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Außenstelle Afrika: Mutter positiv, Kind negativ

Die meisten Einrichtungen, die wir uns in Lesotho angeschaut haben, waren Zentren für PMTCT – Prevention of Mother-to-Child-Transmission. Also Orte, an denen HIV-infizierten Müttern geholfen wird, gesunde Kinder zur Welt zu bringen. Aber wie funktioniert das eigentlich?

Ist die Mutter infiziert, bekommt sie während der gesamten Schwangerschaft eine antiretrovirale Therapie, was zu einer Erhöhung der Helferzellen im Blut und einer Senkung des im Blut vorhandenen Virus führt. Bei uns werden als zusätzliche Maßnahmen Kaiserschnitt und der Verzicht aufs Stillen empfohlen – aber in Lesotho ist das beides nicht praktikabel. Ersteres, weil die medizinische Versorgung dafür nicht gut genug ist, zweiteres, weil die meisten Mütter sich die teure Babyersatznahrung nicht leisten können. Deshalb wird ihnen empfohlen, sechs Monate exklusiv zu Stillen. Die Frauen bekommen weiterhin antiretrovirale Medikamente, und über die Milch auch die Babys, was sie zusätzlich vor Ansteckung schützt. Zufüttern wäre in diesem Stadium sogar schlecht, weil das Kind dann weniger Medikamente aufnehmen würde und anfälliger für Ansteckung würde.

Ohne Behandlung liegt die Chance einer Ansteckung des Kindes bei 20-45 Prozent, mit Behandlung bei unter 2 Prozent. Bedenkt man, wie wichtig Kinder in der afrikanischen Kultur sind, ist es vorstellbar, wie maßgeblich PMTCT für die Bekämpfung von HIV ist. Erstens sind die Frauen so weniger stigmatisiert, als wenn sie keine Kinder bekommen könnten, und zweitens ist es ein guter Weg, um die Frauen zum Testen zu bekommen – denn jede Schwangere wird in Lesotho automatisch getestet.

Das Modell funtioniert in Lesotho sehr gut, wie wir mit eigenen Augen einige Male sehen konnten. Ein Problem ist nur, dass viele Mütter sich auch nach sechs Monaten noch keine vollwertige Nahrung für die Kinder leisten können und auch dann noch teilweise weiterstillen – weshalb viele Ansteckungen bei Kindern erst in dieser Phase erfolgten. In Zukunft werden Mütter in diesem Fall bis zum 18. Monat des Kindes weiter Medikamente bekommen.

Alle Artikel aus Lesotho findet ihr hier.

17 Kommentare

  1. 01

    Freut mich, dass es so gut funktioniert. :)
    Und danke für die Erklärungen und Zusammenhänge. Wie sieht es eigentlich mit den Kosten aus. Ich glaube nicht, dass die Mütter alle eine Krankenversicherung haben, oder? Spenden? Staatliche Programme?

  2. 02
    Patrick

    Wäre es nicht für alle Beteiligten günstiger die Mütter mit kostenloser Babynahrung zu versogen, anstatt mit den teuren zusätzlichen Medikamenten? Oder werden die Medikamente in Afrika so günstig verkauft? In Deutschland kostet so eine antiretrovirale Therapie ja jeden Monat tausende Euro.

  3. 03
    marvin

    „In diesem Stadion“?
    Welches Stadion?

    Trotzdem sehr interessant.
    Ist Lesotho da als sehr kleiner, stabiler Staat denn da previligiert, oder gibt es in den Nachbarstaaten ähnliche Projekte?

  4. 04
    Eva

    verstehe nicht ganz; warum ist die Ansteckungsgefahr nach 6 Monaten wieder groß? Ist dann die Therapie für die Mutter zu Ende?

  5. 05
    Eva

    verstehe nicht ganz; warum ist die Ansteckungsgefahr nach 6 Monaten wieder groß? Ist dann die Therapie für die Mutter zu Ende?

  6. 06
    Blixten

    Wie hoch ist denn der Anteil der Mütter, die in solchen Einrichtungen versorgt werden (wenn man das überhaupt abschätzen kann)?

    Um an einer PMTCT Massnahme teilzunehmen muss man ja als Mutter vor der Schwangerschaft schon wissen, dass man HIV infiziert ist.

  7. 07

    Könnte mir mal jemand noch ein paar medizinische Fragen beantworten oder mich auf ein paar Links stoßen? Was ich hier lese ist für mich schwer nachzuvollziehen. In der Schule wurde uns eingebleut, das Sperma HI-Viren überträgt, und ein HIV-positiver Mann soll immer mit Kondom verhüten. Haben die Kinder, die hier in diesem Beitrag (und bei netzpolitik) vorgestellt wurden, alle HIV-negative Väter? Davon gehe ich mal aus, denn wenn HI-Viren im Sperma sind, gehen sie ja wohl auch auf das Kind über.

    Und wenn von Spermazellen daher eine Ansteckungsgefahr für das Mind ausgeht, warum dann nicht auch von Eizellen? Sind da bei infizierten Frauen keine Viren drin?

