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Freifahrt [Update]

Es war in den 70er Jahren, glaube ich, als sich in Deutschland leidenschaftliche Autofahrer zusammentaten und unter dem Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ gegen staatliche Beschränkungen des Individualverkehrs wehrten. Diese Autofahrer waren davon überzeugt, dass Tempolimits und (damals stattfindende) autofreie Sonntage ein Eingriff in ihre persönliche Freiheit wären, und dass nur sie selbst entscheiden sollten, wann und wie schnell sie fahren dürften.

Die Auto-Lobby hatte eine sehr laute Stimme, die von diversen Automobilklubs und von den Boulevard-Medien, die dem Volk so gerne „aufs Maul schauen“, verstärkt wurde. Irgendein Axel-Springer-Blatt brachte den Slogan als Aufkleber-Beilage und selbiger prangte danach auf vielen PKW.

Geändert hat der Autofahrer-Protest an der Verkehrspolitik der darauf folgenden Jahre und Jahrzehnte nur wenig, und wenn wir heute in Großstädten immer mehr begrüßenswerte Tempo-30-Zonen haben, dann verdanken wir das ganz sicher nicht jenen Teilen der autofahrenden Bevölkerung, die ihre individuellen Bedürfnisse über die ihrer Umwelt stellen.

Manchmal, in stillen Sekunden, wenn die Katzen auf Twitter schlafen, bei Facebook alle außer den Codern Mittagspause machen und sogar Robert Scoble Google+ abgeschaltet hat … dann frage ich mich, ob Teile der netzpolitischen Gemeinde mittlerweile ähnlich funktionieren wie die oben beschriebenen Autofahrer. Freies Netz für freie Bürger.

Und dann lese ich von Cameron und diesem und anderem Irrsinn und fasse es nicht. Und weiß: Es ist richtig, sich gegen Zensur und Vorratsdatenspeicherung zu wehren, es ist richtig, zu beweisen, dass Stoppschilder vor Straftaten nichts anderes als politische Nebelkerzen sind. Und es ist ebenso richtig, Gesetzentwürfe und andere politische Maßnahmen immer wieder auf ihre Tauglichkeit und ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.

Und trotzdem nervt es mich, wenn in meinen Netz-Streams jede mögliche Einschränkung als Zensur bezeichnet wird; wenn vielleicht anstehende Veränderungen des Status Quo als Angriff auf die Menschenrechte interpretiert werden; wenn Lösungsvorschläge allein an ihrer unwahrscheinlichsten Fehlbarkeit gemessen werden; wenn als Antworten auf gesellschaftliche und politische Fragen allein die Behauptung einer Selbstregulierungskraft des Netzes sowie die zwar wichtigen, aber immer noch viel zu wenig ausformulierten Forderungen nach mehr Medienkompetenz kommen. Für meine Vorstellung vom gemeinsamen Weiterkommen, konstruktiven Gesprächen und gegenseitigem Wissensaustausch sieht es dann schlecht aus, und Versuche, Experimente und daraus resultierende Erkenntnisse werden so gut wie unmöglich. Das, was man aus dem Meer der Netzstimmen manchmal zu lesen bekommt, unterscheidet sich dann an Eindimensionalität nicht mehr von dem, was man kritisiert.

Das mag mich nerven, überraschen darf es mich aber eigentlich nicht. Die aktuelle Politik nicht nur hierzulande macht es einem nicht leicht, sie ernst zu nehmen und sie zu respektieren, sie als Partner statt als Feind, als Diener statt als Herrscher zu betrachten, da man den Eindruck hat, dass nur aus Angst und Unsicherheit, auf wirtschaftlichen Druck hin und sowieso nur bis zur nächsten Wahl gehandelt wird. Kontroll- und Regulierungswahn hier, sagenhafte Inkompetenz dort, Ignoranz und Arroganz an allen Enden … dabei ruhig zu bleiben, fällt schwer, keineswegs nur in netzpolitischen Bereichen.

Und trotzdem darf dies alles kein Grund sein, Augen und Ohren davor zu schließen, dass Veränderungen auch vor dem Netz nicht Halt machen werden.

