51

Stell‘ dir vor es sind Wahlen und keiner geht hin

Ja, die Ergebnisse der gestrigen Bürgerschaftswahl in Hamburg sind bemerkenswert. Neben den Ergebnissen der einzelnen Parteien finde ich jedoch immer wieder die gesamte Wahlbeteiligung interessant (in Hamburg lag sie nach aktuellen Angaben bei 57%), denn am Ende zeigt sie, wie viele wählende Menschen über wie viele nicht wählende entscheiden. Und dabei ist es keineswegs die Schuld der Wählerinnen und Wähler, dass die Regierung in Hamburg (und anderswo) von nicht einmal jedem dritten Wahlberechtigten bestimmt wird.

Ich weiß, ich weiß:
Ist ja alles das gleiche.
Macht ja eh keinen Sinn.
Interessiert mich nicht.
Ist doch egal.

Aber es bleibt bitter, wenn sich hierzulande nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus dem Sessel erhebt, um ihr demokratisches Minimalrecht auszuüben, während andernorts Menschen ihren Wunsch nach diesem Recht unter Umständen mit dem eigenen Leben bezahlen.

Wir sind einfach so verdammt satt.

51 Kommentare

  1. 01
    Dirk

    Man kann es auch anders sagen:

    Wir sind zufrieden.

    Und Zufriedenheit ist ein hohes Gut.

  2. 02

    @#782218: … für das man etwas tun muss.

  3. 03
    kayro

    Die Menschen die momentan um ihr Wahlrecht kämpfen, glauben noch das Wahlen etwas verändern. Täten sie dies, wären sie verboten.

  4. 04
    Kai

    Positiv formuliert: Es ist nicht so schlimm, als dass sich Massen zum Protest in Bewegung setzen. Dass Menschen nicht wählen oder protestierten gehen, muss nicht zwangsläufig negativ sein. Wer keines(!) seiner demokratischen Rechte wahrnimmt, hat offensichtlich keinen Bedarf.

  5. 05
    Dirk

    @#782219: Nein, das sehe ich nicht so. Wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Darin gibt es Leute, die dafür sorgen, dass der Staatsbetrieb läuft. Solange Menschen das Gefühl haben, dass es ganz ordentlich zugeht, sehen sie sich nicht veranlasst, Einfluss zu nehmen. Insofern ist die niedrige Wahlbeteiligung als positiver Indikator zu interpretieren.

  6. 06

    @#782222: Das ist zwar eine interessante Deutung, teilen kann ich sie dennoch nicht.

  7. 07
    Malte

    @#782222: Eine Interpretation, die keiner qualitativen Analyse standhalten würde.

  8. 08

    @Dirk Zufrieden? Es gab vor einiger Zeit mal eine Umfrage, nach der die Menschen in Bangladesh die zufriedendsten sind. Und deine Interpretation der niedrigen Wahlbeteiligung ist auch sehr einseitig. Alle Leute die ich kenne, die nicht wählen gehen sagen ganz klar, sie glauben nicht daran, dass sie dadurch etwas verändern können. Halte ich für falsch, aber das ist eine andere sache. Von Zufriedenheit ist da jedenfalls keine Spur.

  9. 09

    Richtig. Veranlasst mich immer zu dieser eigentlich ekligen, aber doch irgendwie zutreffenden Feststellung: Vielen Leuten geht es einfach noch viel zu gut.

    Das ist die eine Hälfte der Nichtwählermotivation, die andere Hälfte ist sicherlich die Politikerverdrossenheit, siehe Dein letzter Guttenberg-Beitrag. Da alle Politiker der gleichen Kaste entspringen zu sein scheinen, brauche ich mir nicht die Mühe zu machen, den am wenigstens unfähigen, verlogenen, karrieregeilen zu wählen.

  10. 10
    Florian

    @#782222: Das stimmt: Um den Mitbürger, der nicht wählen geht, weil er gerade dringend seinen Cayenne in die Autowäsche bringen muss, brauchen wir uns keine Sorgen machen. Wohl aber um den, der aus Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit nicht wählen geht. Das sind dann nämlich genau die, die dem nächsten populistischen Rattenfänger in die Arme laufen.

