Hossein Derakhshan, der als „Pate“ der iranischen Blogosphäre gilt, wurde vor anderthalb Jahren in Tehran verhaftet. Die genauen Umstände sind bis heute unklar, weil aus dem Gefängnis kaum etwas nach außen gedrungen ist. Sicher ist nur, dass das Regime sich rächen will an einem der umstrittensten Idole der Netzaktivisten. Am Mittwoch begann der Prozess gegen den kontroversen Provokateur.
Ich habe Hossein Derakhshan einmal getroffen, das war 2008, in Budapest, auf dem Citizen Media Summit von Global Voices. Für mich war das die erste große Konferenz und als so schon schüchterner Mensch bewegte ich mich in diesem Umfeld noch ziemlich unsicher (obwohl ich selten eine so offene Gemeinschaft wie die „GVers“ gefunden habe). Vielleicht kann ich mich deshalb nicht mehr daran erinnern, worüber ich mit Derakhshan gesprochen habe.
Es gibt ein Photo von dieser Begegnung, darauf Hossein Derakhshan mit einem T-Shirt, darauf steht „I [heart] Gaza“, eine junge ungarische Journalistin und ich. Die Journalistin ist eine gute Freundin geworden, im April habe ich sie besucht. Ich stellte fest: Es hat sich nicht viel verändert, seitdem dieses Photo entstanden ist. Ich habe die Schule abgeschlossen, die Jeans von damals hat Löcher bekommen und ist nur noch zum Streichen gut, und in Ungarn haben die Rechten bei den Wahlen triumphiert. Hossein Derakhshan sitzt seit anderthalb Jahren in einem iranischen Gefängnis.
Im September 2001 stellte Hossein Derakhshan, ein junger iranischer Journalist, der kurz zuvor nach Kanada gezogen war, eines der ersten Internet-Tagebücher, ein so genanntes Weblog, in seiner Muttersprache Farsi ins Netz. Auf die Bitte eines Lesers hin erstellte Hossein außerdem eine einfache Anleitung auf Farsi, wie man ein Weblog führt. Zunächst nur das bescheidene Ziel verfolgend, anderen Iranern eine Stimme zu verleihen, rief er damit eine ganze Community ins Leben.
So beginnt Nasrin Alavis Buch „Wir sind der Iran“ über die damals noch junge Bloggerszene in der Islamischen Republik. Dort nennen sie Hossein Derakhshan „The Blogfather“, den Paten von Blogistan, weil er mit seiner Anleitung für das Bloggen in persischer Schrift die iranische Blogosphäre aus der Taufe gehoben hat. Farsi war lange Zeit eine der vier verbreitetsten Sprachen in der Blogosphäre – und „Hoders“ eigenes Blog „Editor: Myself“ gehörte zu den Meistgelesenen. Heute ist es nicht mehr erreichbar.
Derakhshan als Einen zu beschreiben, der die Kontroversen sucht, wäre noch untertrieben. Im Januar 2006 hat er eine vielbeachtete Reise nach Israel unternommen. Derakhshan benutzte dafür seinen kanadischen Pass, denn iranische Staatsbürger dürfen nicht in das Land einreisen. Dass ihm dieser Besuch auf lange Zeit die Rückkehr in sein Heimatland verwehren konnte, war dem Blogfather damals bewusst. Er unternehme diese Reise dennoch – als Bürgerjournalist und als Friedensaktivist, schrieb er in seinem Blog:
As a citizen journalist, I’m going to show my 20,000 daily Iranian readers what Israel really looks like and how people live there. The Islamic Republic has long portrayed Israel as an evil state, with a consensual political agenda of killing every single man and woman who prays to Allah, including Iranians. I’m going to challenge that image. As a peace activist, I’m going to show the Israelis that the vast majority of Iranians do not identify with Ahmadinejad’s rhetoric, despite what it looks like from the outside. I’m going to tell them how any kind of violent action against Iran would only harm the young people who are gradually reforming the system and how the radicals would benefit from such situation.
