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Bagatellen: Es ist angerichtet!


Es stimmt schon, wenn die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Ingrid Schmidt sagt:

Seit Jahrzehnten sagt die Rechtsprechung: Diebstahl und Unterschlagung auch geringwertiger Sachen sind ein Kündigungsgrund. Es gibt in dem Sinne also keine Bagatellen.

Und es ist auch richtig, dass das Arbeitsverhältnis ein besonderes Vertrauensverhältnis darstellt. Trotzdem ist es schlimm, wenn Kündigungen wegen sechs Maultaschen oder eines Kassenbons ausgesprochen werden. Schlimm ist nicht die Rechtslage; schlimm ist, dass es Arbeitgeber gibt, die tatsächlich wegen solcher Bagatellen eine Kündigung aussprechen. Es ist nicht Aufgabe des Rechts, Einzelregelungen wie Bagatellgrenzen auszuarbeiten.

Das sollte mal jemand den SPDlern sagen, die den Rauswurf wegen Bagatelldelikten verbieten lassen wollen. Dass einem Arbeitnehmer gekündigt werden kann, weil er einen Stift mit nach Hause nimmt, ist kein Zustand, mit dem man sich zufrieden geben kann, schon klar. Aber das Gericht ist nicht der richtige Ort, um daran etwas zu ändern. Mit solchen Forderungen produziert man nur Papier und ziemlich viel Getöse.

Es ist ja grundsätzlich zu begrüßen, wenn die SPD ihr Herz für die Unterprivilegierten wiederentdeckt. Noch begrüßenswerter allerdings wäre es, wenn sie sich bei ihrer Reconquista zu praktikablen und sinnvollen Vorstößen durchringen könnte.

(Gleiches gilt für Grüne und Linke, die sich zumindest in Konstanz mitanschicken, der SPD bei ihrem Unfug beizuspringen.)

44 Kommentare

  1. 01
    Quintlet

    Vielleicht könntest du noch erläutern, was genau an einem gesetzlichen Verbot unpraktikabel und nicht sinnvoll ist. Und wie sähe ein „praktikabler und sinnvoller Vorstoß“ aus? Soll Gabriel durch Deutschland touren und jedem Arbeitgeber persönlich ins Gewissen reden? Oder möchtest du lieber einfach ein paar Jahrzehnte warten, bis die erwünschte Moralvorstellung die Gesellschaft durchdrungen hat und es undenkbar erscheint, wegen Lappalien eine Kündigung auszusprechen?

    P.S.: Konzerne sind keine moralischen Wesen.

  2. 02
    Frédéric Valin

    @#742699: Zweierlei daran ist inpraktikabel; beide Punkte haben mit der Bagatellgrenze zu tun.

    Erstens, das ist auch das Beispiel von SChmidt: Sagen wir, man nimmt eine Bagatellgrenze von (willkürlich) 5 Euro. Dann kann man den ganzen Fall bei 5 Euro zehn nochmal durchspielen.

    Zweitens werden die Bagatellen in verschiedenen Bereichen nicht immer die gleichen sein. Bei einem Bäcker sind es meinetwegen drei Brötchen, bei einem Juwelier ein Ring. Bei einem Bauunternehmer ein paar Schrauben, bei einem Luxuslebensmittelladen eine Dose Kaviar. Wo ist da die Grenze?

    Und tatsächlich reicht das momentane Recht dazu aus, das zu regulieren. Es ist ja momentan so, dass, wenn ein Metzger von der Schinkenwurst nascht, er nicht gekündigt wird. Sprich: Es wird nicht wegen jeder Lappalie eine Kündigung ausgesprochen, sondern nur dann, wenn anzunehmen ist, dass der Angestellte wissentlich gegen Weisungen handelt.

    Konzerne mögen keine moralischen Wesen sein, aber wir sprechen hier nicht nur von Siemens und Bayer, sondern in den bisherigen Fällen vom Einzelhandel.

