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Große Seeschlachten: Von Wikipedia bis C.H.Beck (Update)

UPDATE 29. April 2014 Es gibt hier ein offizielles Statement als PDF vom Verlag C.H.Beck zu der unten folgenden Sache. Die Analyse ist umfangreich, das Resultat kurz: „Aufgrund der Prüfung hat der Verlag beschlossen, das Buch nicht weiter auszuliefern.“ Dennoch lohnt sich die Lektüre des gesamten Statements. (Dank an @telemedicus!)

Ich bin sehr vorsichtig geworden, wenn es um wirkliche oder angebliche Skandale im Bereich von Urheberrechten und deren Verletzung geht. Ohne lange Recherche kommt man der tatsächlichen Wahrheit selten nahe.

Tatsächlich sieht es aber ganz so aus, als wäre die Entdeckung von Arne Janning, die er hier öffentlich auf Facebook dokumentiert und diskutiert, den ein oder anderen Medienartikel wert. Denn Arne weist nach, dass das geschichtswissenschaftliche Werk „Große Seeschlachten: Wendepunkte der Weltgeschichte von Salamis bis Skagerrak“ der Autoren Arne Karsten und Olaf B. Radar in offenbar sehr großen Teilen wörtlich und teilweise inklusive Fehlern aus der Wikipedia abgeschrieben wurde. Ohne, dass die Autoren darauf hinweisen. Diese Meldung findet sich mittlerweile auch in erzürnten Amazon-Rezensionen des Buches wieder.

Das Übernehmen von Wikipedia-Einträgen ist keineswegs verboten, nur schreiben die Lizenzbestimmungen u.a. vor, dass Leserinnen und Leser darüber nicht im Unklaren gelassen werden sollen. Und sollte es korrekt sein, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den Autoren Karsten und Rader für ihr Buch Forschungsreisen nach Venedig, Kopenhagen und San Francisco finanziert hat, dabei aber kaum mehr als die Abschriften der jeweiligen Wikipedia-Artikel herausgekommen sind, wäre das auch bemerkenswert.

Der Verlag C.H.Beck ist mir nicht als „schlechter“ Verlag bekannt, im Gegenteil. Es entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie, dass Bernhard von Becker, 2011 als Justiziar und Lektoratsleiter beim Verlag C.H.Beck, meint, „dass das Abschreiben urheberrechtlich nicht geschützter Inhalte kein Plagiat sei“. Und ebenfalls interessant könnte es werden, wenn das „DACH-Forum Urheberrechtsschutz“, das am 6. und 7. Mai 2014 in Berlin stattfindet, von Dr. Hans Dieter Beck eröffnet wird, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Verlagsgruppe C.H.Beck. Das Thema: Seine Unternehmerperspektive auf die illegale Online-Verwertung von Inhalten.

Vielleicht sagt er ja auch noch den ein oder anderen Satz über die illegale Offline-Verwertung von Online-Inhalten.

15 Kommentare

  1. 01
    Gerald

    Die Inhalte der Wikipedia sind NICHT urheberrechtlich frei, sie stehen unter der Lizenz CreativeCommons_BY_SA_3.0, was bedeutet, dass sie unter Nennung des Ursprungs (BY) und unter den gleichen Bedingungen (SA= share alike) weitergegeben werden dürfen.
    Beides wäre dann, falls die Behauptungen stimmen, in diesem Fall NICHT erfolgt.

  2. 02

    Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens erfordert nun mal Quellenangaben, wenn man Quellen verwendet.
    Wie wer jetzt „Plagiat“ definiert, ist dabei unwesetlich – und schon fast lächerlich.

