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Auf ein Wiedersehen, SPD

Völlig unverständlich bleibt angesichts der Abwende von Hartz IV, warum immer wieder vom Opportunismus der SPD die Rede ist, von ihrer Wendehalsigkeit, kurzum, von ihrer mangelnden Charakterstärke. „Umfallen“ gilt im Politikbetrieb noch immer als ein Makel.

Dass eine Partei, sobald sie ihre Meinung ändert, ihre Glaubwürdigkeit verliert, leuchtet mir nicht ein. Man muss kein Machiavellist sein, um Widersprüche zuzulassen. Dass die SPD „keine Arbeiterpartei mehr“ sei, „sondern eine Partei ohne Markenkern“, wie – vorhersehbarerweise – CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe tönt, zeugt von einem erstaunlichen Parteienverständnis: die SPD als Marke, politische Orientierung als Imagepflege.

(Mal ganz abgesehen von den Tönen, die die Union damals spuckte, als Schröder die Hartz-Reformen auf den Weg brachte. Als hätten die Redenschreiber der SPD bei den damaligen Redenschreibern der CDU abgeschrieben. Und die heutigen Redenschreiber der CDU bei den damaligen Redenschreibern der SPD.)

Es fällt natürlich schwer, ausgerechnet Sigmar Gabriel Einsicht zu unterstellen (oder, um im Gröhe-Sprech zu bleiben, „abzukaufen“). Ausgerechnet Gabriel, der vom ganz linken Flügel einmal durch die SPD gewandert ist, um rechts wieder rauszukommen, und nun, statt den Metzger zu machen, zurück nach links wandert. Gabriel, der unter Schröder als eine Art Missfelder der SPD galt. Und der jetzt die Hartz-IV-Korrekturen zusammen mit Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier präsentiert, die beide maßgeblich an der Entwicklung des Konzeptes beteiligt waren.

Klar, die SPD hat viele oft enttäuscht. Auch klar, wer einmal enttäuscht wurde, nimmt sich in Acht.

Aber damals haben einige wenige die Gründung der Linkspartei begrüßt mit den Worten, endlich gäbe es eine Alternative links von der SPD. Und jetzt darf man hoffen, dass neben der Linkspartei eine neue Alternative links der Mitte entsteht. Und das ist – bei aller Vorsicht – eine gute Nachricht.

28 Kommentare

  1. 01

    Danke für den letzten Absatz…der spricht mir von der Seele. Bei der Bundestagswahl ist die SPD für mich unwählbar geworden, deswegen habe ich zu den Grünen tendiert.

  2. 02

    Unverständlich ist in meinen Augen nur eines: dass es immernoch Menschen gibt, die der jüngeren deutschen Geschichte zum Trotz an dem Glauben festhalten, dass die SPD (oder irgendeine andere Partei) im Regierungsfall die Interessen der Bürger gegen die Interessen der Wirtschafts- und Finanzwelt verteidigen würde. Wer so etwas glaubt, hat vermutlich die letzten 20 Jahre auf dem Mars verbracht … in einer Höhle mit zugeklebten Augen und Ohren.

    Die einzige Instanz, die dem grenzenlosen Wirtschafts- und Finanzlobbyismus ALLER Parteien, die in der Bundesrepublik je Regierungsverantwortung hatten, noch gelegentlich für einen Moment den Wind aus den Segeln nehmen kann, ist das Bundesverfassungsgericht. Das urteilt aber nicht nur, dass die Vorratsdatenspeicherung grundgesetzwidrig ist, sondern auch, dass Parolen wie „Ausländer raus“ nicht gegen deutsches Recht verstoßen. Schöne neue Welt …

  3. 03

    Immer wieder erstaunt bin ich über die Fähigkeit 277 Wörter in nur 34 Zeilen mit 6 Absätzen unterzubringen und dafür 1931 Zeichen zu verbrauchen.
    Bei Texten, in denen es um Parteipolitik geht, ist jedoch das Wesentliche oft im Verborgenen.
    Umso lohnender ist es, danach zu forschen.
    Zieht man die Summe der Zeichen von den Leerzeichen ab, bleiben 275, die zusammengenommen ein sehr interessantes Bild über den Zustand unserer Politik ergeben.
    Danke – jetzt wird mir einiges klarer.

  4. 04

    „…CSU-Generalsekretär Hermann Gröhe tönt, zeugt von einem erstaunlichen Parteienverständnis:“ Hast recht, aber von deinem , er ist CDU…Baby!