  3. 03
    br

    Hm … ob es wohl gereicht hätte, wenn Sigmar Gabriel auf dem letzten Unternehmertag den Damen und Herren Arbeitgebern aufgerufen hätte, in Zukunft niemanden mehr wegen solcher Bagatelldelikte aus einem Betrieb zu schmeißen?
    Das Problem ist doch, dass es gemacht wird und die Justiz nicht einschreitet bzw. nicht einschreiten kann.
    Was wäre denn besser? Alles so lassen wie es ist und hoffen, dass es bei den Arbeitgebern „Einkehr“ gibt, wie es sich auch unser Bundes-Hotte wünscht? Das hat auch schon bei den unwürdigen Niedriglöhnen nicht geklappt, weshalb die SPD (übrigens schon dann nicht gänzlich blind auf dem Arbeitnehmerauge) sich gemeinsam mit Grünen und Linken auch für Mindestlöhne eingesetzt hat.

  4. 04
    kreti

    Was wirklich praktikabel für den Unterschichtler ist:
    sich kündigen lassen und aussteigen aus der Ausbeutung. Arbeiten im Angestelltenverhältnis bringt heute- wenige Ausnahmen bestätigen die Regel- weniger Geld als Hartz IV. Also heißt es nach der Beschuldigung wegen Diebstahls oder ähnlichen Vorwürfen: noch ein wenig pokern wegen einer möglichen Abfindung und dann erstmal Hartz. Und dann überlegen, wie man ganz legal was nebenbei verdienen kann und daraus dann bei Möglichkeit eine Selbstständigkeit machen. Wer heute noch Arbeitnehmer ist, macht was falsch.

  5. 05
    kannitverstann

    Warum sind diese Kündigungen ein Problem? Einfach mitspielen, in Hartz IV gehen( die Löhne sind heute so abgesenkt, daß man da auch nicht weniger hat). Und dann ganz legal nebenverdienen und vielleicht eine Selbstständigkeit starten…

  6. 06
    Frédéric Valin

    @#742702: Vermutlich hätte das nicht gereicht. Aber man kann doch nicht etwas machen, aus dem einzigen Grund, das etwas anderes auch nicht funktioniert, oder?

    Ich weiß ehrlich nicht, was besser wäre. Ich denke, eine stärkere Solidarität unter Arbeitnehmern wäre hilfreich. Durchsetzungsfähigere Gewerkschaften. Zumindest in Frankreich funktioniert das sorum (wobei „funktionieren“ hier nicht heißt: „alles läuft super“).

  7. 07

    Wenn 100 Mitarbeiter einmal in der Woche etwas „naschen“, das 1 Euro wert ist, sind es im Monat 400 Euro. Was toleriert wird, das macht der Mensch, weil er so ist. Die SPD glaubt an das Gute im Menschen, aber so gut ist der Mensch eben nicht. Ich sehe schon die Diskussionen:

    Chef: „Sie nehmen seit sechs Monaten wöchentlich, zwei Kugelschreiber mit nach Hause.“

    Angestellter: „Das OLG Hamburg hat in einer Entscheidung vom soundso entschieden, dass bei einem Gesamtwert von bis zu 2 Euro im Monat kein Kündigungsrecht vorliegt. Ihre Einwände sind nicht haltbar, Herr XY, ich werde auch künftig diese Kugelschreiber mitnehmen, weil sie mir zustehen. Es sind Bagatellen, mein Herr. Die SPD steht hinter mir.“

    Dann kommt gleich die Gewerkschaft und der Betriebsrat ins Spiel.

    Gerade bei kleinen Unternehmen wäre das fatal. Jeder weiß doch, was man in einem Unternehmen darf oder nicht.

    Nehmen wir mein Beispiel. Wenn das 100 Mitarbeiter einen Monat lang so machen, sind es 200 Euro. Einzelfälle bleiben nur Einzelfälle, wenn die Rechtslage nicht die Regel daraus macht.