  3. 03
    Gast

    Danke für den Artikel. Eine Bemerkung hätte ich aber dazu noch: Wie schon in den Kommentaren zu Jannings FB-Posting nach einigen Missverständnissen darüber zu lesen war und mittlerweile zwei Kommentatoren auf Amazon http://www.amazon.de/review/R3OQC4J9SUARNF/ anmerkten, sind die beiden „erzürnten Amazon-Rezensionen“ leider keine guten Beispiele für den Umgang mit dieser Affäre. Die (zeitlich) erste (ihrerseits kommentierte) ist selbst ein Plagiat eines Trittbrettfahrers, der es als Rezensent bisher nur mal geschafft hatte, im Laden in ein Backbuch zu sehen und die zweite gibt auch keine Quellen für ihre Erkenntnisse an. Hauptsache mal als erste dort etwas gepostet… MfG

  4. 04

    @#820892: Du hast recht, guter Stil geht anders.

  5. 05

    Krasser Type, dieser Bernhard von Becker. Ein Plagiat ist, wenn man einen fremden Text als den eigenen ausgibt. Mit möglichen Nutzungsrechten hat das zunächst gar nicht so viel zu tun, die kommen dann als zweites Problem noch oben drauf.

    Wenn man schon ohne Honorar für Wikipedia schreibt, möchte man wenigstens die Ehre bekommen. Da können schnell die Emotionen der Autoren hochkochen.

    Ich sehe das so: Wer im Netz was für fair-use verschenkt, der möchte eben auch die Ehre. Egal, was er verschenkt. Und die drückt sich aus in der Namensnennung. Letztendlich steckt hinter der Namensnennung aber auch die Utopie, doch noch irgendwie ein paar Kröten oder den ganzen großen Durchbruch mit seinem Geschenk an die Netzwelt zu machen. (Tröstet Euch, it’s not going to happen.)

  6. 06
    Hannes

    Randnotiz: Ich finde Sätze wie „öffentlich auf Facebook dokumentiert und diskutiert“ einfach fehl am Platze.
    Gerade wenn wie in diesem Fall Interesse an einer öffentlichen Diskussion besteht, sollte man festhalten, dass Diskussionen auf der Webseite eines privaten amerikanischen Unternehmens eben nicht im öffentlichen Raum stattfinden.

  7. 07

    @#821000: Es gibt FB-Nutzer, die ihre Beiträge nur Kontakten zugänglich machen, dieser ist für alle Nutzer sichtbar, daher der Begriff „öffentlich“. Und die Debatte ist ja hier nun in einer wirklich öffentlichen Form und nicht auf der Seite eines amerikanischen Unternehmens verfügbar, kann also hier geführt werden.

  8. 08
    Etta

    In der Tat ist die Frage, was das Urheberrecht sagt, bei der Frage nach dem Job eines Wissenschaftlers (nämlich fremde Gedanken als solche zu kennzeichnen und deren Quelle nachzuweisen) völlig irrelevant. Selbst wenn ein Wissenschaftler Texte gemeinfreier Autoren zitiert, verlangt seine Tätigkeit, dass er das offenlegt. Das ist mit Plagiat gemeint.

  9. 09
    Patrick

    „Es entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie, dass Bernhard von Becker, 2011 als Justiziar und Lektoratsleiter beim Verlag C.H.Beck, meint (…)“

    Es beweist vor allem, dass er für seinen Job offensichtlich ziemlich ungeeignet ist. Auch mit der (von dir vergessenen) Einschränkung seiner Aussage, dass es „zumindest im urheberrechtlichen Sinne kein Plagiat“ sei.

    Denn was – außer einem Plagiat, gerade und insbesondere im Sinne des Urheberrechts – soll es denn sonst sein?

    Will er unterstellen, dass die Inhalte in der Wikipedia die Schöpfungshöhe nicht erreichen und deshalb nicht vom Urheberrecht erfasst werden?

    Wenn nicht, ist das Kopieren von Wikipedia-Inhalten ohne Einhalten der vom Urheber vergebenen Lizenzbedingungen (Namensnennung!) nichts anderes als eine unzulässige Verwertung (= unrechtmäßige Aneignung).

  10. 10
    Christian Severin

    Wenn ich auf den FB-Link klicke, kriege ich eine „Page Not Found“-Seite.

  11. 11

    @#844171: Interessant. Ich frage mal nach.