Um 11:55 lud ver.di anlässlich des Tages des geistigen Eigentums heute zur Pressekonferenz. Fünf vor zwölf, so der Unterton, stehe es auch für die Kreativwirtschaft. Schon diese Einladung unter dem Motto „Diebstahl geistigen Eigentums im Netz“ sorgte im Vorfeld für Wirbel bis hin zum Austritt, weil es ganz nach einer Kooperation der Gewerkschaft mit den Lobbyorganisationen der Unterhaltungsindustrie aussah.
Heute allerdings ruderte ver.di erst einmal zurück. Man bleibe dabei, dass man die Vorratsdatenspeicherung ablehne, erklärte Heinrich Bleicher-Nagelsmann, und schloss auch jede Form von Internetsperren aus, genauso wie die Deep Packet Inspection. Eine gemeinsame Kampagne mit der Unterhaltungsindustrie, deren Vertreter auf der Konferenz vertreten waren, gebe es nicht.
Der Ursprung des unklaren Kurses von ver.di dürfte in internen Auseinandersetzungen zu suchen sein. Hinter den anfangs verwendeten Formulierungen stand Frank Werneke, Bundesfachbereichsleiter des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie. Der war heute leider verhindert und wurde durch den moderater auftrenden Bereichsleiter Kunst und Kultur, Bleicher-Nagelsmann, ersetzt.
Die Vertreter der Kreativindustrie dagegen betonten durch die Bank weg die Bedeutung ihrer Branche als ökonomische und kulturelle Triebfeder der Gesellschaft. Es könne „sich ja jeder vorstellen, was das für die Gesellschaft bedeutet, wenn wir nur noch Hobby-Künstler haben“, meinte auch Peter Henning vom Verband Deutscher Drehbuchautoren.
Für Dieter Gorny vom Bundesverband Musikindustrie scheint es kulturelles Schaffen ohne Gewinnstreben gar nicht zu geben. Ohne die Kreativindustrie sei das Internet „nichts“, ohne ihre Produkte wäre es „leer“. Gornys wichtigstes Anliegen war denn auch die Durchsetzung des bestehenden Urheberrechts im Netz – mit „Rahmenmodellen“ wie in Frankreich und England.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels fordert gleichermaßen ein „Two Strikes“-System: Warnbriefe an Personen, die bei illegalen Downloads erwischt werden, aber keine Abschaltung oder Drosselung des Internetanschlusses bei wiederholten Vergehen. Stattdessen soll in diesen Fällen weiterhin der zivil- und strafrechtliche Verfahrensweg offenstehen. Ähnliches wünscht sich auch Jürgen Doetz vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien.
Die zu Beginn der Pressekonferenz eingeführte Studie „Aufbau einer digitalen Wirtschaft: Die Bedeutung der Sicherung von Arbeitsplätzen in der Kreativwirtschaft der Europäischen Union“ wurde bereits bei ihrem Erscheinen massiv angezweifelt. Heiko Hilker und Jürgen Scheele haben die Kritik an der im Auftrag der Lobby-Organisation BASCAP (Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy) ausgearbeiteten Untersuchung für die Digitale Linke zusammengefasst. Dort schreiben sie:
Die TERA-Studie wurde am 17. März 2010 in Brüssel der Presse präsentiert und anschließend Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission vorgestellt. Ziel ist es, eine länderübergreifende Zusammenarbeit der Regierungen beim Kampf gegen Internetpiraterie zu erreichen und ein international sanktioniertes Urheberechtsregime im Netz zu etablieren. Die multinational agierende Medienindustrie hat dazu ein Bündnis aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden geschmiedet.
Das ausgerechnet diese Studie die Pressekonferenz von ver.di einleitete, zeigt das große Problem der Veranstaltung auf. Von Anfang stand die Feststellung, dass die Missachtung des Urheberrechts in Europa die Kreativindustrie Milliarden Euro und die Kreativen hunderttausende, wenn nicht Millionen Arbeitsplätze kosten wird unwidersprochen und unangezweifelt im Raum.