  11. 11
    Head

    Sicher ist eine niedrige Wahlbeteiligung ein Zeichen für Desinteresse oder gefühlte Machtlosigkeit, allerdings – und da stimme ich Dirk zu – bei vielen auch ein Ausdruck von relativer Zufriedenheit. Ich bin mir sicher, dass es viele Gründe fürs Nichtwählen gibt, und ich habe Respekt dafür. Eine freiheitliche Gesellschaft bedeutet auch die Freiheit, sich nicht zu beteiligen. Nach über 60 Jahren Bundesrepublik und verschiedensten Regierungskonstellationen (auch in den Ländern und Kommunen) könnte man zudem den Eindruck gewinnen, dass es tatsächlich keinen deutlich spürbaren Unterschied macht, welche Parteien oder welche Politiker gerade die Regierungen stellen.

    Viel bitterer als das Nichtwählen ist allerdings die Tatsache, dass es scheinbar immer seltener einen echten gesellschaftlichen Diskurs zu den wichtigen Themen unserer Zeit gibt und dass viele Menschen ihre grundlegende Verantwortung für die Gesellschaft nicht mehr wahrnehmen (wollen, können). Common Sense bzw. Gemeinsinn werden zu Fremdwörtern und es scheint ein weitreichender Verlust des Bewusstseins dahingehend zu herrschen, wer eigentlich der Souverän im Lande ist (bzw. sein sollte)… Daraus lässt sich meiner Meinung nach ein großer Teil der sogenannten Politikverdrossenheit erklären. Ich würde es fast Politikvergessenheit nennen wollen…

  12. 12

    Nicht hingehen als Form des Protestes. Mal ehrlich, wenn ich in Hamburg der CDU nahestünde, was ich nicht tue, wäre ich auch zu Hause geblieben.

  13. 13
    andre

    Ich habe diesmal ganz bewusst nicht gewählt. Warum auch ? Seit 32 Jahren darf ich mein Kreuz machen, geändert hat sich nichts, es geht immer mehr bergab. Ob Rot, Rot/Grün, Schwarz, Ampel, Jamaika oder sonst ein Farbenspiel. Die aktuellen Wahlzettel sprechen Bände, 15,4 Millionen Kosten für die neuen Wahlzettel, dafür darf ich zahlen. Solange die Zusammenhänge von Wirtschaft und Parteien auf dem Wahlzettel nicht zu erkennen sind, hat das alles keinen Sinn. Wenn ich lesen muß, das sich der Joschka F. wieder einen H. Kohl wünscht, dann möchte ich nicht wissen was die Piraten nach 4 oder 8 Jahren in der Bürgerschaft so treiben würden ….. Für meine Meinung und meine Handlungsweise brauche ich keine Partei. Und nein, es geht mir nicht zu gut und ich bin auch nicht satt! Brot und Spiele!

  14. 14

    Ja, wählen gehen ist echt der Mindestbeitrag zur Demokratie. Politisches oder bürgerliches Engagement drüber hinaus ist der Sache freilich noch förderlicher. Sehr viel mehr als den Mindestbeitrag, allerdings selbst bei „popligen“ Volksentscheiden, leiste ich derzeit auch nicht, muss ich gestehen.

  15. 15

    Und dabei ist es keineswegs die Schuld der Wählerinnen und Wähler, dass die Regierung in Hamburg (und anderswo) von nicht einmal jedem dritten Wahlberechtigten bestimmt wird.

  16. 16
    Steffen

    @#782238: Schon mal an die Variante gedacht hinzugehen und den Protest durch z.B. unglückliche Smilys auf dem Wahlzettel auszudrücken? Sprich den Wahlzettel ungültig machen?

    Ich denke, den Wahlzettel ungültig machen ist das eindeutigste Zeichen das man mit den aktuellen Parteien bzw. deren Arbeit nicht zufrieden bin.
    Spätestens wenn 20% ungültig gemachte Stimmen abgegeben wurden fangen auch die feinen Herren Politiker zu grübeln.

