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Bayern München – Inter Mailand 0:2

Die erste Schrecksekunde vor dem Anpfiff: Beckenbauer gab zu Protokoll, er habe „schon hin und wieder Gedanken“. Glücklicherweise hatte das wie üblich keine allzu großen Auswirkungen auf seine Äußerungen.

Es hätte auch nicht zur Sat.1-Berichterstattung gepasst. Eine dreiviertel Stunde „Kerner sucht den Superlativ“ und ein bisschen Lothar Matthäus, der sich traditionell – als wären Fernsehauftritte Bewerbungsinterviews – mit sachlichen, taktisch-analytischen Ansagen als Fachmann zu verkaufen sucht. Vielleicht hofft er, Bernd Hoffmann könnte aus Versehen den Fernseher anhaben, dem als einziger zuzutrauen wäre, Matthäus in die Nähe seiner Spieler zu lassen.

Anpfiff. Auf 20 Metern drängten sich die Interspieler knapp hinter der Mittellinie, um nach einem Fehlpass Bayerns so zügig wie möglich auf Butt zuzurauschen. Bayern stand um einiges tiefer und kam anfangs kaum zu jenen bedächtigen Kombinationen, die ihr Spiel diese Saison prägen. Früh war klar, dass Chivu auf links häufiger Robben treten würde als den Ball: das war die Schwachstelle im Interspiel. Und siehe, nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten zogen die Bayern etwas an. Inter verständigte sich auf die zurüchhaltende Tour mit etwaigen epileptischen Ausfällen nach vorne. Nur vorne rannte Milito, so unablässig, als wäre Matthäus‘ Friseur hinter ihm her.

Nach fünfzehn Minuten hatte Chivu einmal statt Robben nur heiße Luft getroffen, aber in der Mitte fand sich niemand. Und – andere Seite – hieb Sneijder einen Freistoss aus gefühlten 50 Metern aufs Tor, naja. Mehr Zeitlupenmaterial produzierten die beiden nicht, und schon da stand zu befürchten, dass es ein dreckiges Tor sein würde, das das Spiel entscheiden würde. Bayern gewann viele entscheidende Zweikämpfe im defensiven Mittelfeld, die nicht entscheidend aussehen.

Entscheidend aussehen tat hingegen die bayrische Abwehr in der 39. Minute, und zwar ausgesprochen schlecht. Einen Abschlag nickte Milito, freundlich flankiert von Demichelis, auf Sneijder, der zurück auf Milito – vier Ballkontakte, ein Schuss, ein Tor. Jetzt wird’s richtig schwer, denkt das Phrasenschwein im Kopf, und tatsächlich stand zu vermuten, dass Inter auf jene Taktik zurückgreifen würde, die in der Welt der Dinge die Pressspanplatte zum Vorbild hat.

Bayern würde noch zu Chancen kommen, aber sie würden riskanter spielen müssen und das direkte Duell suchen müssen. Geld hätte ich zur Halbzeit nicht mehr auf die Bayern gesetzt.

Kaum schreib ichs, pfeift der Schiedsrichter zur Fortsetzung, und keinen Wimpernschlag darauf versemmelt Müller vogelfrei und vogelwild. Anderenseits durfte Pandev mal verziehen, es wurde lebhafter. Nur van Gaal sah aus wie immer: als würde er jetzt gerne Klösse essen. Ich finde, van Gaal sieht immer aus, als würde er gerne Klöße essen. Mit ein bisschen Soße.

München mühte sich, nur: ausser Ecken nichts zu stecken. Aber weil Bayern bei Standards nicht einmal die Gefährlichkeit eines toten Vogelbabys erreichte, freute das zunächst einmal nur Inter Mailand, die jedes Mal ins Kontern kamen. Klose kam für Altintop, es sollte offensiver werden.

Bitter wurde es statt dessen. Am Ende eines jener Konter, den Inter nach Art einer „Vier Freunde“-Folge zusammenkombinierten, lud Milito van Buyten auf ein Tänzchen ein und umwirbelte ihn, bis die Haare in vier Himmelsrichtungen zeigten, um dann in aller Gelassenheit den Ball ins lange Eck zu schieben. Zwei zu Null zwanzig Minuten vor Schluss, da war nur noch wenig Hoffnung.

