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Wer über Umweltschutz schreibt, lebt gefährlich

Liu Jianqiang ist ein glücklicher Mensch, sagt er. „I’m lucky“, denn in China gebe es viele Übel. Da sei es leicht, mit Enthüllungen Schlagzeilen zu machen. Natürlich auch ein wenig gefährlicher als in Europa, gibt Liu zu. Der vielleicht bekannteste investigative Journalist der Volksrepublik sprach auf den Global Media Forum der Deutschen Welle mit internationalen Kollegen über die Risiken, die mit der Berichterstattung über Umwelt-Themen einhergehen.

Liu hat mit seinen Recherchen in ganz China für Aufsehen gesorgt. 2004 schrieb er über ein Dammbauprojekt im Tiger Leaping Gorge“. Obwohl die Schlucht Teil des UNESCO Weltkulturerbes ist, wurden dort gebaut – ohne offizielle Genehmigung. Premierminister Wen Jiabao selbst soll Lius Artikel gelesen und die Arbeiten an dem Damm darauf gestoppt und interne Ermittlungen eingeleitet haben.

Heute schreibt Liu nicht mehr für die Southern Weekly, die von der New York Times als „Chinas einflussreichste liberale Zeitung“ bezeichnet worden ist. Ein nicht mit dem Chefredakteur abgesprochenes Interview mit der Washington Post hat ihn seinen Job gekostet. Ein Ausrede, sagt Liu, denn in Wirklichkeit seien es seine Enthüllungen der Umweltsünden einflussreicher Unternehmen, die zu dem Rauswurf geführt hätten.

Wer über Umweltthemen schreibt, legt sich mit der Wirtschaft an, darin sind sich die Diskutanten auf dem Gobal Media Forum einig. Gerne hätten sie Mikhail Beketov eingeladen, sagt der Panel-Moderator Frank Smyth vom Committee to Protect Journalists. Doch der Chefredakteur der unabhängigen Regionalzeitung Khimkinskaya Pravda leidet noch immer unter den Folgen eines Angriffes. Im November 2008 wurde er zusammengeschlagen und lag danach wochenlang im Koma. Er verlor ein Bein und erlitt unheilbare Schäden am Gehirn. Zuvor hatte Beketov kritisch über die geplante Abholzung eines Waldgebietes berichtet, in dem ein Gewerbezentrum entstehen soll. Die Täter sind bis heute nicht gefunden worden.

Doch auch ohne körperliche Gewalt können Unternehmen häufig die Berichterstattung über ihre Umweltsünden verhindern. „Wirtschaftlicher Druck ist eine große Gefahr“, sagt Jean-François Julliard, Generalsekretär der Reporter ohne Grenzen. Seine Organisation hat in diesem Monat einen Report veröffentlicht: High-risk subjects: Deforrestation and pollution. Darin finden sich Fälle wie der des Bergbauunternehmens Agua Rica, dass massiv Werbeplätze in Zeitungen kauft. Damit will die Tochter des kanadischen Konzerns Yamana Gold Zustimmungen zum Bau einer Kupfermine erkaufen, sagt Adán González vom lokalen TV-Sender Canal 10:

The mine’s opponents accuse us of selling out and several reporters have been attacked. At the same time, the mining company and its political suppor­ters buy advertising space to influence our editorial posi­tion.

Der wirtschaftliche Druck lastet nicht nur auf Verlagen, sondern auch auf Bürgerjournalisten wie Mahdi: „Wenn ich versuche, anonym zu bleiben, dann ist das nicht aus Angst vor dem Staat“, sagt der marokkanische Aktivist und Blogger, „sondern wegen den Unternehmen.“ Er fürchtet um seine Karriere, sollten Vorgesetzte herausbekommen, dass er sich gegen Hotelprojekte an der Mittelmeerküste engagiert. „Sie haben Angst, jemanden zu beschäftigen, der sich politisch betätigt.“

Was Mahdi befürchtet, ist dem ägyptischen Blogger Tamer Mabrouk bereits passiert. Er arbeitete in einer Chemie-Fabrik – und berichtete in seinem Blog über Umweltverschmutzungen durch seinen Arbeitgeber. Der feuerte Mabrouk und brachte ihn für seine Veröffentlichungen vor Gericht, wo der Blogger wegen Beleidigung des Unternehmens zu einer Geldstrafe von beinahe 6.000 Euro verurteilt wurde.

Bruno Rezende, der in Bonn den Spezialpreis der Best of Blogs Awards in der Kategorie Klimawandel verliehen bekam, findet es schlimm, dass Kollegen in anderen Ländern mit derartigen Bedingungen zu kämpfen haben. Zugleich ist er aber auch froh, selbst frei arbeiten zu können. Damit geht es ihm anders als seinem Landsmann Lucio Flavio Pinto. Der Gründer des Magazins Jornal Pessoal traute sich nicht, nach Bonn zu kommen – aus Angst, einer seiner über 30 von Unternehmen initiierten Prozesse könnte in seiner Abwesenheit gegen ihn entschieden werden.

Egal ob Russland oder Brasilien, Argentinien oder Ägypten: Es ist ein Filz aus skrupellosen Unternehmen und regionalen Autoritäten, die Blogger wie Journalisten mit Gewalt, wirtschaftlichem Druck und juristischen Prozessen bedroht, wenn sie über handfeste Ursachen des Klimawandels berichten. Organisationen, die sich für sie einsetzen, gibt es in den wenigsten Ländern. „Man muss sich selbst schützen“, sagt Liu Jianqiang. Das beste Mittel: Sachliche Fehler vermeiden, um den Gegner keine legitime Angriffsfläche zu bieten.

Doch auch das bietet selten mehr als moralische Unterstützung. „Als Journalist in einem Entwicklungsland muss man so viele internationale Kontakte wie möglich knüpfen“, sagt die pakistanische Journalistin Rina Saeed Khan, die sich in ihren Heimatland auch mit dem Militär angelegt hat. Druck von außen kann in manchen Fällen helfen. Dennoch, ein Risiko bleibt. Die Umwelt-Berichterstatter sind trotzdem entschlossen, weiterzumachen.

„Sie sagten, ich sei eine Gefahr für das Unternehmen“, meint Tamer Mabrouk. Deshalb warfen sie ihn raus, doch aufgeben will er nicht, sondern seine Nachricht weiter in die Welt tragen: „Sie haben recht gehabt!“

7 Kommentare

  1. 01

    Ich möchte mich einfach nur bedanken, dass sich so viele Blogger und Journalisten trotz Gefahren für unsere Erde einsetzen.

  2. 02
    Thomas Benle

    Guter Artikel – wie gewohnt. :)

    Am schönsten ist Absatz 8: Beleidigung des Unternehmens… Gnihihi.

    Ach ja: Dem 4ten Absatz fehlt ein „er“:
    „Im November 2008 wurde zusammengeschlagen“

  3. 03
    dejj

    Danke für den Artikel