  17. 17
    andre

    @Steffen: Da stimme ich Dir zu, hab ich auch schon mal gemacht. Ich denke aber das es keinen Unterschied macht, ob ich nun meine Stimme ungültig mache, oder erst gar nicht abgebe. Die Botschaft ist doch die gleiche. Und die Herren sollten sich doch bei fast 40% „nichbeteiligung“ auch mal gedanken machen, oder nicht ?

  18. 18
    Greyknight

    Ich glaube kaum, das die freiwilligen Helfer, die sich auf Zeitdruck durch tausende Stimmzettel wühlen irgendwie beeindruckt davon sind, wenn traurige Smileys auf einem Wahlzettel sind. Ist ja nicht so, das die Politiker etwas davon mitbekämen.

    Ich bin Hamburger. Ich war wählen. Meine demokratische Pflicht ist erst einmal für die nächsten Jahre getan. Irgendwie wirklich etwas wenig …

  19. 19
  20. 20
    Name (muss sein)

    Wer nicht hingeht, der geht in der Gruppe Menschen unter die einfach zu faul oder zu desinteressiert waren.

    Wer ungültig wählt hat das Problem, dass seine „Stimme“ nicht von denen jener Wähler unterschieden wird, die den Wahlzettel falsch ausgefüllt haben.

    Nur wer hingeht und eine gültige Stimme abgibt übt den größten direkten Einfluss auf das System aus. Wer dabei verhindern möchte ein System zu legitimieren, dass ihm zuwider ist, der wähle doch bitte einfach Die PARTEI.

    Vor Nicht- und Ungültig-Wählern habe ich daher keinen sonderlichen Respekt.

  21. 21
    BenZol

    Ich denke, ich habe die Antwort: Ich glaube nämlich, dass diese Form der Abstimmung einfach nicht mehr der Komplexität unserer politisch-gesellschaftlichen Situation entspricht. Genau wie bei der anderen bekannten Abstimmungsfrage (Willst Du mit mir gehen? Ja, Nein, Weiß nicht), ist die Antwort nicht immer ganz so einfach. Manchmal mag diese Dreifaltigkeit genügen, in den meisten Fällen erwarten Partner jenseits der Pubertät differenziertere Urteile, wenn es um die Konstitution einer Bezieheung geht. Liquid-Democracy geht z.B. in die Richtung. Gibt’s da eigentlich schon belastbare Resultate aus Pilotprojekten? Wollten die Piraten nicht kräftig daran forschen?

  22. 22

    @#782220:

    Den Spruch koennte Johnny auch noch wunderbar in seine Liste aufnehmen.

  23. 23
    TXL-Fred

    Bis vor einigen Jahren habe auch ich jedem der es nicht hören wollte erzählt, dass man wählen gehen muss und sei es nur um die Stimmenmenge zu vergrößern auf Grund derer sich der Prozentsatz irgendwelcher Vollidioten berechnet und diesen somit verkleinert.

    War immer so, nie in Zweifel gezogen, wählen gehen gehört schon immer dazu und wer es nicht macht ist eben ein desillusionierter Hartz4ler oder sonstige Scheiterer.

    Mittlerweile bin ich da nicht mehr so sicher.

    Alle Politiker erhalten Ihre Legitimation einzig und allein aus Wahlen (und wahlähnlichen Meinungsumfragen – aber das ist ein anderes, weites Feld).

    Deswegen sind diese auch so extrem interessiert an einer hohen Wahlbeteiligung, je höher diese, desto grösser die Legitimation. Und genau zu dieser mag ich nicht mehr beitragen. Dabei ist es mir natürlich bewusst, daß es immer noch einen Unterschied macht, ob die Tigerente oder Rot-Grün regiert. Aber selbst dies reicht nicht mehr, um mich zu bewegen dem verlogenen Schmierentheater auch nur einen Bruchteil von 1/80Mio zusätzliche Legitimation zu verleihen.

    Rückzug ins Private? Nur zum Teil, denn da ist noch ein wenig Hoffnung, dass der Druck eine gewisse Wahlbeteiligung zu erreichen irgendwann andere Politiker hervorbringt, die es dann auch wieder möglich machen, ein Wahllokal zu besuchen.

