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Dieser Artikel ist ein Leserbeitrag im Rahmen der Open-Spreeblick-Aktion.

An einem Samstag im April

Samstagmorgen, 9:30 Uhr. Die Sonne scheint auf meinen Balkon. Dies scheinen auch Kalle, Kurt und Bruno zur Kenntnis genommen haben. Denn die sitzen bereits seit 9:14 Uhr darunter und köpfen ihr erstes Bierchen. Das haben sie zuvor bei Yilmaz, dem Kiosktürken ihres Vertrauens, gekauft. Denn Yilmaz macht auch am Wochenende seinen kleinen Bäckerei- und eben auch Bier-Laden zuverlässig um 8 Uhr auf. Leider mache ich meine Äuglein für gewöhnlich etwas später auf. Was schwierig umzusetzen ist, wenn die Ohren bereits von ausgiebigen Unterhaltungen der drei bierfreudigen Fragezeichen unter mir in Beschlag genommen werden. Das Thema heute lautet: „Sozialschmarotzer“.

Ob Selbstreflektion oder Eigenironie hinter diesem thematisch durchaus brisanten Thema stecken, wird mir zwar nicht bewusst. Der Unterhaltungswert der Gesprächsrunde ist jedoch unabdingbar amüsanter Art. Und wenn einer das Thema anschneiden darf, dann sind es schließlich die drei Mittfünfziger vor Yilmaz‘ Lädchen. Leider habe ich ehrlich gesagt den Einstieg auch nicht so ganz mitbekommen, da ich zu diesem Zeitpunkt noch die Reste meiner letzten REM-Phase zu retten versuchte. Das Ganze fängt in etwa so an:

Kalle ärgert sich über den ganzen Müll auf der Straße. Den haben seiner Meinung nach die ganzen Sozialschmarotzer hinterlassen. Grund dafür sei, dass die einfach nichts besseres zu tun hätten und ihnen alles scheißegal sei. Stattdessen schmarotzten die sich nur durch, um dann die Reste ihrer Schmarotzerei in der Wallachei zu hinterlassen. Und wovon bezahlen die den ganzen Müll, der nun auf der Straße liegt?, will Kurt wissen. Natürlich von Hartz IV!, erwidert Kalle. Denn davon bekommen sie ja auch jede Menge, diese fiesen Sozialschmarotzer. Und warum bekommen die einfach so Hartz IV?, will Kurt weiter wissen. Weil die fünf Gören daheim haben. Und dazu noch nie arbeiten waren! – langsam regt sich Kalle ein wenig auf. Vielleicht hat auch das wieder was mit subtiler Selbstreflektion zu tun. Von Bruno hingegen ist nur ab und an ein zustimmendes Grummeln zu hören. Offenbar geht ihm der Genuss des guten Bierchens vor. Dabei geht es jetzt erst richtig los. Oder wieder los. Denn in den nächsten 10 Minuten folgt eine Endlosschleife nach der anderen. Mit folgenden Vokabeln: Schmarotzer, asozial, Hartz IV, Auf-den-Staat-Scheißer.

Bis Kalle einfällt, dass er keine Kohle mehr hat, um sich das nächste Bierchen zu kippen. Und das nur, weil das „Scheiß-Amt“ ihm noch nichts überwiesen hat. Dabei hat er letzten Dienstag extra seine Parkhomies vertröstet, um bei der „Alten“ vom Amt anzutanzen. Mit dem Bier ist auch das Gesprächsthema offenbar erschöpft. Nur Bruno gibt noch ein tiefes „Hachja, so ist das“ von sich. Der Rest schweigt. Zuviel untergründige Eigenreflektion ist eben auch nicht gut. Immerhin weiß ich nun, was einen Sozialschmarotzer auszeichnet: Sozialschmarotzer schmarotzen, weil sie asozial sind, Hartz IV bekommen und auf den Staat koten. Und unter meinem Balkon sitzen. Guten Morgen, Berlin!