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Interview: Ja, Panik (Teil 1)

(Hier geht es zum zweiten Teil!

Ja, Panik tauchten schon mehrfach bei Spreeblick auf, nicht nur in Artikeln oder als Rezension, sondern auch in euren Kommentaren. Christian Ihle hat den Sänger der Band, Andreas Spechtl, getroffen und uns die lange Version des Gesprächs zur Verfügung gestellt, als Einstieg empfehlen wir sein Portrait von Ja, Panik bei der TAZ.

Die Gruppe Ja, Panik hat das wohl beste, mit Sicherheit aber interessanteste Album des Jahres veröffentlicht. Die gebürtigen Österreicher und jetzigen Wahlberliner sehen die eigenen Befindlichkeiten im Gegensatz zu den meisten deutschsprachigen Indierockbands nicht als Herzstück ihrer Texte, sondern arbeiten sich auch an politischen Themen ab.

Mit dem neuen Album DMD KIU LIDT haben Ja, Panik eine etwas größere Bekanntheit erreicht und stehen nun vor der Frage, wie sie mit ihren eigenen Ansprüchen umgehen sollen. Kompromisse machen, um von noch mehr Menschen gehört zu werden? Oder sich lieber dem „Mainstream“ verschließen und nur zu den bereits Bekehrten predigen?

Johnny hatte kürzlich in einem Artikel hinterfragt, ob eine Teilnahme an einer Stefan-Raab-Sendung heutzutage ein Muss für eine Indieband ist – oder ob man auch ohne Raab ein Auskommen finden kann. Im Interview beschäftigt sich Ja, Panik -Sänger und -Songwriter Andreas Spechtl mit dieser Problematik und überlegt, welcher Weg der „richtige“ sein kann.

Euer viertes Album DMD KIU LIDT ist nun seit einem halben Jahr veröffentlicht. Das war schon das Album, das am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, oder?

Ja, es ist kein Nischending mehr. Im Vergleich zur neuen Platte hatte der Vorgänger „The Angst & The Money“ noch mehr jugendlichen Übermut. Die neue Platte funktioniert zwar immer noch für den klassischen 20-jährigen – Ja Panik – Fan, aber eben nun auch für jemanden, der eine Popsozialisation aus den 70ern hat.

Ihr wurdet nun auch in den Feuilletons wie der FAZ besprochen. Hat sich das auch darüber hinaus weiter getragen? Wie viel konntet ihr denn verkaufen?

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie die Verkäufe genau gelaufen sind, wohl schon besser als bei der letzten Platte. Ich denke aber, dass die Besprechung einer Platte nicht mehr so wichtig ist wie früher vielleicht noch, gute Musik findet ihren Weg zum „mündigen“ Hörer, sie muss ihm nicht mehr unbedingt herbeigeschrieben werden. Wir haben auf jeden Fall bei Konzerten gemerkt, dass wir mehr Zuschauer haben und dass sich vor allem das Spektrum verbreitert hat, dass unser Publikum nun vom 18jährigen bis zum 48jährigen geht. Da hat sich für mich die größte Veränderung zugetragen, dass wir aus der reinen Indie-Nische heraus sind.

Habt ihr den Anspruch, Euch von der Bekanntheit auch weiterzuentwickeln? Gibt es einen Masterplan, dass ihr sagt, mit einer neuen Platte muss eine nächste Stufe nicht nur künstlerisch, sondern auch hinsichtlich der eigenen Bekanntheit erreicht werden?

Die Gruppe Ja, Panik hat grundsätzlich ja schon einen antikommerziellen Anspruch. Aber je länger man das macht, desto mehr gibt es einen Sog, die Band auch als Existenzgrundlage zu sehen. Vor drei Jahren hätte ich mich noch locker entscheiden können, mein Studium wieder aufzunehmen, aber von Jahr zu Jahr wird das schwieriger, dahin zurückzugehen. Ich finde es auch verlogen zu sagen, man würde nicht an ein mögliches Publikum denken. Nicht unbedingt in der Hinsicht, dass ich mir überlege, was dem Publikum gefallen könnte, sondern es ist mir wichtig, dass wir gehört werden. Ich will auch eine Plattform haben, will Sachen sagen können – sonst könnte ich mich gleich in mein Wohnzimmer setzen und dort Gitarre spielen. Die Band soll auch ein Kommunikationsmedium sein, eine Möglichkeit, den Mund aufzumachen, viele Leute zu erreichen.

Es stellt sich ja für eine Band, die gerade etwas erfolgreicher wird, auch oft die Fragen: was macht man, was macht man nicht, wo geht man hin, von wem lässt man sich interviewen? Meine Antwort ist in der Zwischenzeit, dass selbst in den skurrilsten, und anscheinend unpassendsten Zusammenhängen, die Plattform die Interessanteste ist. Wenn du weißt, dass du von jemanden befragt wirst, der auf einem ganz anderen Standpunkt steht, dass die Leser der Zeitung oder die Zuschauer des Fernsehformats mit dir erst einmal gar nichts anfangen können – und Du entweder die Möglichkeit hast, die Leute überhaupt einmal auf andere Gedanken zu bringen oder eben auch das alte Schock & Provozier – Spiel anwenden kannst, das in Dir fremden Zusammenhängen natürlich viel besser funktioniert. Ich bin das preaching to the coverted auch wirklich etwas müde, wenn jeder weiß, Du bist auf der richtigen Seite, du spielst die Codes und jeder weiß, was Du meinst. Es ist dagegen schon interessanter, sich einmal in ein Wespennest zu setzen.