  24. 24
    anonym

    Wenn es um Wahlen geht, dann gibt es offenbar immer noch viel Emotionalität. Ich kann nicht wirklich verstehen, daß in Deutschland Leute in der Öffentlichkeit auftreten (im TV z. B.), die die Leute aufrufen, zur Wahl zu gehen. Man sollte sich doch bitte daran erinnern, daß es hier keine Wahlpflicht gibt! In Belgien z. B. und in Australien gibt es eine. Möchten wir das wirklich hier auch? Und wenn wir das hätten, wäre das letztlich peinlich und lächerlich und auch leicht zu umgehen.

    Nein, wer nicht zur Wahl geht, der hat sich das oft gut überlegt. Und ich finde, das sollten alle respektieren. Als Gegenleistung verpflichte ich mich auch, nicht über die Bundesbürger zu lachen, die zur Wahl gehen, und mich überhaupt nicht über sie lustig zu machen. Gegenseitiger Respekt also.

    Und noch etwas, das ich leider sagen muß: Diese Aufrufe, ob öffentlich oder nicht, zur Wahl zu gehen, erinnern mich sehr an die DDR. Auch dort hatte man (die Öffentlichkeit?) ein großes Interesse, daß alle zur Wahl gehen. Und auch dort gab es keinerlei Wahlpflicht, nur Propaganda. Wer also nicht wollte, ist auch schon da nicht zur Wahl gegangen. (Und ob nun in der Bundesrepublik alles haushoch demokratischer zugeht, ist eine Frage, die man vielleicht am besten mehr zum Ende seines Lebens hin beurteilen sollte.)

  25. 25
    canuck

    Was in Anbetracht der – meiner Meinung nach durchaus verständlichen – Politikverdrossenheit in diesem Lande dringend notwendig wäre, ist die Möglichkeit, seinen Unmut über das Parteienspektrum auch in regulärer Form zum Ausdruck zu bringen. In anderen Längern gibt es zum Teil die Möglichkeit „gegen alle“ zu stimmen. Was sich auf den ersten Blick vielleicht etwas bockig anhört, macht durchaus Sinn, wenn man bedenkt, dass die werten Damen und Herren die verhaltenen Stimmabgaben für ihre jeweiligen Parteien umso schwerer begründen könnten, wenn offensichtlich doch viele Menschen sich auf den Weg zur Wahl gemacht haben – nur eben nicht mit dem gewünschten Ergebnis. Die üblichen Ausreden wie „das Wetter war zu schön“, „das Wetter war zu schlecht“, „Howard Carpendale gab sein WIRKLICH letztes Abschiedskonzert“ usw. usf. dürften dann nicht mehr ziehen… Kurzum: Es wird Zeit, dass man auch seinen Unmnut gegenüber der aktuellen politischen Landschaft in „quantifizierbarer“ Weise kundtun kann. Es wäre höchst interessant, wenn bei zukünftigen Wahlen dann nicht mehr über eine niedrige Wahlbeteiligung berichtet würde, sondern eine signifikant große Wählerschaft „gegen alle“ stimmen würde.

  26. 26
    anonym

    @ canuck
    Habe ich noch nie gehört, klingt aber interessant.

  27. 27
    andre

    @canuck: Genau! In einer echten Demokratie sollte es eine Möglichkeit der Enthaltung oder Verweigerung auf den Stimmzetteln geben, dann wäre es rund. Frei nach Werner in den 80’ern: Du hast die Wahl zwischen 3 Haufen Kacke. Welchen wählst Du ? Kommentar: Du hast die grüne Flitzkacke vergessen : )

  28. 28
    Namen, hui =)

    Man könnte auch sagen, es gibt einfach keine Alternativen. Ich hab nicht gewählt, weil keine der Parteien mir zusagte. Und nun? Satt ja, aber nur, weil das Essen verdorben war. Und übrigens: Bei der Komplexität des neuen Wahlsystems wundert es mich fast, daß doch soviele gewählt haben :)

  29. 29
    anonym

    Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen, denn offenbar haben es nach etlichen Jahren der sog. Politikverdrossenheit immer noch nicht alle so recht verstanden: Ich wähle nicht deshalb nicht, weil ich politisch uninteressiert bin (eher das Gegenteil ist der Fall) oder zu faul/zu dumm/zu beschäftigt bin, und einen Wagen muß ich auch nicht waschen (kann gar nicht fahren).

