Welche Gewerkschaft hat eigentlich die Rechte am Märchen vom fleißigen Deutschen?
Auf good.is findet sich eine wirklich ansehnliche Infografik, die das Verhältnis von Urlaub und Arbeitszeit in 29 Ländern vergleicht und uns Deutsche als echte Laumichel entlarvt. 25,18 Wochenarbeitsstunden stehen 30 bezahlte Urlaubstage gegenüber. Das unterbieten nur noch die Niederländer, aber die sind immerhin tatsächlich ein gemütliches Völkchen!
US-Amerikaner dagegen steht überhaupt kein bezahlter Urlaub zu. Von ihren 34,15 Wochenarbeitsstunden ruhen sie sich lediglich an neun Nationalfeiertagen aus. Aber klar, irgendwann müssen ja schliesslich diese ganzen Vorabendserien gedreht werden (und wie rechnet man eigentlich all die Auslandsreisen ab?).
Die Gesamtübersicht findet ihr hier.
hmm,
woher wohl die Datengrundlage stammt? 25,18 h Wochenarbeitszeit scheint ja ein Durchschnittswert zu sein, 30 Urlaubstage/Jahr auch???
Ach, was wäre ich in diesem Fall gern durchschnittlich – in beiden Kategorien!
ehrenlwort
Und nun zum Relevanten – zur Interpretation. Wer arbeitet produktiver? Bei wem sind die Leute gesetzlich gut versichert, bei wem besteht kaum Schutz? Wer hat Planungssicherheit durch Kündigungsschutz, wer muss „flexibel“ sein? Wer kann Freitagmittag nach Hause und sich um Kind, Kegel und Hobby kümmern? Oder gar ein Ehrenamt?
Aberaber. Wir Deutschen sind sooo fleißig, dass wir unsere Arbeit schon lange fertig haben und dann ruhig Urlaub machen können, während die etwas fauleren Amis für die gleiche Arbeit eben länger brauchen und deshalb weniger Freizeit haben. Doch ganz klar, oder etwas nicht? :-P
Da frage ich mich, wie diese Daten erstellt wurden, zumindest bei der Wochenarbeitszeit.
Das erinnert mich an eine Statistik von Eurofound, die ich neulich sah:
http://delengkal.de/2010/06/deutsche-arbeiten-weniger/
Da war aber gewerkschaftlich garantierter Urlaub eingerechnet, der natürlich nicht die ganze Arbeitnehmerschaft abdeckt.
Wenn die 25,18 Wochenarbeitsstunden in der Statistik ebenso anhand von Tarifverträgen berechnet wurde, kann das schnell zu falschen Schlüssen führen.
Die Graphiken sind ja ganz nett – die Daten würde ich aber gerne genauer nachvollziehen können. Offensichtlich ist bspw. die Wochenarbeitszeit ein Durchschnittswert – was wurde da reingerechnet, was nicht?
Dass Amerikaner sehr viel weniger Urlaub haben, stimmt. Dass sie mehr Stunden pro Wochen arbeiten, ist schon nicht mehr pauschal richtig.
Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass die Deutschen härter arbeiten, als die anderen. Umgekehrt gilt das aber auch nicht. Und ob die Gewerkschaften das propagieren, oder der Stammtisch… who knows.
Sorry, aber wie kommen die Zahlen zustande?
Als Quelle wie u.a. CNBC genannt, wenn man dem Link folgt, sieht man eine Slideshow mit einem Slide pro Land und Angaben wie Weekly Working Hours und Total Vacation Days.
Ich habe nicht alle Länder durchgeklickt, aber zumindest für Kanada, UK und Deutschland stimmen die Daten nicht mit der Grafik überein. Für D werden z.B. für die Wochenarbeitszeit 35,5 Stunden genannt, also viel mehr als die 25,18 in der Grafik.
Ich biete bei meinen 30 Urlaubstage 40 Wochenstunden. Wie kommen die denn auf 25? Zählen da auch die 15 Wochenstunden der „Dazuverdiener“ mit rein?
Und 30 Tage Urlaub sind wohl auch nur noch die Ausnahme. Standard sind eher 24. Ist das Minimum, also wirds genommen. Zumindest hier im Nordosten.