    Und wie ist es denn im Privaten? Wenn mir einer drei Euro klaut, bin ich sauer. Sollen Unternehmer nicht sauer sein? Nur weil es Unternehmer, „Ausbeuter“, sind?

    Ich glaube, all die Pfandboneinstecker und Maultaschenesser wären auch echt stinkig, wenn man ihnen was wegnimmt. Wo will man denn die Grenze ziehen?

    Populismusquark nach Art der SPD.

  8. 08

    Was mich daran stört: Es wird hier suggeriert, dass man sich als Arbeitnehmer buchstabengetreu an seinen Vertrag und die gesetzlichen Vorgaben zu halten hat – nicht mehr und nicht weniger.

    Mal ehrlich: Welcher Betrieb würde funktionieren, wenn alle nur Dienst nach Vorschrift machen?

    Eben. Und genau deswegen muss man auf beiden Seiten ein gewisses Maß an Großzügigkeit erwarten dürfen. Diese Großzügigkeit hat sicher Grenzen, aber diese Grenzen liegen ganz sicher oberhalb von 1 €.

  9. 09

    was soll denn das liberale gestammel hier? is ja unterträglich.

  10. 10
    Frédéric Valin

    @#742707: Um Dienst nach Vorschrift geht es nicht unbedingt, sondern um Betrug, Diebstahl oder persönlicher Bereicherung am Arbeitsplatz. Und da liegen die Grenzen der Rechtsprechung unter einem Euro.

    Aber: „Nicht nur aus diesen Gründen hält Arbeitsrechtler Jobst-Hubert Bauer die Initiative der Sozialdemokraten für falsch: „žDie SPD geht offenbar davon aus, die Arbeitsgerichte würden jede Kündigung bei Eigentumsdelikten billigen. Ein Blick in die juristische Fachliteratur zeigt schnell, wie falsch diese Annahme ist.“ Ansatzpunkt sei zwar immer, dass ein Diebstahl an sich ein Kündigungsgrund ist. Doch dann folge eine umfassende Interessenabwägung, in der selbstverständlich auch die Schwere des Vergehens und die Dauer der Betriebszugehörigkeit gewürdigt würden, sagt Bauer.“

    http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/arbeitsrecht-neuer-streit-um-kuendigungsschutz;2502911

    (Insgesamt ein lesenswerter Artikel zum Thema.)

  11. 11
    br

    Das Problem ist doch, dass die derzeitige Nicht-Regelung auch von Arbeitgebern ausgenutzt wird, um missliebige Angestellt loszuwerden. Ist zuletzt bei dem Großhändler Citti passiert, wo eine Hand voll Lagerarbeiter je eine Milchschnitte gegessen haben, ohne zu bezahlen. Zufällig wurde aber nur dem einen gekündigt, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so belastbar war wie die Kollegen.
    In solchen Fällen kann man doch nicht einfach zuschauen und hoffen, dass es vielleicht mehr Solidarität unter Angestellten gibt … die Hoffnung ist in Zeiten von Leih- und Zeitarbeit und angesichts der Perspektiven als ArbeitsloseR wohl vergebens.
    Ein Modell, das (soweit ich weiß) auch von der SPD ins Spiel gebracht wurde, sieht zumindest eine Abmahnung vor, bevor die Kündigung ausgesprochen wird – dann wird einE AngestellteR nicht Knall auf Fall rausgeschmissen und die Probleme mit den Bagatellgrenzen gibt’s dann auch nicht (gegen eine Abmahnung wegen eines 50-cent-Diebstahls kann man ja immer noch versuchen, sich juristisch zu wehren).