    Nein, ich nehme bewußt nicht an der Wahl teil, weil ich keiner der in Frage kommenden Parteien und ihrem Personal zutraue, wirklich sinnvolle Lösungen nicht nur zu präsentieren, sondern auch durchzusetzen. Natürlich kann man eine Spaßpartei wählen oder die Piraten, das will ich gar nicht verwerfen; nur wird davon leider kaum der Ausgang der Wahl wesentlich beeinflußt werden (wenn es nicht gerade eine Bürgermeisterwahl ist). Insofern ist das mehr so ein Alibi. Erst recht sehe ich das Ungültigmachen von Wahlzetteln als wenig überzeugend an; hätten wir eine Wahlpflicht, wäre es natürlich das Mittel der Wahl.

    Es ist klar, daß in undemokratischen Staaten die Leute für freie Wahlen kämpfen – hängt doch von diesen das weitere Geschick ihrer Gesellschaft ab. Insofern ist es natürlich nicht falsch, wenn man konstatiert, daß es hierzulande nicht um so große Dinge geht und sich die Verhältnisse über die Jahrzehnte eingependelt haben. Nicht umsonst heißt es bezüglich der USA oft, die geringe Wahlbeteiligung dort zeige die relative Stabilität der Verhältnisse. Dennoch sind, glaube ich, viele Menschen hierzulande nicht zufrieden mit den Verhältnissen, ohne deswegen den Schluß zu ziehen, zur Wahl gehen zu müssen.

    Nur ein einziges Beispiel: Wenn ich seit Jahren erlebe, daß das Parlament mehrheitlich einer völkerrechtswidrigen deutschen Kriegsführung im Ausland immer wieder seinen Segen gibt, dann kann mir doch eigentlich niemand einen Vorwurf daraus machen, daß ich nicht glauben kann, daß meine Wahlbeteiligung daran etwas ändern könnte.

  30. 30
    Nihilistin

    Ich durfte, bis ich 23 war, nicht wählen. Ich komme ausm Osten, da musste man Zettel falten gehen; und wenn man das nicht wollte, dann wurde das registriert und notiert und dann im richtigen Moment hervorgezaubert, nämlich wenn es darum ging von der Uni geschmissen oder nicht befördert zu werden, weil man nämlich eine Tendenz zum staatsfeindlichen Verhalten hatte.
    Falls Ihr Euch erinnert: Die offene Oppositionsbewegung in der DDR entzündete sich nach jahrelangem Schwelen nach den letzten sogenannten „Wahlen“. Für (unter anderem) ein freies Wahlrecht haben sich meine Freunde dann im Oktober 89 zusammenknüppeln lassen.
    Jeder hier, der lang und breit erklärt, warum er aus Protest nicht wählen geht, ist ein „Satter“, der nie miterlebt hat wie es ist, nicht auf dem Boden einer FDGO zu leben. Statt dessen reiht er/sie sich lieber in die stumpfe Masse ein, die „alle doof“ und „man kann ja nichts machen“ am Stammtisch krakeelt.
    Seit 1990 nehme ich an jeder, wirklich jeder Wahl teil. Weil ich weiß, was für ein Privileg eine freie Wahl ist.
    Wer wirklich meint, keine Partei sei wählbar, der mache seine Stimme ungültig. Alles andere ist demokratiefeindlich.
    Sorry, bei diesem Thema brennt mein Kopf vor Emotion und auch Wut.

  31. 31
    sven

    Wenn KEINER wählen gehen würde – OK – aber dazu wird es nicht kommen. Daher gehe ich immer wählen um (wenigstens!) der NPD eine Stimme entgegen zu setzen – daran sollte man auch mal denken!