Über die Zahl der Wochenstunden kann man schon trefflich streiten (da steckt dann Teilzeit mit drin). Wär aber schön, wenn der Rest stimmen würde. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt in Deutschland 24 Tage. Zählt man die Feiertage hinzu, sind wir allerdings schon bei 33 bis 37 Tagen je nach Bundesland. Die meisten haben übrigens die wohlhabenden Bayern, die wenigsten die Stattstaaten Bremen, Hamburg und Berlin sowie Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Die Zahl der Urlaubstage fuer UK stimmt so wie dort dargestellt nicht, sehr schlecht recherchiert. Ich habe eine Ahnung wie die das wohl berechnet haben, nur leider ist das falsch:
In dem Graph steht wir haetten hier 36 Tage Urlaub im Jahr. Yeah, right.
Der gesetzliche Mindesturlaub hier betraegt (bei Vollzeitarbeit) 28 Arbeitstage pro Jahr. Dann gibt es in England und Wales 8 bank/public holidays (Schottland und Nordirland ist noch eine andere Frage).
28 + 8 = 36, so haben die wohl gerechnet.
Nur stimmt das so nicht. Die 8 bank/public holidays sind naemlich nicht automatisch frei, der Arbeitgeber kann (und in vielen Faellen wird) diese auf die 28 Tage anrechnen. Damit bleiben dann nur noch 20 „andere“ Urlaubstage.
Also duerften in der Grafik korrekt eigentlich nur 28 Tage angegeben werden.
Mir geht’s da recht gut, ich bekomme 25 + 8 = 33 Tage. Soweit mir bekannt geht es mir da aber ziemlich gut, sehr viele bekommen weniger.
@#771244: Wenn in der Arbeitszeit Teilzeit mit eingerechnet wird, darf man dieser Zahl selbstverständlich nicht die vollen Urlaubstage der Vollzeitjobs entgegensetzen. Wenn ich eine halbe Stelle habe, habe ich natürlich auch nur die Hälfte an Urlaubstagen.
Wahrscheinlich werden nicht nur die Teilzeitkräfte sondern auch die Arbeitslosen in die Wochenarbeitszeitstatistik reingerechnet, um auf nur 25.18 Wochenstunden zu kommen. Davon abgesehen ist die Einrechnung von Feiertagen auch so ’ne Sache. Von den bundeseinheitlichen Feiertagen fallen ja nur wenige bestimmt auf typische Arbeitstage (Karfreitag, Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingstmontag (Fällt wem noch ein anderer ein?)). Die anderen wandern ja durch den Kalender und fallen so auch mal auf die Wochenenden. Von Feiertagen, die nur in bestimmten Bundesländern gelten, wollen wir mal garnicht erst anfangen. Wer möchte sich daran wagen, daraus (nur für Deutschland) eine aussagekräftige Statistik zu zimmern?
@#771248:
Um das ganze fuer einen internationalen Vergleich noch etwas komplizierter zu machen:
Ich weiss nicht ob es noch ein anderes Land gibt wo das so gemacht wird, aber hier im UK gibt es immer die gleiche Anzahl an bank/public holidays, egal auf welchen Wochentag sie fallen.
Wenn also z.B. Weihnachten (Christmas Day & Boxing Day) auf ein Wochenende faellt (wie z.B. dieses Jahr), dann werden die Feiertage am Montag (und ggf Dienstag wie dieses Jahr) nachgeholt.
Ich biete 40 Wochenstunden zu 24 bezahlten Urlaubstagen. Viele junge Menschen, gerade im Trainee- oder Assistenzbeschäftigungsverhältnis arbeiten sogar 50- 60 Stunden die Woche, ohne dass sie Überstunden abfeiern, geschweige denn bezahlt bekommen.
So eine Grafik kann man ohne eine Erklärung, wie sie zu den Ergebnissen gekommen ist, getrost in die Tonne treten.
Die Kommentatoren auf good.is wundern sich auch, wie die Grafikerin eigentlich auf die Zahlen gekommen ist.
