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Dieser Artikel ist ein Leserbeitrag im Rahmen der Open-Spreeblick-Aktion.

Verachtung statt Hass

Der Mensch ist ein lustiges Wesen. Behauptet von sich gut und gerne mal die Krone der Schöpfung zu sein und hält tapfer an der selbstgebastelten Spitze der Nahrungspyramide fest, übersieht dabei aber stets, dass seine Existenz auf dieser Erde eben genau diese in ein folgenschweres Debakel geführt hat. Betrachtet man die Dinge einmal von oben, wird sehr schnell klar, dass egal wohin sich der Mensch begibt, er den unvermeidlichen Drang verspürt zu zerstören, abzuholzen, zu vermüllen, zu töten oder auszurotten auf Teufel komm raus. Kurz gesagt er vewandelt alles auf kurz oder lang in Schutt und Asche. Als Erde wäre ich besorgt. Eventuell beschreibt das metaphorische Bild des Virus die Menschheit ganz gut. Ein kleiner Erreger, der sich still und heimlich in einem gesamten Organismus ausbreitet, absolut rücksichtslos dessen Kräfte ausmergelt bis von dem ursprünglich gesundem Organismus nur noch eine leere Hülle übrig bleibt, die schließlich zum Sterben verurteilt ist. Keine wirklich guten Aussichten für diesen Planeten.

Zugegeben, ich bin nicht der Erste, dem dieser Gedanke kam und sicher auch nicht der Einzige. Je nachdem was für ein Mensch man selber ist, geht man mit dieser Erkenntnis anders um. Vielen ist es nichtmal ein Schulterzucken wert, andere engagieren sich in Umweltorganisationen oder dem Tierschutz. Aber erst wenn einen dieser Gedanke packt, schüttelt und fortan nicht mehr loslässt, könnte es heikel werden. Man ist gefangen in einer Spirale aus Menschenhass, sieht nur noch die Makel und Verfehlungen und ist zunehmend angewidert, selbst ein Teil dessen zu sein. Viel an Lebensqualität bleibt einem dann nicht mehr und der Gedanke, möglichst zügig und selbstbestimmt auszusteigen aus diesem System, wird ein treuer Begleiter. Eine scheiß Zwickmühle in der man da steckt. Aber es gibt Abhilfe. Die Losung heißt Verachtung statt Hass. Welch wunderbare Freude die Verachtung doch sein kann im Gegensatz zum Hass. Zwar muss man sie üben und sich den Umgang mit ihr in einem durchaus längerfristigem Prozess antrainieren, aber diese Mühen sind es wirklich wert. Am besten begibt man sich dafür in einen gedanklichen Elfenbeinturm, der zum einen den Schutz vor der Außenwelt garantiert, zum anderen aber auch einen interessanten Überblick über das Desaster bietet, in das die Menschheit wirklich unweigerlich schlittert. Ab da an kann man, zurückgezogen in seinen Turm, mit einem großen Stück Verachtung erfüllt und mit der Gewissheit ausgestattet, dass man sowieso nichts daran ändern könnte, dass alles zwangsläufig den Bach runtergeht, jeden Fehltritt der Menschheit mit einem herzhaften Lachen abtun und nur sehnlichst hoffen, dass man als Augenzeuge dabei sein darf, wenn der große Untergang eingeläutet wird. Aber auch Lachen kann irgendwann langweilig werden, wenn man es stets nur alleine tut. Deswegen ist es sinnvoll, auch anderen Menschen den Zutritt zu seinem Elfenbeinturm zu gewähren. Sei es nur für kurze Momente oder auch für länger. Wichtig ist dabei nur, dass man die Schlüssel zu seinem Turm sorgfältig verteilt und die Empfänger mit Bedacht auswählt. Weil ein Turm, zu dem jeder x-beliebige Idiot zutritt hat wie zu einer U-Bahn, seinen Sinn verlieren würde. Und irgendwann hat man dann den bitteren Geschmack des Hasses vergessen, das flaue Gefühl in der Magengegend, das man so häufig hatte, weil man alles so wahnsinnig ekelhaft und sinnlos empfand, ist auf Nimmerwiedersehen verschwunden und die einzigen Tränen, die man vergießt, sind Freudentränen, weil man fast nicht mehr aufhören kann zu lachen vor lauter Dummheit und Irrationalität, die hier jeden Tag stattfinden. Ob das arrogant wirkt? Eigentlich egal.

 

[Erstveröffentlichung auf Spreeblick. Später dann auch auf meinem Blog.]