  32. 32
    karnevalist

    Ich meine das die Nichtwähler nur faul sind. Die meisten Menschen haben Internet, man kann die Programme aller Parteien studieren.
    Auch und gerade die der sog. Sonstigen. Wer nichts findet schreibt eben Ungültig drauf, oder versucht vorher mal den Wahl-o-maten.
    Sieht man jedoch die Titel der Boulevardmagazine wird klar was hier scheinbar wichtig ist, und natürlich die Frage nach dem Tabellenstand der sog. „Bundesliga“.

  33. 33
    guido

    Interessant wären in diesem Zusammenhang die Schnittmengen von Wählern/Nichtwählern und aktiver gesellschaftlicher Teilhabe (wovon die Wahlteilnahme an dieser Stelle auszunehmen wäre). Ob das tatsächlich irgendeine statistische Aussagekraft hätte, weiß ich auch nicht.

    Aber seinen Respekt davon abhängig zumachen, ob jemand alle paar Jahre das kleine Übel unterstützt, einen Witz macht, für seine Überzeugung eintritt, kein Interesse bekundet, sich einem Spiel verweigert, nicht zur Legitimierung eines Systems beiträgt, seine Ohnmacht in Nihilismus schwelgen lässt oder was auch immer tut, ist armselig.

    Und das mit der DDR ist ja nun auch eine Crux. Irgendwie hätte es damals schon zu den geachteten Grundrechten zählen sollen, nicht an einen Wahl teilnehmen zu müssen, aber nun dieses Recht wahrzunehmen ist auch wieder erbärmlich oder was?
    Ist es denn überhaupt nicht vorstellbar, dass die bundesdeutschen Wahlen ähnlich uninteressant sind wie die ehemaligen ostdeutschen? Und man einfach nur froh ist, dass man bei Nichtteilnahme nicht auch noch Sanktionen befürchten muss?

    Stehen überhaupt noch Machtverhältnisse zur Wahl oder nicht vielmehr nur noch die Vermittlung ebenjener?

  34. 34
    Elblette

    Eine Anmerkung aus Hamburg: Es war gestern im Vorfeld klar wie Kloßbrühe, dass die SPD deutlich gewinnt, mit oder ohne Grüne. Möglicherweise hatte viele Leute das Gefühl, dass ihre Stimmt keinen großen Unterschied macht. Außerdem ist das Hamburger Wahlrecht so kompliziert, dass ich es nachvollziehen könnte, wenn es Leute abschreckt. Ganz ehrlich: Ich habe es nicht verstanden. Weder vor, während oder nach der Wahl. Menschen der weniger belesenen Art waren von dem autobildstarken Musterwahlzettel allein vermutlich so eingeschüchtert, dass sie sich nicht ins Wahllokal getraut haben. Was ich damit sagen will: Das besonders niedrige Wahlergebnis liegt vielleicht ein Stück weit an örtlichen Besonderheiten und taugt nur bedingt für allgemeine Betrachtungen.

  35. 35
    christoph

    @#782219:
    Joa. Aber nicht unbedingt wählen.
    @#782281:
    Das Recht NICHT zu wählen ist, wie du doch veranschaulichst, ebenso wichtig wie die Freiheit der Wahl selbst.
    Meine Entscheidung mich – aus welchem Grund auch immer – nicht zu entscheiden ist für mich ebenso grundsätzliche und wichtige Freiheit. Und kein Zeichen von Übersättigung.

    Den Nichtwählern je nach Laune Asozialität, Dekadenz, rechtsradikale Tendenzen („Jede nichtabgebene Stimme ist eine Stimme für die NPD“) oder Dummheit zu unterstellen ist … falsch. Meiner Meinung nach.

  36. 36

    Willkommen in der Postdemokratie. Man darf hier zwar wählen und sagen was man will, aber es ändert nichts. Den Ton geben die Medien und PR-Agenturen an. Uns hört keiner. Das Bäumchen-wechsel-dich Spielchen alle paar Jahre gibt uns die Illusion von Mitbestimmung. Dabei ist es in Wahrheit so: Die gewählten Vertreter haben keine Macht und die Mächtigen hat keiner gewählt. Die Volksvertreter sorgen für die Umverteilung von unten nach oben unter Wahrung des gesellschaftlichen Konsens. Ist es da ein Wunder dass immer mehr resignieren?