  5. 05

    Prinzipiell bin ich ja sehr dafür, dass Parteien eine Form finden, Meinungsänderungen (zum Beispiel, weil die Umstände sich geändert haben – vor allem aber, weil sich zeigt, dass die Konsequenzen politischer Projekte nicht den damit verbundenen Hoffnungen entsprechen) zu kommunizieren. Das eine, was dabei eine Rolle spielt, ist die Kommunikation der veränderten Meinung. So steht beispielsweise im aktuellen Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen ein Hinweis darauf, dass in der Regierungszeit auch Fehler gemacht wurden. Das andere ist eine nicht-messianische Politik: wenn ein Projekt wie die „Agenda 2010“ zum Heilsbringer stilisiert wird, fällt es schwer, sich beim Ausbleiben der Wunscherfüllung stilsicher davon abzuwenden. In beiden Punkten sehe ich bei der SPD nach wie vor Schwächen.

  6. 06
    Frédéric Valin

    @#750064: Stimmt. Korrigiert, danke.

  7. 07

    Bizarre Politikdemenz. Ein paar leere Phrasen werden trotz jahrelanger Regierungspolitik und personeller Konstanz zum neuen Hoffnungsträger erhoben. Politik als Ersatzreligion. Wirklich nichts aus den letzten Jahren gelernt. Den letzten hundert Jahren, um genau zu sein.

  8. 08

    Opportunismus ist, wenn man wider die Vernunft Politik macht und zwei Monate vor einer wichtigen Landtagswahl über den Haufen wirft, was jahrelang für richtig galt, um ein paar Stimmen zu bekommen. Man bekommt kein eigenes Gesicht, wenn man versucht, wie der linke Nachbar auszusehen.

  9. 09

    Hartz-IV-Empfänger dürfen ihr Vermögen behalten.

    Seid Ihr nicht sprachlos bei solch perfider Verarschung von Leuten, die beim Amt einen Kredit beantragen müssen, um sich eine gebrauchte Waschmaschine kaufen zu können? Hat Hartz IV nicht andere Schwachstellen als die Vermögensregelungen?

    Das ist keine späte Einsicht in der SPD, sondern der durchsichtige Versuch, Rüttgers das Alleinstellungsmerkmal nehmen und sich an den Arbeiter, der seit 40 Jahren SPD wählt, heranzuwanzen.

  10. 10

    Sorry, aber das, was jetzt angekündigt wurde ist mitnichten die „Abwende von Hartz-IV“, sondern allenfalls unsubtiles Blendwerk.

    Hier wird an den Instrumenten rumgedoktert. Der eigentliche Paradigmenwechsel, der stattgefunden hat, wird doch nicht angetastet, die Ziele bleiben, Arbeitsangebotserhöhung um jeden Preis. Dem Individuum obliegt noch immer die soziale Pflicht, sein eigenes Dasein so kostengünstig wie möglich zu gestalten, um den vermeintlich legitimen Gemeinwohlinteressen gerecht zu werden.

    Das heißt nach wie vor: Kohle nur gegen Gegenleistung (Workfare). Jede Arbeit ist besser als keine (Zumutbarkeit). Kontrahierungszwang (Eingliederungsvereinbarung). Sanktionsandrohnung (Nachweis von „Eigenbemühungen“).

  11. 11
    Frédéric Valin

    @#750071: Workfare war auch Hartz IV noch nicht, zumindest nicht wie in den USA vorgelebt. Für meine Begriffe jedenfalls ist es ein zu hartes Wort, obwohl die Tendenz, da geh ich mit, in diese Richtung zielt.

    Dass mit der SPD kein antineoliberales Modell möglich ist, glaube ich auch. Die grundsätzliche, ideologische Kritik bleibt; nur hat man, habe ich jedenfalls den Eindruck, dass es in der SPD wieder möglich sein wird, genau diese Kritik anzubringen.

  12. 12
    jkalle

    Die SPD macht wieder Klientelpolitik. Hurra für die einen – schlecht für die anderen (> Steuerzahler in Deutschland). Die SPD wird damit aber höchstens der Linkspartei wieder ein paar Wähler abluchsen können. Was aber am Ende auch nicht reichen wird um wieder Regierungsverantwortung zu bekommen – zum Glück.

    Ich traue es mich garnicht zu sagen, aber ich vermisse den Schröder – was da heute in der SPD nachkommt (Nahles, Wowereit, Drohsel, …) lässt nichts gutes erahnen. Ich kann nur hoffen, dass es 25%-X Partei bleibt, bis sie erkennen dass das jetzt eine Kurskorrektur in die falscher Richtung war.

