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Frank Rieger (CCC) über den Mensch als Datensatz

Ich kam erst am Wochenende dazu, den Artikel von Frank Rieger, der u.a. Sprecher des Chaos Computer Clubs ist, zu lesen, den er unter dem Titel „Der Mensch wird zum Datensatz“ für die FAZ verfasst hat.

Nun kann ich den Text jedoch von ganzem Herzen empfehlen.

5 Kommentare

  1. 01

    Ein wirklich sehr interessanter Text. Ich habe an die Fernsehserie Numbers gedacht und daran, dass ich den Schockwellenreiter von John Brunner gelesen habe, aber nicht mehr weis, worum es im Buch ging.

    Es ist ein bißchen wie Online-Banking. Wir Benutzer von Facebook schreiben unsere Kaffeehausgespräche selber auf – keiner muss mehr lauschen und sie in geheimen Akten schreiben und aufbewahren.

    Aber wer gibt denn sein wirklich Inneres im Internet preis?

    Ich habe bei Facebook noch nie ein ernsthaftes Gespräch gelesen. Es ist doch einfach nur Small Talk.

    Gruß Susanne

  2. 02
    OWeh

    Ah, jetzt weiß ich, wo Onkel Schirrmacher sich hat inspirieren lassen. So ab Seite 99 (schwer zu sagen bei seinem unzusammenhängenden, mäanderndem Gestammel) stehen in »Payback« die selben Bilder und Formulierungen. Aber der Text hier von Frank Rieger ist klar strukturiert und die Grundlage — das Gutachten — wohl auch älter als das Buch. Genug gedisst.

    Was über Holland berichtet wird, klingt erschreckend, ich hätte nicht gedacht, dass ein Staat Zeit, Geld und Interesse für groß angelegten Einzelsadismus aufbringt. Allerdings hab ich jetzt auf die Schnelle auch nicht viel andere Belege über »Gegenwirken« gefunden, außer Quellen, die sich auf den CCC beziehen. Aber das kann meiner Ungeschicktheit beim Recherchieren geschuldet sein, oder“¦ wie auch immer.

    Schnell fällt man in irgendwelche Statistiken. Vor Jahren rannte fast jedes Mal, wenn ich in die Schweiz fuhr, an der Grenze der Grenzer mit meinem Ausweis erst mal in sein Dienstzimmer. Nach einem Umzug (gleiches Auto, gleiche Fresse, anderes Kennzeichen!) war damit schlagartig Schluss. Hm.

    Das mit der Matrize ist ansonsten schön und gut, aber ich glaube, der Computer wird – wie gerne bei »neuen« Medien — überbewertet. Denn ohne die Kategorisierung der Menschheit gäbe es keine Soziologie, keine Psychologie, keine wirkungsvolle Medizin und keine Menschenkenntnis. Sprich »sich ein Bild zu machen« ist grundlegend und auch ohne Computer möglich & nötig. Und darum auch nicht sofort und gänzlich böse.

    Ich glaube, die digitalen Matrizen im Internet werden in der Hauptsache weniger zu Bevölkerungsschikane eingesetzt, als zum Kommerz. Denn das lohnt sich doch viel mehr. Und ich glaube aber auch, dass auch der perfekteste Algorithmus es nie mit einem guten, echten Verkäufer aufnehmen kann. Auch da wird der Computer überschätzt.

    Vor vielen Jahren hat mir mal ein Verkäufer genau den Satz gesagt, der bei mir 300%ig eingeschlagen hat. Beinahe hätte ich gekauft. Ich musste mich richtig anstrengen, es nicht zu tun. Menschenkenntnis, die mich — im Nachhinein — eher begeistert. Ob das jemals ein automatischer Vorschlagsgenerator schafft?

    So, Bevölkerungsschikane, Kommerz“¦ was noch bleibt ist die Arbeitsplatzpolitik, die ja schon seit längeren komplett in der Hand von Durchgeknallten liegt, wie ich finde. Auch ohne weltweite Datenkraken versuchen die Personalchefs, ihre Verantwortung auf externe Verfahren oder Maschinen abzuwälzen. Überbordende Einstellungspsychotests (»Wenn Sie ein Tiefkühlgericht wären — welches?«) sind dann das Resultat. Artikel und »Payback« gehen noch ein Stück weiter und erzählen von der Benutzung digitaler Vorurteile, äh“¦ der Anwendung von Algorithmen bei der Personalsuche. Mag sein, dass das vorkommt, aber es ist dumm (Und da wird der Mensch, wenn der Computer nicht mehr so neu und aufregend ist, schon wieder dahinterkommen).