Daran rüttelt auch der Rückzieher von ver.di bei der Wortwahl nicht. Bleicher-Nagelsmann betonte zwar immer wieder die Ablehnung von Maßnahmen wie Three Strikes im Kampf gegen die illegale Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken. Gleichzeitig forderte er allerdings explizit ein stärkeres Urheberrecht.
Auffällig ist auch, dass Bleicher-Nagelsmann Präsident der UNI-MEI ist, der Internationalen Föderation der Gewerkschaften des Medien- und Unterhaltungssektors, die derzeit eine „Global Union Campaign Against Digital Theft“ durchführt, in deren Rahmen die heutige Pressekonferenz stattfand. Zum Forderungskatalog dieser Kampagne vom 11. Januar gehören gerade die Maßnahmen, die Bleicher-Nagelsmann explizit ausschloss:
[T]he introduction of technical measures by ISPs for repeat infringers at the earliest feasible stage is also a necessary tool. This could include a reduction in bandwidth, the blocking of specific website content or, as a last resort for egregious offenders who ignore repeated warnings and the implementation of other technical measures, temporary suspension of internet access.
Die Distanzierung der Gewerkschaft von massiven Eingriffen in die Kommunikationsfreiheit, wie Netzsperren, Three Strikes und Deep Packet Inspection sie darstellen, ist auf jeden Fall zu begrüßen. Allerdings scheint dieser Kurs auch innerhalb von ver.di noch nicht abschließend gefestigt zu sein.
Vor allem aber bleibt das Manko, dass die Arbeitnehmervertreter sich massiv für ein starkes Urheberrecht und dessen Durchsetzung positionieren. Positive Auswirkungen, die eine Lockerung des Urheberrechtsschutzes auch für Kreative hätte, die mit ihrem Werk auf den Arbeiten anderer Künstler aufbauen, werden gar nicht erst in Betracht gezogen.
Man muss das Urheberrecht mal wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wirtschaft hat allgemein den Zweck, die Herstellung und Verteilung von Waren und Dienstleistungen zu organisieren.
Es ist erst einmal völlig egal, ob da irgendjemand von leben kann. Das Vorhandensein und der Zugang zu Kultur und Wissen ist wichtig.
Man kann zwar argumentieren, dass die immer wieder vertretenen Interessen der Kreativwirtschaft nur dazu dienen, dieses System am Leben zu erhalten.
Ich glaube da aber nicht dran. Wer den Zugang zu Kultur und Wissen in den Vordergrund stellt, der müsste eigentlich das Urheberrecht eher schwächen und die Zugangsrechte stärken. Schließlich zweifelt niemand ernsthaft daran, dass das Angebot an Kulturgütern mehr als reichlich ist.
Ich glaube aber, dass es der Kreativwirtschaft und auch der Politik nicht so sehr um Produktion und Bereitstellung geht, sondern eher um Gewinn. Und genau da ist der Fehler: Wer Zugang in den Vordergrund steht, der sieht z.B. in Wikipedia einen klaren Gewinn. Wer in Gewinnmaximierung denkt, der sieht vernichtete Lexikonumsätze.
So kann man dieselbe Sache auf zwei unterschiedliche Arten sehen – und ich hoffe nicht, dass sich die Position der Kreativwirtschaft durchsetzt. Ich habe durchaus Verständnis für ein maßvolles Urheberrecht, aber es gibt auf jeden Fall deutlich höherstehende Interessen.
Es könne „sich ja jeder vorstellen, was das für die Gesellschaft bedeutet, wenn wir nur noch Hobby-Künstler haben“
Nun, ich könnte mir mal endlich einen spanenden Tatort vorstellen.
@#758401: Ich kann mich dir nur anschliessen.
Dein kommtar erinnert mich stark an Gøtz Werner. Habe hier in den Kommentaren ein Podcast mit ihm gefunden. Mit nem bedingungslosen Grundeinkommen wäre das Thema auch so ziemlich durch.
Zumindest hätten die Künstler ausreichend Geld.
Hrmpf!
Verdi goes Bonzentum.