Inter isolierte mit der Präzision einer Plastikpresse die gegnerischen Angriffe auf der Höhe ihrer Eckfahne, und den Bayern fiel kaum mehr etwas ein. Badstuber schlug seine Fehlpässe, Robben verzettelte sich, vorne standen sich Klose, Gomez und Olic die Füße platt.

Dass Bayern dieses Spiel verloren hat, liegt vor allem daran: vor dem Tor handzahm, nicht zu klaren Chancen gekommen und alles in allem ein wenig schüchtern, wenn es gegolten hätte, zu brettern. Es war nicht die bessere Mannschaft, die dieses Spiel gewonnen hat, es war die ausgebufftere Mannschaft.

38 Kommentare

  1. 01
    tj

    wow, schneller als die Bayern vor dem Strafraum.

  2. 02
    Michi

    Du hörst dich an als würdest DU gerne Klöse essen.

  3. 03
    Kölnerin

    So Leid, wie es mir für die Bayern tut, die Tränen kamen mir aber bei diesem Spielbericht – – – vor Lachen. Einfach köstlich!!!

  4. 04

    Schade,

    dass das viel zitierte ‚Tripple‘ nicht geklappt hat.
    So mancher Spieler ‚Zocker‘ ärgert sich über das
    Resultat.

  5. 05
    kkaddi

    Inter Mailand war einfach, um Klassen besser, als Bayern München. Es hat mir sehr gut gefallen wie Inter Mailand sich spielerisch gezeigt hat. Das war einfach super genial .

    Als Bayern letzte Woche Weder Bremen geschlagen hat, und so den zweiten Titel geholt haben, war mir von vorne rein klar, dass der FC Bayer den Trrippel nicht schaffen wird.

  6. 06
    j

    @04 schön, wenn vor lauter spam-hektik ein komma in die URL rutscht.. :-)

  7. 07

    Einmal alle fünf Jahre das imaginäre Bayern Trikot an und dann sowas… Ohne Ribéry ist die Truppe einfach nur halbsoviel wert und warum Klose und Gomez da noch rumhampeln dürfen fragt man sich ja nicht nur auf Vereinsebene. Aber sher schön, daß sie den Kaiser heute mal wieder aufgetaut haben – immer wieder ein Genuss, speziell wenn München den Sack voll bekommen hat.

  8. 08

    Nur vorne rannte Milito, so unablässig, als wäre Matthäus’ Friseur hinter ihm her.

    Das Schlimme ist, Frédéric, langsam ertappe ich mich dabei gar nicht mehr das Spiel zu gucken sondern lieber gleich auf Deine Stellungnahme hier zu warten …

  9. 09
    xconroy

    im uefa-cup-finale war ich für fulham (kp warum, fand die irgendwie sympathischer).

    im dfb-pokalfinale für werder (logisch)

    heute ausnahmsweise mal für bayern.

    irgendwas mach ich falsch -.-

  10. 10
    @xonroy

    @xonroy sei einfach nicht für D bei der WM-klaro?

  11. 11
    Martin

    Naja, hat schon die bessere Manschaft gewonnen. Dieses schnelle Kurzspiel nach Ballgewinn hinten drin um dann den befreienden Pass zu spielen, das hatte schon Qualität. Schade, dass Altintop ausgewechselt wurde, der hat ab und etwas riskiert.

  12. 12
    kkaddi

    Man hat doch ganz genau gesehen, dass Inter von beginn an, die bessere Manschaft auf dem Platz gewesen ist. Mir war es so recht, dass die Bayern gestern, die nötig Quittung, bekommen haben. Das war nur gerecht nach dem die Bayern, letzte Woche Bremen so regelrecht vorgeführt hatten.Inter ist halt um Klassen besser als der FC Bayern Müchen.

  13. 13

    Schade für die Bayern :(

  14. 14
    Daniel

    Ganz hervorragender Text. Ich schaue gemeinhin kaum Fußball, aber deine Analysen, Fred, die lese ich immer und mit großem Vergnügen.