    Linktipp: http://www.welt.de/debatte/article6788314/So-unsozial-sind-die-Sozialdemokraten.html

    Am Rande für die interessieren. … Sarrazin bleibt in der SPD, war alles – wie erwartet – nur heisse Luft. Die Anschuldigungen des Rassismus waren und bleiben haltlos, sogar innerhalb der SPD (http://www.welt.de/politik/deutschland/article6804079/So-begruendet-die-SPD-das-Festhalten-an-Sarrazin.html).

  13. 13

    „Völlig unverständlich bleibt angesichts der Abwende von Hartz IV, warum immer wieder vom Opportunismus der SPD die Rede ist“

    Wieso das? Natürlich nutzt der politische Gegner jede Angriffsfläche, gern auch, wenn der Schuss nach hinten geht und die eigene Glaubwürdigkeit untergräbt („Markenkern“). Viele Medien machen das gleiche, weil eine Kursänderung noch fetziger ist, wenn man sie skandalisiert, gern auch, wenn man vorher die mangelnde Einsicht der Partei geißelte und so die eigene Glaubwürdigkeit untergräbt.

  14. 14
  15. 15

    Naja, es ist doch nicht nur Hartz IV, es ist eine durch und durch neoliberale Politik gewesen, weswegen die SPD unglaubwürdig wurde. Noch nie zuvor gab solch eine Umverteilung von unten nach oben in der Bundesrepublik, und das ausgerechnet unter rot-grün. Und jetzt soll die SPD wieder glaubwürdig sein, weil sie ein bisschen an Hartz IV rumdoktort?

    Wäre ja schön, wenn die alte Tante wieder zur Besinnung käme. Doch wer zigmal lügt, dem glaubt man nicht. Schon gar nicht, wenn die Lügerei geschlagene zehn Jahre andauerte.

    Und Gabriel ist ein Machtpolitiker, sonst nix. Wer den wählt, braucht sich danach nicht zu beschweren.

    Aber sicher: Umfallen an sich ist nix schlimmes, oder die Meinung ändern oder Widersprüche thematisieren. Alles eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wahrscheinlich hat die SPD jetzt in der Opposition gemerkt, dass sie mit ihrer neoliberalen Politik keinen Blumentopf mehr gewinnt. Hoffen wirs.

  16. 16
    Bongomandrias

    Wozu die SPD?
    Die SPD ist in der Oppositionszeit dafür da, die gemäßigten Linken einzusammen, damit sie nicht der Linkspartei zufallen und diese erstarken lassen. Wenn die SPD dann in einer Regierungskoalition ist macht sie auch nur das gleiche wie die Union. Die SPD verarscht ihre Wähler seit 20 Jahren.

  17. 17
    Maschinist

    Die sPD hat’s hinter sich. Daran wird sich nichts ändern.
    Jetzt machen sie in ein bisschen roter Folklore – jetzt, wo sie es nicht mehr ändern können, ganz plötzlich.
    Und wer macht das? Nur Abgewählte oder Ungewählte. Früher das Bundeskabinett, jetzt nur noch die Parteispitzen – sie sind ein Ausklingbecken für gescheiterte Agenda-Landespolitiker. Es wird Kreide gefressen bis man mal wieder eine Option auf dicke Hose hat. Mehr nicht.
    Die Gesellschaft haben sie amerikanisiert, die Politik nicht. Sonst würde es Kandidaten-Abstimmungen geben, keinen Aufstieg durch Abwahl.

  18. 18
    anonym

    @ Sanníe
    Es ist zu vermuten, daß Sie zu jung sind, um sich vorstellen zu können, was ältere Arbeitnehmer bewegt. Es gibt ja Leute, die haben 30 oder 40 Jahre hintereinander gearbeitet und in der Zeit etwas Geld zusammengespart (also z. B. ein bißchen mehr als nur 10- oder 20 000 Euro). Wenn die ein paar Jahre vor der Rente plötzlich arbeitslos werden, dann werden sie doch nach einiger Zeit dank Hartz IV behandelt wie ein Jugendlicher, der noch nie gearbeitet hat. Also: 40 Jahre in alle Kassen eingezahlt, dann Hartz IV, aber zuerst bitte das Vermögen aufessen (damit für die Zeit der Rente nichts bleibt). Das ist doch die Ungerechtigkeit bei Hartz IV gewesen.