Ein halbes Jahr später unterstützte Derakhshan in einem Artikel für die Washington Post ein iranisches Atomwaffenprogramm. Nach seiner Verhaftung wurde dieser Beitrag und die nachfolgende Unterstützung der iranischen Außenpolitik oder Kritik an den USA als ein Versuch gewertet, bei den Machthabern in Tehran Gnade zu erwirken, um eine Rückkehr zu ermöglichen.
Am 1. November 2008 wurde der Pate der iranischen Blogosphäre im Haus seiner Eltern in Tehran festgenommen. Er war zurückgekehrt, trotz aller Gefahren. Bekannte, mit denen ich später darüber gesprochen habe, haben eines immer wieder wiederholt: Hat er wirklich geglaubt, dass ihm vergeben würde? Hat er wirklich geglaubt, dass das Regime keine Rache nehmen würde für all die Kritik und die Provokationen der vergangenen Jahre?
Vor einer früheren Rückkehr in den Iran, 2005, hatte Derakhshan aus seinem Blog Anweisungen für den Fall seiner Verhaftung veröffentlicht. „Verbreitet die Nachricht!“, steht dort unter anderem. Als er tatsächlich ins Gefängnis kam, dauerte es drei Wochen, bis die Öffentlichkeit davon erfuhr.
Seitdem ist nicht viel mehr bekannt geworden. Derakhshan hat viele Monate in Einzelhaft verbracht, über seine Familie sind Berichte von Folter nach außen gedrungen. Er sitzt im Evin-Gefängnis ein, das ist das schlimmste, dort werden all die Dissidenten gefangen gehalten, die das Regime zum Schweigen bringen will.
Am Mittwoch hat der Prozess gegen Hossein Derakhshan begonnen. Nicht einmal seine Familie durfte dem Verfahren beiwohnen, doch die regimetreue Nachrichtenagentur FARS berichtet über die Anklagepunkte: Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen, Propaganda gegen die islamische Führung, Propaganda für konterrevolutionäre Gruppen, Beleidigung religiöser Werte, und das Starten und Betreiben von „obszönen“ Webseiten.
Seine Familie hofft, dass Derakhshan bald freikommt, er hat schon lange im Gefängnis gesessen, in Einzelhaft, und sich von seinen alten Artikeln distanziert. Ich wünsche ihm das auch. Auch ich glaube nicht, dass er dann noch so offen lächeln kann wie auf dem Photo mit dem T-Shirt, auf dem I [heart] Gaza steht, der jungen ungarischen Journalistin und mir.
In schöner Artikel. Aber wisst ihr, was stört ?
Ich würde da mal vorschlagen, ein-zwei Leerzeichen um den URSPRUENGLICHEN NAMENS DES UNTERNEHMENS zu machen.
Wieder ein schauriges Beispiel der Meinungsunterdrückung!
Ich kann aber auch nicht die Naivität des Paten von Blogistan verstehen, wieder in dieses Land zu reisen… Ich hoffe, er wird irgendwann von einem Spezialkommando befreit, wie alle anderen zu Unrecht im Gefängnis sitzenden Iraner!
Es ist gut, dass nach so langem Warten, der Prozess wieder etwas Aufmerksamkeit für den Fall bringt, gerade im Westen, denn dies ist eben auch die Geschichte eines Kanadiers, der nach einer Israelreise im Iran verhaftet wurde. Hoffentlich geht es gut aus.
P.s.: Im Zitat oben hat euer „Diesen Namen dürfen wir nicht nennen“ Filter zugeschlagen, sicher unabsichtlich.
@#764324: @#764352: Der Filter ist beinahe lustig, wir kümmern uns!
Update: Ist korrigiert.
Es müssen immer erst die Falschen leiden…bis es die Richtigen trifft..das ist der Lauf der Welt!
Wie gut dass die Hoffnung immer zuletzt stirbt…in diesem Sinne Frieden auf Erden!
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Ich würde mir bei all dem keine Sorgen machen, denn eins steht ja fest:
„ISLAM IST FRIEDEN!“
Und was kann man mehr wollen als Frieden!