    Und dann ist es doch so, dass eine werdende Mutter mit dem Kind einen Blutkreislauf teilt. Warum findet dann über das Blut keine Infizierung statt?

    Und da Frauen ja beim Geschlechsverkehr auch Männer mit HIV anstecken können, sind die Väter jetzt, nachdem das Kind gezeugt wurde, positiv? Bei netzpolitik war ja auch von mindestens einer Frau die Rede, die mit ihrem Mann schon das zweite Kind bekommt.

    In meiner Jugend wurde so viel vor HIV gewarnt, man müsse unbedingt mit Gummi verhüten, es könne immer zur Ansteckung kommen, auch bei Coitus interruptus, da man sich beim Sex auch unbemerkt verletzten könne – was ja bei der Geburt vielleicht noch viel wahrscheinlicher ist.

    Beim Erste-Hilfe-Kurs in der Fahrschule meinte der Lehrer, es wäre schlau, wenn man immer ein paar Einmalhandschuhe dabei hätte, für den Fall dass man jemanden helfen muss. (Die könne man zum Beispiel ganz leicht in einem Ü-Ei verpacken) Falls der Verletzte blutet, könne man sich sonst nämlich eventuell infizieren.

    Solche Sachen habe ich oft gehört, und jetzt lese ich hier dass HIV-infizierte Mütter negative Kinder zur Welt bringen. Her mit den populär-medizinischen Erklärungen, ich bin grad ziemlich baff und ehrlich gesagt ein bißchen ungläubig – weil mir die Erklärung fehlt!

  8. 08

    Okay, gleich morgen gibt es Antworten, versprochen. Bin nur gerade erst zurück gekommen.

  9. 09
  10. 10

    @tba
    Das sind so viele Fragen. Es lohnt sich immer mal wieder die Seiten der Aids-Hilfen (ich finde die in der Schweiz besser als die deutsche) zu lesen – es tut sich sehr viel im Bereich HIV und Behandlung.

    Also zunächst muss eines vorab wissen: HIV-positive Menschen, die unter Therapie stehen, sind nicht bzw. kaum noch ansteckend!

    Das heißt, ein HIV-positiver Mann mit einer HIV-positiven Partnerin – wenn beide ihre Medikamente nehmen – können auf normalem Weg ein Kind zeugen, das sehr wahrscheinlich nicht infiziert sein wird, Therapie bei der Mutter fortgeführt unter der Schwangerschaft vorausgesetzt. Wenn hierzulande ein HIV-positiver Mann – der z. B. weil die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, keine Medikamente nehmen möchte – mit seiner Frau Kinder zeugen will, wird sein Sperma gewaschen, die Befruchtung erfolgt künstlich.

    Und natürlich gibt es auch noch in Afrika Männer, die Kinder mit HIV-positiven Frauen zeugen, selber zum Zeitpunkt der Zeugung noch gar nicht infiziert sind. Hinterher hoffentlich auch nicht. Man kann bei Frau HIV-positiv, Mann negativ ganz simpel versuchen schwanger zu werden: der Verkehr findet mit einem Kondom ohne spermatötende Zusätze statt. Dann wird das Kondom sofort nach dem Verkehr umdreht und in die Vagina eingeführt. Dann sind die Spermien immer noch lebensfähig und aktiv und für den Mann ist das Infektionsrisiko gleich null. Kann sich auch hierzulande keiner gleich eine künstliche Befruchtung leisten.

    Bei Schwangeren (in Deutschland) wird nach der Diagnose „schwanger“ mit dem ersten allgemeinem Blutbild ein HIV nicht zwangsläufig durchgeführt, sondern lt. Leitlinie der werdenden Mutter nur empfohlen. Es lassen sich hierzulande gerade mal 80% der Frauen testen, im restlichen Europa liegt die Rate schon bei 95%. Es ist aber, um die Möglichkeit einer Ansteckung des Fötus zu minimieren, von hoher Relevanz frühzeitig zu wissen, ob die Schwangere positiv ist, weil man dann sofort mit Medikamenten, wie oben beschrieben, dafür sorgen kann, dass keine Viren mehr im Blut nachweisbar sind. Und damit ist schon die Ansteckung so gut wie ausgeschlossen bzw. das Risiko sinkt unterhalb von inzwischen weniger als einem Prozent (s. erster Absatz). Das wissen die allermeisten Leute noch nicht, dass die HIV-positiven Menschen unter Therapie kaum noch ansteckend sind! (Deswegen ist es eben so wichtig sich frühzeitig testen und therapieren zu lassen, damit hätte man der Krankheit längst den Garaus machen können!)

    Daher wird heute auch hierzulande immer seltener unter einem Kaiserschnitt geboren. Wenn die Therapie erfolgt ist, besteht für das Kind wirklich eine so geringe Chance unter einem normalen Geburtverlauf noch infiziert zu werden, dass man immer mehr von einer Sektio absieht. Vorausgesetzt die Mutter ist gesund und es bestehen aufgrund der Infektion oder Erkrankung keine anderen Risiken für Mutter und Kind.