Es wäre ja mal ganz witzig gewesen, wenn sich Verdi für Künstler und Kreative interessiert hätte – gerade für kleinere und mittlere – und sich nicht ausgerechnet zum Sprachrohr des Konzernbonzentums gemacht hätte.
Wenn Verdi so weiter macht, kann der Verein einpacken. Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn sich dieser Laden mal auf seine Ursprünge besinnen würde – und dementsprechend auch mal Gedanken darüber anstellt, WEM er seine Stimme bietet und für WESSEN INTERESSEN er sich stark macht.
Optimistische Version: In 10 Jahren vielleicht…
gut, dass ich noch nicht unterschrieben habe.
.~.
@#758405: Nein, sowas ist ganz und gar ausgeschlossen!
Ich kann mir auch vorstellen, was es bedeutet, nur noch „Hobbykünstler“ (das Wort allein ekelt mich an, denn es suggeriert, dass Künstler, die sich und ihre Arbeit verkaufen, mehr wert sind) zu haben, denn ich sehe es jeden Tag auf Flickr, DeviantArt und in Blogs: Sehr, sehr guten Content fernab von dem endlos gleichen Mainstream-Müll, das bedeutet es.
@ Simon Columbus
«Positive Auswirkungen, die eine Lockerung des Urheberrechtsschutzes auch für Kreative hätte, die mit ihrem Werk auf den Arbeiten anderer Künstler aufbauen, werden gar nicht erst in Betracht gezogen.»
… um nur einen kleinen Aspekt der komplexen Materie aufzunehmen, sollte man doch zumindest die Begriffe Kreativität und Kunst klären, bevor sie auf Arbeiten anderer Künstler aufbaut. So ist mir das Artikelende doch zu flach.
Also: Wann sollte jemand, wie weit auf der Arbeit anderer Künstler seine Arbeit aufbauen und wie eigenständig ist diese dann noch? Und wer darf damit dann Geld verdienen, auch Künstler leben nicht nur von Luft und Liebe?
Ich kann mir auch vorstellen, was es bedeutet, nur noch „Hobbykünstler“ (allein das Wort ekelt mich an, denn es suggeriert, dass Künstler, die sich und ihre Arbeit verkaufen, mehr wert sind) zu haben, denn ich sehe es jeden Tag bei Flickr, DeviantArt und in Blogs: Sehr, sehr guten Content fernab von dem immer gleichen Mainstream-Müll, das bedeutet es.
Das mit den Milliardenverlusten ist doch amtlich widerlegt?
Aber wen interessierts…
@#758429:
Das einzige Problem, das ich bei Hobbykünstlern sehen: Mach mal eine Oper mit Hobbykünstlern: Bühnenbild, 100 Musiker, 30 Sänger, von denen die Top Leute jahrzehntelang lernen.
Ich bin gegen die Kulturverwertungsindustrie – nur gewisse Produktionen kosten einfach Investment. Mir ist noch nicht so ganz klar, wie man das finanziert bekommt…mit Hobbyisten?!?
Ideal: Künstler leben von ihrer Arbeit und bereichern die Gesellschaft (dann gerne auch soviele Künstler wie möglich)
Realität: Da wärst du mal dran Simon die zu beschreiben, denn die kippst du mir (zum wiederholten Male) viel zu sehr hinten runter. Raubkopien sind dann ein Problem, wenn sie den Urheber um seine Lebensgrundlage bringen und das passiert aktuell noch viel zu häufig, oder will jemand im ernst behaupten, dass man kann von Deviantart- und Flickr-Impressions leben könnte? Natürlich liegt es aktuell nahe ein im Netz geschaffenes Problem auch im Netz zu lösen. Extern eingreifende Lösungen wie das bedingungslose Grundeinkommen sind da eine Option, allerdings einer ganz anderen Idealismus/Radikalitätsstufe (und die ist ja grade Konservativen, aktuellen Entscheidungsträgern nicht so einfach beizubringen.)
