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Chile – Spanien 1:2


Was ist denn nur mit Torres los? Früher kraftvoll und ideenreich, heute Angela Merkel. Muss der erst wachgeküsst werden und wenn ja: wohin? Auf den Oberschenkel? Ich hätte zur Not noch ein Knie über. Aber nur eines.

Ich hatte Schwierigkeiten, den Umstehenden zu erklären, wer jetzt wer war. Die Chilenen in Rot und überhaupt ganz wie Spanien. Ballbesitz knapp 350 %, mit mehrstufigen Kombinationen bis vors gegnerische Tor, ballsicher und immer mit einer Lösung für jede Situation, je schwachsinniger, desto schöner und effektiver. Nur das Tor blieb aus, aber das kennt man ja von den, Moment, Roten. Spanien spielte nicht mit angezogener Handbremse, sie spielten wie ein Bobbycar: unwendig, wenns eng wurde, zu langsam in den Geraden. Nunja, und Bobbycars haben keine Handbremse.

Und dann wurde es Chile selbst zu unheimlich. Oder dem Torhüter zu langweilig. In bester Lehmann-Manier versuchte Claudio Bravo, der chilenische Torwart, Torres nach einem langen Pass abzugrätschen, 35 Meter vor dem Tor. Aber er kriegt die Tür nicht zu respektive den Ball nicht weg, sondern spielt ihn Villa in die Beine, der sich nicht lange bitten lässt. Aus 40 Metern. In ein Tor, das sich heute als Oliver Twist verkleidet hat. Drin, einsnull, dingens.

Und dann war Petting: die Spanier ließen die Chilenen ein bisschen kommen, ohne sich ganz zu entblößen. Und holten im Zweifelsfall zum Tiefschlag aus: kaum dass Chile einmal kontern durfte, bekam Iniesta im chilenischen Strafraum den Ball auf den Fuß serviert, so wie man in seiner Lieblingskneipe den Zosch kriegt. Kann man nicht nein sagen. Haut man sich den eben auch noch rein. Und sei man Iniesta, der bisher doch noch alles liegen hat lassen bei dieser WM. Diesmal nicht: Zweinull. Chile anschließend nur noch zu zehnt, weil… keine Ahnung. Gelb-Rot gegen Estrada, vielleicht wegen des Namens, denn Estrada heißt auf Deutsch so viel wie Tribüne. Das wäre witzig, aber nicht für die Chilenen.

Die aber nahmen das Ganze ernst. Sehr ernst. 46, Minute, Millar schlenzte einen Ball aufs Tor, Piqué hielt ein Knie dazwischen, dass er mal besser Torres in die Magengrube gehauen hätte: unhaltbar abgefälscht, Anschluss Chile. Ob man das bei einer Ex-Kolonie überhaupt sagen darf – Anschluss? Wo doch seit ein paar Wochen alle so shitstorm-wütig sind.

Anyway. Spanien sollte immer gegen zehn Gegner spielen, nur dann haben sie offensichtlich genug Platz für ihr Kurzpassspiel. Erst dann ließen die Spanier ihre Gegner sich totlaufen, immer dem Bällchen hinterher, denn – altes spanisches Sprichwort – „der Ball schwitzt nicht“. Puyol übrigens auch nicht.

Und nach 80 Minuten war die Schweiz noch immer zu dämlich, Honduras einen reinzulegen. Ich hätte so gern Hitzfelds Tränensäcke gesehen. Die 82. Die 84. Die 86. Die 88. Sie wurden immer grüner. Die 90. Nachspielzeit.

However. Derweil wollten die Spanier nicht mehr so recht, die Chilenen konnten nicht mehr, fünf Euro ins Phrasenschwein. Es wurde kein Krimi mehr, eher eine Art Indipendent-Film ohne vernünftigem Ende. Am Ende lagen sich alle in den Armen: Achtelfinale für beide, Eis für beide, nochmal Pipi vor der Weiterfahrt. Wenn die Spanier nicht bald Xavi und Torres fitgespritzt bekommen, droht matt in drei Zügen.

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10 Kommentare

  1. 01
    Numero Uno

    Kam es nur mir so vor, als wenn auf dem Spielfeld eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung herrschte? Da gab’s ja irgendwie keine richtigen Fouls (oder der Schiri war einfach furcheinflößend) und wenn half man sich danach sofort wieder auf die Beine. Naja, lag vielleicht an der gleichen Sprache …

  2. 02

    Resultat

    Zumindest mal tragen die Iberer untereinander aus, was den eroberten
    Kolonien nicht gelungen ist, untereinender aus. Schade für die Americanos
    und nicht zuletzt für die Schweiz.