Du sähst also einen Auftritt in einem klar definierten Mainstream-Umfeld als eher subversive Sache? Da ihr ja für eine deutschsprachige Band bemerkenswert klare Standpunkte hinsichtlich Politik und Drogen vertretet, könntet ihr natürlich tatsächlich in einem, sagen wir, Wetten Dass – Umfeld erheblich mehr provozieren…

Genau darüber machen wir uns grundsätzliche Gedanken gerade. In unserer Nische haben wir das meiste schon abgeholt und es wird uns fast ein wenig langweilig. Ich weiß aber auch, dass es schwierig wird, wenn ich bei Stefan Raab sitze und etwas wahnsinnig intelligentes oder subversives sage und Raab dann auf einen Knopf drückt, alle lachen und ich doch der Dumme bin…

Raab ist ein interessantes Stichwort, weil er ja Formate hat, die zumindest musikalisch so offen sind, dass ihr dort stattfinden könntet. Aber gerade Raab-Auftritte sind immer ein Problempunkt – ich kann mich noch erinnern, dass Olli Schulz vor einigen Jahren gesagt hat, er würde lieber seine eigene Pisse trinken als bei Raab aufzutreten um dann später eben doch bei dessen Lieder-Contest mitzumachen.

Ich würde sicher niemals bei diesem Bundesvision Song Contest auftreten. Mir ist es wichtig, Redezeit zu bekommen. Generell ist mir wichtig, live zu sein und dass das Korrektiv „Schnitt“ nicht eingesetzt werden kann.

Um auf deine Frage zurückzukommen, es geht bei Ja Panik gerade schon darum, Denkmauern einzureißen, weil wir eigentlich doch den Anspruch haben, die Band als Kommunikationsmittel zu sehen und wir einfach auch Aussagen an den Mann oder die Frau bringen wollen. Deshalb müssen wir uns natürlich schon die Frage stellen, ob wir uns nicht bisher in einem intellektuellen Ghetto bewegen, in einer Enklave… was eigentlich an dem Anspruch vorbeigeht, dass wir niemanden ausschließen und alle erreichen wollen.

Welche Funktion hat Popmusik für dich im Politischen? Auf DMD kann man das ja auch so verstehen, dass sie nur betäubt und gerade von Veränderungen abhält? „Jedes Lied ein Lied mehr zur Restauration“ oder „Du siehst, im Großen und Ganzen ist alles beim Alten/ Nur, dass ich finde, es wär‘ an der Zeit, aufzuhören/ Das bisschen Klimbim, das bisschen Lalala für so wichtig zu halten/ Gilt es doch nach wie vor, eine Welt zu zerstören“ – oder zielt das auf eine andere Musik als die Eure ab?

Es ist ein Abgesang auf Pop, auf Kunst. Es ist ein Abgesang auf den emanzipatorischen Gehalt, auf eine in ein Kunstwerk gegossene Message.

Du glaubst nicht daran, dass Kunst und Pop eine „Message“ haben können oder bist der Meinung, dass Pop es nicht haben sollte?

Es hat sich überlebt. Kunst ist der Verwertbarkeit unterworfen.

Gab es denn früher Kunst als Message? Selbst Dylan hat ja schon recht früh begonnen, sich gegen die Vereinnahmung als Protestsänger zu wehren.

Damals hat es ja auch schon nicht funktioniert. Was ist denn aus den 68ern geworden?
Die Kritik ist, dass immer Protest konsumiert wird. Pop kann sicher bei bestimmten Menschen eine Meinungsänderung anstoßen, aber im Großen und Ganzen wird Protest einfach konsumiert und Protest ist dann einfach ein Lifestyle.

Aber ist das nicht ein Widerspruch zu dem, was Du vorhin gesagt hast? Dass Du die Band als Plattform, als Mittel zur Kommunikation siehst?

Ja, voll arg! Natürlich!
Darum geht es in dem Stück, darum geht es Ja Panik.
Das ist uns klar – wir sind ein arger Widerspruch, wir sind ein Hilfeschrei!

Ist denn der Wille bei Euch da, mit Eurer Musik politisch zu sein?

Anscheinend ist die Band die Form, mit der ich am besten mit der Welt kommunizieren kann. Das ist mein Weg, etwas zu schaffen, eine Meinung zu haben. Ich sehe aber auch, wie meine Waffe gegen mich selbst und alles, für das ich stehe, gerichtet wird, dass es überhaupt nicht funktioniert. Es ist ein Widerspruch. Ja.
Wir alle leben in einem Widerspruch.
Wichtig ist mir, das auch zu sagen, den Widerspruch zu thematisieren.