Die wohl kaum umkehrbare Kommerzialisierung des Netzes, seine Verbreitung, seine Ortsunabhängigkeit, seine Allgegenwärtigkeit, sein Einsatz für viele unterschiedliche Zwecke und die gleichzeitige Nutzung als Infrastruktur für unternehmerische, militärische, private und politische Zwecke, vor allem aber seine „Normalität“ für fast alle Menschen in einigen Regionen der Welt (und ihre Abhängigkeit davon) bringen Herausforderungen mit sich, die weder allein technisch, noch allein politisch, noch allein kulturell zu beantworten sind, sondern nur von einer Mischung aus vielen Disziplinen.

Ich bin davon überzeugt, dass es im Netz neben den glitzernden Hauptstraßen auch immer die dunkleren Seitengassen, die nur halb legalen Rotlicht-Viertel, die Indie-Läden und die Drogendealer geben wird – wie in jeder Stadt auch. Man wird immer finden, was man will, wenn man weiß, wo man suchen muss. Ich mache mir keinerlei Sorgen darum, dass das Netz zu einem klinisch sauberen Ort werden könnte, der keinen Platz mehr für Spinner und Absurditäten lässt, für Abgedrehtes und Absonderliches und für das, was nun wirklich nur drei echt ziemlich schräge Leute interessiert. Das Netz besteht schließlich aus Menschen. Die machen das schon.

Ich bin aber auch ziemlich sicher: Das anarchistische Internet ist tot. Und es wurde nicht allein von regulierungswütigen Politikern oder Wirtschaftbossen getötet, sondern vielleicht auch von der Realität seiner verschiedenen Entwicklungen, von der Tatsache, dass es schon lange kein elitärer Klub mehr ist, sondern ganz einfach eine Erweiterung des öffentlichen Raums. Und für einen solchen kann das Hoffen auf Selbstregulierung kaum genügen.

Das anarchistische System, ein System, das trotz unterschiedlichster Ansprüche wirklich (wirklich!) selbstständig funktioniert, kenne ich nicht. Jedes Forum hat Regeln, die es einzuhalten gilt, jede Programmiersprache bestraft die Missachtung seiner Regeln und jede Demokratie auch.

Eine überschaubare Gruppe von Menschen mit einer guten Ausbildung, einem dazu passenden Selbstbewusstsein und einer unerschütterlichen Psyche, die nicht einmal im Traum daran denken, jemandem anderen Schaden zuzuführen, könnte vielleicht ein anarchistisches Internet erfolgreich bevölkern. Vielleicht.

Doch es wird nicht von einer solchen Gruppe bevölkert. Das Netz, morgen noch mehr als heute, ist für alle da, es muss für alle da sein. Für die Armen und Reichen, die Starken und Schwachen, die Klugen und Dummen, die Jungen und Alten. Weshalb es von keiner Elite beherrscht werden darf. Nicht von einer politischen oder wirtschaftlichen, aber auch nicht von einer technischen.

Ich habe mich lange gegen die Akzeptanz dieser Entwicklung gewehrt, denn ich liebe die Utopien über alles, die mir das Netz verspricht. Doch egal, wie ich das finde: Es werden Ampeln aufgestellt werden (deren Signale man missachten kann). Es werden Regeln gelten (die man brechen kann) und Maßnahmen beschlossen werden gegen die, die sie nicht einhalten.

Nur ohne jede Hoffnung und ohne jedes Vertrauen in die Menschheit und ihre demokratischen Errungenschaften klingt dies nach einer Diktatur, denn es ist ebenso die Grundlage einer jeden Gesellschaft, die sich mit besten Absichten sowohl um den Konsens der Vielen als auch um den Schutz der Wenigen und vor allem der Schwachen bemühen will.

Genau diese Absichten sind es natürlich, die den Kern des Misstrauens vieler (Netz-) Bürger gegenüber der Politik ausmachen, und die ob der jüngsten Forderungen von westlichen, demokratischen Politikern wie Cameron, das Internet bei Bedarf jederzeit abschalten zu können, nicht gerade als „beste“ bezeichnet werden können. Doch glücklicherweise arbeiten Politiker immer seltener im Verborgenen, der Gegenwind gegen solch abstruse Forderungen ist groß und die Wahrscheinlichkeit ihrer Durchsetzung klein.