  3. 03

    Mist, da hat sich ein vorgefertigter Artikel durch einen Unachtsamen ‚Klick‘ verselbstständigt. Bitte oben genannten nicht für Wichtig nehmen. Bin am schweigen üben.

  4. 04
    xconroy

    Estrada hätte der Trainer besser schnell ausgewechselt, es war klar daß der beim nächsten schiefen Blick fliegt, nach dem was er sich vorher geleistet hat.

    Ansonsten: die ersten 75 Minuten waren das beste Spiel bisher bei dem Turnier. Und für die Brasilianer kanns einem eigentlich jetzt schon leid tun – so wie die bisher aufgetreten sind haben sie gegen diese Chilenen keinen Blumentopf in Reichweite.

    Iniesta hab ich nicht so schwach gesehen. Dafür, daß er angeschlagen war, hatte er ein paar gute Szenen.
    Naja, und Torres. Vielleicht bereut del Bosque es jetzt, daß er Raul ausgemustert hat.

  5. 05
    Christian

    Frédéric, also bitte!
    Es is ja bestimmt auch immer einfacher zu schimpfen, aber beim bisher schönsten Spiel dieser gesamten lieber-mal-nicht-Fußballspielen-WM?
    (Ich hab den Schluss ja auch gesehen… lassen wir das)
    Man muss ja nicht immer 8 Absätze zusammennörgeln, bist ja wie der Kritiker von Ambrose Bierce ^^

  6. 06
    xconroy

    mhmja… so ne gewisse Eigendynamik des Nörgelns scheint hier so langsam in Ansätzen zu emergieren ;-). Der Erfolgsdruck, mit gleichen Mitteln die bisherige durchaus hochklassige Humorigkeit bei wiederum sehr ähnlichem Anschauungsmaterial (Fußballspiele sind sich bei aller Liebe ja doch irgendwie ähnlich) immer wieder zu toppen oder mindestens zu halten, wird (als) nicht geringer (empfunden). Und je mehr die Mittel der Wahl zugespitzt werden, desto weniger haben andere (aka: nette, positive Äußerungen) eine Chance, jedenfalls neigt man dazu, das zu denken.

    Schlimmstenfalls entsteht so eine Art Don-Alphonso-Effekt. Und das wäre *wirklich* schlimm, denn dann wäre ein Niveau erreicht, auf dem man sich wieder über Vuvuzelas und Reichsparteitage aufregt – eine Unsitte, zu der Frederic bis dato einen sehr erfreulichen und erfrischenden (politisch inkorrekten?) Gegenpol bildet.

    (Abt. hach was wäre die Welt ohne Metagenörgel^^)

  7. 07
    dismax

    Ich bin von den Südamis total begeistert. Alle ausser Honduras sind durch, und sogar die hätten es verdient, man bedenke: Honduras ist wirklich eine „Bananenrepublik“ und für südamerikanische Verhältnisse einen Zwergstaat. Respekt Mann!

    Chile ist eine tolle Mannschaft und einen Riesen Lob für ihr Auftreten gegen Spanien. Wenn die Chilenen taktisch gespielt hätten, wäre für die Spanier nichts zu holen gewesen. Selbst zu zehnt haben sie mutig ihre Angriffe durchgezogen und den Spanier viel Raum gelassen. Die Spanier können sich bei den Chilenen nur bedanken. Nach dem 2:1 nahmen es die Chilenen auch etwas easy, die Schweiz hätte gegen Honduras min. 2:0 gewinnen müssen.

    Leider werden die Südamis in den Achtelfinals aufeinander treffen. Ein Glück für geldkackenden Europäer.

    „Fuerza Argentina!!!“

    (Sorry, ich wünsche den deutschen alles Gute, aber Italos sind halt etwas argentinophil)

  8. 08
    bender

    @dismax: die weißen spielen ja auch gegeneinander im achtelfinale..
    ich hoffe ja auf ein traumfinale zw spanien und argentinien und wenn chile brasilien rausbugsiert, haben wir auch eine bessere chance, es zu sehen.
    die WM is jetz viel besser, ohne vuvuzela dauerdröhnerei. oder liegts daran, dass taktieren vorbei is. ghana solls noch eine runde schaffen!!

  9. 09
    dismax

    @#764405:

    England ist sehr schwach, die Flachländer kommen mit den Bedingungen ganz schlecht zurecht. Die hälfte der Mannschaft atmet nach einer halben Stunde mit offenem Mund (Bei den Italos war es trotz Höhentraining nach einer viertel Stunde soweit).

    Die Deutschen sind um einiges fitter, die Engländer blaulaufen lassen und danach 1 oder 2 Tore schiessen.

    Viel Glück :-)