Übrigens dieses niedliche „Flickr (<- Kreativsseite deiner Wahl) setzt sich für den kleinen Mann gegen die großen Bonzenkonzerne durch" geblubbel suggeriert, dass dahinter keine großen Unternehmen mit unermesslichem Umsatz stehen würden. Momentan verdienen nur die Seiteninhaber, aber nicht die Contentkreierenden – auch irgendwie ein trauriges Vasallentum, oder? (Twitter momentan noch ausgenommen)
@#758401:
was ist denn „kreativwirtschaft“ für ein ekliges neusprech? ich nenne sowas abmahn industrie oder content mafia.
@#758431:
Zum einen: Aeh, ja, stimmt natuerlich – aber wo braucht’s Urheberrecht fuer Opernauffuehrungen?
Zum anderen: Ja, selbst wenn wir Opernauffuehrungen verlieren wuerden, waere die Diskussion damit nicht beendet. Opernauffuehrungen haben kein unumstoessliches Existenzrecht auf Kosten moeglicher neuer Kunstformen – es bliebe eine Abwaegung zwischen verschiedenen Formen der Kunst, die moeglicherweise nicht gleichzeitig existieren koennen, die sich aber nicht sinnvoll entscheiden laesst, indem man bestehenden Formen grundsaetzlich den Vorrang gibt.
ohne die produkte der kreativindustrie wäre das internet leer? ich wusste gar nicht, dass pRon als kreativ zu bezeichnen ist.
harhar
@#758401:
Der kostenlose Zugang zu Lebensmitteln wäre auch wünschenswert oder Wohnraum oder …
Kultur und Wissen wird eben auch „hergestellt“ und benötigt Finanzierung (siehe Kulturförderung, Forschungsgelder, Ausbildungssystem). Um diese Kohle herein zu bekommen ist ein faires und zeitgemäßes Rechte- und Verwertungssystem für die entstandenen Ergebnisse notwendig. Darüber zu diskutieren halte ich für okay.
Ich spreche mich dafür aus, demjenigen, der das Urheberrecht endlich zugunsten der Errungenschaften des Digitalen Wandels auflockert, ein großes Denkmal aus Gusseisen zu bauen. So viel Vernunft in einem Menschen wider aller merkbefreiten, einflusreichen Kreise gehört hochgehalten.
Kann bitte mal einer eine Erklärung schreiben, die mir als hungerleidenden Künstler aufzeigt, wie ich davon leben kann, wenn andere Leute meine Werke im Internet verteilen, ohne mich zu fragen? Also klar, Konzerte, ok, aber ich produziere keine aufführbaren Werke, ausserdem halte ich Konzerte für eine extrem rückständige Veranstaltungsform – einer vorne, alle anderen Brüllen und heben die Arme – das erinnert mich alles an Szenarien aus dem Dritten Reich oder an primitive Fussball-Gladiatoren-Spiele und ist mir zuwider – da bietet mir das Netz schon eine „saubere“ und interessantere, wegen Rückwirkungsmöglichkeit, Schnittstelle zur Präsentation.
Gut, die Netzlabels kenne ich alle mittlerweile, ich dachte ja damals, dass es in einigen Jahren *nur* noch Netzlabels gibt, es zeigt sich aber: die Einnahmen aus solchen Quellen sind extrem schwach, weil die Leute zwar gerne hören, aber nicht gerne bezahlen. Klar, ich hab halt kein fettes internationales Marketing, ich will hier auch nicht eine Antwort auf die Frage „wie promote ich mich richtig“, es geht mir hier auch nicht um die Bewertung durch andere, ob ich „gut genug“ bin, um von meiner Kunst leben zu dürfen, es geht mir um die Frage, wie ich als Künstler davon leben soll, wenn Leute im Netz alles ungefragt kopieren. Offensichtlich gefällt den Leuten ja das Material, wenn es in allen Tauschbörsen zu finden ist. Darauf will ich endlich mal eine Antwort lesen!