Was wohl das amerikanische Äquivalent zum deutschen Totschlagargument „Hab‘ ich im Spiegel gelesen“ ist? ;-)
So, und ich hab bestenfalls 50 Std/Woche bis 70 Std/Woche und keine Zeit an Urlaub zu denken.
Und jetzt kommt ihr.
@#771257: naja, wer hier kommentieren kann hat auf jeden Fall noch zu viel Zeit.
Zitat: Im europäischen Vergleich waren die Deutschen auch bei den Überstunden vorne dabei. Bei einer Arbeitswoche von durchschnittlich 37,7 angesetzten Stunden, verbrachten die Deutschen 40,5 Stunden bei der Arbeit.(Eurofound)
Diese Überstunden werden natürlich nicht erfasst, bezahlt oder abgebummelt.
@#771257:
Pah. Da kann ich locker besser. Gut, heutzutage geht’s mir besser und ich trinke meinen 18yo single malt, aber damals, ja damals…
I had to get up in the morning at ten o’clock at night half an hour before I went to bed, drink a cup of sulphuric acid, work twenty-nine hours a day down mill, and pay mill owner for permission to come to work, and when we got home, our Dad and our mother would kill us and dance about on our graves singing Hallelujah.
Ja, so war das damals. Aber wenn man das heute den jungen Leuten erzaehlt…
Die Grafik ist in keinster Weise geeignet, das Bild vom fleißigen Deutschen zu widerlegen. Denn selbst wenn es stimmt, dass der Deutsche durchschnittlich weniger arbeitet, hat das alleine keine Aussagekraft. Entscheidend ist, was dabei herauskommt. Und wenn ein Deutscher während der „kurzen“ Arbeitszeit richtig ranklotzt, ist das doch Fleiß par excellence.
Keine Ahnung ob die Zahlen genau stimmen oder wie sie zustande gekommen sind, aber dass in Deutschland durchschnittlich kürzer gearbeitet wird als in vielen anderen Ländern (wie z.B. USA), stimmt definitiv und steht auch in seriösen Büchern, deren Autoren recherchiert haben.
Aber wie Hanoi schon sagte ist ja die Interpretation das eigentlich interessante. Und ich denke man sieht an den Statistiken recht gut, dass man viel produktiver ist, wenn man nicht so lange arbeitet. Während Leute, die sehr lange arbeiten, viel Zeit damit verbringen, sich mit Kollegen zu unterhalten oder sonst etwas zu tun, können sich Leute die kürzer arbeiten, mehr auf die eigentliche Arbeit konzentrieren. Ähnlich ist es beim Urlaub: wer sich mehr erholt kann besser arbeiten.
@#771258:
Bei Spreeblick zu kommentieren, ist halt wie Urlaub für mich.
@#771246: Äh, nein! Nicht, wenn ich jeden Tag arbeite, z.B. vier Stunden. Dann habe ich die gleiche Anzahl an Urlaubstagen. Wenn ich nicht an allen fünf Arbeitstagen arbeite, also z.B. an drei Tagen, dann wird die Zahl der Urlaubstage entsprechend reduziert.
@#771309: Dann ist ein Urlaubstag aber auch im selben Verhältnis „weniger Wert“, weil man letzlich auch nur die 4 Stunden bezahlt bekommt. Es bleibt dabei: Bei einem Halbtagsjob (20 h / Woche) ist in diesem Zusammenhang sinnvollerweise nur von einer halben Anzahl an bezahlten Urlaubstagen zu sprechen, egal ob ich nun jeden Tag 4 h arbeite, oder an zwei Tagen 10 h. Finanziell erhalten nämlich beide Arbeitnehmer für „eine Woche frei“ (=2 Urlaubstage oder 5 Urlaubstage) bei gleichem Stundenlohn das gleiche Urlaubsentgelt.
Out of Order
Zitat:
„Welche Gewerkschaft hat eigentlich die Rechte am Märchen vom fleißigen Deutschen?“ (@TANJA)
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Wer Gewerkschaftsmitglied ist, erhält zumeist eine mit Werbung gespicktes
‚Magazin‘. Darin befinden sich auch die sog. Reiseangebote div. Veranstalter.
Nein, ich verwechsele das nicht mit der ‚Motorwelt‘.
Alles Gute