  12. 12
    kannitverstann

    @10 natürlich ist die Bagatellkündigungswelle der übrigens erfolgreich Versuch der Arbeitgeber, teure langjährige Mitarbeiter durch Billigkräfte zu ersetzen. Das ist erstmal der Zug der Zeit, und als früherer Gewerkschafter und Betriebsrat weiß ich, daß ein Kampf gegen diese Windmühlen völlig sinnlos ist. Unsere seinerzeitigen Aktionen ( 2001 bis 2004) haben die Entwicklung in die Asozialität im Berliner zeitungszustellwesen höchstens unwesentlich gebremst, vielleicht für 2 Jahre. Inzwischen arbeiten die früher gutverdienenden Zusteller als 7-Tage- Nachtarbeiter für 500 Euro und stellen dazu noch 2-3 mal wöchentlich Post zu. Wie gesagt, für den Pauschallohn von 500. wer engagiert mitarbeitet, kriegt vom Chef vielleicht mal nen 50er schwarz zugesteckt.
    Man muß die Realitäten im Extremkapitalismus anerkennen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, siehe mein Kommentar 4.

  13. 13
    Lars

    Es gibt im Prinzip schon derzeit eine klare Regelung, wie mit Bagatelldelikten verfahren wird. Jedes Arbeitsgericht entscheidet ob der Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber gekündigt werden kann, anhand der Tatsache ob die Kündigung, also das Interesse des Arbeitnehmers, den Interessen des Arbeitnehmers, also der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, überwiegt. Da der Arbeitsvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist, wird nicht wie beim Strafrecht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft betrachtet. Dies bedeutet, dass das Gericht entscheidet, ob durch den Klau das Vertrauen des Arbeitgebers in seinen Arbeitnehmer zerstört ist.

  14. 14

    Arbeitsrecht ist im Wesentlichen Richterrecht, da macht die Rechtsprechung zu (Verdachts-) Kündigungen wegen Delikten keine Ausnahme. Insofern stimmt die Behauptung, ein Gericht sei nicht nicht richtige Platz, um die aktuelle Misere zu ändern, nicht – die Fehlstellung findet in der Rechtsprechung des BAG ihren Ausgang, und sie könnte (und sollte) dort auch korrigiert werden.

    Ich habe den Eindruck, dass diejenigen, die Bagatelldiebstähle als echten Kündigungsgrund betrachten, noch nie als kleiner Angestellter gearbeitet haben. Solche „Delikte“ sind in den meisten Betrieben schlicht Praxis und stellen im ganz üblichen Regelfall auch keinen „Vertrauensbruch“ dar. Das wissen zum Glück auch die meisten Vorgesetzten.

    Und dieser Satz:

    „Es ist nicht Aufgabe des Rechts, Einzelregelungen wie Bagatellgrenzen auszuarbeiten.“

    … zeigt schlichte Unkenntnis darüber, was „Aufgabe des Rechts“ ist. Es ist exakt Aufgabe des Rechts, Abgrenzungsregelungen auszuarbeiten, die dann später in Einzelfallentscheidungen münden. Das betrifft insbesondere Bagatellgrenzen, die nichts anderes darstellen als besondere Ausprägungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das Strafrecht z.B. ist voll mit Bagatellgrenzen, und es hat sich bisher noch kein Strafrichter darüber beschwert, dass er z.B. entscheiden muss, was eine „geringwertige Sache“ ist (§ 248a StGB). Dass Frau Schmidt diese Aufgabe offenbar für schwierig hält, spricht Bände.

  15. 15

    Ich bin eigentlich der Meinung, dass nur sehr selten so ein Bagatellgrund der echte Grund sein wird. Meistens sind die wahrscheinlich vorgeschoben, weil die echten Gründe arbeitsrechtlich nicht zulässig wären. Und das ist aus meiner Sicht das Kernproblem beim deutschen Kündigungsschutz: Arbeitgeber müssen sich teilweise aberwitzige Gründe an den Haaren herbeiziehen, um Leute loszuwerden, die das Unternehmen und damit auch ihre Kollegen ausnutzen.
    So gesehen sehe ich in dem Bereich auch am ehesten einen Ansatzpunkt, diese leidige Bagatellgeschichte zumindest kleinzuhalten.

  16. 16

    Ich habe mich mal mehr mit der Pfandbon Geschichte auseinander gesetzt und die Sache verfolgt.

