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Next Level Shit

Wie kann man über Die Antwoord schreiben? Die Antwoord ist es gelungen von Null auf Hundert durchzustarten. Ich habe das Video Zef Side von Die Antwoord das erste Mal am 2. Februar 2010 gesehen. Kurz danach waren sie bereits „all over the interweb“ wie Ninja, der Frontmann von Die Antwoord, es formulieren würde. Heute Nachmittag dann hat Die Antwoord am Roskilde gespielt. Nach dem Konzert habe ich mich dann zum Backstage Bereich aufgemacht, mit einer Spreeblick Visitenkarte gewedelt, irgendwas im Sinne von „biggest German culture blog“ gemurmelt und schon hatte ich einen Interviewtermin in der Tasche.


photo: Gregor Fischer

Was fragt man Die Antwoord? Die Band ist irgendwie wie Borat und irgendwie auch nicht. Ninja heisst mit bürgerlichem Namen Watkin Tudor Jones und hat vorher in verschiedenen anderen Kozeptbands mitgespielt. Wikipedia erwähnt unter anderem MacNormal.TV, eine Gruppe die in Anzügen Raps im Stil von Motivational Speeches vergetragen haben. Hier verkörperte Watkin der Frontmann Max Normal. Aber mit Ninja geht Watkin einen Schritt weiter als Sacha Baron Cohen bei Borat. Durch die ganzen Tattoos hat Watkin eine körperlich bleibende Transformation durchgemacht, er ist quasi zu Ninja geworden. Ninja scheint nicht mehr nur Persona zu sein, sondern überlagert zumindest zum Teil was vorher Watkin Tudor Jones war.


photo: Gregor Fischer

Und da spielen sie also am Roskilde und füllen das Cosmopol. Mitten in der Antifa Zone des Roskilde spielt eine afrikaaner (buren) Band eine Mischung aus 90er Jahre Electro und Ghetto Rap, also quasi Scooter gone Sido. Afrikaaner werden bei uns ja gemeinhin eher mit Eugene Terreblanche, Rassismus und Apartheid in Verbindung gebracht, aber offensichtlich nicht heute. Die Leute feiern den Internethype vom Kap. Besonders Yo-Landi Vi$$er, die Frontfrau, deren Aussehen man wohl am besten als verstörend beschreiben kann, hat es dem Publikum angetan. Nach knapp einer Stunde haben die fast ihr komplettes Songrepertoir abgespielt. Nach einer zweiten Version von Enter the Ninja als zweite Zugabe verschwinden sie wieder wie sie gekommen sind und bleiben weiterhin nicht zu greifen.


photo: Gregor Fischer

Eine Stunde später sitze ich dann mit den beiden in einem kleinen Raum. Sie bitten mich nicht zu filmen, sie sind zu müde, zu erschöpft. Jericho, der Manager, hat mir noch eingebläut, was ich fragen darf und was nicht. Keine Politik, generell nicht zu detailliert über Südafrika und wenn möglich nur zum aktuellen Konzert und zum Album. Für eine Band die flucht und schreit als ob es kein morgen gäbe, eigentlich eine eigenartige Vorgabe. Und dann sitzen sie vor mir. Müde, sehr mild, sehr freundlich, fast ein bisschen zerbrechlich. Ninja spricht, Yo-Landi gibt die Stichworte.

Die Antwoord nennen ihren Musikstil Zef. Was bedeutet Zef?

Ninja Zef is a South-African term. It used to be an insult. To say someone is Zef means someone is low-class, shit, whatever, but we kind of started using the word Zef…

Yo-Landi We transformed…

Ninja We transformed it to mean, that you might not have any money, but you’re fancy, you look fancy. And then we made the Zef thing a bit more futuristic.

Das ist also Zef –in gewisser Form die Ausdrucksform der armen Weissen am Kap. Ja, auch die gibt es. Aber was ist dann mit dem Intro im Enter the Ninja Video?

Ninja I represent South African Culture… this place is a lot of different things… blacks, whites, coloured, English, Afrikaans, Xhosa, Zulu, wat ook al; I am all these different things all these different people fucked into one person.

Was also ist Zef? Wie kann ausgerechnet ein Afrikaaner den Anspruch erheben ganz Südafrika zu repräsentieren?

Ninja Traditionally everyone associated South Africa with segregated, split-up, Apartheid vibes. That was in the Eighties. And then we said, nowadays  it’s all fucked into one person. That means…

Yo-Landi New cultures emerged and it breeds that kind of eccentric flavour…

Ninja And the cultural merge was kind of in your face. It wasn’t a beautiful transition. No, it was compressed and fucked into one thing. This is cool. This is how we roll. We embrace that. We’re into it. We love that. That’s Die Antwoord’s flavour. We represent that side of South Africa.

