein paar mal länger auf die U-Bahn warten müssen.

    Find ich ehrlich gesagt zum Kotzen, dass sich Leute umbringen.
    Solange sie mir nicht nahestehen, also emotional und bei der Tat selbst, fände ich es auch angenehmer gar nicht darüber informiert zu werden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Dann aber nicht wegen des Fames der Person, sondern höchstens um auf Zwielichtige Umstände aufmerksam zu machen.

    So bleibt mir nur den Angehörigen, dem Zugfahrer und wer sonst noch beteiligt war mein Beileid aussprechen. Unbekannter weise.

  68. 68

    @#737685:
    Angesichts der teilweise doch sehr drastischen Respektlosigkeiten, die hier geäußert werden, ist diese Frage sehr gut.

    @#737689: Also hat er sich vor den Zug geworfen, weil er krank war und dass er krank war, sieht man daran, dass er sich vor den Zug geworfen hat?
    Dieser Logik muss man eines lassen: Sie ist schlüssig…

  69. 69

    halten wir es doch einfach so, wie es sein Verein auf der Webseite macht:

    http://www.hannover96.de/

    ich weiß auch alles besser, aber irgendwann reichts ja mal.

    und die bildzeitung weiß eh alles am besten. und deswegen muss ich fast kotzen. tschüss.

  70. 70
    Sven

    @ cosmo

    …man kann auch missverstehen wollen…

    …aber vielleicht hat er sich ja auch vor den Zug geworfen, weil es ihm so gut ging.

  71. 71
    gunthers

    John Dean, deine Kommentare sprechen mir aus der Seele.
    Ich finde an sich auch, daß die momentane Berichterstattung etwas unangenehm voyeuristisches hat. Dass ist wohl eben die Art, mit der unsere Gesellschaft versucht, mit dem Thema klar zu kommen. Ich würde mir wünschen, daß sich die Medien auf respektvollerer, weniger sensationalistische Art mit dem Tod Enkes beschäftigen, und ihn in distanzierter Form zum Anlass nehmen, Depression als Krankheit/Problem/Phänomen zu thematisieren.
    Depressionen (die im Extremfall zum Suizid führen können), gehören enttabuisiert und thematisiert – nicht als „Pathologisierung“ abgetan. Wie oben geschrieben, natürlich nicht auf der persöhnlichen Ebene. Und wenn es Frederic doch um die allgemeine Ebene geht, und nicht um Enke, warum dieser Artikel jetzt und heute? Warum nicht in ein paar Wochen? Das widerspricht meiner meinung nach seiner eigenen Argumentation. Schade.

  72. 72
    hattorijenso

    @#737666: Mir ist natürlich klar, dass Selbstmord selten die Folge eines rationalen Entscheidungsprozesses ist. Das macht es in meinen Augen nicht weniger egoistisch, auch wenn die Person nicht in vollem Umfang verantwortlich zu machen ist, weil sie depressiv ist.

    Weil dem Selbstmord kein rationaler Entscheidungsprozess vorausgegangen ist, sind mir die Ursachen und Gründe völlig gleichgültig. Sie sind für mich nicht greifbar.
    Es mag sein, dass Krankheit die Ursache ist. Es mag sein, dass die Gesellschaft schuld ist. Das Ergebnis ist dasselbe.

    Ich bin mir nicht sicher, was mich mehr aufregt: dass jetzt so öffentlichkeitswirksam getrauert wird oder dass ich bis jetzt in keinem der Berichte etwas über den vermutlich traumatisierten Zugführer gelesen habe.

    Wütend bin ich übrigens nicht über so etwas. Ich ärgere mich kurz und dann ist’s auch wieder gut. Genauso geht es mir nach Wahlen oder Berichten über Löschkandidaten bei Wikipedia. Ich ärgere mich kurz und kann mich dann wieder auf mein Leben konzentrieren. Natürlich ist das auch egoistisch, klar, aber damit muss ich wohl leben ;)

  73. 73
    gunthers

    „Weil dem Selbstmord kein rationaler Entscheidungsprozess vorausgegangen ist, sind mir die Ursachen und Gründe völlig gleichgültig. Sie sind für mich nicht greifbar.“

    Wenn etwas nicht greifbar ist, kann man es für gleichgültig erklären – oder es zum Anlass nehmen, sich mit „Ursachen und Gründen“ zu beschäftigen.
    Als kleiner Start: http://de.wikipedia.org/wiki/Depression

  74. 74

    John Dean (#62 und #66) spricht mir aus der Seele. Mehr kann ich nicht schreiben, alle Versuche klangen zu ungelenk.

  75. 75

    @#737685: Gute Frage.

    Es gibt zwei Punkte, an denen man Kommentare relativ (!) schadlos schließen kann (ich mache das prinzipiell nicht gerne und äußerst selten): Ganz zu Beginn oder aber erst nach einer Weile, wenn man merkt, dass wir uns im Kreis drehen. Mitten in der Debatte, mag sie auch noch so „unglücklich“ verlaufen, finde ich das noch schwerer als sowieso schon.

