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Bundesregierung kippt Netzsperren: Löschen statt sperren [Update: Doch eine Nullnummer?]

Na geht doch. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat anscheinend mittlerweile mit einer Art Regierungsarbeit angefangen und kippt das umstrittene Netzsperren-Gesetz, für das Bundespräsident Horst Köhler bisher seine Unterschrift verweigert hatte. Sie plant nun ein Gesetz zur Löschung illegaler Inhalte. Was für ein Chaos.

Es bleibt die leise Hoffnung, dass die Proteste und die Petition wenigstens nachträglich einen Einfluss auf die Entscheidung hatten, denn wäre dies nicht so, würde mein letztjähriger Frust über die Erkenntnis, dass es in der Politik offenbar niemals um tatsächliche Inhalte, sondern allein um Machtkämpfe und Positionsgerangel geht, erneut aufkeimen. Man könnte Willkür vermuten bei der Geschwindigkeit, mit der beschlossene Gesetze auf Eis oder ad acta gelegt werden. Aber egal. Das aktuelle Ergebnis — wer weiß schon, ob es nicht heute nachmittag wieder revidiert wird — ist ein positives.

Im Zusammenhang noch der Hinweis auf diese Meldung, die einmal mehr bestätigt: Löschen ist möglich, in den meisten Fällen sogar innerhalb kürzester Zeit. Schön, dass dies nun auch diejenigen eingestehen müssen, die noch vor wenigen Monaten mit überzeugter Vehemenz das Gegenteil behaupteten.

UPDATE netzpolitik und Internet-Law sehen die Meldung etwas skeptischer. Tatsächlich habe ich nach dem Lesen des ZEIT-Artikels den Eindruck gehabt, das Gesetz wäre wirklich vom Tisch. Offenbar ein Irrtum.

8 Kommentare

  1. 01

    Es geht doch…. Das war jetzt aber auch eine schwere Geburt! Jetzt müssen wir nur über die Vorratsdatenspeicherung sprechen.

  2. 02

    Und? Die Wahl haben sie mit dem Scheiß doch gewonnen und nur darum ging es ihnen doch, oder?

  3. 03
    timtim

    Bundesregierung kippt Netzsperren? Hmmhhh … ?!

    Das Gesetz liegt derzeit zur Unterschrift beim Bundespräsidenten. Daran hat sich nichts geändert. Und die Regierung möchte offenbar immer noch, dass das Gesetz in Kraft tritt, und scheint den Bundespräsidenten auch um seine Zustimmung zu bitten!

    Zitat (vom 08.02.2010):

    Man werde sich bis dahin „auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes ausschließlich und intensiv für die Löschung derartiger Seiten einsetzen, Zugangssperren aber nicht vornehmen“, heißt es in der Stellungnahme des Bundeskanzleramts, die auf eine gemeinsam abgestimmte Position von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zurückgeht.

    (Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,676669,00.html )

    Die „Wir-werden-das-Gesetz-nicht-zum-Sperren-nutzen.“-Nummer ist aus meiner Sicht Augenwischerei vor dem Hintergrund, dass eine Verweigerung der Unterschrift des Bundespräsidenten abgewendet werden soll. Zumal es zum reinen Löschen das Zugangserschwerungsgesetz gar nicht braucht.

    Diese Einschätzungen scheinen mir deutlich realistischer:

    http://www.netzpolitik.org/2010/bundesregierung-will-zensursula-gesetz-aber-es-nicht-anwenden/

    http://www.internet-law.de/2010/02/kein-zugangserschwerungs-sondern-ein.html

  4. 04
    fridge

    In einer besseren Welt hätte Frau von der Leyen den Beschluss genau dort vortragen müssen, wo sie vorher ihre Websperrensülze abgekippt hat: bei den Stammtischen der Nation.

  5. 05
    Alex

    Also ich weiß nicht. Für mich haben die Zeitungen, die darüber berichteten, eher nicht verstanden, was der Spiegel wirklich schrub.

    Lt. dem (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,676669,00.html) bittet die Regierung den Präsidenten, das Gesetz auszufertigen und verspricht, nur den Teil mit dem Löschen anzuwenden, bis ein neues Löschgesetz verabschiedet ist. Die erste Frage wäre doch, darf die Regierung ohne Änderungsgesetz überhaupt nur Teile des Gesetzes Anwenden (lassen)? Wenn nicht, ist nichts gewonnen — ganz im Gegenteil.

    Ich bin kein Jurist, kann also nur vermuten. Und der Spiegel zitiert auch nur aus dem 5-Seiten Brief. Vielleicht steht das ja im Originalbrief auch ganz anders.

    Aber — wie oben schon angeklungen — misstraue ich dem Versprechen der Regierung, doch nur den Teil mit dem Löschen anzuwenden (Indianerehrenwort!).

  6. 06
    rantanplan

    Wenn ich die CDU nicht eigentlich fuer viel zu unfaehig fuer sowas halten wuerde, dann waere ich ja ueberzeugt davon, dass es nie um Kinderpornos oder Zensur ging.
    Der Effekt dieses Gesetzes fuer die CDU war bisher doch eigentlich recht positiv:

    – Frau von der Leyen konnte sich bei der CDU Stammwaehlerschaft profilieren (konservativ und ueber 70). Bei denen kam sie vorher wegen so modernen Sache wie arbeitenden Frauen und betreuten Kleinkindern ja nicht so gut an.
    Kleines Beispiel wie gut das funktioniert hat sieht man hier http://www.youtube.com/watch?v=PCt1DI5dBTI .
    Das schoene ist, dass diese Menschen aber vorher nichts von dem Problem Kinderpornos wussten und es sie auch jetzt nicht mehr interessiert, wenn das Gesetz gar nicht durchkommt.

    – Die Leute, die sich ueber Netzsperren aufregen haetten sowieso nie die CDU gewaehlt, also ist kein Schaden entstanden.
    Sie haetten aber eventuell die SPD gewaehlt und haben es jetzt nicht getan.

    – Diese Menschen haben unter Umstaenden die FDP gewaehlt und haben damit das so genannte buergerliche Lager und die CDU gestaerkt…

    – Die CDU konnte ein Gesetz dass sie sowieso nie richtig interessiert hat in den Koalitionsverhandlungen an die FDP verkaufen.
    Das hatte den Vorteil, dass man andere innenpolitische Themen, wie etwa die Vorratsdatenspeicherung nicht ansprechen musste.

    Aus heutiger Sicht hat die CDU eigentlich alles richtig gemacht. Bleibt die Frage ob das mehr Glueck als Verstand war oder ob es bei denen wirklich noch jemanden gibt der was von Strategie versteht.