    Eizellen (im Gegensatz zu Samenzellen) können nicht durch HIV infiziert werden, weil den Eizellen die Rezeptoren fehlen, die das Virus zum Eindringen benötigt.

    Und es bleibt nach wie vor dabei, bei Erster-Hilfe oder sonstigen Aktivitäten wenn möglich immer vermeiden mit den Körperflüssigkeiten eines anderen in Kontakt zu kommen und sich selbst schützen. Bei HIV ist der Casus Knaxus eben die Therapie, findet die statt, fast alles gut. Aber im Notfall weiß man das ja nie.

    Und bevor die Frage noch kommt, bisher konnte man unter Medikamentengabe der HIV-Therapie nur eine minimale Steigerung eines Risikos von einer Fehlgeburt oder Missbildung beim ungeborenen Kind feststellen. Bei den Fehlgeburten muss eben u. U. beachten, dass die Mutter aufgrund ihres Krankheitsbildes natürlich ein höheres Risiko dazu auch trägt. Also aufgrund der aktuellen vorliegenden Studienergebnissen ist eine medikamentöse Behandlung immer der bessere Weg als zu hoffen, dass „es mal gut geht“.

    Hier der Link zur Broschüre der Aids-Hilfs für Schwangere oder solche, die es werden wollen.

  11. 11
    Kathrin Kaufmann

    @#771719: Die meisten deiner Fragen dürften im Folgeartikel beantworet werden. Und Creezy hat nochmal alles besser beantwortet.

  12. 12
    Kathrin Kaufmann

    @#771763: Danke! Über das Sperma des Mannes und die Rolle in der Ansteckung wurde in Lesotho seltsamerweise gar nicht gesprochen. Ich habe den Eindruck erhalten, das wäre vernachlässigbar. Eine der Familien gab an, dass sie zur Zeugung einfach auf das Kondom verzichtet hatten.

  13. 13

    @Kathrin
    Ja, soweit ich weiß ist in diesen Kulturen leider auch noch viel im Habitus „vom Hören sagen“ abhängig, was Infektionen anbelangt. Oft kommt leider Aufklärung erst bei den Leuten an, wenn die Infektion schon vorliegt, der Ausbruch therapiert werden muss bzw. die Schwangerschaft diagnostiziert wird. Gelegentlich glaubt man ja immer noch in einigen Regionen fest daran, der Mann könne sich eh gar nicht anstecken oder … er hat eben ein Kind vergewaltigt, dann gilt er ja „geheilt“ … Ich verstehe auch zum Teil den kulturellen Druck den die Menschen dort haben, es ist ein anderer als hier: dass eine Familie dann endlich Kinder zeugen muss und man das dann eben macht. Sie leben ja stellenweise auch anders mit Aids, das frühe Sterben gehört dort mittlerweile – leider – dazu und dann ist es unter Umständen aus kulturellen Gründen viel besser, früh und viele Kinder zu bekommen, weil man ja eh „früh“ sterben muss an der Krankheit, als zu gehen ohne seinen Spirit weiter gegeben zu haben …

    Das ist noch viel, viel Arbeit zu leisten. Medizinisch, vor allem aber in der Aufklärung, damit auch irgendwann die Krankheit als solche verstanden wird und nicht als Mythos – dem man so gar nicht entgehen kann. Schon gar nicht als Frau.

    Aber vielen Dank für Deine Berichte, fand ich sehr spannend zu lesen! Die Arbeit dort gibt Hoffnung!

    Es ist übrigens hier bei uns erst im letzten Jahr aus den Leitlinien genommen worden, dass HIV-infizierte Partner gar nicht künstlich befruchtet werden dürfen – aufgrund der Fortschritte, die man in der Behandlung gemacht hatte. Das Fatale aber: in Deutschland bekommen Paare die Kosten einer solch künstlichen Befruchtung ja nur teilweise von den Krankenkassen erstattet, wenn bei einem der Partner Sterilität/Infertilität diagnostiziert wurde.

    So hatte die Aids-Hilfe darum ersucht, dass man die Kostenübernahme für eine Insemination bei HIV-positiven Menschen in den Leistungskatalog aufnimmt, um das Risiko – es ist bei einer künstlichen Befruchtung doch um einen kleinen Prozentsatz sicherer als unter der Therapiemethodik einer Infektion bei ungeschütztem Verkehr zu entgehen – gemäß einem heutigen möglichen medizinischen Standard so klein wie nur möglich zu halten. Wurde vom G-BA abgeschmettert. Leider.

  14. 14

    Dummdreist benenne ich::
    http://www.Wickipedia.de

    Die Arschkultur
    Will richtig Verstanden eine wahre Aussage absondern.
    (Möglichst ohne Gedankenverlorenen PuuPs)
    _
    Das wird tatsächlich gelesen?
    Selber Schuld

  15. 15

    Wow, danke für die vielen Infos. Bin noch dabei alles zu lesen! Aber merke schon, dass ich mich wie gesagt seit der Schule, also seit Jahren nicht mehr intensiv mit dem Thema beschäftigt habe! Wusste gar nicht, was es alles für Therapie-Erfolge gibt!