Ob nun aber auch mal wirklich gute Absichten bei einzelnen Beteiligten vorhanden sind, bleibt dabei immer wieder individuell zu beurteilen, und eine solche Beurteilung funktioniert meiner Erfahrung nach nur selten nach dem Gut-/Böse-Muster. Es gibt internet-affine Politiker, die sich von den Chancen durch das Netz begeistern lassen ebenso wie Netzaktivisten, die ihre ganz eigene Agenda haben und in ihrem Engagement zunächst eine Chance für ihre Karriere sehen. Das Leben ist keine 1-bit-Grafik.

Vermutlich fehlt mir einfach manchmal das Maß auf allen Seiten und oft auch das Verständnis für mehr Interessen als die eigenen. Vielleicht kenne ich zu viele völlig verunsicherte und überforderte Eltern, die sich alle Mühe geben, neben dem täglichen Alltagswahn noch korrekte Medienerziehung zu leisten und die technische, aber durchaus auch staatliche Unterstützung wollen, vielleicht kenne ich andererseits auch zu viele Nerds, die zwar vorgeben zu glauben, dass Netz per se würde gesellschaftliche Fragen beantworten, im Grunde aber nur ihr Desinteresse an einigen dieser Fragen nicht zugeben wollen.

Vielleicht verwirrt mich das alles manchmal nur, weil ich es nicht lösen kann, weil mir zu viele Antworten fehlen oder ich mich mit den gegebenen nicht zufrieden geben mag. Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass ich auf keinen Fall Teil einer Autofahrerlobby sein will.

UPDATE Da es einige Kritik an den Auto-/Verkehrvergleichen gibt: Bitte löst euch doch mal davon. Natürlich kann man das Internet mit nichts richtig vergleichen, aber speziell bei der Autometapher geht es doch hier um etwas anderes. Ampeln und Regeln gibt es nicht nur auf der Straße. „Ampeln“ werden z.B. auch zur Kennzeichnung von Lebensmitteln oder Videospielen genutzt, der Vergleich sollte also hier bitte nur als „Hinweis-System“ verstanden werden. Und bei der Einleitung geht es auch nicht wirklich um Autos, sondern um die Frage, ob man manchmal den Blick fürs Ganze verliert.

43 Kommentare

  1. 01
    leo

    Ich finde diese immer wieder auftauchende etwas unkonkrete Internet-Autobahn-Analogie schwierig, weil das Internet und Autobahnen vielleicht Parallelen aufweisen, aber eben doch nicht gleich sind. Man fährt z.B. keine Menschen über den Haufen, weil man zu schnell oder unter Einfluss von Alkohol surft. Man gefährdet keine anderen Verkehrsteilnehmer physisch, weil das eigene Fahrzeug alt und klapprig ist. Kurz: es besteht im Netz nur sehr sekundär die Möglichkeit, dass man durch eigene Aktionen Leib und Leben anderer Personen gefährdet. Diese reale physische Gefahr ist für mich aber der Grund, warum der Straßenverkehr reguliert sein muss. Im Netz bestehen andere Gefahren, wie Mobbing, Stalking, Diebstahl, Betrug, u.s.w., aber eben diese Vergehen sind im Netz nur sehr schwer zu ahnden, weil sich die Übeltäter sehr leicht tarnen und verstecken und alles leugnen können. Ich glaube, dass diese Tarnung sich nur durch eine fast vollkommene Überwachung einschränken lässt. Mit allen Seiteneffekten, die so eine Überwachung halt hat. Mir ist dieser Preis zu hoch.
    Vielleicht gibt es ja auch bessere Möglichkeiten, zu regulieren, aber wirklich gute konkrete Vorschläge, ohne inakzeptable Seiteneffekte, habe ich bislang nicht gehört. Ich höre sie mir aber gegebenenfalls gerne an.
    Natürlich sähe ich es gerne, wenn digitalen Temposündern, Dränglern und Rechtsüberholern das Handwerk gelegt werden würde, aber wie soll das ganz konkret funktionieren, ohne die anderen Verkehrsteilnehmer unverhältnismäßig zu bestrafen?
    Wo soll eine sinnvolle Regulierung anfangen? Wo soll sie dann aufhören?