Ja, ich bin auch absolut gegen einen Überwachungsstaat und habe mich auch an entsprechenden Protesten beteiligt – und bin im Laufe der Jahre auf so viele Leute gestossen, die absolut kackfrech und hemmungslos massenweise Werke von Künstlern / Musikern / Autoren / sonstwas horten und weiterverteilen, dass ich mehr als einmal Schwierigkeiten hatte, die Ruhe zu bewahren. Sorry, aber ein Gedanke, der mir dazu kam, lautet: da tut einer auf Freiheitskämpfer, in Wirklichkeit handelt es sich einfach nur um den absolut normalen Geiz-ist-Geil-Asozialen, der für Sex, Drogen und seinen BMW immer genug Kohle hat aber sich rücksichtslos im Netz bedient und dem es scheissegal ist, ob Produzenten und Künstler von irgendwas leben können. Hehre Freiheitsziele finde ich auch super, aber leider muss auch mal die andere Seite der Medaille betrachtet werden – Teenager denken heute, das es völlig normal ist, für Musik nix zu bezahlen, wer sich tatsächlich noch sowas kauft, ist der Vollidiot schlechthin. Alles umsonst für alle – da bin ich gerne dabei, aber ich kriege leider weder meine Unterkunft noch die Kartoffeln umsonst (es sei denn ich klaue vom Markt die Reste, eine erhebende Art der Nahrungsmittelbeschaffung).
OK, wenn es möglicherweise ein Menschenrecht ist, sich alles zu nehmen, was man will, dann will ich mir endlich auch einmal selber was nehmen: und zwar das Recht als Künstler zu existieren! Und da möchte ich endlich einmal vernünftige Vorschläge und praxisgerechte Umsetzungen sehen von den Leuten, die seit Jahren den Aktivitäten der Content-Mafia immer nur hinterher-reagieren. Macht endlich, verdammt noch mal, Vorschläge, baut Plattformen, gründet Banken und zeigt endlich einmal in der Praxis, wie sehr Euch nicht nur unser aller Freiheit sondern auch unser aller Existenzrecht am Herzen liegt!
Langfristige Utopie-Ziele wie Existenzgeld und Ausweitung der staatlichen oder GEZ- oder sonstigen Förderungen sind alle in den nächsten 20 Jahren nicht durchzusetzen, Kultirfatrate ist etwas, mit dem sich einige Politik-Exoten schmücken wollen, die Umsetzung Jahrzehnte entfernt, weil das die Industrie-Macht brechen würde, also liefert bitte mal was realistisches, eigenständiges, ohne dieses billige Zeigen auf die anderen, die nicht wollen, macht doch mal selber was, was jetzt *sofort* wirkt, und labert nicht immer nur herum, während Eure Festplatten sich füllen mit Material, das ihr nicht bezahlt habt!
Allen Respekt vor den technischen Leistungen der letzten Jahre beim Ausbau von P2P und Torrent-Netzwerken – aber könntet Ihr jetzt bitte auch mal darüber nachdenken, wie denn eine schnelle und konkrete Existenzsicherung von Kultur-Lieferanten aussehen soll? Der „Spenden-Button“ auf der Website kann es ja wohl nicht sein, denn das reduziert mich zum Bettler – ich habe ein *Recht* zu Leben, und das nehme ich mir einfach, genau so, wie Ihr Euch meine Werke nehmt – mein Leben darf keine Gnade aus der Hand der wenigen gütigen Konsumenten sein, die bereit sind, mir ausnahmsweise auch mal ein paar Krümel abzugeben.
Wie lauten Eure Vorschläge? Für mich gibt es da zu wenig Ergebnisse – alle Bemühungen, die die Netzgemeinde in den letzten 10 Jahren entwickelt hat, haben vor allem das Ziel, alles umsonst zu verteilen – warum gibt es nicht eine einzige Torrent-Site, die eine Kasse für die Künstler eingebaut hat? Stattdessen noch stinkende Porn-Werbung, deren Erlöse in die eigene Kasse wandern – asozialer gehts ja wohl nicht mehr! Sind das dieselben Leute, die von einem „Freiheitsbegriff“ faseln – um welche Freiheit geht es da? Um die Freiheit, sich alles zu nehmen, und zwar umsonst, solange, bis nix mehr nachgeliefert wird, weil es nur noch Industriedreck auf RTL-Niveau gibt? „Ich bin doch nicht blöd, wenn es was umsonst gibt, zahl ich doch nix dafür!“. Ne? Ist doch so, oder?