  19. 19

    Ich bin jetzt auch nicht mehr so wahnsinig jung, aber habe tatsächlich ganz andere Probleme mit Hartz IV, vor allem aber mit dem Herumdoktern an diesem System.

    Wahrscheinlich haben die wenigsten derjenigen, die demnächst nach 30 Jahren Berufstätigkeit in Hartz IV fallen, ein größeres Vermögen auf dem Konto, die meisten werden wohl eher ein Eigenheim besitzen und dürfen – zu Recht natürlich und nach den Gesetzen von 2004 – ihren Besitz behalten. Aber worüber reden wir hier eigentlich? Wieviele Leute betrifft das überhaupt? Darüber gibt es heute genau so wenig irgendwelche Zahlen wie damals, als man vor Empörung zitternd von den Jugendlichen berichtete, die unter 25 seien, arbeitslos und sich auf Kosten der Gemeinschaft eine Wohnung einrichten ließen. Gefühlte Millionen waren das, ein Gesetz mußte her.

    Nie aber gibt es mal eine fachlich korrekt ermittelte Zahl derjenigen, die es betrifft oder die Frage, ob der Aufwand eines Gesetzgebungsprozesses eigentlich in einem vernünftigen Verhältnis dazu steht. Damals wollte man den braven Steuerbürger für sich gewinnen, heute den braven SPD-Wähler, der aufgrund von Unwissenheit in den Details von Hartz IV um sein Lebenswerk fürchtet.

    Diese Polarisierung – hier der, der nie gearbeitet hat und von unser aller Geld lebt, dort derjenige der immer nur zahlt und zahlt und am Ende nicht mal selbst was bekommen würde – ist das Elend dieser populistischen Politik, die ja nicht nur von der SPD betrieben wird.

    Wer dabei immer hinten runterfällt, sind die (ziehen wir großzügige 10% Schmarotzer ab) 6 Millionen Hartz-IV-Empfänger, die sowieso kein Vermögen haben, keine Jobs finden, sich ständigen Rufen nach Verschärfungen und dem Ruch der Faulheit ausgesetzt sehen. Um die kümmert sich keiner und – meine Verachtung ist noch frisch – schon gar nicht die SPD.

    Nebenbei bemerkt finde ich es ganz ok, daß jemand sein Vermögen aufbraucht, bevor er von Leuten Hartz IV bekommt, die trotz durchschnittlichem Gehalt neben der nötigen privaten Altersvorsorge gar nicht mehr in der Lage sind, überhaupt Vermögen aufzubauen. Über den Unterschied der gesetzlichen Rente derer, die heute 40 Jahre eingezahlt haben und denen, die heute 40 Jahre alt sind, muß ich jawohl nichts sagen.

    Es ist Klientelpolitik, nicht besser als die der FDP, nur mit diesem roten Anstrich – wir tun was für Hartz-IV-Empfänger! – und das finde ich so perfide.

  20. 20
    daniel

    Frédéric Valin: „Dass mit der SPD kein antineoliberales Modell möglich ist, glaube ich auch.“

    Wenn ich diese Aussage recht verstehe, will uns der Autor damit sagen, daß wir in einem neoliberal geprägten Land leben und daß die SPD eine neoliberale Partei ist oder zumindest solche Tendenzen zeigt.

    Wie realitätsfern muß man eigentlich sein, um Deutschland auch nur im Ansatz als neuliberal wahrnehmen zu können? Wenn es uns an einem nicht mangelt, dann an einem „antineoliberalen Modell“. Tatsächlich leben wir doch in einem Land, das sich durch folgende, den Idealen des Liberalismus hohnlachende Merkmale auszeichnet:

    Die wichtigste Grundlage freier marktwirtschaftlicher Entfaltung fehlt komplett: ein freies Geldwesen. Stattdessen hält der Staat das Geldmonopol und verhindert die freie Preisbildung, indem er der Zentralbank erlaubt, nach Belieben den Zins zu manipulieren und die Geldmenge auszuweiten. Wir haben uns längst an diesen Umstand gewöhnt, weil wir es nicht anders kennen. Aber in Wahrheit ist dies ein planwirtschaftlicher Finanzsozialismus. Die wirklichen Ursachen für stark ausschlagende Konjunkturzyklen liegen hier begründet. Erst eine sich unter staatlicher Billigung von der realen Güterwelt abkoppelnde Geldwirtschaft macht Spekulationsblasen wie die jüngst geplatzte überhaupt möglich. Der neoliberale Gegenentwurf dazu lautet: Abschaffung des staatlichen Geldmonopols, Zulassung konkurrierender Währungen, Rückkehr zu einem an Realgüter gekoppelten Geld (z.B. Golddeckung). Wo ist Deutschland in diesem Punkt (neo)liberal? Ich kann es nicht entdecken.