    Als es zu anklage gegen die Kassiererin gekommen ist, dachte die Sache ist Glasklar, Kündigung unwirksam, weil a: der AG kann gar nicht nachweisen das der AN mit absicht den Bon mitnahm und für sich privat nutzte.

    Aber wie wir wissen die Kündigung ist wirksam, weil, „Verdachtskündigung“, der Arbeitgeber darf bereits bei dringendem Verdacht eines untreuen Mitarbeiter diesen kündigen. Das ist vielleicht nicht das Problem, ich finde nur das schlimme, das die Rechtsprechung die eine Umkehrung der Rechtslage zulässt, das der Beklagte seine Unschuld beweisen muss, das halte ich für einen Schritt ins Mittelalter.

  17. 17
    Nico

    Sry, Doppelpost. Bitte löschen.

  18. 18
    Nico

    Die Frau BAG-Präsidentin hat sich offensichtlich mit den Fällen nicht auseinandergesetzt. Da hat jemand von einem Buffet genascht und nicht etwas in böser Absicht geklaut. Deswegen zu kündigen, ist einfach nur kleinlich. Und ein andermal wurden liegengebliebene Pfandquittungen eingereicht. Ja herrje. Sie hat nicht zwanzig Quittungen ausgestellt und nur eine Flasche abgegeben. Da wurde auch nichts geklaut, also bitte.

    Bei jeder Art von Diebstahl können wir gerne noch einmal diskutieren, aber das war kein Diebstahl, das waren unüberlegte Handlungen, die mit einer Verwarnung geklärt gewesen wären.

    Und für die Häufung von Einzelfällen ließe sich auch ein gesonderter Absatz formulieren, so schwer ist das nicht.

  19. 19
    Nico

    Sry, Doppelpost. Bitte löschen.

  20. 20

    Unterschlagung:
    Ein Mitarbeiter hat die Befugnis auf Konten o. Barmittel zuzugreifen…
    Wird eher Firmenintern gehandhabt.
    Diebstahl
    Ist allgemein Anzeigepflichtig, wenn es von öffentlichen Interesse ist

    Ohne fundiertes Rechtswissen zu besitzen,
    glaube ich, dass es keinen besonderen Mundraubparagraph bedarf.
    Soll so bleiben wie es ist.

  21. 21
    Stirle

    Bravo – guter Beitrag, Frederic.

  22. 22

    Ich habe mich mal mehr mit der Pfandbong Geschichte auseinander gesetzt und die Sache verfolgt.

    Als es zu Anklage gegen die Kassiererin gekommen ist, dachte die sache ist Glasklar, Kündigung unwirksam, weil a: der AG kann gar nicht nachweisen das der AN mit absicht den Bon mitnahm und für sich privat nutzte.

    Aber wie wir wissen die Kündigung ist wirksam, weil „Verdachtskündigung“, der Arbeitgeber darf bereits bei dringendem Verdacht eines untreuen Mitarbeiter diesen kündigen, das vertrauenverhältnis ist ja gestört. Das ist vielleicht nicht das Problem, ich finde nur das Schlimme, das die Rechtsprechung hier eine umkehrung der Rechtslage zulässt, das der Beklagte seine Unschuld beweisen muss, das halte ich für einen Schritt ins Mittelalter.

    http://www.juraexamen.info/der-emmely-prozess-auserordentliche-verdachts-kundigung-wegen-130-e/

  23. 23
    Herms

    „Es ist nicht Aufgabe des Rechts, Einzelregelungen wie Bagatellgrenzen auszuarbeiten.“ Vielleicht muss es dies doch sein. Firmen als juristische Personen kennen nur ein Ziel: Profit. Als solches besitzt eine Firma keine korrektive Moral und kein Gespühr für Bagatellfälle. Eine Firma vertritt den kapitalistischen Gedanken ohne Einschränkung und ohne Verstand.