    Denn wenn sich die Firma tatsächlich vollständig nach Computerempfehlungen richtet, wird sie glatte, funktionierende Arbeiter bekommen. Kreativität und Innovation aber entstehen immer aus der Abweichung von der Norm. Fragt bei der Evolution nach.

    Hier im Arbeitsmarkt wird der Computer meiner Meinung nach überschätzt und hier schadet er auch am meisten. Ich erlebe das täglich in meinem Beruf (EDV-Trainer): wie Firmen versuchen, die Intelligenz von ihren Mitarbeitern weg und in irgendwelche maschinellen Workflowprozesse hineinzutransferieren. Das schlägt oft fehl, ist fast immer mit hohem Know-How Verlust verbunden und es gibt plötzlich unzählige neue Fehlermöglichkeiten. Aber natürlich ist es die Schuld des Programmes, wenn man zum Beispiel mit Schreibfehlern übersäte Druckerzeugnisse lesen muss, weil kein zweiter menschlicher Verstand damit in Berührung gekommen ist, da Setzer und Lektoren jetzt im Computer stecken. (Über die »Tweeds« und »Terrabytes« beim Schirrmacher hab ich herzlich gelacht. Nein eigentlich nicht.)

    Wie gut perfekt geplante Karrieren ankommen können, zeigt dieser Text: http://www.zeit.de/2010/01/Martenstein-01

    Und hat nun Frank Schirrmacher recht und wir denken alle schon wie Computer, oder sind es nur die guten alten analogen Vorurteile, die Herr Martenstein da anbringt?

    Was ich auch noch sagen will: Angst vor dem großen Datenverhau ist unangebracht. Vermeiden kann man ihn eh nicht mehr, also heißt die Devise: Benutzen! Ihn durch falsche Angaben unbrauchbar machen, so wie im Artikel angedeutet, ist wahrscheinlich ein Kampf gegen Windmühlen. Das sind in der Gesamtheit einige Promille an Ungenauigkeit, die gute Algorithmen eh wieder rausrechnen, wenn es überhaupt relevant ist. Aber man kann die Mechanik der Dinge für sich arbeiten lassen (ein einfaches Beispiel gibt es hier http://www.on10.net/blogs/tina/Office-Casual-How-to-get-your-resume-noticed/ , schrecklich amerikanisch, aber ich finde, da steckt weitergedacht eine ganz brauchbare Philosophie dahinter) und dafür muss man dem Umgang mit der Datenwelt lernen. Medienkompetenz. Lustig, wie ich immer wieder auf mein Lieblingswort komme.

    So, was für eine lange Philippika, hoffentlich ohne allzu viele Schreibfehler, ich hab mich da auf die roten Kringel verlassen. ;->

    In diesem Sinne“¦

  3. 03
    anonym

    In der Überschrift müßte es „Menschen“ heißen.
    Sorry.

  4. 04

    Meinen Dank an Herrn Rieger, dass er mit diesem Artikel wieder Objektivität in die Debatte gebracht hat. Er versteht es, die doch sehr gewaltige Angst vor den potentiellen Gefahren der umfassenden Digitalisierung verständlich zu machen. Aus dieser Richtung kommen endlich Argumente, mit denen es sich auseinanderzusetzen lohnt. Die Forderung nach möglichst großer Transparenz halte ich für gut und gerechtfertigt, auch wenn ich meine Zweifel an der Durchführbarkeit habe. Doch, und hier muss ich OWeh zustimmen, halte ich die Vorstellung von dem Computerprogramm, dass menschliche Handlungen perfekt vorhersagen kann, für absurd. Menschliche Individualität lässt sich auch dem besten Datensatz nicht bestimmen. Deshalb werden wir hier auch bald wieder die Grenzen der Computer und damit auch der Kontrolle sehen.

  5. 05

    Besonders schlimm finde ich den Ausdruck „störungsfreies Leben“. Was so herrlich klingen mag, stört den kreativen Geist, intelligentes Denken und damit die Entwicklung der Menschheit. Das stört mich… ein derart störungsfreies Leben klingt dann doch irgendwie paradox.