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Margaret Thatcher (1925 – 2013)

(UPDATE Der Artikel ist nun etwas länger geworden …)

Am 8. April 2013 verstarb Margaret Thatcher, die „Eiserne Lady“. Kaum jemand, den ich kenne und der den Thatcherismus erlebt hat, hat Gutes über ihre Politik zu berichten, und die Liste mit Anti-Thatcher-Songs aus dieser Zeit ist lang.

Diese aber aus Anlass ihres Todes zu posten oder ihr Ableben zu feiern, wäre geschmacklos. Und ändert vor allem: nichts. Stattdessen erinnert ihr Tod viel mehr daran, wie wichtig es ist, mehr Songs und Texte zu schreiben über diejenigen, die nach Thatchers Vorbild völlig lebendig im Hier und Jetzt unser Leben beeinflussen. Und sich aktiv dafür einzusetzen, dass skrupellose und unsoziale Politik, wie sie Margaret Thatcher zu ihrer Amtszeit vertreten und gemacht hat, nicht wieder und weiter passiert.

Um es mit den viel besseren Worten von Billy Bragg zu sagen:

This is not a time for celebration. The death of Margaret Thatcher is nothing more than a salient reminder of how Britain got into the mess that we are in today. Of why ordinary working people are no longer able to earn enough from one job to support a family; of why there is a shortage of decent affordable housing; of why domestic growth is driven by credit, not by real incomes; of why tax-payers are forced to top up wages; of why a spiteful government seeks to penalise the poor for having an extra bedroom; of why Rupert Murdoch became so powerful; of why cynicism and greed became the hallmarks of our society.

Raising a glass to the death of an infirm old lady changes none of this. The only real antidote to cynicism is activism. Don’t celebrate – organise!

UPDATE Oha. Jetzt kommt Morrissey. Und in den Kommentaren wird … naja: heftig diskutiert.

UPDATE Glenda Jackson, ehemalige Schauspielerin und jetzt MP für die Labour Party, fasst Thatcherismus zusammen. Bitte bis zum Ende anschauen, wenn Tony Baldry, MP der Conservative Party, die Tonalität ihrer Rede anzweifelt. Leider wird der Sprecher des britischen Unterhauses, John Bercow, im Clip während seiner Antwort darauf abgeschnitten, aber die Richtung wird klar und hörenswert ist das alles sehr.

UPDATE Billy Bragg erklärt, warum Margaret Thatcher ein so großer Einfluss für ihn war: Ohne sie wäre er nicht Sozialist geworden.

24 Kommentare

  1. 01

    Warum ist es geschmacklos, durchaus gute Songs zu posten? Zu Thatchers Lebzeiten waren diese nicht geschmacklos, warum jetzt urplötzlich?

    Oder waren deiner Ansicht nach Elvis Costellos „Tramp The Dirt Down“ oder Morrisseys „Margaret On The Guillotine“ schon immer geschmacklos — oder erst nun, da ihr Hassobjekt tatsächlich verstorben ist? Woher kommt eigentlich die merkwürdige Sitte, Menschen, denen man zu Lebzeiten keinen Respekt entgegenbringen konnte/wollte, nach ihrem Tod sinnloserweise diesen zu zollen?

    Organisieren ist gut, aber warum nicht beides? Celebrate and organise!

  2. 02

    Wenn die Kritik an Thatchers Politik in Anbetracht ihres Ablebens verstummen würde, blieben nur noch die propagandistisch reingewaschenen Lobpreisungen ihrer Verehrer übrig, was letztendlich sogar noch die Geschichte verzerrte…

  3. 03
  4. 04

    Es ändert nichts an der Thatcher-Vergangenheit oder ihrem politischen Erbe, wenn man jetzt feiert, das ist mein Hauptpunkt. Und am Todestag stehen die teilweise großartigen Songs natürlich in einem anderen Licht.

    Ich weiß aber gerade nicht, ob ich bei Diktatoren mit einer Genozid-Vergangenheit nicht anders argumentieren würde – vielleicht habt ihr also auch recht. Ich wüsste gerne, wie die Autoren der Songs das sehen, die ihr den Tod gewünscht haben (was – glaube ich – keiner von ihnen persönlich umgesetzt hätte).

    Ich sorge mich aber nicht um die Kritik an ihr. Der Guardian macht das gerade sehr stilvoll und geschickt, dass also nur die positiven Stimmen zu hören sind, wird zumindest dort sehr gut vermieden.

  5. 05
    plan9

    der beste artikel/meinungssammlung im guardian bezüglich thatcher ist meiner meinung nach jener:
    http://www.guardian.co.uk/books/2009/apr/11/thatcher-and-the-arts
    es gibt auch noch einen artikel (den finde ich aber grade nicht), in dem der autor argumente vorbringt, weswegen das „du sollst nicht schlecht über frisch verblichene reden“ bei menschen, die im licht der öffentlichkeit standen, nicht in dem maße greift wie bei privatpersonen.
    und thatcher war in ihrer aktiven zeit als politikerin keine privatperson, sondern eine, zudem höchst umstrittene, person des öffentlichen lebens.
    es gibt auch einen prima beweis dafür, dass keiner der songautoren, die ihr den tod gewünscht haben (und damit ein ende ihrer politik), diesen wunsch nie umgesetzt haben: thatcher starb mit 87!
    außerdem bin ich recht froh, dass nun, anlässlich ihres ablebens, thatchers politik wieder scharf unter die lupe genommen wird, nachdem man zu ihren lebzeiten -vor zwei jahren- mit einem schmerzhaft halbgaren bio-pic versucht hat, ihre politik zu banalisieren.

