Seit über 20 Jahren schon spielen behinderte und nichtbehinderte Künstler gemeinsam am Berliner Theater Thikwa. Am vergangenen Wochenende habe ich mir jedoch zum allerersten Mal eine Aufführung angesehen und war von der Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum auf mehreren Ebenen äußerst begeistert.
Da war zunächst die dauernd spür- und sichtbare Spielfreude, die Leidenschaft für die Aufführung und die große Konzentration aller Beteiligten. Es geht den Thikwas nicht um das Prädikat „für Behinderte ganz okay“ oder um die Gelegenheit, ein nett gemeintes Sozialexperiment vorzuführen zu können, sondern allein darum, dem Publikum eine tolle Vorstellung zu liefern. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für ein Ensemble, na klar, aber ich muss zugeben, dass ich im Vorfeld etwas viel… nun ja, vielleicht „betroffeneres“ befürchtet hatte und sehr froh darüber war, dass es dafür weder Anlass noch Platz gab. Es gab viel zu lachen, und auch wenn vielleicht nicht jeder witzige Moment beabsichtigt war und im Drehbuch stand, so war die Heiterkeit immer eine gemeinsame, nie eine herabschauende oder gar hämische.
Natürlich bleibt der besondere Blick auf die unüblichen Darsteller dabei trotzdem nicht aus, er ist unvermeidbar und den Schauspielern ebenfalls sehr bewusst, hier und da wird auf äußerst sympathische Weise sogar ein wenig mit der eigenen Besonderheit kokettiert, was den Abend nur noch wertvoller macht.
Und es passiert noch etwas sehr außergewöhnliches bei einem Thikwa-Stück, wenigstens erging es mir so. Ich war nämlich regelrecht verzaubert davon, wie logisch, natürlich und sinnvoll es plötzlich erschien, dass Menschen mit Handicap schauspielen. Dort, wo ohnehin schräge und wilde Charaktere aufeinander treffen (Fellini. Lynch. Kusturica.); dort, wo wir uns genau deshalb aufhalten, weil wir das Gewöhnliche und Gewohnte hinter uns lassen wollen, um uns Figuren und Situationen abseits der Norm nähern zu können; genau dort gibt es einen Raum für die Thikwas, der im täglichen Alltag viel zu rar ist.
Wenn Bewegung, Mimik, Gestik und Sprache einer Figur mit der Darstellerin oder dem Darsteller verschmilzt und dem Betrachter nicht mehr klar und auch nicht mehr wichtig ist, ob ein schiefer Gang oder eine merkwürdige Stimme nun gespielt oder Teil eines ständig vorhandenen Handicaps der spielenden Person ist… dann ist etwas wirklich Irres passiert. Denn dann wird nicht mehr integriert, sondern ist.
Und so galt der begeisterte und ehrliche Applaus am Ende der Sommernachtstraum-Premiere am Samstag sicher nicht nur den Darstellerinnen und Darstellern, denen man ihre Erleichterung über den gelungenen Auftakt und auch die Lust daran ansah, sich ordentlich feiern zu lassen, sondern natürlich auch dem ganzen Thikwa-Team, das dieses großartige Aha-Erlebnis auf die Bühne bringt.
Shakespeares Sommernachtstraum
Do 20.10.2011 – So 23.10.2011
Mi 26.10.2011 – So 30.10.2011
Do 3.11.2011 – So 6. 11.2011
jeweils 20 Uhr
Tickets: €18 (ermäßigt €12)
Ist Spreeblick tot? Fast nur noch Beiträge von Johnny, und derer gefühlte 3 pro Woche.
@#794871: Tatsächlich schreibe ich bei Spreeblick wieder so gut wie allein, tatsächlich bedeutet das manchmal weniger Posts. Dafür mache ich ganz viele andere Dinge. :)
Chöner Artikel.