Der Argon-Verlag bringt ein kommerzielles Hörbuch zu Cory Doctorows Überwachungs-Dystopie „Little Brother“ heraus. Und will die Langfassung verschenken, wenn genügend Spenden eingehen, um die Produktionskosten zu decken. Das alles, wohlgemerkt, obwohl es bereits eine kostenlose Fan-Produktion gibt. Ermöglichen die Creative-Commons-Lizenzen ein Nebeneinander der Versionen?
Am 12. Mai veröffentlicht der Argon-Verlag sein „Little Brother“-Hörbuch, gesprochen von Oliver Rohrbeck, dem Justus Jonas aus der „Drei Fragezeichen“-Serie. Eine ganz normale, kommerzielle Publikation, wenn man so will. Aber für diese Ausgabe wurde der Roman gekürzt, damit er auf die CDs passt – und da setzt das besondere Angebot des Verlages an die Fans an:
Das Unternehmen plant, die ungekürzte Version des Hörbuches unter einer Creative-Commons-Lizenz (by-nc-nd) zum kostenlosen Download ins Netz zu stellen. Die einzige Bedingung dafür ist, dass die Kosten für das Einlesen der fehlenden Passagen durch Spenden zusammenkommen. Dabei geht es um 9.000 Euro. Bekannt ist diese Vorgehensweise unter dem Namen Street Performer Protocol.
Ich wünsche dem Argon-Verlag viel Erfolg mit dieser Aktion, weil ich das Gefühl habe, dass die Leute dahinter vieles richtig machen. „Wir wollen über die Chancen sprechen!“, sagt der verantwortliche Marketing-Leiter im Interview mit dem Macher der Fan-Version, Fabian Neidhart. Häufig trifft man bei Verlegern auf Furcht vor Raubkopierern und Unverständnis gegenüber dem Internet. Wenn ich mir dagegen das „Little Brother“-Blog von Argon durchlese, dann fühle ich mich ernstgenommen. Von Fremdeln mit der ominösen „Internet-Community“ keine Spur.
Am 26. April geht die Spendensammlung los, dann sind drei Wochen Zeit, um die 9.000 Euro zusammenzubekommen. Zum Start gibt es eine Kick-off-Veranstaltung im Breipott. Oliver Rohrbeck, der Sprecher der kommerziellen Ausgabe, und Fabian Neidhart, der Macher des Fan-Hörbuches, lesen dort aus „Little Brother“.
Der Roman „Little Brother“ steht auf Cory Doctorows Webseite zum kostenlosen Download bereit. Zudem gibt es eine freie Übersetzung von Christian Wöhrl und ein darauf basierendes Hörbuch von Fabian Neidhart, genauso wie eine kommerzielle deutsche Ausgabe im Rowohlt-Verlag. Das darauf basierende Hörbuch von Argon erscheint am 12. Mai.
Vielen Dank für die Berichterstattung! Wir erklären zurzeit von früh bis abends Menschen aus allen Richtungen, was wir da tun und dabei ist es sehr wohltuend, mal einen Bericht zu lesen, in dem alles so steht, wie wir es meinen.
Kleiner Hinweis vielleicht noch: Wer nicht physisch kommen mag oder kann, aber trotzdem die Veranstaltung mitverfolgen will: Der Twitter Hashtag für Montag abend lautet #lbkickoff
Ob wir darüber hinaus ein Livebild gestreamt bekommen, ist noch offen (Bandbreite ist sehr schwankend).
Grüße von Kilian
9000 EUR Produktionskosten für das Einlesen der fehlenden Passagen. Hui.
Mal unter uns Pastorentöchtern: so ganz wenig ist das nicht – um es vorsichtig zu formulieren. Mir ist schon klar, dass das Angebot nicht bedeutet, dass alle für Umme arbeiten. Aber: für geschätzt 3 Leute, die für so etwas nötig sind ist das schon ein stolzer Satz „Produktionskosten“.
@Mart: So stimmt es nicht ganz: Die Produktion kostet 4.500 €. Das ist reell und eher am unteren üblichen Rand. Damit wir 4.500 € erhalten, müssen wir 9.000 € einsammeln, da wir die Hälfte des Erlöses an den Autor (bzw. Agent, Verlag) abführen müssen. Der Autor lebt davon, dass er neben seinen CC-Versionen dass Recht zur kommerziellen Verwertung an Verlag vergibt.