Für eine konstruktive Änderung der Diskussion wäre auch eine Änderung der selbstgefälligen Sichtweise notwendig, dass es ein Recht auf alles-umsonst gäbe – denn diese treibt nur den rücksichtslosen Ego-Faschismus auf die Spitze. Mal ehrlich – es ist Euch ja heute schon egal, dass Kinder für Eure Nikes arbeiten, dass Afrikaner für die Rohstoffe in Euren Handys verrecken und das ganze Landstriche vernichtet werden, damit Ihr Eure fetten Fleisch-Burger in Euch hineinstopfen könnt – ist doch eigentlich kein Wunder, dass die „Netzgemeinschaft“, die sich lediglich über a-hrefs definiert, nicht aber über echte Solidarität, bis zum heutigen Zeitpunkt das Problem des hungernden Künstlers nicht befriedigend lösen kann, oder? Also wo sind die konkreten Modelle, die ein modernes Künstlerleben ermöglichen? Jetzt sofort, nicht irgendwann einmal in einer schönen, fernen Utopie!
Nach Jahren des Gelabers will ich endlich mal was sehen! Ihr bracht ja wohl nicht ernsthaft die Hilfe der Industrie oder korrupten Politik dafür, da mal was zu auf die Beine zu stellen, was auch funktioniert, oder?
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Ja, war etwas provokativ, ist nicht persönlich gemeint.)
Siehe auch Artikel auf freitag.de:
http://www.freitag.de/politik/1016-fragwuerdige-offensive
@#758447: Keine Frage, aber der Fokus im Urheberrecht muss eben ganz klar auf „Zugang“ sein, nicht auf „Geld“.
Wenn nur Geld wichtig ist, dann produziert eine Wirtschaft eben auch möglichst viel davon. Der Wert ist dann egal – und das kanns auch nicht sein.
@#758471: Ein wenig polemisch, aber gut auf den Punkt gebracht.
Ich fürchte, dass die Filesharing-Ideologen überhaupt kein Modell für ein modernes Künstlerleben anstreben. Der Künstler wird enteignet und sein geistiges Eigentum wird zum Volkseigentum. Irgendwie kommt mir das bekannt vor…
@#758471: Zustimmung. Diesen Standpunkt hört man viel zu selten – und wenn, dann meist, wenn er wieder mal durch einen Industrievertreter gehijacked wird. Möglicherweise, weil es keinen Interessenverband und keine Partei gibt, die kreative Selbständige vertreten.
t nur den rücksichtslosen Ego-Faschismus auf die Spitze. Mal ehrlich – es ist Euch ja heute schon egal, dass Kinder für Eure Nikes arbeiten, dass Afrikaner für die Rohstoffe in Euren Handys verrecken und das ganze Landstriche vernichtet werden, damit Ihr Eure fetten Fleisch-Burger in Euch hineinstopfen könnt – ist doch eigentlich kein Wunder, dass die “Netzgemeinschaft”, die sich lediglich über a-hrefs definiert, nicht aber über echte Solidarität, bis zum heutigen Zeitpunkt das Problem des hungernden Künstlers nicht befriedigend lösen kann, oder? Also wo sind die konkreten Modelle, die ein modernes Künstlerleben ermöglichen?
/Zitat von #18
–
Ein Geschäftsmodell ist sich wichtig zu machen…
Das Netz ist ein Probates Mittel zur Vermarktung.
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Geht doch
@Pauper Artifex Advocatus Diaboli: Du klingst wie der Kutscher, der sich über die Eisenbahn beschwert. Entwickler von freier Software schaffen es doch auch, sich mit einem vernünftigen Job zu ernähren, woher leitest du dein Recht ab, von anderen ernährt zu werden? Entwickler jammern auch nicht rum, warum seid immer ihr selbst ernannten Kreativen am Jammern?