  2. 02

    Wenn netzpolitik.org die Zugriffszahlen von bild.de hätte, wenn der FoeBuD die Mitgliederzahlen des ADAC hätte, wenn der AK Vorratsdatenspeicherung mit einem Milliarden-Marketing-Budget ausgestattet wäre, wenn der CCC der größte deutsche Provider wäre, dann würde ich mit dir gemeinsam einen Augenblick über die Ähnlichkeit der Auto- und der Netzpolitik-Lobby nachdenken.

    Und vor allem würde ich mich fragen: Was wäre fefe in einer solchen Welt? :-)

  3. 03
    leo

    @#791928: fefe und Johnny wären dann die Sebastian Vettels und Michael Schumachers, also Meistersurfer, die Werbung für Shampoo, Kaffeepads und überzuckerte Erfrischungsgetränke machen würden. :P

  4. 04

    @leo
    Wisst ihr schon wie ich mich wach halte? Kommt ihr NIE drauf! Das trinken nur die BESTEN der BESTEN der BESTEN, SIR. (Danke, Club-Mate!)

    Yep, sehr schöne Idee :-)

  5. 05
    David

    Der Vergleich mit dem Auto hinkt leider ganz gewaltig. Gerade aus dem Grund dass man erheblichen Schaden anrichten kann ist alles was zum Auto gehört aus gutem Grund erheblich reguliert.
    Regelmäßige technische Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit, Verpflichtung für eine Haftpflichtversicherung (afaik die einzige Pflichtversicherung in Deutschland), Nummernschild zur eindeutigen Identifizierung, …

    Wenn ich das nicht will kann ich theoretisch vermummt oder verkleidet nur mit Bargeld und ohne Ausweis mit Fahrrad/Bus/Bahn durch Deutschland fahren.

    Wenn jetzt eine so starke Regulierung im Netz eingeführt würde gäbe es bestimmt keine (legale) Alternative.

  6. 06

    Es mag ja sein, dass der Vergleich zwischen dem Autowahnsinn und manchen Selbstregulierungsforderungen für das Netz hinkt. Jeder Vergleich hat einen gewissen Gültigkeitsbereich und stößt dann an seine Grenzen. Allerdings ist der Vergleich in Johnnys Artikel auch nur der Aufhänger für einen besonnen Blick auf die Diskussion und viele der Punkte, die er anmerkt, geistern auch mir beim bislang eher stillen Verfolgen der Diskussion durch den Kopf.

    Mir ist klar: Von Selbstregulierung mag ich nix hören. Das hat uns die FDP für die Wirtschaft jahrzehntelang vorgekaut, bis wir drauf reingefallen sind und nun Umverteilung erleben. Was das Netz betrifft: Naja, lest eine beliebige Kommentarspalte auf einer beliebigen Nachrichtenseite oder in einem Forum und schon ist das Bild vom edlen Internetnutzer dahin.

    Von Insellösungen und Sperren und Abschalten mag ich aber auch nichts hören. Es geht auch schlicht nicht und ist schon deshalb dumm.

    Deshalb gefällt mir Johnnys Analyse und vor allem sein Schlusssatz. Geht mir auch so.

  7. 07
    leo

    Der Vergleich trägt aber auch dazu bei, die Diskussion in eine unkonkrete Richtung zu lenken. Wo liegen denn überhaupt Gründe für eine eventuelle Regulierung? Terror, Kinderporno, Kopierrecht, dass doofe Leute doofe Kommentare unter News schreiben? Alles? Vor der eventuellen Lösung sollte vielleicht erstmal klar das Problem formuliert werden. Johnny wollte ja vermutlich nicht, das irgendwas reguliert werden muss, „weil sich das halt so gehört“.

  8. 08

    @leo: Da geht es mir wie dem Johnny. Das weiß ich nicht.