  24. 24

    @#742733: da gibs es die Dokumentation „The Cooparation“

  25. 25
    Sten

    Es ist doch völlig klar (und wird soweit ich weiß von SPD & Gewerkschaften auch so verlangt), dass Bagatellgrenze nicht heißt, dass jeder Arbeitnehmer jetzt jeden Tag Waren im Wert von 5 € mit nach Hause nehmen darf, sondern das die sofortige Kündigung (und die unselige Verdachtskündigung) wegfallen und durch Abmahnungen ersetzt werden. Wer dadurch gemerkt hat, bei was für Ausbeutern er angestellt ist, wird schon nicht wieder ein Brötchen essen/Handy aufladen/Pfandbons einlösen.

    Der wahre Skandal ist doch, dass Manager, die mit einer firmeneigenen Kreditkarte Privatausgaben von umgerechnet rund 83 Euro bezahlt haben, nicht gekündigt werden durften, da „ein derart geringfügiger Betrag allein keine außerordentliche Kündigung rechtfertige“. Wenn Fälle von Wirtschaftskriminalität ab mittleren Managment überhaupt angezeigt werden. Von der Verschleuderung von Millionen Euro Firmenvermögen und/oder Steuergeldern ganz zu schweigen.

  26. 26
    mackenzen

    @#742706: du bist meiner meinung nach dann doch viel zu schnell sauer! drei euro: meine guete das kommt ja schon regelrecht spiessig rueber! wenn dein nervenkostuem schon bei drei geklauten euro zittert meine guete! wenn mir drei euro geklaut werden lach ich drueber! ja aber schon klar materieller besitz darum gehts: um buergerlich gesetzlich geregelten besitz und GELD: das ist ganz wichtig! etwas anderes kann man den allermeisten ja eh nicht mehr ‚abnehmen‘ es ist anscheinend einfach nicht mehr viel anderes uebrig als der ganze schei** zum anfassen…

    @#742741: genau DAS ist der wahre skandal…

  27. 27
    RA

    Ganz ganz schwieriges Thema… Dass sich da was tun muss, ist denke ich allen klar. Aber in welche Richtung das gehen sollte… Binnsch überfragt.

    @Herms(23):

    Gibt auch Firmen, die das Ziel „überleben“ haben. Oder „Beschäftigung“. Nicht jeder Firmenchef steckt jeden Cent in ne Finanzierung für nen CL 65 AMG, weisste?

  28. 28
    Herms

    @RA(29):
    Wie immer: Schwarz/Weiß ist nicht alles. Allerdings halte ich diese Sorte der Arbeitgeber für eine aussterbende Gattung.

    In dieser Hinsicht ist allerdings die Meldung aus der Maschinenbau-Branche der letzten Tage verwirrend. Man gehe von einem harten Jahr 2010 aus, möchte allerdings jegliche Entlassungen vermeiden, da man um den Bedarf für den nächsten Aufschwung weiß. Hier scheinen Angebot und Nachfrage an Arbeitskraft in einem für Firmen ungünstigen Verhältnis zu stehen, wenn hire&fire nicht möglich ist.

  29. 29
    Bob

    Leute werden nicht WEGEN dieser Bagatelldelikte gekündigt. Die Chefs wollen in diesen Fällen die Leute sowieso loswerden und die Bagatelle ist nur die Möglichkeit den lästigen Kündigungsschutz auszuschalten.

    Es geht nicht um Vertrauensverhältnisse oder son Blödsinn. Vor allem gehts nich um Maultaschen.

  30. 30
    Golume

    Wieso ist das mit Puderzucker betreuten Maultaschen illustriert?

  31. 31
    Mike

    @#742706: Schon mal das Mittel der Abmahnung gehoert…?

  32. 32
    rofl

    Schon der zweite Knaller den ich hier in kurzer Zeit lesen muss.

    Eventuell nur ausgeschlafen und nüchtern bloggen oder bei gewissen Themen vieleicht mal gleich auf Herrn Nuhr hören …

  33. 33
    Jan(TM)

    @#742795: Ach der Herr Nuhr, hört ja leider auch nicht auf den Herrn Nuhr.