    Nach dem Selbstmord des Verdächtigen in der SchülerVZ-Sache hatte ich die reine Meldung und mein Beileid gepostet, die ersten Kommentare gingen darauf aber kaum ein, stattdessen ging es um juristische Vermutungen, was ich sehr unpassend fand — es wäre vielleicht besser gewesen, die Kommentare von Anfang an geschlossen zu halten, doch ich dachte wirklich, dass es Raum für Beileidsbekundungen geben sollte.

    Hier haben wir eine etwas andere Situation. Erstens hat Fred keine Meldung verfasst, sondern die Meldung, die wir wohl alle kannten, zum Anlass einer anderen Betrachtung genommen, über die man durchaus diskutieren kann. Daher ging es in den Kommentaren dann auch um vielerlei Dinge: Ob man das darf, ob Fred richtig oder falsch liegt bzw. ob man seine Meinung teilt, Depressionen generell, ob wir überhaupt etwas hätten posten sollen usw. — viele Ebenen, viele Metaebenen, auch viele Emotionen rund um den Zugführer, um den Toten, aber auch um Fred (und seinen Artikel).

    Das mittendrin zu schließen ist schwierig, denn ich möchte den Eindruck vermeiden, wir würden uns Kritik nicht stellen. Und ganz offenbar gibt es einen Redebedarf in dieser Sache.

    Obwohl beinahe jeder einzelne Kommentar hier für sich in seiner Kritik oder Sicht der Dinge okay ist, macht es irgendwann die pure Menge, die für einen Beigeschmack sorgt, der wohl keinem mehr gefällt (egal wie man zu dem Artikel steht). Deswegen und weil jetzt auch viel gesagt wurde, kann man hier glaube ich jetzt wirklich mal Stille einkehren lassen.

    Diese Entscheidungen sind immer schwierig, ich treffe sie nicht immer korrekt und ich (oder der Autor) muss sie jedesmal neu und individuell treffen — das ist auch mal tagesformabhängig.

    Ich weiß nicht, wie Fred das sieht (Fred, wenn du noch etwas dazu schreiben magst, mach die Kommentare gerne nochmal auf), aber ich sehe es so:

    Ich bedanke mich jedesmal ernsthaft für den ganzen Input hier. Ich weiß, wieviel Zeit es kostet, solche Debatten mitzuverfolgen oder einen Artikel überhaupt für wichtig (dämlich/ toll/ aufregend) genug zu halten, um ihn zu kommentieren. Und vor allem ist es ja auch nicht sinnlos, denn wir lernen ständig dazu. Das hier ist ein Blog, kein Ross, auf dem wir sitzen. Wir nehmen Kommentare ernst (speziell, wenn sie uns ebenfalls ernst nehmen) und wir reden oft noch lange weiter über solche Themen und die Reaktionen.

    Ich glaube weiterhin, dass Freds Artikel seine Berechtigung hat und verteidige ihn gegen die Meinung, dass er nicht hätte veröffentlicht werden sollen. Ich teile einige der Meinungen, die hier aufgekommen sind, überhaupt nicht und die Fragen, die Fred aufwirft, sind keine unwichtigen. Vielleicht kann man aber die generelle Debatte besser später nochmal aufnehmen, möglichst in einem „neutraleren“ Zusammenhang.

    Denn ich glaube, der Zeitpunkt kann tatsächlich der falsche gewesen sein. Ein paar Tage Abstand hätten vermutlich genügt, um die Diskussion nicht auf so vielen Ebenen gleichzeitig führen zu müssen, was ja für alle schwierig und vor allem im Zusammenhang mit dem Tod von Robert Enke nicht besonders angebracht ist.

  76. 76
    Frédéric Valin

    Ich bin – anders als Johnny – der Meinung, der Artikel kam zum richtigen Zeitpunkt. Die meisten Reaktionen zeigen mir, dass ich mit meinen Vermutungen nicht daneben liege.

    Ich habe keinen einzigen Beweis für die Depressionen Enkes gelesen. Er hat sich umgebracht, also muss er krank gewesen sein, dass ist der Zirkelschluss. Und die oben beschriebene Pathologisierung des Selbstmordes.

    Um mal in die ganzen Mutmaßungen einzufallen: Tatsächlich hätte bis vor einer Woche niemand gesagt, Enke ist krank. Er war ein Vorbild in Sachen Entschlossenheit und Entscheidungsstärke, wie die meisten Leistungssportler. Weder sein Psychiater noch seine Ehefrau wussten von seinen Absichten. Hinterher habens alle gewusst.

    Na klar dominiert hier die psychiatrische Sicht, das merkt man deutlich in den Kommentaren. Die dominiert auch anderswo, ich fand es wichtig, eine andere Herangehensweise aufzuschreiben.