    Auch in der Realwirtschaft ist von wirklich freien Märkten nicht viel zu sehen. Beispiel Opel: Alle Welt weiß, daß die Automobilindustrie an Überkapazitäten zu ersticken droht. Dennoch werden marode Autobauer mit gigantischen Steuerbeträgen künstlich am Leben erhalten. Durch Maßnahmen wie die Abwrackprämie wird dem Markt eine hohe Nachfrage vorgegaukelt, was direkt wieder zu Fehlinvestitionen in diese ohnehin sanierungsbedürftige Industrie führt. Eine solche Politik dient nicht der Wirtschaft, sondern vor allem sich selbst. Es gilt schließlich, Wahlen zu gewinnen. Der neoliberale Gegenentwurf dazu lautet: Echte Marktsignale, vor allem die Nachfrage, dürfen nicht manipuliert werden, um die Fehlleitung von Investitions- und Produktionsmitteln möglichst zu verhindern. Wer die Preisbildung manipuliert, enthält den Marktteilnehmern wichtige Informationen vor, die für kluge Investitionen dringend gebraucht werden. Auf einem wirklich liberalisierten Markt hingegen können sich Fehlentwicklungen nicht lange halten. Die Auswirkungen von falschen Investitionen bleiben gering und für die Gesamtheit der Gesellschaft leichter zu verschmerzen als jahrzehntelang künstlich verschleierte Fehlleistungen, die sich zwangsläufig in schmerzhaften Rezessionen liquidieren müssen. Wo ist Deutschland in diesem Punkt (neo)liberal? Ich kann es nicht entdecken.

    Der Sozialstaat bundesdeutscher Prägung kann auch nicht gerade als liberaler Lichtblick gelten. Trotz stetig steigender Sozialausgaben vergrößert sich die Kluft zwischen arm und reicht, bekommen ganze Bevölkerungsschichten keinen Fuß mehr auf den Boden. Trotz? Oder vielleicht wegen? Die Sozialausgaben belaufen sich auf mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts. Blickte ein Außenstehender auf die Menge derer, die ihre Existenz ausschließlich oder zu einem großen Teil aus Sozialtransfers beziehen, könnte er den Eindruck gewinnen, eine schwer vom Schiksal geschlagene Gesellschaft vor sich zu haben, in der 30 oder mehr Prozent ihrer Mitglieder nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Wenn in einem reichen Land wie dem unseren ein dreistelliger Milliardenbetrag nicht ausreicht, soziale Not zu lindern, für diesen Umstand aber in jeder Talkshow der böse Neoliberalismus zum Schuldigen ernannt wird, kann irgend etwas nicht stimmen. Die Wahrheit lautet: Sozialistische Politiker aller Parteien sorgen mit stetig steigenden Sozialleistungen und schwindelerregender Umverteilung für eine immer tiefer in Abhängigkeit geratende Bevölkerung. Eine Staatsquote von beinahe 50% bedeutet, daß der Staat den Bürgern tief mißtraut und ihnen die Hälfte der Verfügung über die von ihnen erwirtschafteten Mittel schlicht entzieht. Liberalismus sieht anders aus. Sein Gegenentwurf: Der Staat sorgt dafür, daß sich jeder Mensch gemäß seinen Fähigkeiten und Neigungen entfalten kann, was bedeutet, daß er sich mit dem Regulieren des Lebens seiner Bürger möglichst zurückhält und ihnen die Verfügungsgewalt über den überwiegenden Teil der Güter beläßt, um damit z.B. individuelle Vorsorge zu treiben. Mit der Eigenverantwortung stärkt er auch die Verantwortung der Bürger für ihre Mitmenschen und schafft Raum für echte, weil bewußt vollzogene und nicht vom Amt verordnete Solidarität. In einem liberalen Land ist der Mensch keine Nummer auf dem Amt, sondern ein sich selbst verantwortliches Wesen. Eine Gesellschaft freier Bürger ist am besten in der Lage, genügend Wohlstand zu erwirtschaften, damit auch für die tatsächlich Bedürftigen genügend übrigbleibt. Wo ist Deutschland in diesem Punkt (neo)liberal? Ich kann es nicht entdecken.