    Vielleicht reichen ja auch die bestehenden Gesetze und es fehlt halt einfach an der Infrastruktur, diese im Netz durchzusetzen. Ob ich nun mit einem Flugblatt in der Fußgängerzone oder mit einer Internetseite zu Gewalttaten aufrufe oder Fremdenhass verbreite ist ja eigentlich egal.

    Trotzdem ist es natürlich schon ein Problem, dass solche Dinge im Netz viel einfacher flächendeckend verbreitet werden können und eine Verfolgung schwierig bis unmöglich ist.

    Aus diesem Spannungsbogen ergibt sich für mich ein guter Teil der Problematik.

    Nochmal zum Vergleich mit der freien Fahrt: Ich finde den gelungen, aber man darf ihn auch nicht zu platt treten.

  9. 09

    Was für ein Zufall: Auf meiner Nummernschildeinrahmung steht statt eines Händlernamens „Freie Fahrt für Freie Software“. ;)

  10. 10

    Gekonnt „gegen den Strich gebürstet“ … :)

    Äußerungen, dass auch das Netz nicht ganz ohne Regulierung auskommt, häufen sich selbst außerhalb reaktionärer Kreise in letzter Zeit. An diesen Überlegungen ist ja auch durchaus etwas dran.

    Ich sehe da allerdings zwei bis drei große Herausforderungen (auch die sind nicht neu/auf meinem Mist gewachsen):
    (1) Das Internet ist weitgehend global, fast jeder Regulierung lokal – was auch mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Gesetzesnormen zu tun hat, die kaum normiert werden kann.
    (2) Damit ein Staat seine individuellen Vorstellungen darüber, was im Bereich der Internetkommunikation legal (oder wünschenswert) ist, durchsetzen kann, muss er nahezu zwangsläufig alle Datenpakete überwachen und analysieren, zumindest beim Übergang von „Der Welt“ in ein dann national reguliertes Internet. Vielleicht sogar bei jeder Kommunikation, an der ein Bürger dieses Staates irgendwo auf der Welt beteiligt ist (viele Staaten haben interessante Ansichten über die Reichweite ihrer Jurisdiktion).
    (3) Das wäre … „nicht schön“

    Die m.E. ungelöste Frage lautet immer noch: was können Staaten regulieren (und wie), ohne, dass dabei der totale Überwachungsstaat mit einer (potentiell) sehr mächtigen Zensur-Infrastruktur entsteht? Ich sage nicht, dass man dieses Dilemma nicht lösen KANN. Aber ich kenne momentan auch keinen Vorschlag, der es m.E. in nur ansatzweise befriedigender Form lösen würde.

    Ich bin durchaus nicht für „Freie Fahrt für freie Bürger“, aber, wenn die Alternative hieße: Vater Staat muss in der Lage sein, jede meiner Fahrten nachzuvollziehen – einschließlich, wer da mit mir zusammen gefahren ist – hätte ich mir vielleicht doch so einen Aufkleber auf’s Heck gepappt.

  11. 11

    Aus meiner Sicht ist die Sache nicht sonderlich kompliziert: man sollte erwachsenen, gesetzestreuen Menschen nichts vorschreiben. Sollten sie (wir) die Grenzen – auferlegt von StGB oder BGB – überschreiten, dann soll man uns verfolgen, aber bitte keine neuen Eventualitäten herbei fantasieren, keine neuen präventiven Maßnahmen ausdenken. Das ist erniedrigend.

    Man braucht Raum auch für Ausschweifungen. Ob Pornos in Netz, Alkohol, Fleisch oder schnelle Autos. Man kann das alles (oder einzeln) kritisieren, aber man darf keinen Menschen dadurch stigmatisieren. All das ist doch relativ harmlos. Gegen fiskale Erziehungsmaßnahmen habe ich nichts; gegen direkte Verbote habe ich viel einzuwenden. Das tut allen schlecht. Das läßt die dunkle Kraft der Obrigkeit obsiegen (Scheiße… Ist nun „die Obrigkeit“ aus dem Lexikon der Linken oder jetzt auch der neuen Rechten? Muss ich mich darum kümmern? Als erwachsener Mensch?)

  12. 12

    Interessante Denkansätze und überraschend gut interpretierte Meinungen.