  37. 37
    Blixten

    @#782271: Eine Möglichkeit „gegen alle“ zu stimmen halte ich für unsinnig und falsch.

    Einer der Grundfehler der Weimarer Verfassung, der später im Grundgesetz behoben wurde war das damalige Misstrauensvotum (des Parlaments), das es erlaubte, Kanzler und Ministern das Misstrauen auszusprechen ohne selber eine Alternative haben zu müssen (z.B. wenn ganz Rechte und ganz Linke sich einig waren dass das aktuelle Personal weg soll).
    Das führte zu ständigem Regieren mit Notverordnungen und einer Destabilisierung der Demokratie. Heute gibt es daher nur noch das „konstruktive Misstrauensvotum“ mit Alternative.

    Die Möglichkeit bei einer Wahl „gegen alle“ zu stimmen wäre wieder ein rein destruktives Votum und sicher genauso geeignet die Demokratie an sich zu schädigen. Wer wirklich keine einzige Partei für wählbar hällt, für den sieht unsere Verfassung die konstruktive Möglichkeit vor, selber eine neue zu gründen.

    Natürlich hat auch jeder das Recht, zu Hause zu bleiben. Man darf sich dann aber nicht einbilden, die anderen Nichtwähler wären aus demselben Grund nicht hingegangen wie man selbst.
    Unter den gut 40% Nichtwählern in Hamburg waren zufiedene, verdrossene, vergessliche, bequeme, protestierende und so weiter. Dass von einer so inhomogenen Gruppe kaum ein politisches Signal ausgeht, sollte niemanden überraschen.

  38. 38
    canuck

    @#782314:
    Das mag zum Teil so sein – viel essentieller war mit Blick auf die Situation der Weimarer Republik aber der schlichte Umstand, dass die Demokratie einfach keiner wirklich wollte.

  39. 39
    Dr. Z

    Auch unter den Kommentaren hier wieder: Immer dieses „Meine Stimme macht eh keinen Unterschied“. Natürlich macht eine Stimme (praktisch) keinen Unterschied. Wenn sie es denn täte, wäre es keine Demokratie. Man sollte schon so bescheiden sein und einsehen, dass die eigene Präferenz nicht mehr zählt als die Präferenzen der x-Millionen anderen Wähler.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es ok ist, nicht zu wählen. Schließlich ist es ein Recht, und keine Pflicht. Problematisch wird es jedoch, wenn Ignoranz gegenüber politischem Geschehen generell der Grund fürs Nichtwählen ist.

    Wer unbedingt das Wahlsystem radikal ändern will, kann eine Partei wählen, die dieses vorhat, bzw. eine solche ins Leben rufen (was natürlich auch für andere politische Vorhaben gilt, für die sich die Mainstream-Parteien nicht interessieren).

  40. 40
    AP

    @ Elblette (34): Danke, sehe ich genau so. Es würde mich wirklich interessieren, wie viele Leute durch den Musterbogen davon abgehalten wurden, zur Wahl zu gehen. Ich habe auch noch nicht begriffen, warum ich fünf Stimmen verteilen sollte, und das vier Mal. Beim nächsten Mal dann 100 Punkte?

  41. 41

    Also ich wuerde gerne mehr waehlen, wenn ich denn duerfte. Kann ich aber zumindest in der naeheren Zukunft nicht. Ich darf nur Steuern zahlen, wie mit denen umgegangen wird darf ich nur ziemlich eingeschraenkt beeinflussen (bei Kommunal- und Europawahlen, wo ich waehlen darf).

  42. 42
    m

    keine zeit und ihr habt es vermutlich alle schon gesehen. dennoch:
    http://www.youtube.com/watch?v=OnserZOf1-4

  43. 43
    rofl

    „Wir sind einfach so verdammt satt.“

    Sprich nur für dich. In Deutschland schieben mittlerweile genug Leute Hunger. Bleibt nur zu hoffen, dass die so einen Müll nicht lesen müssen.