Das ist kein Act, oder zumindest nicht nur. Er will wirklich für Südafrika sprechen -aber eben nicht für das glückliche/fiktive „Regenbogen Südafrika“. Auf gewisse ist Die Antwoord eine Stimme für die stimmlosen, in einer eigenartig verdrehten Form. Gleichzeitig wissen die beiden wohl auch nicht ganz was sie mit ihrer neugewonnen Popularität tun sollen. Auch darum sind wohl gewisse Themenbereiche von Interviews ausgenommen. Im Moment geht alles etwas zu schnell. Sie fliegen von einem Ort zu anderen und spielen Konzerte. Ninja bezeichnet den Terminplan schlicht als „psychadelic“.


photo: Gregor Fischer

Ich hätte bei der Frage von „merging cultures“ nachhaken sollen, aber wenn man nur 10 Minuten für ein Interview bekommt, dann geht man nicht immer die richtigen Risiken ein. Also springe ich zu meinem nächsten Thema. Auch im Internet ist man sich sehr uneins wofür Die Antwoord eigentlich steht, was Die Antwoord eigentlich ist. Viel Aufmerksamkeit bekommt Yo-Landi Vi$$er. In den beiden Liedern, die als Videos um die Welt gingen, singt sie bloss mit einer sphärisch verzerrten Stimme. Aber auch Yo-Landi rappt –und auch sie spielt mit ihrem Äusseren. Sie repräsentiert die Bitch, im deutschen HipHop vielleicht vergleichbar mit Lady Bitch Ray. In einem der Lieder singt sie dann auch den denkwürdigen Refrain…

Yo-Landi I got what you want boy / no you never going to get it / so you might as well forget it

Ja, auch das ist in Dänemark Nachmittagsprogramm. Und im Hintergrund dazu spielt Die Antwoord ein erotisches Video. Darauf angesprochen, meint…

Ninja It’s just open and honest. All energy is sexual. It can be creative, it can be destructive. Our music is really fertile, it’s full of life.

Die Frage hätte ich mir sparen können. Da habe ich keinen Raum um wirklich nachzuhaken. Dann lieber noch eine Frage nach Leon Botha. Leon Botha ist ein Südafrikanischer Künstler der an Progerie leidet. Er tritt im Enter the Ninja Video auf.

Ninja He is a friend, he is a DJ, he dee-jays at our parties.


photo: Gregor Fischer

Yo-Landi We met him because he is a rap DJ in South Africa. He is one of the most amazing people. In terms of rap music he has one of the most amazing collections. All the top shit.

Zum ersten Mal taut Yo-Landi ein bisschen auf und bringt sich in die Konversation ein. Im Augenwinkel sehe ich aber schon wie Jericho, der Manager, langsam nervös wird. Meine Zeit läuft also ab. Also letzte Frage. Was soll das mit der Maske, die im Video auftaucht und die der neue DJ während der Show trägt? Aber auch diese Frage wird leicht beantwortet. Die Maske habe er auf einem Flohmarkt gekauft. Er meint dann noch, dass er es toll fände, wenn er mit seinem Gesicht diese Grimasse machen könnte.


photo: Gregor Fischer

Und dann sind die 10 Minuten, die mir zugeteilt wurden, schon vorbei. Was bleibt? Die Antwoord sind ein Mysterium, vermutlich auch für Ninja und Yo-Landi selbst. Aber versucht es selbst herauszufinden. Die Antwoord spielen morgen Abend, also  am Montag, 5.7.2010 ab 21:00 im Indra an der Grossen Freiheit 64 in Hamburg.


photo: Gregor Fischer

10 Kommentare

  1. 01
    locomon

    Hmm… Ehrlich: Ich glaub ich versteh es nicht
    Ok, es ist schon irgendwie eine Karrikatur ähnlich Borat aber irgendwie nicht so zynisch. Dafür aber um einiges verstörender… im positiven Sinn… glaub ich…

  2. 02

    Das ist sehr, sehr strange, aber irgendwie auch spannend. Vielleicht ist das eine der Bands, die man erst versteht, wenn man sie mal live gesehen hat (ging mir z.B. mit The Knife so).

  3. 03
    srm

    Wow, interessanter Musiktip. Danke für den Einsatz :)

  4. 04
    peter H aus B

    Merci!

  5. 05
    peter H aus B

    Ach so: am 20.8 im Magnet Club!

  6. 06
    JanM

    Schöner Artikel, aber die Worte »Scooter gone Sido« möchte ich bitte nie wieder in meinem Leben lesen müssen. Es gibt gewisse… Dinge zwischen Himmel und Erde, die besser unausgesprochen bleiben sollten.

  7. 07

    Oh mein Gott was für ein schrecklich schlechter Artikel. Yo-Landi wird mit Lady Bitch Ray verglichen ??? Nee is klar und natürlich kann ein weisser Süd-Afrikaner in der kleinkariert stereotypen Welt eines Moritz Mihatsch nicht die Menschen seines Landes repräsentieren, wenn er nicht alle Klischees erfüllt die der 0815 deutsche Leser erwartet und gewöhnt ist. Fahr doch zu Mediamarkt und stöber ein bisschen in der Abteilung für „Weltmusik“ :D Next level Shit LOL dieser Artikel ist NEXT LEVEL BULLSHIT