  6. 06
  7. 07
    plan9

    @#812009: jo! cheer… äh, danke!

  8. 08
    Michael

    Ja, es mag zynisch sein, aber Ken Loach hat es schön auf den Punkt gebracht:

    „How should we honour her? Let’s privatise her funeral. Put it out to competitive tender and accept the cheapest bid. It’s what she would have wanted.“

  9. 09

    Thatcher hat eine sehr aggressive Politik gefahren. Ohne Rücksicht auf Menschen, die nicht mit Metallellenbogen agierten. Die soziale Kälte erreichte Nordpoltemperaturen. Rigoros stampfte sie über die nicht ganz so schnellen, nicht ganz so smarten, nicht ganz so wohlhabenden Menschen hinweg. Ihre scharfe Spalterpolitik machte auch vor Krieg nicht halt. Man frage bei Familien nach die bei dem Falklandkrieg ihre Söhne verloren. Blutjung. einen sinnlosen Tod sterbend.

    Es gibt keinen Grund ihre Dampfwalzen-Politik zu beschönigen. In ihrer Amtszeit sind sehr gute Songs kreiert worden. Oftmals aus einer Atmosphäre der Wut und Ohnmacht.

    Nein, es gibt keinen Grund der Frau mit der Abneigung gegen menschliches Mitgefühl, Wärme und Solidarität (wenngleich dieses Wort auch von den Kommunisten zerschreddert worden ist) Tränen hinterherzuweinen.

  10. 10
    schläfer

    Die Grünen haben einmal anlässlich des Todes von Franz Josef Strauss die Formulierung „um den Menschen täte es ihnen leid“ gebracht. Die verwende ich zu solchen Gelegenheiten inzwischen auch.
    Interessant, dass selbst Hans-Dietrich Genscher, im Radio-Interview zu ihrem Tod befragt, Schwierigkeiten hatte, die Pietät zu wahren – das will bei einem jahrzehntelangen Chefdiplomaten schon etwas heißen. Anscheinend hat sie ihm zu Amtszeiten ganz schön zugesetzt.

  11. 11

    Jetzt meldet sich Morrissey zu Wort, siehe Link im Artikel-Update

  12. 12

    Jede Menge Updates oben …

  13. 13
    Sebastian

    Hallo Jonny,

    Warte mal ab welcher Hokus Pokus über uns herein bricht wenn Helmut Kohl das zeitlich segnet. Da möchte ich eigentlich preventiv auswandern.

  14. 14

    @#812024: Da hast du wahrscheinlich recht.

  15. 15
    plan9

    glenda jackson hat den geist des thatcherisms sehr gut auf den punkt gebracht: „people grew to know the prize of everything and the value of nothing“. das lässt sich gerade heutzutage eu-weit gut beobachten…

    des speakers „nothing unparliamentary has occured“ hat das zeug zum geflügelten wort!

  16. 16
    ber

    @#812026:

    I’d say „spot on“. Allerdings sind die Sitze auf Glenda Jacksons Seite größtenteils leer. Ist das stiller Protest oder fehlende Unterstützung durch die Parteigenossen/innen?

  17. 17
    ber

    @#812022: Bigmouth shreds again :)

  18. 18
    Mister T

    Was mir vor allem auffällt, ist der Irrglaube, dass es eine Person gewesen wäre, die alles verursacht hat. Gerade bei einer demokratisch gewählten Regierungschefin sollte man sich bewusst sein, dass diese Politik von der Mehrheit ins Amt gewählt (und in diesem Fall sogar wiedergewählt) wurde. Die tote demente Eisenfrau ist da mehr Symbolfigur als Schuldige.

  19. 19

    Just for the sake of balance sollte man auch mal schauen, was diejenigen schreiben, die ihre Politik als Befreiung empfanden, wie zB Andrew Sullivan: http://dish.andrewsullivan.com/2013/04/08/thatcher-liberator/
    Money Quote (wie es bei sullivan immer so schön heißt):
    „Thatcher’s economic liberalization came to culturally transform Britain. Women were empowered by new opportunities; immigrants, especially from South Asia, became engineers of growth; millions owned homes for the first time; the media broke free from union chains and fractured and multiplied in subversive and dynamic ways. Her very draconian posture provoked a punk radicalism in the popular culture that changed a generation. The seeds of today’s multicultural, global London – epitomized by that Olympic ceremony – were sown by Thatcher’s will-power.

    And that was why she ultimately failed, as every politician always ultimately does. She wanted to return Britain to the tradition of her thrifty, traditional father; instead she turned it into a country for the likes of her son, a wayward, money-making opportunist. The ripple effect of new money, a new middle class, a new individualism meant that Blair’s re-branded Britain – cool Britannia, with its rave subculture, its fashionistas, its new cuisine, its gay explosion, its street-art, its pop music – was in fact something Blair inherited from Thatcher.

    She was, in that sense, a liberator. She didn’t constantly (or even ever) argue for women’s equality; she just lived it.“

  20. 20

    @#812039: Oh je, sorry für die merkwürdige Verstümmelung deines Kommentars. Liegt daran, dass ein bestimmter Begriff aus rechtlichen Gründen hier nicht mehr auftauchen darf, in diesem Fall ist die Buchstabenkombination aber nicht zu beanstanden … ich kümmere mich drum.

  21. 21
    Mister T

    Das heißt jetzt radnationism.

  22. 22
    flubutjan

    @#812014: :-) Thumbs up!!

  23. 23

    Die Frau ist wohl die am meisten umstrittene Frau.

  24. 24

    Es gibt sicherlich mehr Themen und Personen, den ich zur Zeit einen Post widmen würde.