    So manch unbedarfter Parlamentarier (Staatsgewalt) meint immer noch,
    dass gleichsam den geteerten Strassen die Datenautobahn mittels Verkehrskontrollen – von den Blitzern mal abgesehen – die Raser gestellt u. eingebremst werden.

    Mein ja nur

  13. 13

    Wichtiges, sehr gutes Posting. Danke.

  14. 14

    „Doch glücklicherweise arbeiten Politiker immer seltener im Verborgenen, der Gegenwind gegen solch abstruse Forderungen ist groß und die Wahrscheinlichkeit ihrer Durchsetzung klein.“

    Ja, warum denn? Doch gerade, weil es das Internet gibt. Mit unabhängigen Blogs, Twitter, Facebook und allen anderen Errungenschaften, die es ermöglichen, abseits des Medienmainstreams den Entscheidern auf die Finger zu sehen.

    Und man mag mich pessimistisch nennen, aber ich denke, genau das ist der Grund, warum eine bestimmte Gruppe von Neokonservativen das Internet gerne bei Bedarf abschalten würde.

  15. 15

    Der Satz „Freie Fahrt für freie Bürger“ stammt aus einer Kampagne des damaligen ADAC–Präsidenten Franz Stadler, der sich damit gegen ein Tempolimit durchsetzte. Seither scheuen die politischen Parteien eine direkte Konfrontation mit dem Autofahrerclub.

  16. 16
    fastpath

    Ich identifiziere mich mit den desinteressierten Nerds!
    Aber sonst genau die richtige Melancholie für einen Freitag abend :)

    Vielleicht möchtest du ja Teil einer Jugendbewegung sein! :D

  17. 17

    @#791946:

    Lieber Andek,
    der von dir zitierte Satz wurde ersonnen als es noch verblendete,
    Obrigkeitshörige gab. Die Autobahn war ein Mittel um so schnell
    als möglich die Kriegsmaschinerie u. die Truppen zu transportieren.

    Mein ja nur

  18. 18

    @PiPi Ich glaube, da vermischst Du was…

  19. 19
    F30

    Damit, dass eine Regulierung erfolgt, habe ich persönlich und wahrscheinlich auch viele andere auch überhaupt kein Problem. Die Frage ist doch, welche Regeln die (politischen) Akteure gerne etablieren möchten.

    Du sprichst Cameron an, hierzulande sieht es mit Politikern wie HaPe Friedrich auch nicht viel besser aus.
    Wenn auch mit dem bereits stattfindenden Dialog am Ende doch nur Vorschläge herauskommmen, die auch bei vorurteilsfreier Betrachtung wenig sinnvoll und technisch unrealistisch sind, ist die von dir kritisierte pauschale Ablehnung doch irgendwann auch kein Wunder mehr.

  20. 20

    @#791952:
    Nein, nicht ich bin falsch informiert.
    http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=ADAC&action=edit&section=2
    Man sollte tunlichst alles hinterfragen was irgendwo geschrieben steht.

    F30 mag ich noch mitteilen:

    Die Masse glaubte immer nur das wissen zu müssen was man ihnen vorgab.
    Es wundert mich in keinster Weise, weshalb die Bequemlichkeit des Internets
    dem Besuch einer Bibliothek vorgezogen wird.

    Schade

  21. 21

    @PiPi …Der Satz ist von 1974. Ich versteh‘ wirklich nicht, worauf Du hinaus willst.

  22. 22

    „Ich weiß es nicht.“ Ja, mehr denn je.

  23. 23

    Schon auf dem Camp war es schwierig, den Fefewitzen auszuweichen … oder Fefe auszuweichen. (Ba-dum, tsss.)

    Johnny, hast du eine konkrete Kernaussage, die nicht auf „Findet euch damit ab.“ hinaus läuft? Was macht dieses mythische anarchistische Internet aus? Auch: Warum so hartkern-strukturalistisch, wo doch Filter auf Nutzerseite existieren?

  24. 24
    hackneysquatter

    berichtigung erster satz:

    in westdeutschland

  25. 25
    B.dacht

    Du bist nicht allein.

