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„I’m nostalgic for an underground“ — Interview mit 7 Indielabelchefs

Wir haben uns an dieser Stelle bereits das ein oder andere Mal die Köpfe heiß geredet, wie es denn nun weiter geht mit der Popmusik und ihrer Industrie. Wie wir uns sicherlich alle über die Veränderungen, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, einig sind, so unterschiedlich sind die Vorstellungen, welche Konsequenzen das nach sich ziehen soll. Ein konsenzfähiges, nachhaltiges und verhältnismäßiges Modell scheint sich nicht abzuzeichnen (Da schließ ich Merchandising, Konzerte und Kulturflatrate mit ein, ein Mischkonzept aber nicht aus.). Und abgesehen unserer Einigkeit in der Empörung über die Majorlabel macht sich ab einem bestimmten Punkt Ratlosigkeit breit. Umso interessanter, an einem solchen Punkt zu hören was die andere Seite sagt. Nicorola hat vor ein paar Wochen aus ähnlicher Motivation die Rubrik „Seitenwechsel“ gestartet, in der die Bands einmal zu Wort kommen. Noch spannender ist das sehr ausführliche Interview, das Carrie Brownstein vom NPR-Blog Monitor Mix jetzt mit den Chefs von 5 Indielabels geführt hat.

Wenig überraschend, haben auch die Indies keine fertige Strategie in der Schublade, sind aber doch besser über die Lage informiert, als man so manches Mal befürchten musste. Darüber hinaus entlockt ihnen Carrie Brownstein einige spannende Fakten, die, wenn man sie alle gemeinsam betrachtet, sehr wohl Lösungsansätze zeigen. Gerard Cosloy von Matador fäßt ganz gut zusammen:

I think we have a scenario these days where folks (young, old, whatever) can list 40-50 „fave“ bands on their social-networking profiles without actually owning a single record by any of ‚em. There’s loads of free content on the web (much of it produced or paid for by labels themselves), and if it comes down to buying a ticket or buying a record, a lot of fans would rather buy a ticket.

Der Einfluss der Musikliebhaber, wie zum Beispiel der Vinyl-Käufer würde überschätzt, fügt Cosloy an. Später erfährt der Leser von den inzwischen so hohen Produktionskosten der schwarzen Scheiben, dass die Labels mit ihnen unter allen Formaten den wenigsten Gewinn machen und jeder inzwischen überlegt, materielle Spar-Versionen einzuführen. Gleichzeitig loben die Chefs die Entwicklung, jeder Schallplatte auch die Downloadcodes beizulegen. Mac McCaughan von Merge:

Why make people pay twice? If it’s our job to create music fans, it can’t hurt to let them know we’re not out to rip them off.

Zum ersten Mal ahnt man, dass die Plattenfirmen nicht nur verstanden haben, sondern auch wissen was gut für ihre Kunden ist. Man erfährt wie die Labels auf die veränderten Kaufgewohnheiten hin zur Single weg vom Album reagieren, Chris Swanson Chef der Labels  Jagjaguwar, Secretly Canadian und Dead Oceans zieht dabei eine interessante Parallele:

I feel like full iPods are an illustration that a large part of the population now consumes music like they did in the ’60s. It’s primarily singles-driven, or track-driven. It feels like a jukebox culture with iPods so ubiquitous. People are generally more into songs right now than bands, albums or labels.

Überhaupt sei die Formatfrage diverser als je zuvor. Bands mit langer Geschichte und dickem Backkatalog würden prozentual mehr CDs verkaufen als jüngere Bands, daraus ließe sich aber kein Gesetz ableiten, denn das wechsle auch von Genre zu Genre.

Kurz darauf wird das Verhältnis zu Blogs, Neuen Medien und vor allem die Vormachtstellung von Pitchfork thematisiert. Eine 9.1-wertige Review des Onlinemagazins könnte einen Hit machen, eine Leistung die die Traditionellen wie Rolling Stone und New York Times schon lange nicht mehr vollbrächten. Gleichzeitig sehen die Labels die Allmacht Pitchforks, zumindest in den US, ambivalent und wünschten sich eine größere Breite in der Blogmusikerstattung. Eine Gegenkultur, die sich für die Kleinen bereits bezahlt gemacht hat. Portia Sabin von Kill Rock Stars:

A weird thing for us is that, no matter what song off an album we give away as a free MP3, that song is always the most-purchased song off that album.

Die anderen Labelchefs stimmen ein und man hat plötzlich das Gefühl, dass sie zum ersten Mal nicht so niedergeschlagen sind.

Das Gesprächsprotokoll dieses runden Tisches, wie Carrie Brownstein ihn nennt,  fängt ein wenig zäh an, der eng gesetzte Text macht das Lesen nicht gerade angenehmer, aber die Innenansichten sind es allemal wert ihn komplett zu lesen.

Roundtable Discussion: The Role Of The Record Label

[via]

4 Kommentare

  1. 01

    Danke, das ist alles sehr richtig und gut.

  2. 02

    Man sieht hier ein bisschen das, was in der Diskussion oft übersehen wird. Nicht die Labels entscheiden über die Zukunft der Musikbranche, sondern die Fans. So sehr es auch mir Spaß macht, über das was kommt zu spekulieren, wahrscheinlich wird es ganz einfach sein: Eine Menge Menschen werden Musik machen. Die allermeisten von ihnen werden wenig bis gar nichts damit verdienen. Die anderen kommen mit den existierenden Einnahmequellen (z.B. Konzerte, Merchandising) knapp über die Runden. Und ganz wenige werden sehr gut davon leben können, weil sie von den Mainstream-Medien entdeckt werden, weil jeder ihr YouTube-Video gesehen hat oder durch irgendeinen anderen Publicity-Stunt, den wir jetzt noch nicht kennen. Aber generell glaube ich, dass die größten Veränderungen unserer Zeit in dieser Branche bereits vollzogen wurden.

  3. 03

    „A weird thing for us is that, no matter what song off an album we give away as a free MP3, that song is always the most-purchased song off that album.“ ist für sich alleine schon so groß, danke!