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Bundesliga 6

Je länger ich über die Bundesliga vor mich hinschimpfe, desto mehr verfestigt sich der Eindruck: Mein Gott, sie wird immer besser. Interessanter, abwechslungsreicher, offensiver, schöner. Aktuell stehen vier Mannschaften oben drin, die (mit Ausnahme von Leverkusen) vom Talent ihrer einzelnen Teile weit unterhalb der CL-Plätze liegen: Mainz hat vor der Saison knapp über drei Millionen in neue Transfers investiert. Das gibt der Magath im Jahr für seine Teevorräte aus.

Und trotzdem spielen alle vier offensiv. Früher, meine ich mich zu erinnern, und es fühlt sich tatsächlich so an, als würde ich vom Krieg erzählen, früher bemitleidete man in der Regel Abstiegskandidaten wie Freiburg, die sich zwar munter einen zusammenkombinierten, aber sich am Ende vom gegnerischen Stürmer erklären lassen mussten, wie man Stringenz schreibt. Sie tanzten immer nur einen Sommer.

Das scheint sich gerade zu ändern. Wer weiß, woran es liegen mag: vermutlich nicht zuletzt an der seltsamen Instabilität der angestammten Internationalen, der Mutlosigkeit des HSV, dem Verletzungs- und Transferpech in Bremen, an den tiefschwarzen Depressionen, die sich der VfB zu leisten können glaubt, oder daran, dass Schalke im Moment zusammenpasst wie selbst verschraubt.

Jedenfalls ist sie spannend, diese Bundesliga. Keine Selbstverständlichkeit für ein Produkt dieses Land, das in der Kategorie suspense bisher kaum mehr als den Tatort hervorgebracht hat. Und Frank Schätzing. International auch in dieser Hinsicht also kaum stattfindet.

Inzwischen machen sich erste Weitsichtige Sorgen darüber, welche Schwierigkeiten auf Deutschland zukommen mögen, wenn dieser Trend anhält. Wie neulich Markus Hesselmann im Tagesspiegel: der sieht darin, dass jeder jeden schlagen kann, ein Problem, denn „wer will schon wirklich, dass sich der Schwerpunkt des deutschen Fußballs an den Bruchweg verschiebt“?

Das wirre Tabellenbild bei uns steht auch für die Unfähigkeit, ein zweites oder drittes europäische Spitzenteam zu etablieren. Ich will nicht jedes Jahr, wenn es spannend wird in der Champions League, wieder nur die Bayern anfeuern. Da ist Mainz nicht wirklich hilfreich.

An dieser Stelle möchte man Markus Hesselmann zurufen, dass erst sechs Spieltage vorbei sind, dass niemand ernsthaft damit rechnet, Arsenal am Bruchweg untergehen zu sehen und dass es noch freie Plätze im VHS-Kurs „Durchatmen und abwarten“ gibt. Man möchte ihm auch zurufen, dass er mit seinen Befürchtungen, der deutsche Fussball werde in der Provinzialität versinken, beispielsweise weil Hoffenheim hat Herbstmeister werden dürfen, durchaus daneben lag. Und man könnte ihm zurufen, dass die Bundesliga wieder auf Platz drei der Fünfjahreswertung vorgestoßen ist, während die spanischen Vereine die übermächtige Präsenz von Barca und Real teuer bezahlen. Das wird einem jeder Fan von Valencia aus persönlicher Anschauung erzählen können. Eine hervorragende Gelegenheit, den hauseigenen Fundus spanischer Schimpfwörter aufzubessern.

Je länger ich über die Bundesliga vor mich hinschimpfe, desto mehr freue ich mich auf die Samstage, denn seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, dass nicht nur ein oder zwei Überraschungen auf mich warten, sondern jedes Spiel unvorhergesehen verlaufen kann. Mag sein, das liegt daran, dass ich keine Ahnung vom Fussball habe. Mag aber auch sein, dass es diese Unvorhersehbarkeit ist, die Spannung erzeugt.