    Wir leben übrigens in einer Postdemokratie, in der Wahlen eh nichts mehr verändern werden.
    Könnte es sein, das ein paar Leute ein wenig weiter denken, als ein spreeblickender deutscher Michel, der erwartet Veränderungen vorgelegt zu bekommen und diese dann per Wahl mal kurz abzuzeichnen, statt sie/sich mal selber in Bewegung zu setzen.

  44. 44
    anonym

    @ Nihilistin
    Höchstwahrscheinlich haben Sie einfach Ihren Nickname ungünstig gewählt. Und Sie sagen ja selbst, daß Sie bei dem Thema nicht ruhig bleiben können.

    Ich kann Ihnen nur ganz klar widersprechen. Mit Sicherheit habe ich etliche Jahre mehr als Sie im Osten gelebt, und das ganz zweifellos nicht mit Begeisterung. Nicht jeder, der dort sein Leben verbrachte, war auf „Beförderung“ aus, das sollte man einfach nicht vergessen.

    An den meisten dieser Scheinwahlen habe ich nicht teilgenommen, ich bin einfach nicht hingegangen. Passiert ist deswegen nichts. Nicht ein einziges Mal hat mich jemand deswegen angesprochen, in all den Jahren nicht. Wenn man von diesem Scheißstaat nichts wollte, dann hat der einen (oft erstaunlicherweise!) schlicht in Ruhe gelassen. Ein Scheißstaat war es natürlich trotzdem, da mußte ich mein Urteil zu keinem Zeitpunkt revidieren.

  45. 45
    Nihilistin

    @#782359: Na ja. Es mögen nur 23 Jahre gewesen sein, die ich in diesem Staat gelebt habe, und es waren auch nur 2 sog. „Wahlen“, an denen ich teilnahm. Zur zweiten verschwand ich in der Alibi-Wahlkabine, machte meinen Stimmzettel ungültig und wurde anschliessend von der FDJ-Sekretärin zur Rede gestellt. Wurde ansonsten als Mitglied der Studentengemeinde bespitzelt und von einem linientreuen Professor wegen staatsverhetzender Meinungsmache aus der Vorlesung geworfen. Ich wollte diese „Diktatur der Arbeiterklasse“ nicht in Ruhe lassen, also hat sie mich auch nicht in Ruhe gelassen.
    Und deshalb gehe ich heute auch zu Wahlen (oder auch zu Volksbegehren) – weil ich mich nicht auf „in Ruhe lassen“ (oder eben auch: „Ich kann ja eh nichts ändern“) einlassen mag.

  46. 46
    anonym

    @ Nihilistin
    Sie sprechen ja punktgenau das Problem an, das (auch) Ihres war: Wer etwas vom Staat wollte (studieren z. B.), der mußte sich notfalls beim Staat anbiedern. Das von Anfang an gewußt und sich dennoch darauf eingelassen zu haben, fand ich immer und finde ich immer noch ziemlich problematisch. Andere haben sich eindeutiger entschieden. Aber ich gebe gerne zu, daß es generell eine Gratwanderung war. Also nichts für ungut.

    Dennoch kann ich aus dem allen keine eindeutige Schlußfolgerung für mein bewußtes Handeln von heute erkennen.

  47. 47
    Massaya Soundsystem

    Ok, der Nichtwähler geht nicht wählen.
    Das Problem ist aber, dass die NPD-linge & Konzernbosse sehr wohl ihr Kreuzchen machen.
    Und dafür bedankt sich die PArtei dann selbstverständlich auch…
    (Schwarz-Gelb, anyone?).

    Hm…. und die Heinz Strunk Partei sieht mir doch recht sympathisch aus!

  48. 48

    @#782429:
    In Ungefähr richtig.
    Die ‚verblendeten‘ werden von ihren Gäuoberen gezwungen Rechts zu wählen.

    Dem kann man nur gegenübertreten indem man auch an der Wahl teilnimmt.