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It’s the end of the year as we know it

Den Rückblick auf 2011 überlasse ich denjenigen, die als Chronisten viel gewissenhafter arbeiten als ich. Sie können dabei nur auflisten, denn die schiere Menge der verfolgbaren Weltgeschehnisse im vergangenen Jahr macht eine Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt geradezu unmöglich. „Wie ist das alles zu fassen?“, fragt die FR zurecht und weiß natürlich, dass die korrekte Antwort lautet: Gar nicht. Die Masse an Informationen und Meldungen überfordert uns, und so wird der erneute Umsatzrückgang im Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt einmal nicht dem Internet zugeschrieben, sondern einer allgemeinen Abkehr vom Nachrichtenwesen. Wenn alles eh nicht mehr zu fassen ist: Why bother? Und Google Zeitgeist schließlich beweist: Wenn uns die Welt nicht gefällt, dann bauen wir uns eben eine neue. Minecraft blieb das gesamte Jahr in der Topliste der Suchbegriffe.

Die Frage, ob tatsächlich mehr passiert ist oder sich der Informationsfluss einfach weiter verdichtet hat, wir also nur immer mehr mitbekommen, bleibt dabei weiterhin im Raum stehen. Doch gäbe es eine verlässliche Antwort auf diese Frage, würde sie uns auch nicht viel nutzen, also reagieren, analysieren, demonstrieren und occupieren wir vor uns hin in der Hoffnung, eine positive Rolle spielen zu können in diesem ganzen Lebenstheater.

Beim Weihnachtskonzert des älteren Sohns verlas der Musiklehrer das bemerkenswert politische und äußerst deutliche Gebet eines Pfarrers, in dem ein Ende des Konsumwahns und der Wirtschaftsgier sowie mehr soziale Gerechtigkeit gefordert und die Mächtigen generell angeprangert wurden. Eine neue Regierung müsse her, schloss der Pfarrer, und als der Musiklehrer nach diesem Schluss betonte, dass das Gebet aus dem 19. Jahrhundert stamme, wusste man nicht, ob man das motivierend oder ernüchternd finden sollte. So vieles ändert sich und doch so wenig.

Es bleibt das persönliche Tun und Handeln, vielleicht nicht immer weltbewegend, trotzdem immer wichtig. In Sachen Spreeblick brachte der Sommer für mich persönlich lang ersehnte Erkenntnisse, die dieses Blog wieder zu einem persönlicheren machen, weniger Tempo, weniger Druck. Mehr Raum für nicht Digitales in meinem Leben bedeutet mehr Abstand und damit der eingebildet klarere Blick auf eine Welt im Aufbau, deren Wichtigkeit niemand mehr anzweifelt. Die Frage ist dabei schließlich schon lange nicht mehr, ob das Internet unser Leben verändert, sondern wie, und so erhoffe ich mir von Spreeblick immer wieder den Blick aufs Ganze – wenn ich diesen allein nicht schaffe, dann sicher gemeinsam mit euch. Den Status Quo dauernd in Frage zu stellen, das ist schließlich nicht nur in der physischen Welt wichtig, sondern auch in der digitalen.

Während ich diese hier tippe, läuft im Hintergrund etwas melancholische Musik, die mir den Text gerade etwas wehmütig erscheinen lässt, dabei sollte er das gar nicht sein – obwohl ich gerne zugebe, dass ich Jahreswechsel sehr mag für dieses Gefühl der Zeit, deren Unaufhaltsamkeit sowohl Fortschritt als auch Verfall bedeutet. Drei Menschen aus meinem Bekanntenkreis sind in diesem Jahr gestorben, und obwohl mich jeder einzelne Tod getroffen hat, bringen mich solch traurige Nachrichten dem Leben näher. Denn sie machen mir immer wieder klar: Es gibt keinen Grund, zu warten mit dem, was man tun will.

Und so schließt dieser Text mit dem Wunsch auf ein großartiges 2012 für euch und uns alle, und als Hippies With Attitude, die wir nunmal irgendwie auch sind, wünschen wir euch das Einzige, das man wirklich braucht:

Gesundheit, Liebe und Frieden.

10 Kommentare

  1. 01

    Ich bin mir ziemlich sicher „frueher“ ist genauso viel passiert wie heute. Nur wurde nicht so viel darueber berichtet und nicht jeder Mist wurde als „breaking news“ aufgeblasen. Heutzutage muss immer alles instant sein, auch wenn es eigentlich unwichtig ist. Liveticker, Boersenticker, Katastrophenticker, „Ergebnis-„(anstelle von Zwischenstands)ticker, Celebritiesticker, alles wird nur noch atemlos berichtet. Aber viel weniger in Ruhe analysiert.

    All das beansprucht Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit die Kraft kostet und uns muede macht. Aber weil es wie eine Droge ist uns doch immer wieder anzieht.