@Kilian: okay, danke für die Aufklärung – wenn der Verlag die Hälfte bekommt, sieht das wirklich schon anders aus. Viel Erfolg!
äh. sorry, sollte im letzten Posting „Autor“, nicht „Verlag“ heissen. Wo ist die Korrekturfunktion, wenn man sie mal braucht?
@Mart Vielen Dank für die Frage. Besser, sie wird gestellt und ich kann sie beantworten. Ich muss wohl nochmal an die FAQs ran… Übrigens: Sowohl Aussage 04 als auch Aussage 05 sind korrekt.
das buch ist sehr empfehlenswert, bin sehr gespannt auf das hörbuch.
@cmi Schau Dir mal das Spenden-widget rechts oben in unserem Blog an. Da stecken ca. 30 Minuten Hörproben drin. Einfach den Play-Button klicken…
@cmi Also in diesem Blog rechts oben: http://little-brother.argon-verlag.de/
Das Buch spricht sehr viele interessante Aspekte an, ist aber eindimensional, flach und unglaublich klischeehaft.
@badabing
Geschmackssache, ohne Frage. Wichtig allerdings festzuhalten: Es ist in erster Linie ein Jugendbuch, das Jugendliche sensibilisieren soll z. B. über Privatsphäre. Und diese Sensibilisierung tut dann aber auch manchem Ü30er gut. Es gibt nicht wenige davon, die bei diesem Buch ins Staunen kommen…
Die ungekürtze Fassung ist doch eh gleich zusammen mit der gekürzten aufgenommen worden. Also wozu der Aufriss?
Das Buch is ganz nett…
@Sascha Selbst wenn es so wäre, dass die ungekürzte Fassung hier schon fix und fertig publikationsreif vorläge: Bei dem „Aufriss“ geht es um was anderes: Welche realistischen Wege kann es in Zukunft geben, dass Autoren und Produzenten „ihren gerechen Lohn“ erhalten und gleichzeitig freier Zugang möglich ist. Wir befinden uns mit diesem Projekt in der Mitte zwischen zwei Interessen – klassische Verlage und open access – und folgen keiner der beiden Seiten in Reinkultur. Deshalb wird auch ein Hardliner einer der beiden Seiten damit nicht zufrieden sein. Dabei will man doch, dass sich was bewegt und neue Wege ausprobiert und erkennbar werden.
Hört sich nach einem spannenden Versuch an, aber ganz verstanden habe ich es noch nicht – vielleicht kann mir jemand helfen?
Dass neben der Fan-Version auch eine kommerzielle/professionelle Version des Verlags auf Interesse stößt, kann ich mir gut vorstellen. Wird sicher spannend sein, das Nebeneinander zu beobachten. Und SPP wird auf diese Weise auch bekannter und wir können auf weitere Projekte hoffen.
Aber: Wenn ich an der Hörbuch Version des Verlags Interesse habe, warum sollte ich die *gekürze* Ausgabe kaufen, wenn es auch eine ungekürzte gibt? Oder bin ich der einzige, der grundsätzlich eher eine ungekürzten Fassung denn eine gekürzte Version lesen / hören möchte, vom Preis mal ganz unabhängig? Oder habe ich in dem Konzept was übersehen?
@Marcus: Es gibt tatsächlich viele Leute, die 1. lieber eine Version auf CD mit Booklet etc. im Laden oder sonstwo kaufen (z.B. auch zum Verschenken) und die 2. die geschätzten 750 Minuten einer ungekürzten Version viel zu lang finden. Bei Hörbüchern ist die gekürzte Fassung absolut üblich, und es existieren bereits diverse Hörbücher sowohl bei uns und anderen Verlagen als gekürzte Version als auch beispielsweise bei Audible in der ungekürzten Länge. Sowas wird dann in Kooperation produziert. Jeder hat da unterschiedliche Vorlieben, und wir kriegen bei manchen Titeln auch Rezensionen, in denen empfohlen wird, das Hörbuch dem Buch vorzuziehen, weil da die langweiligen Längen raus sind.
Allerdings: Klar ist es vom Preis-Leistungs-Verhältnis her letztlich sinnvoller, die €19,90 die die CD-Fassung kostet, gleich für die Produktion der ungekürzten Version zu spenden, die dann hinterher jedem zur Verfügung steht.