    Ich könnte diese Liste fast beliebig fortsetzen und z.B. die aktuelle Arbeitsmarktpolitik nennen, die von planwirtschaftlichen Mindestlohnträumereien bestimmt wird. Ich könnte das Hineinregieren der Politik in fast jeden, auch privaten, Lebensbereich der Bürger nennen. Ich könnte auf die fast unüberwindlichen Hürden hinweisen, denen sich ein Unternehmensgründer heute gegenübersieht. Überall bliebe die gleiche Diagnose: Liberalismus — Fehlanzeige. Stattdessen wird die liberale Idee (also die Idee von der Freiheit!) im Schimpfwort vom bösen Neoliberalismus allenthalben in den Dreck getreten. Leute wie Frédéric Valin sehen in der Freiheit unseren eigentlichen Feind. Daß ich nach dem Fall der Mauer und angekommen in der vermeintlichen Freiheit so bald wieder das Gefühl bekomme, in einer unfreien, quasi-sozialistischen Gesellschaft zu leben, hätte ich vor 20 Jahren nicht gedacht. Heute können sich bis zu 80% der Deutschen wieder vorstellen, in einem sozialistischen Staat zu leben, wenn nur ausreichend für Brot und Spiele, für Döner und Spielkonsolen gesorgt ist: http://www.n24.de/news/newsitem_5926151.html. Aber „Dass mit der SPD kein antineoliberales Modell möglich ist“, sollen wir ernsthaft glauben? Geht’s noch?

    Kann aber auch sein, daß der beleidigende Gebrauch des Wortes Liberalismus auf einem bedauerlichen Mißverständnis beruht. Kann sein, daß Valin und Co. gar nicht wissen, was sie da wirklich beschimpfen. Kann sein, daß sie sich noch nie mit den Ideen des Liberalismus beschäftigt haben und die Begriffe Freiheit und Markt bis heute falsch verstehen. Wir wollen es nicht als böse Absicht deuten, sondern der Gnade ihrer späten Geburt anrechnen. Nordkorea ist schließlich weit weg, und der abschreckende Verweis auf ein real existierendes sozialistisches Nachbarland leider nicht mehr möglich.

  21. 21

    Die SPD kommt wieder, ich denke es muß ein Neuanfag gemacht werden. “ Tod gesagte leben länger “ die Ausrichtung sollte nur klar umrissen sein. Und nicht immer mal so mal so. Das die Wähler es satt haben, belogen zu werden ist doch klar. Also die Reihen lichten und einen Neuanfang.

  22. 22

    Wie uns die Wahl vom Wochenende gezeigt hat, es werden sich in der Politik Änderungen einstelle. Die SPD hat nicht viel dazu gelegt, aber die CDU hat 10% verloren, und nun ist ein wechsel möglich

  23. 23

    Wie schon in der letzten Zeit absehbar, haben die roten SPD dazu gewonnen, und die schwarzen CDU einiges bis fast zwei stellig verloren. Wenn sich das auch auf die Bundesregierung auswirkt, dann gibt es bald einen Wechsel in der Politik.

  24. 24

    Ich denke die Politik wird sich in der nächsten Zeit verändern, weil so wie es jetzt ist kann es nicht weiter gehen. Die Banken werden unterstützt, weil sie sich verspekuliert haben. Und nun wird Griechenland gestützt mit Milliarden. Es sind schon wieder die Banken die Gewinner, also abzocken wird durch die jetzige Regierung noch belohnt. Wenn die Bürger dieses machen dann gibt es Knast.

  25. 25

    Wenn der Bürger keine Steuererleichterung erhält, sondern noch Erhöhungen dem Bürger präsentiert werden, dann sind die Politiker den Bankern gleich zu stellen, abzocken komme was wolle. Hauptsache die Griechen und die Banker haben ein schönes Leben, achja und die Politiker haben auch ein schönes Leben, oder ist das nicht so.

  26. 26

    Die SPD hat in den letzten Jahren sehr gelitten, aber die SPD fängt wieder an sich zu beruhigen. Die CDU leidet unter der Politik die sie macht, und wird in der nächsten Zeit abgestraft für ihre Politik. Wir werden das beobachten.

  27. 27
    fritz

    Genau. Heute wieder.

    http://www.ipernity.com/blog/fritzberlin/439731

    Ihr koennt mich auf die Liste nehmen.

    Fritz in berlin