    Einer meiner „Vorsaetze“ fuer naechstes Jahr: Meinen Nachrichtenkonsum weiter zu reduzieren und die gesparte Zeit mehr auf ausgewaehlten Hintergrund, Analyse und vor allem Verstehen zu verlagern.

  2. 02

    Jahresrückblicke

    Nur ein Beispiel regional ÖR Kompetenz.

    http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=9148068

    @Armin

    Muss Dir beipflichten, nicht jeder Hase ist es wert
    ebensolche Haken zu schlagen um ihn zu fangen.

    @Veit
    Das mit dem abschalten gelingt einigen besonders gut.

    Da schwingt auch Selbstkritik mit. (Uups)

  3. 03

    Ich wünschte, mir gelänge es öfter, immer mal wieder Abstand von Berichten betreffend die Welt zu nehmen. Versuche mich auf diejenigen zu besinnen, die mich wirklich betreffen, aus denen Nutzen zu ziehen.
    Außerdem Computerspielen bzw. Browsergamen muss nicht immer Flucht bedeuten! In Maßen kann es z. B. zur Zerstreuung beitragen. Manche können dabei ganz gut abschalten.

  4. 04

    Danke dir. Für das hier: „Es bleibt das persönliche Tun und Handeln, vielleicht nicht immer weltbewegend, trotzdem immer wichtig. In Sachen Spreeblick brachte der Sommer für mich persönlich lang ersehnte Erkenntnisse, die dieses Blog wieder zu einem persönlicheren machen, weniger Tempo, weniger Druck.“

  5. 05
    Niclas

    Als der Pfarrer seine Predigt geschrieben hat, war Kapitalismus, und Kapitalismus ist immer noch. In diesem Sinne hat sich wenig geändert. An den miesen Resultaten des Kapitalismus für die Mehrheit ist aber nicht unmoralisches Verhalten wie „Konsumwahn“ und „Wirtschaftsgier“ schuld, sondern Kapitalismus ist eben ein vom Staat gesetztes System, dass Privatproduzenten bei Strafe des Untergangs dazu zwingt, möglichst viel Profit zu machen und wo nur derjeniege seine Bedürfnisse befriedigt kriegt, der entsprechend viel Geld in der Tasche hat. Und Menschen in einer Gesellschaft, in der Leute mit drei Jobs noch ein beschissenes Auskommen haben, es ein Problem ist, das zu wenig Arbeit da ist (?!) und die Renten der Masse auf Harz4-Niveau sind, von „Konsumwahn“ zu quatschen ist wohl eher zynisch.

    Überfordernd kann man die Weltgeschenisse doch nur finden, wenn man mit dieser Gesellschaft seinen Frieden schliessen will, wenn man die Illusion aufrechterhalten will, dass eigentlich alles doch recht gut eingerichtet sei mit Rechtsstaat, Privateigentum und Lohnarbeit.

    Ich wünsche den Menschen IN dieser Gesellschaft möglichst viel Geld (das ist es, was man hier braucht!) und dass es mit dieser Gesellschaft bald vorbei ist.

  6. 06
    flubutjan

    Dass ich das noch erleben darf … dass Du Dich als Hippie bezeichnest … hach …

    (Bedienungsanleitung: Bisher warst Du mir, was Hippietum betrifft, als Exponent der hippiehassenden mit Punk Sozialisierten aufgefallen, als Inhaber einer gewohnheitsmäßigen Praxis des (Ab)Wertens, deren Entstehung prinzipiell dem zu ähneln schien, wie es z.B. dazu kommt, dass man berlinert oder sich als junger Mensch der Jungen Union zugehörig fühlt.)

    PS: Yeah! Keiner wird mehr ausgegrenzt! Alle gehören dazu! Peace!

    Hippie, äh, Happy (hohoho) New Year!

  7. 07
    flubutjan

    Hier eine lesenswerte Occupy-Zuarbeit:

    http://www.zeit.de/2012/01/Zehn-Gebote

  8. 08

    @#797795:
    Erst jetzt verstehe ich die unbedingte Notwendigkeit Privater Netzwerke.

    Allzuviel Geld bedeutet Inflation(Entwertung).
    Die Chinesen ärgerten sich über die Entscheidung der US-Notenbank,
    die Schulden zu minimieren indem einfach mehr Geld gedruckt wird.

  9. 09
    flubutjan

    Wen überrascht’s? Piraten fühlen sich FDP „nah“. Prosit Neujahr.

    http://de.nachrichten.yahoo.com/piratenpartei-erw%C3%A4gt-koalition-gr%C3%BCnen-fdp-123720019.html

  10. 10

    Chronicle

    ‚Wayback Machine‘ scheint den B Status wiederholt festigen zu wollen.
    Das haben auch schon andere, mittlerweile gut eingeführte Inhalte
    ebenso gemacht.