  26. 26

    Das Problem ist doch, dass Politiker zwar immer alles mögliche wollen, aber eigentlich nichts können. Zumindest wenn es um das Internet geht. Die Zahl der Informatiker und anderweitig professionell ausgebildeter Netzmenschen wächst jährlich. Mehr oder weniger gehöre ich auch dazu. Und wenn man dann wieder in der Glotze sehen und hören muss, was unsere „Elite“ für Ideen entwickelt, dann geht einem einfach das Licht aus. Mittlerweile bin ich so weit, dass ich ausschalte oder Artikel nicht mehr lese, wenn sich Politik um das Internet kümmern will. Den Bullshit kann man sich nicht mehr antun. Da bleibt eigentlich nur noch eine Trotzreaktion.

  27. 27

    Wie? Du kommst dieses Jahr nicht mit zu ‚Langen Nacht der Autohäuser“?
    Warum denn nicht? Weil Du Geburtstag hast? Alles Gute!

  28. 28

    Öps, ich frag mich ehrlich gesagt, wie man auf die Idee kam, ein Bild der Achternbahn „Black Mamba“ aus dem Phantasialand in Brühl als Symbolfoto zu wählen…. Ich bin übrigens dieses Jahr Mitte Mai mit der Bahn gefahren, wir waren in Düsseldorf zum Eurovision-Song-Contest-Finale, und mussten irgendwie den Tag nett verbringen (war übrigens unsere spontane Hochzeitsreise, denn es gab kurzfristig tatsächlich noch Trauungstermine in Berlin: Es war Freitag der 13, zwar im Wonnemonat Mai, aber man muss wohl frei von bösen Hirn-Geistern sein, um sowas toll zu finden…) Was wollte ich sagen? Ach ja: Einmal konnten wir die Achterbahn fahren, danach war sie für den Rest des Tages gesperrt, weil ein armer Jugendgruppenleiter direkt in der Bahn vor uns einem Herzinfarkt erlag.
    Was ich eigentlich sagen wollte: Wie schön, dass es das Internet gibt und ich diese – für mich wahrlich weltbewegenden, für Sie wohl komplett irrelevanten – Informationen über mein kleines Leben mit Ihnen teilen durfte.

  29. 29
    Jens Best

    +1
    Abzug in der B-Note wegen Auto-Vergleich
    Ergänzung: Ich würde mir wünschen, dass das Hinzufügen des Web zum öffentlichen Raum aller, eine frische, nicht ideologie-getragene Diskussion um genau diesen auslösen würde. Und ja, Nerdistan alleine darf man diese Diskussion nicht überlassen.

  30. 30
    Hans

    Danke für den Diskussions-Input. Trotzdem eine kleine Frage: Welche Regulationen sind denn überhaupt nötig bzw. würdest du unterstützen, um das Netz als Raum für alle zu verwirklichen?

    Vielleicht fehlt mir die Fantasie aber welche Regulationen, die in netzpolitischen Kreisen kritisch beäugt werden, sollten in Zukunft im Wohle aller akzeptiert werden?

    M.E. bedarf es zunächst einmal den Schutz des Nutzers vor dem Staat und vor allem der Wirtschaft. Hilft das nicht auch „allen“? Vor allem die „Nicht-Nerds“ gehen nämlich eher milliardenschweren Datenkraken ins Netz (oder besser gesagt in die Arme) als den kleinen „wilden Seiten“.

  31. 31

    1.) wie sah denn das „anarchistische Internet“ aus, und von wann bis wann und wo gab es das?

    2.) Gesäßviolinen wie Cameron verdienen es, weit härter angefaßt zu werden als nur durch vermeintliche Lobbyarbeit einer vermeintlichen Lobby, die außerhalb des Wahrnehmungshorizontes von „Netzbürgern“ (und dazu gehört auch Johnny) kaum existiert (im Gegensatz zur Autofahrerlobby).

  32. 32
    ralle

    finde den artikel sehr gut

  33. 33

    Zum Auto-Vergleich, der eigentlich keiner ist, habe ich oben im Artikel ein kurzes Update gemacht.