  34. 34

    Und, Frédéric – den Mitgliedsantrag bei den freien Demokraten schon ausgefüllt?

  35. 35

    @Frédéric Valin: Lass dir nichts einreden. Es ist zwar eine Weile her, aber ich glaube, deine Prophezeiung wird noch wahr.

  36. 36
    Mister t

    Das Problem ist das Verschwinden von Unternehmenskultur und zwar auf beiden Seiten – jeder versucht das meiste rauszuholen, was nur geht. Und das ist weder auf Arbeitgeber- noch auf Arbeitnehmerseite eine positive Haltung.

    Interessant finde ich vor allem, dass hier in den Kommentaren die Gräben wieder tief genug ausgehoben sind, dass jede Meinung, die nicht reflektionslos Partei für den Arbeitnehmer ergreift, sofort ins rechtsliberale Lager aussortiert wird. Wenn derartige ideenlose Reflexeinschätzungen wieder Basis für linkes Denken werden, wird Frau Merkel Kohl noch um ein paar Jahe überbieten können.

  37. 37

    mE manifestieren bagatellgrenzen nur die ausnutzung der bagatellen. wer das bezweifelt, der muss sich selbst nur mal beim ausfüllen der steuererklärung beobachten.

    @36: unternehmen sind vielfach schon lange nicht mehr von unternehmern geführt. in diesem sinne ist auch das klima. dass die arbeitnehmer da keinerlei skrupel haben ihren rahmen auszuschöpfen haben diese unternehmen selbst herbeigeführt.

    gerade beim thema einzelhandel reden wir da von der richtigen branche…

    es dürfte aber auch so sein, dass die stimmung im unternehmen den gegenseitigen ausnutzfaktor bestimmen. es wird weiter oben etwas ins lächerliche gezogen, dass gabriel ggü. den arbeitgebern auf stimmungstour gehen könnte.

    das verhindert die frage, was die politik zu diesem klima beigetragen hat. z.b. durch die schaffung von 1-euro-jobs oder den ausbau der zeitarbeit? also der generellen beförderung atypischer arbeitsverhältnisse.

    wenn man etwas kritisieren wollte, dann doch eher die fehlenden korrekturen dahingehend und nicht das reflexionsartige widersprechen ggü. dem rumdoktorn an irgendwelchen sympthomen.

    mfg
    mh

  38. 38
    homer

    Wenn jemand Pfandbons in meinem Haus findet und selber einsteckt obwohl die Person genau wissen müsste das das meine sind bin ich auch angepisst.

    und wenn diese Person auch noch versucht mir ständig ans Bein zu pissen(Gewerkschaftsaktivitäten) dann würd ich der absolut nicht mehr Vertrauen können!

    Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht!

  39. 39
    Frédéric Valin

    @#742711: Das Problem bei citti war, dass der Arbeitnehmer im Moment, als er mit der Milchschnittengeschichte konfrontiert wurde, eine Einwilligung unterschrieb, dass er kündigen würde. Da hätte ihm eine andere Gesetzeslage auch nicht viel geholfen, denke ich. Kommt drauf an, was in den Papieren stand, aber generell ist das sein Problem gewesen.

    @#742919: Ich sehe das auch so. Ich sehe nicht, wie die Justiz das ohne übertriebenen Aufwand lösen könnte.

  40. 40
    Luxn

    Es ist doch klar, dass jeder, der sich etwas zu Unrecht aneignet, den Schaden ersetzen muss. Auch wenn es eine Bagatellgrenze geben sollte muss ein Arbeitnehmer (AN) doch alles bezahlen was er sich nimmt. Da komme ich mit verschiedenen Rechnungen wieviel das einen Arbeitgeber kostet (siehe oben) überhaupt nicht mit.
    Obendrein ist es ne Unterstellung, dass die AN eine entsprechende Regelung ausnützen würden.

