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Dieser Artikel ist ein Leserbeitrag im Rahmen der Open-Spreeblick-Aktion.

Wie geschmiert

Offensichtlich war mal wieder Atrix-Restpostenverkauf. Denn mit jener Dosenfestung, die mir aus dem Kühlschrank fast entgegenpurzelt, könnte man nicht nur eine komplette Altenheimbesatzung einbalsamieren, sondern alternativ auch eine Rutschbahn von hier bis Köln auswälzen. Und sollte das Handfett mal ausgehen, so würde sich die mindestens genauso große Sanella-Pyramide, welche ein Fach tiefer lagert, als prima Ersatz erweisen.

Auf die Frage, wozu sie denn so viel Sanella brauchen, murmelt Oma nur etwas von „Penny“ und „Sonderangebot“ vor sich hin und deutet vorwurfsvoll auf Opa. Der ignoriert ihre Handbewegung und bietet mir etwas von dem Hamstervorrat an. Ich lehne meiner kindheitsbedingten Atrix- und Sanella-Phonie zuliebe dankend ab und lasse mich auf den Sessel plumpsen, der in Therapeutensitzungsposition gegenüber zu Opas Couch und Omas Sessel steht.

Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? „Weißte, woher ich den Oppa kenn´?“ Kann Oma Gedanken lesen, oder habe ich laut gedacht? Unbeirrt fährt sie fort. „Dat war eigentlich unmööööschlisch. Unmöööschlisch war dat!“ Noch bevor ich Details erfahre, greift Opa zu seiner Verteidigung ein. „Jaja, da konnste froh sein, dass ich en Auto hatt´!“ Im Folgenden stellt sich raus, dass Opa die Oma auf dem Weg zum Kino aufgegabelt hatte. Doch statt Oma und ihrer Freundin den Fußweg zum Nachbardorf zu ersparen, ersparte er ihr gleich den Heimweg mit und fuhr sie einfach wieder zurück zum „Start“. Warum Oma bis heute kein „Mensch ärgere dich nicht mag“ erhält in diesem Moment eine ganz neue Bedeutung… „Ja, unn weißte auch warum? Weil der Meyersch Kurt am Kino gewartet hat“, grinst Opa schelmisch. Dieser Kurt stand wohl auch auf Oma (die aber auch wirklich ein heißer Feger damals war) nur hatte Opa die bessere Taktik, um seinen Kontrahenten auszuschalten. Und weil er so ein fixer Bub war, rief er schon am nächsten Morgen, noch vor dem fiesen Kurt, beim Bürgermeister an, denn der hatte ja das einzige Telefon im Dorf, um Oma auf eine Fahrt in seiner Blechkutsche einzuladen. Wie sich herausstellt, setzte Opa das Wort „Einladung“ offenbar mit „Entführung“ gleich. Denn eigentlich hatte Oma gar keinen Bock und war zu Fuß losgestapft. Also sammelte er sie kurz vor Erreichen des Heimatdorfes auf, um sie „angeblich“ nach Hause zu fahren. Dass Opa dann auf einmal eine andere Richtung einschlug, fand Oma gar nicht gut. „Der hat gesacht, er wollt mich nach Hause fahren! Nix da, ins Kino isser gefahren! Unmöööschliisch!“ Omas Kreislauf scheint auch nach 60 Jahren bei dem Thema in Wallung zu geraten. In ominösen Wallungen schien auch Opa damals gewesen zu sein, wollte er doch verhindern, dass dieser Kurt eventuell im Dorf auf die Oma lauerte. Besser also, das Objekt der Begierde schnellstmöglich abgreifen, bevor ein anderer es tut. Irgendwie muss ich an Opas Autokauftaktik denken. Und an den Kühlschrank voller Atrix und Sanella.

Oma ist derweil auf dem Höhepunkt ihrer Revival-Rage angelangt: „Hätt ich mo besser den Meyersch Kurt geheiratet!“ „Jo, da hättste jetz auch schon Fuffzehn Jahr en Pflegefall!“, kontert Opa. Ich schaue kurz aus dem Fenster. Wer den Alltagston zwischen den beiden nicht kennt, denkt, hier ist grad RTL zu Besuch. Doch Oma winkt schon zur Halbzeit ab, um sich ein Sanellabrot zu schmieren. „Un-mööööösch-lisch!“, klingt es aus der Küche. Das denke auch ich und bin dann doch froh, dass sie es noch immer miteinander aushalten.