  15. 15
    Maddes

    wir haben vorm fussball eishockey geguckt – grundsätzlich darf man vor anpfiff niemals in eine fussballübertragung reinschalten (egal bei welchem sender). bringt zwar kein unglück aber das gefasel der beteiligten einen schlechten appetit.
    inter hat leider verdient gewonnen, bayern einfach zu schlecht gespielt (glück für italiener, die münchner können’s auch besser).

  16. 16

    Diese Fußballanalysen sind auch interessant für Leute, die sonst die Teams nicht auseinanderhalten können. Ich weiß wovon ich spreche

  17. 17

    Der Beitrag sprich mir voll aus dem Herzen. Es war schon bitter, aber wir haben ja noch unsere WM. Wir kommen wieder!

  18. 18
    Le_Franck

    Ne, ist schon in Ordnung. Mou hat da ein absolut abgewichstes Team auf den Platz gelassen, das verdient gewonnen hat. Aber lieber so verlieren, als unverdient und unglücklich durch zwei Tore in der Nachspielzeit. Da weiß man wenigstens, woran man ist. Und dass man an den aufgezeigten Defiziten in der nächsten Saison arbeiten kann. Auf dass abermals gedemütigte [insert your favourite german team]-Fans ihren Frust in sinnfreien Äußerungen rauslassen können.

  19. 19
    Gerson

    oha so langsam finde ich die kommentare und/oder spielberichte hier echt besser als die von 11freunde. endlich erkennt auch mal jemand, dass Inter hier sicher nicht die bessere Mannschaft war (wobei dieses CL-Finale auch kaum mehr Qualität bot als das von 2004) und endlich labert mal jemand nicht diesen Kram, wie toll Milito doch sei (ganz im gegensatz zu dem unsagbar bekackten sat1-Kommentatoren).

  20. 20
    Fabian

    Bitte Fred, die bekackte Phrase des „dreckigen“ Spiels/Tors ist so abgdroschen, wie der Hinweis, es müsse die NULL stehen, wann immer Stevens eine Team trainiert, einen Check ausfüllt oder nur auf die Uhr guckt.

  21. 21

    Das Problem von Fußballkommentaren ist ja im Grunde das der klassischen Propaganda (nicht wertend gemeint): Da gerade die entscheidenden Spiele wirklich Volksfest-Charakter haben und ein extrem breites Publikum anziehen, muss jeder Kommentator extrem vorsichtig sein, auch tatsächlich dieses ganze Publikum anzusprechen – und ja keinen abzuschrecken, zu irritieren, zu überfordern, und was weiß ich nicht noch alles.

    Es könnte ja mal irgendeiner einen Live-(natürlich-nur-audio)-Podcast zu irgendeinem gerade live-laufenden Spiel machen, und das in niveauvoll. Bzw. gibts wahrscheinlich auch schon irgendwo, oder?

  22. 22
    fk2

    Naja, das Hauptproblem war wohl die Defensive. Demechelis hat ja wohl unter aller Sau gespielt und Van Bommel kann halt nunmal auch nicht alles reißen. Dazu hatte dann auch noch Badstuber Lampenfieber und schon ist ein Champions League-Spiel gelaufen.

    Geb dieser Bayern-Mannschaft einfach mal ein Jahr und etwas Verstärkung in der Defensive, dann entwickelt Müller auch ein bisschen Kaltschnäutzigkeit, Kroos lässt Schweinsteiger aus dieser Rybery-Rolle verschwinden. Sie müssen nur Van Bommel und Van Buyten halten und Badstuber aufbauen und dann sind die nächstes Jahr wieder mindestens Meister.