    Ich bin sicher, dass es Fälle gibt, die das Vertrauen zerstören können.(Spionage etc.) „Diebstahl“ von Pfandbons und Maultaschen vom Buffet sind dazu wohl eher ungeeignet. Warum nicht einfach den Schaden zurückfordern und fertig?
    Das Vertrauensverhältnis wird durch das Wittern von Betrug in allen Bereichen wohl viel eher zerstört.
    Meiner Meinung nach sollte der Gesetzgeber dieser Art Schein-Gründe keinen Vorschub leisten.

    Ich kenne Arbeitgeber die in diesem Bereich durchaus großzügig sind, trotz Gewinnstreben. Leider kann man diese Art Gutmenschen nicht verordnen.

  41. 41
    Frédéric Valin

    @#742931: In beiden Fällen irrst Du Dich über den Grund des Vertrauensbruch. Tatsächlich wurde im Fall Emily der Kassiererin die Bons zur Aufbewahrung anvertraut. Als herauskam, dass die Bons verschwunden waren, stritt sie zunächst die Tat ab, um daraufhin eine Kollegin der Tat zu beschuldigen. Das war der Vertrauensbruch.

    Im Maultaschenfall hat sich die Pflegerin über eine direkten Weisung ihres Vorgesetzten hinweggesetzt, die genau das untersagte, was sie tat: Lebensmittel mit nach Hause nehmen. Diese Weisung (wie sinnlos oder -voll sie auch sei, sei mal dahingestellt) war ihr bekannt.

    Es ging in beiden Fällen nicht um ein paar Cent. Genauso wie jedes Gericht die Fälle abzuwägen hat, muss man sich auch bei der Beurteilung der Fälle die Hintergründe ansehen. Es ist nicht so, dass Arbeitsgerichte jeder Kündigung beipflichten, wenn man sich bei der angebrochenen Butter aus dem Schrank der eigenen Bäckerei bedient.

  42. 42
    Luxn

    @#742935: Zugegebenermaßen bin ich nicht mit allen Details der beiden Fälle vertraut. Aber soviel ich gelesen habe finde ich es bezeichnend, dass ,im Pfandbon-Fall, gerade die (einzige?!) gewerkschaftlich engagierte Mitarbeiterin mit einer solchen Begründung gefeuert wird, und dass diese Kündigung durch das Gericht durch das _nachträgliche_ Verhalten der Kassiererin vor Gericht gerechtfertigt wird. (könnte übersetzt heißen: unterstelle mir was du willst und bringe mich anschließend dazu mich falsch zu verhalten, dann rechtfertigt das deine ürsprüngliche Unterstellung)

    Im Maultaschenfall hat der Arbeitgeber soweit ich weiß verfügt, dass das Essen der Heimbewohner nicht mitgenommen werden dürfe – stimmt.
    Stattdessen soll es lieber im Müll landen!
    Um was geht es denn da? Ist das nicht pure Bürokratie? Dasselbe mit ist es mit Supermarktabfällen, die in irgendwelchen verschlossenen Hinterhöfen verrotten, damit bloß kein hungriger Mensch sich daran bereichert.

    Für mich zweimal nogo.

  43. 43

    @#742953: Im ersten Fall ist mir das zu verschwörungstheoretisch. Ich denke, wenn eine Kassiererin eine andere einer Straftat beschuldigt, die sie selbst begangen hat (so gering sie auch sein möge) und für die sie oder eben die Kollegin gefeuert werden könnte, ist das Betriebsklima im Sack.

    Bei zweiterem weiß ich nicht, ob es dazu nicht hygienische Verordnungen gibt. Ich finde es auch übertrieben, aber gängig. Da ich das aus zweier meiner ehemaligen Einrichtungen kenne, frage ich mich, ob solche Verordnungen nicht auf hygienische Richtlinien beruhen; aber ich spekuliere.

    Eine Abmahnung tuts in einem solchen Fall völlig, das glaube ich auch. Aber das Problem ist, dass das Gesetz die Grenze zieht bei einer Straftat, die der Arbeitnehmer begeht. Wo, wenn nicht da, soll der Gesetzgeber die Grenze ziehen?