    @#792027: Zum Beispiel könnte man die Netzneutralität festlegen. Vieles andere kann über Freiwilligkeit gelöst werden, denke ich, die aber eben auch zentrale Stellen bräuchte. Ich halte z.B. die (auch technische) Kennzeichnung von bestimmten Sites – ähnlich wie PEGI für Videospiele – nicht für so schlimm und undenkbar, und sei es nur, um Eltern zu unterstützen. Dass das nie immer und überall funktionieren würde, ist klar. Aber es wäre ein Ansatz.

    @#792020: Die Achterbahn steht hier eher als Symbolbild für meine eigene Hin- und Hergerissenheit.

  34. 34
    Franke

    Guter Kommentar, auch wenn er ein wenig lang geraten ist. Ich stimmte die im Bezug auf Regeln zu, es ist einfach ein alter Abwehr- und gleichzeitig Nostalgieeffekt. Das Internet war früher in Teilen anders. Damals war es aber auch elitärer. Das wollen einige nicht missen.
    Aber heute strömt einfach jeder in das Netz. Selbst lokale Kiezzeitungen wie der Nord-Berliner suchen nun ihre Präsenz im Internet. Das ist aber erstmal nicht verwerflich. Gleichzeitig brauchen wir aber neue Regeln, die einerseits die Nutzer schützen und ihnen somit Freiheiten gewähren. Wichtig ist aber, dass die Regeln auch gegen die „Großen“ (Google, Apple, Microsoft etc.) gerichtet werden, auch wenn das durch die asymmetrische Infrastruktur des Internets sehr schwierig ist. In diesem Sinne finde ich eigentlich Attacken wie von Lulzsec oder Anonymous ganz interessant. Sind es einfach Maschinenstürmer, die sich gegen eine ablaufende Entwicklung stämmen oder sind sie moderne Guerillas.

    Aber das Netz wird nicht verschwinden und immer mehr aufsagen. Das sollte das Beispiel des NordBerliners veranschaulichen.

  35. 35
  36. 36
    Jens Best

    @#792077:

    Man könnte natürlich jetzt mit Tim Wu „The Master Switch: The Rise and Fall of Information“ argumentieren und in diesen Veränderungen als den Weg vom ‚Medium der Freiheit‘ zum ‚Medium der Kontrolle‘ sehen. Aber wir sollten vielleicht tatsächlich nicht so schnell geistig Effekt-Verkrampfen.

    Dennoch finde ich, dass es zu kurz greift, wenn wir das „erweiterte“ Web hegen und pflegen wollen nur dadurch, dass
    „Nutzer geschützt und DADURCH ihre Freiheiten gewahrt bleiben“ sowie
    „Regeln gegen die ‚Großen‘ gemacht werden“.

    Freiheit wird hier nämlich nur negativ als Abwehr gegen Mächtige und ein bisserl paternalistisch hinsichtlich der ‚armen ahnungslosen Neu-Usern‘ definiert. Negative Freiheitsbegriffe haben immer den Beigeschmack der Freiheit eines großen bunten Käfigs.

    Die Erfahrung positiver Freiheit, also die Fähigkeit und eben auch der Wille die kollaborativen und offenen Strukturen des Webs zu benutzen und für eine individuell wie gemeinschaftlich gerechtere Welt einzusetzen, ist bei einer solchen Minimalfreiheitsgestaltung eben bedroht, oder garnicht erst in der Breite existent.

    Hier heisst es nicht zu sehr ins „meta“ zu schweifen, sondern konkret zu formulieren, wie die Grundlagen der Befähigung zur gerechten Willensfreiheit aussehen könnten. Wohlgemerkt unter den neuen Prämissen einer stark gewandelten/sich stark wandelden Informationsrealität.
    Da ist noch Potential, und das sollten wir auch in einem „volleren“ Internet nicht nehmen (lassen).

  37. 37

    Laaaangweilig würde Homer S. sagen.

    cripple_me Nico
    unter hertha-fans „alter meene frau hat die falsche schlüpper an!“ – „is doch okay, ist doch allet gleichberechtigung.“

    Ok, jetzt wird es eng im Schritt

    Alles Gute.