Ich will nicht darauf warten, dass es für vier Spiele „spannend wird in der Champions League“, um gefühlsmäßig involviert zu sein. Momentan ist es spannend in der Bundesliga, und zwar das ganze Jahr. Nennt mich bescheiden, aber mir reicht das dicke.

15 Kommentare

  1. 01
    Kommentator

    Ich könnte jedes kluge Wort in diesem Text unterschreiben.
    (Ein Beispiel von diesem Wochenende: Das Spiel gegen Dortmund wurde von den im Stadion anwesenden St. Paulianern, die ich kenne, als unterhaltsam, spannend und damit gut beschrieben – gefühlt war die Niederlage ein Gewinn, man gönnt Dortmund wegen der klasse Leistung den Sieg. Und als das Ergebnis von Mainz gegen Bauern München bekannt wurde, ist der Kiez dann wohl kurz mal ausgerastet. Gönnen können ;)

  2. 02
    Kommentator

    Ich könnte jedes kluge Wort in diesem Text unterschreiben.
    (Ein Beispiel von diesem Wochenende: Das Spiel gegen Dortmund wurde von den im Stadion anwesenden St. Paulianern, die ich kenne, als unterhaltsam, spannend und damit gut beschrieben – gefühlt war die Niederlage ein Gewinn, man gönnt Dortmund wegen der klasse Leistung den Sieg. Und als das Ergebnis von Mainz gegen Bauern München bekannt wurde, ist der Kiez dann wohl kurz mal ausgerastet. Gönnen können ;)

  3. 03
  4. 04
    jo.

    top, der text. ich hab mich gefreut.

  5. 05

    Der Buli-Autakt ist doch sehr spannend, unterhaltsam und höchst abwechslungsreich. Am Ende der Vorrunde gäbe es einen ersten Anlass für ein Resümee, bis dahin erfreue ich mich an Mainz, Hannover, Freiburg und den anderen Underdogs.

  6. 06
    Sebastian

    @#771790: zumal sich die Punkte auswärts geholt werden. Aber der Geräuschpegel bei der Verkündung des Bayern-Mainz-Ergebnisses war nicht so hoch wie bei der Einwechslung vom Gerald. Da warn ausnahmslos alle Zuschauer im Stadion laut… jeder auf seine Art und Weise…

  7. 07

    Stimme auch zu. Für mich ist Fussball die Bundesliga – Championsleague eher so internationales Gedöns, das nett zu schauen ist. Und das liegt nicht dran, dass meine Lieblingsmannschaft eher um den dritten Tabellenplatz von unten kämpft.

  8. 08

    Wofür brauche ich die Champions League, wenn ich so eine Bundesliga habe? (Und die zweite verspricht diesmal auch spannend zu werden – Absteiger, die sich schwertun, Aufsteiger, die munter mitmischen, Traditionsvereine, die in allen Sphären der Tabellen zu finden sind.)

  9. 09

    Ja, ja, ja, alles ganz nett und schön – für den neutralen Beobachter. Wer aber wie ich einen Verein favorisiert, der jetzt schon recht weit unten steht, und von dem das auch erwartet wurde, der ärgert sich darüber das unten nur Mannschaften stehen, die am Ende eh nicht absteigen und sich all die potentiellen Abstiegskandidaten da oben rumdrücken. Die sollen gefälligst mal zum vereinbarten Treffpunkt „Tabellenende“ kommen und am Ende der Saison absteigen. Diese Neu-Schlechten werden das nämlich nicht.

  10. 10
    fruchtiger

    Donnerwettter, bist du mit Blindheit geschlagen ? Schon mal auf Tabellenplatz zwei geschaut, Dortmund soll keine CL-fähigen Spieler im Kader haben ? Du NARR

  11. 11
  12. 12
    Stefan

    Jap, spannend ist sie. Da lohnt sich auch wieder mal der Weg in die Kneipe, um den vielen Fans der „Großen“ beim verzweifeln zuzusehen. Mit Leverkusen kann ich ja zufrieden sein. ;)

  13. 13
    JAn (ohne TM)

    @#771797:
    Hallo Klubfan!
    Das mit der Relegation klappt doch sowieso wieder … :-)