Das letzte Lied der Platte soll also den Widerspruch, der in Ja, Panik steckt, thematisieren?

Ja. DMD KIU LIDT ist ein Stück von Ja, Panik gegen Ja, Panik. Gerade die letzten Zeilen, die Du gerade zitiert hast, gehen gegen uns selbst, gehen gegen uns als Institution. Was wir in dem Konstrukt nunmal darstellen, aus dem wir nicht mehr herauskönnen.

Andererseits habt ihr ja die Möglichkeit, subversiv zu sein, weil Popmusik besser als jede andere Kunstform Menschen erreichen und somit ein Song aus dem preaching to the coverted herauskommen kann. Trotzdem bist du natürlich ein kommerzielles Produkt.

Ja, aber wenn ich zu Stefan Raab gehe und ihm dort auf seine blöde Ledercouch scheiße, dann ist das vielleicht subversiv oder sogar kritisch, *lacht*, aber trotzdem werden wir danach mehr Platten verkaufen.

Mir ist es wichtig, dass man thematisiert, was nicht gehen wird. Ich will das auch nicht zu streng sehen, denn einerseits versucht man natürlich zu unterwandern, andererseits wird’s aber nur dann relevant, glaubwürdig und lebbar für mich, wenn man immer den Widerspruch thematisiert, der in einer Unterwanderung via Popkultur automatisch steckt.

Wir wollen damit klar machen: wir sind nicht fehlerfrei, wir stehen nicht über den Dingen, wir predigen nicht von oben herab. Wir wissen es nicht besser. Das gilt es in jedem Moment zu vermeiden. Natürlich arbeiten wir uns aber an der Idee des Trojanischen Pferdes ab, gerade jetzt wo die Band etwas größer geworden ist.

Bist du punksozialisisert? Mit der 76er Idee von The Clash und Sex Pistols, die ja als Punkgallionsfiguren auch gerade in diesem Problemfeld steckten. Ich denke schon, dass diese Bands einen enormen Einfluss auf das Denken einer ganzen Generation hatten und deshalb auch etwas „bewegten“, aber andererseits natürlich beide sehr klar auch „Güter“ waren. Die Sex Pistols als von Malcolm McLaren erdachtes Konstrukt und noch größer die Diskrepanz bei The Clash, die ja im Gegensatz zum Nihilismus der Sex Pistols auch noch das linke Klassenkämpferideal propagierten, die erhobene Faust des Straßenkampfes, aber eben von Beginn an bei einem Majorlabel, CBS, unter Vertrag standen.

Aber was haben sie denn wirklich erreicht? Wie neu war es und was ist dabei herausgekommen? Ist nicht am Ende genau das Gegenteil erreicht worden? Punk und die Sex Pistols haben die letzten Tabus auch noch gebrochen, die letzte Form der Radikalität salonfähig gemacht. Es mag nicht bewusst gewesen sein, aber im Endeffekt waren sie vielleicht der Sache schädlich. Sie und ihr Ansatz ist nun im Museum gelandet, ist integriert worden. Aber mit diesem Schicksal ist die 77er Punkbewegung nicht allein, die Situationisten, die Dadaisten zuvor sind auch irgendwann im Museum gelandet.

Kunst kann dir höchstens das Gefühl geben etwas ändern zu wollen, wirklich etwas ändern kannst du aber nur auf der Straße, oder in anderen politischen Räumen. Und eben nicht, indem ich in einem kleinen Kellerclub „I am an antichrist, I am an anarchist“ singe. So bleibt die Frage, ob es den Herrschenden nicht lieber ist, dass in kleinen verrauchten Clubs ein paar Leute singen, dass sie alles zerstören und die Queen stürzen wollen statt eben auf die Straße zu gehen

Popkultur also als Opium für die Massen.

Ja, natürlich. Und dann ist es halt wahnsinnig schlimm, wenn du in sowas wie Ja, Panik bist *lacht*

Aber das ist eben genau der Widerspruch, den DMD KIU LIDT thematisiert und an dem wir auch irgendwann zerbrechen werden. Oder uns halt eine Eigentumswohnung kaufen.

Interview: Christian Ihle

(Hier geht es zum zweiten Teil!

7 Kommentare

  1. 01

    Sehr „schönes“ Interview, wenngleich ernüchternd..

  2. 02

    ja schönes interview, protest und politik in der popmusik – welch ein thema da kann man ganze blogs mit füllen ;) mir ist dieses jahr aufgefallen das ich wohl protest musik gut finde , obwohl ich das bewußt gar nicht steuere oder drüber nachdenke . jedenfalls als dieses jahr die SPEX den protest song suchte ( ick lese die spex nicht ) waren gleich 3 künstler / bands dabei die ick ziemlich gut finde ( BKL hat gewonnen – yeah )
    statt KEINE PANIK also jetze JA , PANIK :) is doch punk

  3. 03
    c

    tazblogs haben mit der taz nicht viel zu tun

  4. 04
  5. 05
    Christoph

    bezog sich auf die quellenangabe „…bei der taz“ – stimmt ja so nicht
    jut, eigtl. wurscht