  23. 23
    Sebastian

    Wer aus seinen 2 Chancen die 2 Tore macht ist nicht nur ausgebuffter, der is nun mal auch die bessere Mannschaft. Wer Altintop rausnimmt um einen Klose zu bringen, der dann vorne auf die Flanken wartet und darauf hofft, dass Badstuber die irgendwie reinbringt, der ist maximal äußerst mutig, aber nicht besser. Und wenn man dann nach der 70. Minute immer noch an der „wenn wir den Ball haben kann der Gegner kein Tor schießen“-Nummer festhält und minutenlang den Sicherheitspass zurück in die Abwehr spielt, … ach was rege ich mich auf…
    Gewöhnt Euch an dieses Gefühl, wir werden dass in kurzer Zeit wieder verspüren ;)

  24. 24
    k

    @#760491: Schön, wenn man vor lauter Spam-Kritk-Hektik nicht merkt, dass das Komma in der URL mit voller Absicht verwendet wurde. ;)
    Würdest du hier öfter aufmerksam die Kommentare lesen, wäre dir wahrscheinlich aufgefallen, dass PiPi das immer so macht.

  25. 25

    @#760491:
    Das stört nicht weiters.

    Die Bayern Fans werden ihren Lieblingsitaliener weiterhin aufsuchen.
    Eventuell gibt es einen Grappa auf’s Haus.

  26. 26
    vib

    Es heißt übrigens „der Konter“, also auch „einer jener Konter“. Nur um mal hier ein wenig klug rumzuscheißen.

  27. 27
    k

    @#760533: Klugscheißen will gelernt sein. ;) Der Ausdruck steht im Artikel im Genitiv („An wessen Ende? – Am Ende eines Konters.“) und deshalb ist „eines jener Konter“ völlig korrekt.

  28. 28
    Synes

    Wer Lothar Matthäus schon im ersten Abschnitt schon die fußballerische Kompetenz abspricht, den kann man doch im weiteren Verlauf des Textes nicht mehr all zu ernst nehmen.

  29. 29
    cala estancia

    Warum hat eigentlich niemand den Pokal beim Einlaufen berührt? Ach ja: Der Schiedsrichter war schuld.

  30. 30

    Die Bayern waren über die gesamte Spielzeit zu passiv. Bezeichnend das Quergeschiebe im Mittelfeld, wenn es dann doch mal eine Lücke gab um den Ball nach vorne zu treiben. Zum Fussball gehört trotz der Maxime des Ballbesitzes auch mal der Mut für die 1:1 Situation. Da war Robben allein auf weiter Flur und die liebevolle „Kümmerei“ der Turiner seinem Engagement nicht zuträglich. Turin imponierte bei den wenigen Vorstößen mit einer Ballfertigkeit und Zielstrebigkeit, die ich so nicht erwartet habe.
    Das Gute daran ist, dass die Bayern jetzt umso mehr wissen, wo es noch habert

  31. 31
    cala estancia

    jaja, die turiner mailänder sind ganz schöne knochen.

  32. 32

    Die Bayern waren im CL-Finale einfach zu nervös. Es sah so aus, als hätten vor allem die jungen Wilden schon vor dem Spiel die Hosen voll gehabt. Badstuber spielte nur Sicherheitspässe, und Thomas Müller versemmelte seine Großchance wie oben erwähnt „vogelfrei und vogelwild“!

  33. 33

    Na ja wenn man sich für De Michelis/Van Buyten statt Lucio entscheidet dann soll sich nicht am Ende wundern, gegen einer starker Abwehr verloren zu haben.

  34. 34
    kkaddi

    @Malle(32) auf dein Kommentar,stimme ich dir zu. Die Bayer war wirklich an zu sehen dass zu nervös waren.Die wilden Jungen Spieler von Bayern, die vor dem Spiel schon angst hatten vor Inter Mailand.Mailand war,um Klassen besser,als die Bayern. Ich denke mal, dass diese Niederlage für die Bayern Spieler jetzt war. Damit die Bayern Spieler, sich jetzt so richtig anstrengen werden, bei der WM Vorbereitung sich zu konzentrieren.

    AM Samstag bei Länderspiel Deutschland gegen Ungarn die National Spieler sich noch mal so richtig anstrengen wäre mit zu WM fahren darf. Man kann gespannt sein, wen Jogi Löw nicht mitnehmen sollte von den Spielern, die nicht mit nach Süd Afrika dürfen.